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Vom Fischer und seiner Frau

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Dieser Artikel behandelt das Märchen; zu anderen Bedeutungen siehe Vom Fischer und seiner Frau (Begriffsklärung).
Vom Fischer und seiner Frau; Darstellung von Alexander Zick

Von dem Fischer un syner Fru (Vom Fischer und seiner Frau) ist ein plattdeutsches Märchen (ATU 555) von Philipp Otto Runge. Die Brüder Grimm nahmen es an 19. Stelle (KHM 19) in ihre Sammlung der Kinder- und Hausmärchen auf, bis zu deren 4. Auflage der Titel Von den Fischer und siine Fru, Von dem Fischer un siine Fru, Van den Fischer un siine Fru bzw. Van den Fischer und siine Fru lautete.

Inhalt

Ein Fischer, der mit seiner Frau in einer armseligen, als „Pissputt“ bezeichneten Hütte lebt, angelt im Meer einen Butt, der als verwunschener Prinz um sein Leben bittet; der Fischer lässt ihn wieder frei. Als Ilsebill, die Frau des Fischers, das hört, fragt sie ihn, ob er sich denn im Tausch gegen die Freiheit des Fisches nichts von ihm gewünscht habe. Sie drängt ihren Mann, den Butt erneut zu rufen, um sich eine kleine Hütte zu wünschen. Diesen Wunsch erfüllt ihm der Zauberfisch. Doch schon bald ist Ilsebill damit nicht mehr zufrieden. Erneut verlangt sie von ihrem Mann, den Butt an Land zu rufen und einen größeren Wunsch vorzutragen.

Der bekannt gewordene Refrain mit des Fischers Ruf an den Butt lautet jedes Mal:

Manntje, Manntje, Timpe Te,
Buttje, Buttje inne See,
myne Fru de Ilsebill
will nich so, as ik wol will.[1]

Der Fischer teilt die Wünsche seiner Frau nicht, beugt sich aber trotz wachsender Angst ihrem Willen. Je maßloser Ilsebills Wünsche werden, desto mehr verschlechtert sich das Wetter. Die See wird erst grün, dann blauviolett, dann schwarz, und immer heftiger wird der Sturm. Nach der Hütte verlangt sie ein Schloss. Als sie auch damit nicht zufrieden ist, möchte sie König, Kaiser und schließlich Papst werden. Alle diese Wünsche werden vom Butt erfüllt und angekündigt mit der Formel: „Geh nur hin, sie ist es schon.“

Als sie schließlich fordert, wie der liebe Gott zu werden, wird sie wieder zurück in die armselige Hütte versetzt, wie am Anfang. („Ga man hen. Se sitt all weder in’n Pissputt.“)

Herkunft

Philipp Otto Runge schickte Johann Georg Zimmer, dem Verleger von Achim von Arnims Des Knaben Wunderhorn, in einem Brief vom 24. Januar 1806 das eigenhändig aufgezeichnete Märchen, zusammen mit einem weiteren, das als Von dem Machandelboom ebenfalls in Grimms Märchen eingehen sollte. Er gab in dem Brief an, sich an die mündliche Überlieferung gehalten zu haben, wie es sich angehört habe, und fand es eigentlich erhaben Patetisch und wird durch die Kümmerlichkeit u gleichgültigkeit des Fischers sehr gehoben. Der Sprachform des Textes nach mischten sich vielleicht pommersche Kindheitserinnerungen mit neueren aus Hamburg. Runge hatte die Märchen wohl schon früher bei Erzählabenden wiedergegeben. Offenbar auf Achim von Arnims öffentlichen Aufruf hin, volksläufige Literatur einzusenden, schrieb er sie auf. Über diesen gelangte sein Text an die Brüder Grimm. Runge schrieb später noch mindestens drei weitere, variierte Fassungen, von denen eine in Abschrift Friedrich Heinrich von der Hagens 1812 durch Johann Gustav Büsching veröffentlicht wurde.[2]

Grimms Erstdruck von 1812 beruhte auf Runges erster Fassung, von der Wilhelm Grimm 1808 eine Abschrift erstellte. Büschings Erstveröffentlichung hatte wenig Einfluss. Ab der 5. Auflage von 1843 beruhte Grimms Text stattdessen auf Runges vierter Fassung, die sein Bruder Daniel 1840 in schlechtem Hamburgerisch abdruckte. Grimms spätere Auflagen unterscheiden sich nicht.[3]

Rezeption und Deutung

  • Die Brüder Grimm erhielten ihre Fassung in vorpommerischer Mundart von Philipp Otto Runge. Er hat die Handlung im Bereich seiner Heimat Wolgast, möglicherweise am Achterwasser angesiedelt. In Warthe am Achterwasser ist ein entsprechendes touristisches Arrangement aufgebaut.
  • In der Stadt Stade befindet sich ein Brunnen, der die Szene des Anglers am Wasser mit dem Butt zeigt.
  • Vordergründig handelt es sich um eine moralisierende Parabel mit der Volksweisheit, dass Maßlosigkeit damit bestraft wird, alles zu verlieren. Zeitgenossen verstanden das Märchen als Satire auf Napoleon und seine Verwandtschaft.
  • Vgl. Mann und Frau im Essigkrug in Ludwig Bechsteins Deutsches Märchenbuch.
  • Der Psychoanalytiker Otto Gross begreift das Verhalten der Protagonisten als Ausdruck des der patriarchalischen Gesellschaft innewohnenden Machtwillens und verweist auf die Erkenntnis des Märchens, dass „Gott allein vor jedem fremden Eingriff in das Innerste gesichert ist“ (vgl. Otto Gross: Zum Solidaritätsproblem im Klassenkampf).
  • Psychiater Wolfdietrich Siegmund meint, der „Ilsebillweg“, der hochmütige Weg des unersättlichen Menschen, führe ins Verderben, wie auch bei Frau Trude. Im Gegensatz dazu zeigten Die drei Federn, Aschenputtel, Das singende springende Löweneckerchen den wagemutigen Weg des Glaubens, den demütigen Weg der Hoffnung und den starkmütigen Weg der treuen Liebe.[4]
  • Der Homöopath Martin Bomhardt vergleicht das Märchen mit dem Arzneimittelbild von Ignatia.[5]
  • Wilhelm Salber vergleicht Frauen, die alles in Dramatisierungen über andere tun, ohne selbst etwas damit anzufangen. Das Märchen zeige, wie alles Metamorphose und nicht auf abstrakten Sinn zu reduzieren ist.[6]
  • Der Psychotherapeut Jobst Finke liest das Märchen als verbreiteten Paarkonflikt, wenn Frauen, durch fehlende Zuwendung enttäuscht, sich etwa auf teure Kleider verlegen und Männer sich weiter zurückziehen.[7]
  • Der Lyriker und Herausgeber Jan Wagner, sieht in „der ehrgeizigen Ilsebill gar eine entfernte, plattdeutsche Cousine der Lady Macbeth.“ Er sieht in dem Märchen allerdings eher eine Burleske und kein Drama wie in Macbeth.[8]
  • Der Kabarettist Volker Pispers sieht in dem Märchen eine Analogie zum "Märchen vom Kapitalismus".[9]

Adaptionen

Fabian Busch und Katharina Schüttler im Juni 2013 während der Dreharbeiten zu einer Neuverfilmung im Rahmen der ARD-Reihe Sechs auf einen Streich.
  • Das Märchen ist auf diversen deutschen Theaterbühnen gespielt worden. Diese Bühnenadaptionen haben zeitgenössische psychosoziale Interpretationen der Beziehung zwischen Mann und Frau angeregt. Hierbei wird auch auf ein Versagen des Fischers eingegangen: Da der Mann die Wünsche seiner Frau einfach wörtlich erfüllt und Auseinandersetzungen mit ihr aus dem Weg geht, anstatt sich ihren tieferen Bedürfnissen und Beweggründen zuzuwenden, vernachlässige er seine Partnerin, was deren innere Unruhe, Unzufriedenheit und Maßlosigkeit noch verstärke.[10]
  • Eine Biedermeier-Posse mit dem Titel Die beiden Nachtwandler oder Das Notwendige und das Überflüssige schrieb der österreichische Theaterdichter Johann Nestroy 1836. Er übertrug das Thema ins wienerische Lokalkolorit und machte daraus ein märchenhaftes Zauberstück, das aber ganz ohne wirkliche Zaubereien auskam.
  • Das Märchen vom Fischer und seiner Frau. Ein großes buntes Weihnachtsmärchenspiel in 3 Aufzügen von Robert Bürkner
  • Der Komponist Friedrich Klose schuf 1902 die Oper Ilsebill. Das Märchen vom Fischer und seiner Frau.
  • Komposition von Othmar Schoeck: Vom Fischer und syner Fru op. 43 (1928–1930). Dramatische Kantate in 7 Bildern für 3 Solostimmen und Orchester. Libretto: Philipp Otto Runge (nach einem Märchen der Brüder Grimm). UA 3. Oktober 1930 Dresden (Staatsoper) unter der Leitung von Fritz Busch.
  • De Fisker un sien Fro. Fragment einer dramatischen Ballade (um 1930) von Moritz Jahn (1884–1979) in seinem Gedichtzyklus Ulenspegel un Jan Dood. Niederdeutsche Gedichte. In: Moritz Jahn: Gesammelte Werke II: Niederdeutsche Dichtungen. hrsg. von Hermann Blome, Göttingen 1963, S. 192–198.
  • De dumme Ilsebill, ist ein Mundart-Hörspiel des NDR aus dem Jahre 1958. Unter der Regie von Hans Mahler sprachen Otto Lüthje, Aline Bußmann und Günther Siegmund.
  • Bereits drei Jahre zuvor produzierte auch Radio Bremen ein mundartliches Hörspiel unter dem Titel Von dem Fischer und seiner Frau. Ein altes Märchen im neuen Gewande. Unter der Regie von Erich Keddy sprachen hier Heinrich Kunst, Erika Rumsfeld und Hans Rolf Radula.
  • Im Jahre 1962 entstand unter der Regie von August Everding ein Hörspiel für Kinder, in dem Hans Cossy, Edith Schultze-Westrum, Robert Graf und Benno Sterzenbach die Hauptrollen sprachen.
  • Das Märchen wurde für Günter Grass zum Ausgangspunkt seines Romans Der Butt (1977). Grass wendet dort als Feminist in mehreren Episoden von der Steinzeit über die Romantik bis zur Gegenwart die Schuldfrage neu und entlastet Ilsebill, die Frau als solche.
  • Ebenfalls 1977 erschien die Schallplatte Achterndiek von Hans Scheibner. Das Titellied verlegt die Geschichte in die Gegenwart. Die Wünsche der Frau beziehen sich auf einen Autobahnzubringer, einen Industriepark und ein Kernkraftwerk. Zuletzt stirbt der Fisch infolge der dadurch ausgelösten Umweltverschmutzung.
  • 1993 komponiert Wolfgang Söring die Oper Vom Fischer und seiner Frau (Libretto Barbara Hass) für Kinder ab 5 Jahren anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Theater für Kinder in Hamburg. Uraufführung am 28. Februar 1993
  • Der Komponist Georg Katzer schrieb „Vom Fischer un sin Fru...“, ein modernes Märchen für Solostimmen und / oder Chor a cappella
  • Feridun Zaimoglu schuf 2008 eine Neufassung des Märchens, zu der der Künstler Hans-Ruprecht Leiß 30 Lithografien paraphrasierte.[11]
  • Die Band Caputt verwendete das Märchen als Vorlage für den Song Mantje Mantje Timpe te.
  • Der Komponist Ingfried Hoffmann komponierte als Auftragsarbeit für die Kinderoper Köln die Jazzoper Vom Fischer und seiner Frau für Kinder ab 5 Jahren, Libretto Barbara Hass. Uraufführung 16. Mai 2010
  • 2017 entstand das Musical "Vom Fischer und seiner Frau" als Auftragswerk für die "Brüder Grimm Festspiele" in Hanau. Das Buch und die Liedtexte stammen von Kevin Schroeder, die Musik von Marc Schubring.

Verfilmungen

Ausgaben

Literatur

  • Philipp Otto Runge, Jacob und Wilhelm Grimm: „Von dem Machandelboom“. „Von dem Fischer un syner Fru“. Zwei Märchen textkritisch herausgegeben und kommentiert von Heinz Rölleke. (= Schriftenreihe Literaturwissenschaft. Band 79). WVT Wissenschaftlicher Verlag Trier, Trier 2008, ISBN 978-3-86821-045-3.
  • Verena Kast: Mann und Frau im Märchen. Eine psychologische Deutung. 2. Auflage. dtv, München 1988, ISBN 3-530-42101-4, S. 12–35.
  • Hans Jellouschek: Wie man besser mit den Wünschen seiner Frau umgeht. Das Märchen vom Fischer und seiner Frau. (= Weisheit im Märchen). Kreuz, Stuttgart 2001, ISBN 3-7831-1941-3.
  • Eberhard Rohse: Märchenmodelle als poetisches Potential zwischen Zeitroman und Theodizeediskurs: August Hinrichs' „Das Licht der Heimat“ und Moritz Jahns „De Fisker un sien Fro“. In: Eberhard Rohse, Dieter Stellmacher u. a. (Hrsg.): August Hinrichs und Moritz Jahn. Ein literaturwissenschaftlicher Vergleich. 1870–1970. (= Literatur – Sprache – Region. Band 8). Lang, Frankfurt am Main 2011, ISBN 978-3-631-60820-3, S. 217–254, bes. S. 243–254.
  • Hartmut Drewes: Das Märchen „Von dem Fischer un syner Fru“ – Überlegungen zu einer christlich-religiösen Deutung. In: Christian Stappenbeck, Frank-Rainer Schurich (Hrsg.): Gegen den Strom. Grüße an Dieter Kraft zum Fünfundsechzigsten von Freunden und Weggefährten. Köster, Berlin 2014, ISBN 978-3-89574-845-5.

Weblinks

 Commons: Vom Fischer und seiner Frau – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Wikisource: Vom Fischer und seiner Frau – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. „Manntje, Manntje, Timpe Te / kleiner Butt, kleiner Butt in der (Nord-)See / meine Frau, die Ilsebill (Verballhornung: „Illsebillse“ aus Isabella, der spanisch-portugiesischen Form des deutschen weiblichen Vornamens Elisabeth) / will nicht so, wie ich wohl will“
  2. Philipp Otto Runge, Jacob und Wilhelm Grimm: „Von dem Machandelboom“. „Von dem Fischer un syner Fru“. Zwei Märchen textkritisch herausgegeben und kommentiert von Heinz Rölleke. (= Schriftenreihe Literaturwissenschaft. Band 79). Wissenschaftlicher Verlag Trier, Trier 2008, ISBN 978-3-86821-045-3.
  3. Philipp Otto Runge, Jacob und Wilhelm Grimm: „Von dem Machandelboom“. „Von dem Fischer un syner Fru“. Zwei Märchen textkritisch herausgegeben und kommentiert von Heinz Rölleke. (= Schriftenreihe Literaturwissenschaft. Band 79). Wissenschaftlicher Verlag Trier, Trier 2008, ISBN 978-3-86821-045-3.
  4. Frederik Hetmann: Traumgesicht und Zauberspur. Märchenforschung, Märchenkunde, Märchendiskussion. Mit Beiträgen von Marie-Louise von Franz, Sigrid Früh und Wolfdietrich Siegmund. Fischer, Frankfurt am Main 1982, ISBN 3-596-22850-6, S. 124.
  5. Martin Bomhardt: Symbolische Materia medica. 3. Auflage. Verlag Homöopathie + Symbol, Berlin 1999, ISBN 3-9804662-3-X, S. 648.
  6. Wilhelm Salber: Märchenanalyse. (= Werkausgabe Wilhelm Salber. Band 12). 2. Auflage. Bouvier, Bonn 1999, ISBN 3-416-02899-6, S. 103–105, 112.
  7. Jobst Finke: Träume, Märchen, Imaginationen. Personzentrierte Psychotherapie und Beratung mit Bildern und Symbolen. Reinhardt, München 2013, ISBN 978-3-497-02371-4, S. 157, 205–206.
  8. Manntje, Manntje: „Der Fischer und seine Frau“. In: F.A.Z. Nr. 47, 24. Februar 2006, S. 37. (faz.net)
  9. Volker Pispers: Volker Pispers... bis neulich 2010. Hörbuch. Con anima, Düsseldorf 2010, ISBN 978-3-931265-87-8.
  10. theaterderdaemmerung.de
  11. edition-eichthal.de
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