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Venetische Sprache (romanisch)

Aus Jewiki
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Venetisch
Sprecher 5 Millionen
Linguistische
Klassifikation
Sprachcodes
ISO 639-1:

ISO 639-2:

roa (sonstige Romanische Sprachen)

ISO 639-3:

vec

Das Venetische (auch Venezisch oder Venedisch; ven. Vèneto oder Łéngoa vèneta) ist eine romanische Sprache, die von etwa fünf Millionen Sprechern in der Region Venetien sowie Teilen der Region Friaul-Julisch Venetien, des Trentino und Istriens gesprochen wird. Venetisch gehört zur Gruppe der norditalienischen Dialekte. Aufgrund der tiefgreifenden Unterschiede zum Standarditalienischen wird es – ebenso wie die anderen norditalienischen Varietäten – zuweilen als eigenständige Sprache betrachtet.

Sowohl die Einwohner Venetiens als auch die Sprachwissenschaft unterscheiden in der Regel zwischen vèneto (Venetisch), der gesamten Dialektgruppe einschließlich aller lokalen Varietäten, und venesiàn (Venezianisch), der Varietät der Stadt Venedig, die zur Zeit der Republik Venedig als allgemeine Koine diente, heute jedoch nur eine von mehreren bedeutenden Stadtvarietäten innerhalb des Venetischen ist.

Das romanische Venetische darf nicht verwechselt werden mit der venetischen Sprache der Antike, einer ausgestorbenen Sprache, die in der Region Venetien zwischen dem sechsten und dem ersten Jahrhundert vor Christus geschrieben wurde und möglicherweise als Substratsprache Einfluss auf das in dieser Region gesprochene Latein und damit indirekt auch auf das romanische Venetische hatte.

Klassifikation

Venetisch geht wie alle anderen romanischen Sprachen auf das Lateinische zurück. Mit der Gruppe der norditalienischen Dialekte nördlich der Linie La Spezia-Rimini gehört es zu den westromanischen Sprachen und unterscheidet sich mitunter stark von der italienischen Standardsprache.

Die venetische Sprache hat gemäß ISO 639-3 den Code „vec“.

Merkmale

Von der italienischen Standardsprache unterscheidet sich das Venetische lautlich besonders auffällig dadurch, dass „dz“ anstelle des ital. „dsch“ gesprochen wird, sowie durch das Fehlen der typisch italienischen Konsonantenverdoppelung (z. B. Zanipólo für Giovanni e Paolo).

Wie in vielen Sprachen gibt es im Venetischen klitische oder unbetonte Pronomina für Dativ und Akkusativ (ghe ło digo =ich sage es ihm, span. „se lo digo“, it. „glielo dico“). Daneben gibt es aber auch Subjektklitika für den Nominativ, die obligatorisch sind (z. B. el varda =er betrachtet, er sieht an, it. „guarda“, span. „mira“, fr. „il regarde“) und interrogative Klitika, die wie Endungen verwendet werden (vàrdeło? =sieht ER an? ; vàrdito? / vàrdi(s)tu? =siehst DU an?). Die Subjektsklitika existieren in der italienischen Sprache nicht. Sie werden auch verwendet, wenn das Subjekt im Satz sichtbar ist: Marco el varda ła strada (Mark „er“ sieht die Straße an), Ti vientu? (Du kommst-du?) , 'Sa vàrdito ti? (Was betrachtest-du du?) , 'Sa vàrdeło Marco? (Was betrachtet-er Mark?, Was sieht Mark an?).

Im Venetischen gibt es wie auch im Deutschen das unpersönliche Passiv mit dem Hilfsverb xe stà=gh'è stà (wurde / ist...worden). Zum Beispiel:

  • gh'è stà tełefonà al dotor? = wörtl. „wurde (es) dem Arzt angerufen?“
  • xe stà parlà de ti = wörtl. „(es) wurde über dich gesprochen“

In vielen Wörtern gibt es Vokalveränderungen (Umlaut), vor allem bei Substantiven und Verben, die auf -i enden. Die geschlossenen mittleren Vokale ó/é werden dabei zu den hohen Vokalen u/i:

  • canton =cantón „Ecke“, cantuni „Ecken“
  • córo „ich renne“, curi „renn!“. Aber: coro „Chor“, cori „Chöre“ (kein Umlaut, da mit offenem „o“)
  • tóco „ich berühre“, te tuchi „du berührst“. Aber: toco „Stück“, tochi „Stücke“ (mit offenem o)
  • védo „ich sehe“, te vidi „du siehst“, vedivi „ihr saht“
  • véro =viéro „Glas, Fenster“, viri „Gläser“. Aber: vero „wahrer“, veri „wahre“ (mit offenem e)

Manchmal unterliegt auch der vorletzte Vokal einer Veränderung:

  • dotór „Doktor, Arzt“, duturi
  • moménto „Moment, Augenblick“, muminti

In einigen Varianten und in den Städten gibt es die Umlautbildung nicht und es kommt die „italienische“ Form zur Anwendung: te védi (it. „vedi“), cori (it. „corri!“), te tóchi (it. „tocchi“), dotóri (it. „dottori“).

Geographische Verbreitung

Karte der Sprachen und Dialekte Italiens. Im Nordosten hellgrün das Venetische.

Venetisch wird in folgenden Regionen gesprochen:

  • Venetien: Provinzen Padua, Treviso, Venedig, Verona, Vicenza, im überwiegenden Teil der Provinzen Belluno (dort wird auch Ladinisch gesprochen) und Rovigo (an der Grenze zur Emilia-Romagna spricht man den Dialekt von Ferrara)
  • Friaul-Julisch Venetien: im Westen der Provinz Pordenone, in den Küstengebieten (insbesondere Monfalcone, Grado, Muggia) und in Triest
  • Trentino: Im Osten der Provinz Trient (insbesondere im Suganertal) wird der eigentliche Trentiner Dialekt – obwohl dieser sprachwissenschaftlich eine gallo-italische Mundart ist – zudem stark vom Venetischen beeinflusst.
  • außerhalb Italiens: einige Teile Sloweniens und Kroatiens (Istrien und Dalmatien), einst auch in Montenegro, dessen deutscher Name selbst aus dem Venetischen stammt und „Schwarzer Berg“ bedeutet. Darüber hinaus auf den Ionischen Inseln insbesondere Korfu. Auf Kefalonia und Zakynthos bis ca. 1952. Durch demografische Änderungen nach dem großen Erdbeben (Auswanderung nach Patras, Athen und Übersee) erlosch die venetische Sprache, die sich dort nur in Volksliedern und Gedichten erhalten hat. Als Auswirkung der starken Auswanderung aus der Region nach Amerika im 19. Jahrhundert wird Venetisch ebenso an manchen Orten in Nord- und Südamerika gesprochen, etwa in der Stadt Chipilo in Mexiko oder in Brasilien in der Region Rio Grande do Sul.

Anerkennung

Am 28. März 2007 wurde das Venetische mit dem Gesetz über den Schutz und die Aufwertung der venetischen Sprache von der überwiegenden Mehrheit des Regionalrats von Venetien anerkannt.

Auch der Regionalrat von Friaul-Julisch Venetien hat am 17. Februar 2010 ein entsprechendes Gesetz zur Aufwertung der venetischen Mundarten verabschiedet.

Sprachgeschichte

Das Venezianische, ursprünglich die Varietät der Stadt Venedig, hatte zur Zeit der venezianischen Republik ein großes Prestige. Ein bemerkenswertes Dokument ist der Reisebericht „Il Milione“ des Venezianers Marco Polo in der venezianischen Übersetzung (die Originalfassung stammt von Rustichello da Pisa und ist in franko-italienischer Sprache geschrieben). Weitere bekannte Schriftsteller, die in venezianischem Dialekt geschrieben haben, sind Marino Sanudo (1466–1536) und Andrea Calmo (1509–1570).

Starken Einfluss nahm das Venezianische auch als Lingua franca auf die Handelssprache im Mittelmeerraum in der Frühen Neuzeit.

Das Venezianische übte zu dieser Zeit auch großen Einfluss auf die südslawischen Varietäten an der Ostküste der Adria aus, vor allem auf die čakavischen sowie die dalmatinischen štokavischen Dialekte des Kroatischen.

Im Lauf der Sprachgeschichte wurde das Venezianische als Schriftsprache durch das Toskanische verdrängt, das vor allem durch Dante Alighieri, Giovanni Boccaccio und Francesco Petrarca an Prestige gewann. Literarische Bedeutung erlangte das Venezianische erst im 18. Jahrhundert durch die Theaterstücke von Carlo Goldoni als Vorbild der italienischen Commedia dell’arte. Mit der Auflösung der Republik Venedig durch Napoleon Bonaparte 1797 und der Gründung des italienischen Nationalstaates infolge des Risorgimento, der das vom toskanischen Dialekt geprägte Standarditalienisch als Amtssprache einführte, verlor das Venezianische an Prestige und wurde für lange Zeit auf den Status eines nur mündlich gebrauchten Dialekts herabgestuft, der allerdings von vielen Menschen aller Generationen und jedes sozialen Status aktiv gesprochen wird. Erst in den letzten Jahren erlebte es, wie andere norditalienische Sprachen auch, eine Renaissance.

Heute wird Venetisch als diaphasische Varietät vor allem im informellen Kontext verwendet.

Textbeispiel

Aus dem Matthäusevangelium (Mt 3,1-8); Übersetzung von Gianjacopo Fontana (1859):

Venetisch: In sto tempo xe venguno Zuane el Batista a predicar in tel deserto de la Giudea, disendo: fè penitenza: perché el xe qua arente el regno dei cieli. Perché questo xe l'omo, che aveva parlà el profeta Isaia, col ga dito: ose de chi ciga in tel deserto: preparè la strada del signor: fè dreti i so trozi. Lu istesso po Zuane aveva indosso un abito de pelo de cameli, e una cintura de pele ligada ai so fianchi: e nol magnava altro che cavalete, e miel selvadego. Alora andava da lu Gerusalemme, e tuta la Giudea, e tuto el paese atorno del Giordano; e i gera batizai da lu in tel Giordano, confessai i so pecai. Ma col ga visto a vegnir a batizarse da lu tanti farisei, e Caducei, el ga dito a lori: razza de vipere, che ve ga insegnà a scampar da la colera futura? Fè donca fruto degno de penitenza.“

Italienisch[1]: In quei giorni comparve Giovanni il Battista a predicare nel deserto della Giudea, dicendo: «Convertitevi, perché il regno dei cieli è vicino!». Egli è colui che fu annunziato dal profeta Isaia quando disse: „Voce di uno che grida nel deserto: Preparate la via del Signore, raddrizzate i suoi sentieri“! Giovanni portava un vestito di peli di cammello e una cintura di pelle attorno ai fianchi; il suo cibo erano locuste e miele selvatico. Allora accorrevano a lui da Gerusalemme, da tutta la Giudea e dalla zona adiacente il Giordano; e, confessando i loro peccati, si facevano battezzare da lui nel fiume Giordano. Vedendo però molti farisei e sadducei venire al suo battesimo, disse loro: Razza di vipere! Chi vi ha suggerito di sottrarvi all'ira imminente? Fate dunque frutti degni di conversione.“

Deutsch[2]: Zu der Zeit kam Johannes der Täufer und predigte in der Wüste des jüdischen Landes und sprach: Tut Buße, das Himmelreich ist nahe herbeigekommen! Und er ist der, von dem der Prophet Jesaja gesagt hat und gesprochen: „Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg und macht richtig seine Steige!“ Er aber, Johannes, hatte ein Kleid von Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Lenden; seine Speise aber war Heuschrecken und wilder Honig. Da ging zu ihm hinaus die Stadt Jerusalem und das ganze jüdische Land und alle Länder an dem Jordan und ließen sich taufen von ihm im Jordan und bekannten ihre Sünden. Als er nun viele Pharisäer und Sadduzäer sah zu seiner Taufe kommen, sprach er zu ihnen: Ihr Otterngezüchte, wer hat denn euch gewiesen, daß ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet? Sehet zu, tut rechtschaffene Frucht der Buße!“

Literatur

  • Gianna Marcato & Flavia Ursini: Dialetti veneti. Grammatica e storia. Padova 1998. ISBN 88-8098-057-2
  • Alberto Zamboni: Italienisch:Areallinguistik IV a) Venezien, in: Lexikon der romanistischen Linguistik (LRL) vol. 4, 1988, 517-538.
  • Giuseppe Boerio: Dizionario del dialetto veneziano, Venezia 1829.

Weblinks

 Wikipedia auf Venezianisch

Einzelnachweise

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