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Würde

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Dieser Artikel bezieht sich auf den sittlichen Wert „Würde“, für den gleichnamigen Bach im Saalekreis (Sachsen-Anhalt) siehe Würde (Salza).

Der Begriff Würde (lateinisch dignitas) bezeichnet die Eigenschaft, eine einzigartige Seinsbestimmung zu besitzen. Sie kann einem Lebewesen, einem System von Lebewesen, aber auch einer natürlichen oder menschlichen Schöpfung zugesprochen werden. Zumeist wird die Seinsbestimmung von Menschen in einem moralischen Sinne verstanden oder als ein in einer Wertehierarchie hoher Rang bzw. eine Vorrangstellung von Personen. Traditionell wurde der Ausdruck auch auf politische oder soziale Einheiten angewandt, etwa auf den römischen Staat und seine Bürger oder auf gesellschaftliches Ansehen bzw. Stellung, wie sie etwa dem erblichen Adel zukamen. In jüngerer Literatur wird auch von einer Würde der Natur oder sogar jeden Lebewesens gesprochen. Mit dem Begriff der Menschenwürde wird die besondere Seinsbestimmung bezeichnet, die jeden Menschen von allen anderen Lebewesen unterscheidet.[1]

Die Tätigkeit, einer Person die Würde zuzusprechen oder diese anzuerkennen wird als (das) Würdigen oder (die) Würdigung bezeichnet.

Begriff

Wortherkunft und -geschichte

Würde (von althochdeutsch wirdî; mittelhochdeutsch wirde) ist sprachgeschichtlich verwandt mit dem Wort „Wert“ und bezeichnete anfänglich den Rang, die Ehre, das Verdienst oder das Ansehen einer einzelnen Person.[2]

Umgangssprache

Umgangssprachlich hat Würde unterschiedliche Bedeutungen:

  • Im allgemeinen Sprachverständnis bezeichnet Würde den Achtung gebietenden Wert eines Menschen und die ihm deswegen zukommende Bedeutung.
  • Von Würde im Sinne von Erhabenheit spricht man im Zusammenhang von Ritualen, Institutionen und dergleichen („eine würdige Feier“, „die Würde des Staates“).
  • Von Würde wird auch im Zusammenhang mit einem Titel, bestimmten Ehren und/ oder hohem Ansehen verbundenen Ämtern gesprochen (vgl. die „Würde des Amtes“, etwa des Bundespräsidenten, die „nicht beschädigt werden darf“).[3] Dementsprechend werden besonders im gehobenen Sprachgebrauch die Träger besonderer weltlicher wie geistlicher Ämter als Würdenträger bezeichnet.

Was hier als würdig oder nichtswürdig (würdelos, schändlich) empfunden wird, ist weder allgemein definierbar noch konstant, sondern unterliegt wie alle Wertvorstellungen ständigem sozialen Wandel. Vgl. dazu immerhin Friedrich Schillers Gedicht Würde der Frauen.

Umgangssprachliche Redewendungen sind etwa:

  • Das ist unter meiner Würde.
  • Da wird die Würde mit Füßen getreten.

Der Unterschied zu Ehre oder Ruhm ist zu beachten: Während Ehre und Ruhm einen äußeren, etwa durch eine Gesellschaft vermittelten Wert darstellen, liegt der Wert der Würde im Inneren eines jeden Menschen selbst.

Ideengeschichte

Christlich geprägte Anthropologie

Das Christentum interpretiert die alttestamentliche Rede vom Menschen als Ebenbild Gottes und von seiner Vorrangstellung unter Gottes Geschöpfen traditionell dahingehend, dass seine Würde gottgegeben und nicht verlierbar ist. Sie komme jedem Menschen als solchem zu und sei mithin unabhängig von Lebensumständen oder Verhalten.

Giovanni Pico della Mirandola

Derjenige, der den Begriff der Würde des Menschen (lat. dignitas hominis) als erster formuliert, ist der Renaissance-Philosoph Giovanni Pico della Mirandola. Die Würde des Menschen gründet nach Pico della Mirandola darauf, dass, zugespitzt formuliert, die Natur des Menschen darin liegt, dass er keine (festgelegte) Natur hat, dass, mit anderen Worten, er die Freiheit hat, sein Wesen selbst zu schaffen. Den Schöpfer lässt Pico zu Adam sagen: „Keinen bestimmten Platz habe ich dir zugewiesen, auch keine bestimmte äußere Erscheinung und auch nicht irgendeine besondere Gabe habe ich dir verliehen, Adam, damit du den Platz, das Aussehen und alle die Gaben, die du dir selber wünschst, nach deinem eigenen Willen und Entschluss erhalten und besitzen kannst. Die fest umrissene Natur der übrigen Geschöpfe entfaltet sich nur innerhalb der von mir vorgeschriebenen Gesetze. Du wirst von allen Einschränkungen frei nach deinem eigenen freien Willen, dem ich dich überlassen habe, dir selbst deine Natur bestimmen.“ Diese Selbstbestimmung des Menschen macht, nach Pico, seine Würde aus.

Europäische Aufklärung

Seit der Aufklärung wurde im Unterschied zur vorherigen konkreten Bedeutung mit „Würde“ verstärkt ein abstrakter sittlicher, moralischer Wert bezeichnet, der letztlich eine Qualität des Handelns (Würde als Gestaltungsauftrag) oder, noch abstrakter, eine den Menschen allgemein immanente Eigenheit (Würde als Wesensmerkmal) bezeichnet. Damit verband sich oft der Gedanke eines Gestaltungsauftrags, der durch das Individuum und die Gesellschaft zu verwirklichen ist.

An das Individuum gerichtet, findet dies Ausdruck bei Friedrich Schiller in Über Anmut und Würde (1793): Beherrschung der Triebe durch die moralische Kraft ist Geistesfreiheit, und Würde heißt ihr Ausdruck in der Erscheinung. Auch die Würde hat ihre verschiedenen Abstufungen und wird da, wo sie sich der Anmut und Schönheit nähert, zum Edeln, und wo sie an das Fruchtbare grenzt, zur Hoheit. Der höchste Grad der Anmut ist das Bezaubernde, der höchste Grad der Würde ist Majestät.

Immanuel Kant

Immanuel Kant begründet die Menschenwürde in mehreren seiner Schriften zur praktischen Philosophie, insb. in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, der Metaphysik der Sitten und der Kritik der praktischen Vernunft, mit der Vernunft des Menschen, die sich nur selbst ihr eigenes Gesetz (für die Beurteilung des moralisch Guten) gibt (und darum „autonom“ heißt). Handlungsbewertungen bewegen sich nach Kant in einem Strukturganzen, das er „Reich der Zwecke“ nennt und von den Sach- und Kausalzusammenhängen, welche die theoretische Vernunft beschreibt, absetzt. In diesem „Reich der Zwecke“ hat alles einen (je mehr oder weniger hohen) Preis oder aber Würde. Ein „Zweck an sich“ hat keinen relativen Wert wie der Preis, kann also nicht durch andere Zwecke aufgewogen werden. Er hat stattdessen einen inneren Wert, die Würde, die auf der Fähigkeit praktisch-vernünftiger Wesen beruht, Handeln autonom als moralisch gut (oder moralisch böse) zu bewerten (sog. Moralität oder Sittlichkeit). Die Würde kommt damit dem Menschen als solchen (nicht aufgrund irgendwelcher akzidenteller Eigenschaften) zu, Kant formuliert auch: „der Menschheit“. Eine andere Formulierung für die nicht-verrechenbare Würde des Menschen als solchen ist die Formulierungsvariante des obersten Moralprinzips Kants (sog. Kategorischer Imperativ), Menschen je (immer auch) als Zweck an sich selbst (also nie nur als Mittel zu einem davon absetzbaren, relativen Zweck) zu behandeln.[4]

Friedrich Schiller

Friedrich Schiller sieht in der Würde den Ausdruck einer erhabenen Gesinnung. Dabei sieht Schiller im freien Willen des Menschen den entscheidenden Unterschied zum Tier. Würde entstehe dann, wenn sich der Wille des Menschen über seinen Naturtrieb erhebe: „Beherrschung der Triebe durch die moralische Kraft ist Geistesfreiheit, und Würde heißt ihr Ausdruck in der Erscheinung.“ (Friedrich Schiller, Über Anmuth und Würde)

Schiller sah die Würde indes nicht als idealistische Träumerei, sondern aufbauend auf der Befriedigung elementarer Bedürfnisse und der Überwindung materieller Not (vergleiche sein 1797er Distichon Würde des Menschen):[5]

„Nichts mehr davon, ich bitt euch. Zu essen gebt ihm, zu wohnen.
Habt ihr die Blöße bedeckt, gibt sich die Würde von selbst.“

Bertolt Brecht

Fast synonym zu Schillers Epigramm über die Würde des Menschen schrieb Bertolt Brecht in seiner Dreigroschenoper: „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.“ Er unterbreitet in seinem Text Fünf Schwierigkeiten beim Schreiben der Wahrheit den Vorschlag, das Wort „Ehre“ durch das Wort „Menschenwürde“ zu ersetzen, und weist damit auf den fundamentalen Unterschied zwischen beiden Prinzipien hin: Die Ehre ist etwas Äußeres, die Würde etwas Inneres.

Begriffsverwendungen im Recht

Menschenwürde

Hauptartikel: Menschenwürde

Rechtlich gibt es mehrere Begriffe der Würde:

  • Verfassungsrechtlich ist nach Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes „die Würde des Menschen ist unantastbar“, sie wird als unveränderliches (vorkonstitutionelles) Grundrecht angesehen und beginnt mit seiner Zeugung (umstritten). Sie ist unmittelbar geltendes Recht, nicht nur eine Absichtserklärung. Die Würde des Menschen ist oberster Wert des Grundgesetzes.[6] Darüber hinaus sollen die allgemeinen Menschenrechte ein würdevolles Dasein sichern. Die Menschenwürde wird somit einerseits zum „tragenden Fundament der Menschenrechte“, andererseits aber auch zu deren höchstem Ziel, wenn auch vielleicht unerreichbaren Ideal. Für Franz Josef Wetz besteht weltanschauungsneutral (insoweit möglich) „der wahre Gehalt menschlicher Würde in verwirklichten Menschenrechten – einem Leben in körperlicher Unversehrtheit, freiheitlicher Selbstbestimmung und Selbstachtung sowie in sozialer Gerechtigkeit“.[7]
  • Zu einigen Zeiten war öffentlichrechtlich „eine Würde“ eine hohe Titulatur mit innewohnender Verpflichtung (vgl. „jemanden in Amt und Würden einsetzen“ – historisches Beispiel: ein mittelalterlicher Kaiser wie Otto der Große hatte dies als Würde [Titel mit Pflicht] inne, aber er amtete kraft dessen, dass er zugleich der deutsche König [grundsätzlich Alleinherrscher] war).
  • Der strafrechtlich bewehrte „Schutz der Totenruhe“ in Deutschland geht implizit davon aus, dass der Mensch auch als Toter eine Würde hat (so 2005 in der Strafrechtsprechung anlässlich eines Falles von Kannibalismus).

Tierwürde

Der Begriff der Würde ist auch in rechtlichen Festlegungen keineswegs auf den Menschen beschränkt. Auch Tieren wird eine Würde zugesprochen. So wurde in einer Volksabstimmung am 17. Mai 1992 zur Regelung von Fortpflanzungsmedizin und Gentechnik der Art. 120Vorlage:Art./Wartung/ch-Suche in der Schweizer Bundesverfassung verabschiedet.[8] Im zweiten Absatz hat die Würde der Kreatur mit folgendem Wortlaut Eingang gefunden:

„Der Bund erlässt Vorschriften über den Umgang mit Keim- und Erbgut von Tieren, Pflanzen und anderen Organismen. Er trägt dabei der Würde der Kreatur sowie der Sicherheit von Mensch, Tier und Umwelt Rechnung und schützt die genetische Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten.“[8][9]

Bereits am 25. Juni 1980 wurde der Begriff Würde der Kreatur in Art. 14Vorlage:Art./Wartung/ch-Suche der Verfassung des Kantons Aargau zur Begrenzung der Freiheit der Forschung und Lehre eingeführt. Dort heißt es:

„Die wissenschaftliche Lehre und Forschung sowie die künstlerische Betätigung sind frei. Lehre und Forschung haben die Würde der Kreatur zu achten.“[8]

Literatur

Begriffsgeschichte

Überblicksdarstellungen
Antike
Mittelalter
  • P. Kondylis u.a.: Art. Würde, in: O. Brunner / W. Conzer / R. Koselleck (Hgg.): Geschichtliche Grundbegriffe 7 (1997), 637-677.

Systematische Literatur

Überblicksdarstellungen
Sammelbände
  • R. S. Dillon (Hg.): Dignity, Character, and Self-Respect, New York: Routledge 1995.
  • Michael Fischer (Hg.): Der Begriff der Menschenwürde, Frankfurt am Main u. a.: Lang ²2005, ISBN 3-631-54223-2
  • Ph. Balzer / K. P. Rippe / P. Schaber: Menschenwürde vs. Würde der Kreatur, Freiburg 1998.
  • R. Gröschner / S. Kirste / O. Lembcke (Hg.), Des Menschen Würde – entdeckt und erfunden im Humanismus der italienischen Renaissance, Tübingen 2008
Monographien
  • P. Schaber: Instrumentalisierung und Würde, Paderborn: Mentis 2010.

Weblinks

Wikiquote: Würde – Zitate
Wiktionary: Würde – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Vgl. zum Vorstehenden und zur Ideengeschichte siehe auch A. Grossmann: Art. Würde, in: HWPh, Bd. 12, S. 1088–1093.
  2. Vgl. zur Etymologie und zur Verwendung in älterer deutschsprachiger Literatur: Jacob Grimm / Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch, 16 Bde. [in 32 Teilbänden], S. Hirzel, Leipzig 1854-1960, Bd. 30, 2060-2088, Online.
  3. Eintrag Würde auf der Website des Duden-Verlags.
  4. Vgl. auch Rudolf Eisler: Art. „Würde“, in: Ders.: Kant-Lexikon, Nachschlagewerk zu Kants sämtlichen Schriften, Briefen und handschriftlichen Nachlaß, Berlin 9. A. 1930.
  5. in: Gesammelte Werke, Bd. 3, Gütersloh 1976, S. 438
  6. BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 1980, Az. 1 BvR 185/77, BVerfGE 54, 148 - Eppler.
  7. Franz Josef Wetz, Die Würde des Menschen: antastbar?, S. 16.
  8. 8,0 8,1 8,2 Heike Baranzke: Würde der Kreatur?: Die Idee der Würde im Horizont der Bioethik. Königshausen & Neumann, Bonn 2002, ISBN 3826023331, S. 15 (Dissertation, Universität Bonn, Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche, abgerufen am 16. Juni 2009).
  9. SR 101, Art. 120 Gentechnologie im Ausserhumanbereich Abs. 2Vorlage:Art./Wartung/ch-Suche
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