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Volksbühne Berlin

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Volksbühne Berlin (Sommer 2015)

Die Volksbühne Berlin (vormals Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz) entstand 1890 während einer Gründungsversammlung des Vereins Freie Volksbühne. Von ihr spaltete sich im Jahr 1892 vorübergehend die Neue Freie Volksbühne ab, die durch den starken Zuwachs ab 1902 genug Mittel erhielt, sich auch ein eigenes Gebäude zu bauen. Das heutige Theater befindet sich am Rosa-Luxemburg-Platz im Ortsteil Mitte. Es entstand unweit des 1891 abgerissenen Victoria-Theaters. Es wurde zwar vor dem Ersten Weltkrieg als gemeinsames Haus der (später wiedervereinten) Freien Volksbühne und der Neuen Freien Volksbühne erbaut, hatte als solches jedoch nur bis zum 17. Mai 1933 Bestand. Ab 1947 wurde das Haus als Volksbühne unter Hoheit des FDGB bespielt. Nach dem Mauerfall übernahm es Frank Castorf. Dessen Amtszeit endete 2017. Ihm folgte Chris Dercon. Der ursprüngliche Zuschauerraum hatte drei Ränge mit 1968 Plätzen. In den 1960er Jahren wurde ihre Zahl auf die heutigen 800 verringert.[1][2]

Geschichte

Das Gebäude in seiner ursprünglichen Fassung vor der Zerstörung im Krieg (Foto von 1930)
Volksbühne vom Berliner Fernsehturm aus gesehen
Die Volksbühne im Januar 2017
Datei:David Woodard Exploding Beowulf.jpg
David Woodard im Roten Salon der Volksbühne Berlin (März 2010)

Durch Spenden der Mitglieder, sogenannte „Arbeitergroschen“, konnten beträchtliche Summen aufgewendet werden, um mit dem Bau eines Theaters zu beginnen. Von 1913 bis 1914 wurde es nach Plänen des Architekten Oskar Kaufmann im Scheunenviertel am damaligen Bülowplatz errichtet. Als erstes Theater Berlins präsentierte es sich im Stil der Moderne und war für etwa 2000 Personen ausgelegt.[3] Die Eröffnung erfolgte am 30. Dezember 1914.[4] Der zweite Intendant der Volksbühne am Bülowplatz, der heute Rosa-Luxemburg-Platz heißt, war von 1915 bis 1918 Max Reinhardt. Sein Nach-Nachfolger Fritz Holl engagierte den Theaterreformer Erwin Piscator, der mit seinen Arbeiten als Oberspielleiter der Volksbühne von 1924 bis 1927 zum Begründer des politischen Theaters wurde. So setzte Piscator Satireabende, Sprechchorwerke und politische Revuen im Auftrag der KPD in Szene, in denen er erstmals den Einsatz filmischer Mittel erprobte. In der nationalsozialistischen Zeit wurden zwei Spieleinrichtungen, das Theater am Horst-Wessel-Platz und das Theater in der Saarlandstraße unter dem Namen Volksbühne zusammengefasst.[3] Nach schweren Kriegszerstörungen und einer Zwischennutzung der Fläche vor dem Gebäude als Platz für die Berliner Trümmerbahn begann der Wiederaufbau des Hauses. Dazu wurde 1948 ein Wettbewerb organisiert, nach dem vorerst moderne Formen verwendet wurden, wie sie die seitlichen Anbauten dokumentieren. Der prägende Wiederaufbau von 1952 bis 1954 nach einem Entwurf von Hans Richter hatte zum Ziel, „[…] unter weitgehender Benutzung des alten Mauerbestandes ein neues Theater zu bauen.“ Die Wiederherstellung der Umfassungsmauern mit der monumental geschwungenen Hauptfront mit sechs Muschelkalksäulen verzichtete auf den bildkünstlerischen Schmuck von Franz Metzner, behielt aber die äußere Form bei. Anstelle der Kupferhaube und des Dachtambours wurden Flachdächer errichtet, somit erhielt das Bühnenhaus einen geraden Abschluss. Durch die Begradigung der elegant schwingenden Linien der Dachlandschaft erhielt der Baukörper eine wuchtigere stadträumliche Wirkung. Von 1974 bis 1977 prägte Benno Besson als Künstlerischer Oberleiter und Intendant das Erscheinungsbild der Volksbühne. Im Herbst 1989 beteiligten sich Schauspieler und Studenten der Volksbühne aktiv an den Massen-Protesten in der DDR, wie an der Berliner Großdemonstration am 4. November 1989, die zur friedlichen Revolution und zum Fall der Mauer führten.

Intendanz Frank Castorf

Unter dem neunzehnten Intendanten Frank Castorf sorgte das Theater seit 1992 immer wieder für Schlagzeilen. Neben Castorf entwickelten hier Regisseure wie Christoph Marthaler, Christoph Schlingensief, Dimiter Gotscheff und René Pollesch einige ihrer Inszenierungen. Das Ensemble ist berühmt für seine Schauspieler wie Henry Hübchen, Ralf Dittrich, Sophie Rois, Corinna Harfouch, Birgit Minichmayr, Kathrin Angerer, Bernhard Schütz, Herbert Fritsch, Martin Wuttke, Alexander Scheer, Ursula Karusseit und Klaus Mertens, von denen die meisten die Bühne inzwischen jedoch wieder verlassen haben.[5] Seit 1992 nutzt die Volksbühne eine weitere Spielstätte im traditionsreichen Altberliner Prater in der Kastanienallee im Stadtteil Prenzlauer Berg. Hier öffnet sich das Theater der Performance-Szene und gibt neben René Pollesch Gruppen wie Gob Squad, Forced Entertainment, She She Pop und SIGNA die Möglichkeit, ihre Arbeiten zu zeigen. Darüber hinaus existiert seit 1993 das Jugendtheater der Volksbühne P14. 2000 wurde Endstation Amerika als beste deutschsprachige Aufführung und beste Ausstattung für den Nestroy-Theaterpreis nominiert. 2003 konnten Bert Neumann und Jan Speckenbach für Forever Young den Nestroy-Theaterpreis für die beste Ausstattung gewinnen. 2006 erhielt Katrin Brack den Faust-Theaterpreis für das Bühnenbild nur aus Theaternebel in der Inszenierung Iwanow von Dimiter Gotscheff. Von März bis Oktober 2009 wurde das Haus saniert und war geschlossen. Neben dem Austausch der über fünfzig Jahre alten Bühnentechnik wurden der Zuschauerraum, die Verwaltungsbüros und der Brandschutz erneuert. Das Ensemble nutzte während der Bauphase stattdessen den Prater in Prenzlauer Berg. Von Mai bis August 2009 gab es außerdem Freilichtbühnen-Vorführungen auf dem Vorplatz der Volksbühne in einem provisorisch errichteten Amphitheater.[6] Am 11. November 2009 wurde das Große Haus der Volksbühne schließlich wiedereröffnet.[7] 2009 bezuschusste das Land Berlin jede Karte der Volksbühne im Schnitt mit 184 Euro;[8] im Jahr darauf erhielt die Volksbühne mit 141 Euro pro Karte immer noch die höchsten Subventionen unter den Sprechtheatern.[9] Herbert Fritsch inszenierte seit 2011 kontinuierlich an der Volksbühne. Fünf seiner Inszenierungen wurden zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Frank Castorf, René Pollesch, Christoph Marthaler und Herbert Fritsch prägten die letzten Jahre von Castorf Volksbühne künstlerisch. Castorfs Vertrag wurde vom Berliner Senat in der Sitzung vom 31. März 2015 um ein Jahr verlängert und lief noch bis Sommer 2017.[10] In den Jahren 2016 und 2017 kürten Theaterkritiker die Volksbühne zum deutschsprachigen Theater des Jahres. 2014 zählte die Volksbühne rund 143.000 zahlende Besucher, was einer Auslastung von 71 % entsprach.[10]

Die Süddeutsche Zeitung meldete Ende März 2015 unter Berufung auf mehrere Quellen, Chris Dercon sei als Nachfolger von Castorf im Gespräch.[11] Er wurde am 24. April 2015 offiziell als Nachfolger vorgestellt.[12]

Intendanz Chris Dercon

Nachdem schon die Berufung Dercons umstritten war, setzte sich der Protest nach dessen Arbeitsbeginn im Sommer 2017 fort. Das Team um den neuen Intendanten berichtete bereits vor der ersten Aufführung von hasserfüllten Briefen und E-Mails sowie täglichen Fäkalien vor der Bürotür.[13]

Dercons erste Spielzeit wurde am 10. September mit dem zehnstündigen Event "Fous de danse - Ganz Berlin tanzt auf Tempelhof" auf dem Tempelhofer Feld eröffnet, bei dem etwa 200 Künstler aus Berlin und dem Umland mitwirkten und für dessen Ausgestaltung der Choreograf Boris Charmatz hauptverantwortlich zeichnete. Ein eigenes Volksbühnen-Ensemble wurde nicht präsentiert. Mit dem Hangar 5 auf dem ehemaligen Flughafengelände in Berlin-Tempelhof will Dercon eine neue Spielstätte der Volksbühne etablieren.[14]

Mitte September kündigte eine Gruppe von Gentrifizierungsgegnern an, das große Haus der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz zu besetzen und einen dreimonatigen Alternativspielplan aufzuführen. Das Theater sei durch die Intendantur des bisher vor allem als Museumsmanager agierenden Dercons zum Symbol geworden für die Stadtentwicklung als Ganzes; Berlin, einst Sehnsuchtsort für Kreative, werde einer weltweiten Finanzelite als Beute dargeboten. Medienberichten zufolge soll auch ein früherer Assistent des gemeinsam mit Castorf ausgeschiedenen Volksbühnen-Chefdramaturgs Carl Hegemann zu den Aktivisten zählen.[15] Dieser dementierte jedoch eine Beteiligung.

Am 22. September 2017 besetzte die Gruppe mit dem Namen "Staub zu Glitzer" das Theaterhaus, reaktivierte den von Dercon abgeschafften offiziellen Namen "Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz" und forderte den Berliner Senat auf, Dercon für die dreimonatige Zeit der Besetzung eine alternative Spielstätte zur Verfügung zu stellen. Mitarbeiter des Hauses würden in eine "neue Situation ohne Hierarchien" integriert, ehemalige Castorf-Mitarbeiter seien eingeladen, sich aktiv zu beteiligen.[16] Die Besetzung wurde am 28. September 2017 von der Polizei beendet, nachdem zuvor Verhandlungen zwischen den Aktivisten, dem Kultursenator Klaus Lederer und Intendant Chris Dercon gescheitert waren. Da sich die Besetzer weigerten, das Theaterhaus freiwillig zu verlassen, erstatte Dercon Anzeige wegen Hausfriedensbruchs.[17]

Intendanten

1914–1932 1932–1965 1965–2017 seit 2017
Emil Lessing (1914–1915) Heinz Hilpert (1932–1934) Karl Holán (1965–1974) Chris Dercon (seit 2017)
Max Reinhardt (1915–1918) Bernhard zu Solms-Laubach (1934–1936) Benno Besson (1974–1978)
Friedrich Kayßler (1918–1923) Eugen Klöpfer (1936–1944) Fritz Rödel (1978–1990)
Fritz Holl (1923–1928) Fritz Wisten (1953–1961) W. Wagner, M. van de Kamp, A. Hahn (1990–1991)
Heinrich Neft (1928–1929) Wolfgang Heinz (1961–1963) Annegret Hahn (1991–1992)
Karl Heinz Martin (1929–1932) Maxim Vallentin (1963–1965) Frank Castorf (1992–2017)

Ehrenmitglieder

Siehe auch

Literatur

  • Tanja Bogusz: Institution und Utopie: Ost-West-Transformationen an der Berliner Volksbühne. Transcript, Bielefeld 2007.
  • Heinrich Braulich: Die Volksbühne. Theater und Politik in der deutschen Volksbühnenbewegung. Henschel, Berlin (DDR) 1976.
  • Cecil Davis: Volksbuhne Movement: A History. Routledge Chapman & Hall, Amsterdam 2000.
  • Antje Dietze: Ambivalenzen des Übergangs: Die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin in den neunziger Jahren. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2014, ISBN 978-3-5253-0171-5.
  • Thomas Irmer, Harald Müller (Hrsg.): Zehn Jahre Volksbühne: Intendanz Frank Castorf. Theater der Zeit, Berlin 2002.
  • Ute Kiehn: Theater im „Dritten Reich“: Volksbühne Berlin. wvb, Berlin 2001.
  • Siegfried Nestriepke: Geschichte der Volksbühne Berlin. 1. Teil: 1890 bis 1914. Volksbühne, Berlin 1930.
  • Hans-Dieter Schütt, Kirsten Hehmeyer: Castorfs Volksbühne. Schöne Bilder vom häßlichen Leben. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 1999.
  • Almut Schwerd: Zwischen Sozialdemokratie und Kommunismus. Zur Geschichte der Volksbühne von 1918–1933. von Koch, Planegg 1982.
  • Dieter Weigert: Das Theater in der urbanen Wüste. Der Bau der Volksbühne am Bülowplatz. In: Berlinische Monatsschrift 4/2000 beim Luisenstädtischen Bildungsverein

Weblinks

 Commons: Volksbühne Berlin – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Volksbühne in Berliner BezirkslexikonMitte
  2. volksbühne berlin: kollaboration als modell, S. 2, in: Chris Dercon wird neuer Intendant der Volksbühne, Senatskanzlei Berlin, Pressemitteilung vom 24. April 2015
  3. 3,0 3,1 Theater-Verzeichnis. In: Berliner Adreßbuch, 1940, Teil 1, S. 6 (Innenansicht).
  4. "100 Jahre Volksbühne im Berlin" In: Berliner Morgenpost vom 30. Dezember 2014
  5. Matthias Heine: Volksbühne Berlin: Fluchtpunkt Oberhausen. In: Die Welt Online, 10. März 2010
  6. Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz wird saniert. Presseerklärung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, 19. Februar 2009
  7. Volksbühne wird eröffnet. In: Tagesspiegel, 11. November 2009
  8. Staatsoper: Teure Kultur
  9. Land fördert jedes Ticket mit 100 Euro. In: Tagesspiegel
  10. 10,0 10,1 Pressemitteilung zur Sitzung des Berliner Senats vom 31. März 2015, abgerufen am 1. April 2015.
  11. Peter Laudenbach: Der Neue nach Castorf. Gezeitenwechsel? Der Museumsmann Chris Dercon soll wohl Chef der Berliner Volksbühne werden. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 75, 31. März 2015, ISSN 0174-4917, Seite 11.
  12. Neuer Intendant der Volksbühne: Chris Dercon stellt sich vor, Der Tagesspiegel vom 24. April 2015, abgerufen am 31. Juli 2015
  13. Weiter Streit um Berliner Volksbühne, Monopol Magazin vom 4. August 2017, abgerufen am 30. August 2017
  14. spiegel.de: Chris Dercons Tanzauftakt auf dem Tempelhofer Feld vom 11.9.2017, abgerufen am 23.9.17
  15. tagesspiegel.de: Widerstand gegen Dercon - Aktivisten wollen Volksbühne besetzen vom 21.9.2017, abgerufen am 23.9.17
  16. bz-berlin.de: Künstlerkollektiv besetzt Volksbühne in Berlin-Mitte vom 23.9.17, abgerufen am 23.9.17
  17. zeit.de: Polizei räumt Volksbühnenbesetzung, 28.9.2017, abgerufen am 28. September 2017
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