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Vanitas! Vanitatum Vanitas!

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Vanitas! Vanitatum Vanitas! ist eine Ode des barocken Dichters Andreas Gryphius. Das Gedicht stammt aus dem Jahre 1643.

Text

Vanitas! Vanitatum Vanitas!

Die Herrlikeit der Erden
Mus rauch undt aschen werden/
Kein fels/ kein ärtz kan stehn.
Dis was vns kan ergetzen/
Was wir für ewig schätzen/
Wirdt als ein leichter traum vergehn.

Was sindt doch alle sachen/
Die vns ein hertze machen/
Als schlechte nichtikeit?
Waß ist der Menschen leben/
Der immer vmb mus schweben/
Als eine phantasie der zeit.

Der ruhm nach dem wir trachtẽ/
Den wir vnsterblich achten/
Ist nur ein falscher wahn.
So baldt der geist gewichen:
Vnd dieser mundt erblichen:
Fragt keiner/ was man hier gethan.

Es hilfft kein weises wissen/
Wir werden hingerissen/
Ohn einen vnterscheidt/
Was nützt der schlösser menge/
Dem hie die Welt zu enge/
Dem wird ein enges grab zu weitt.

Dis alles wirdt zerrinnen/
Was müh' vnd fleis gewinnen
Vndt sawrer schweis erwirbt:
Was Menschen hier besitzen/
Kan für den todt nicht nützen/
Dis alles stirbt vns/ wen man stirbt.

Was sindt die kurtzen frewden/
Die stets/ ach! leidt/ vnd leiden/
Vnd hertzens angst beschwert.
Das süsse jubiliren/
Das hohe triumphiren
Wirdt oft in hohn vnd schmach verkehrt.

Du must vom ehre throne
Weill keine macht noch krone
Kan vnvergänglich sein.
Es mag vom Todten reyen/
Kein Scepter dich befreyen.
Kein purpur/ gold/ noch edler stein.

Wie eine Rose blühet/
Wen man die Sonne sihet/
Begrüssen diese Welt:
Die ehr der tag sich neiget/
Ehr sich der abendt zeiget/
Verwelckt/ vnd vnversehns abfält.

So wachsen wir auff erden
Vnd dencken gros zu werden/
Vnd schmertz/ vnd sorgenfrey.
Doch ehr wir zugenommen/
Vnd recht zur blütte kommen/
Bricht vns des todes sturm entzwey.

Wir rechnen jahr auff jahre/
In dessen wirdt die bahre
Vns für die thüre bracht:
Drauff müssen wir von hinnen/
Vnd ehr wir vns besinnen
Der erden sagen gutte nacht.

Weil uns die lust ergetzet:
Vnd stärcke freye schätzet;
Vnd jugendt sicher macht/
Hatt vns der todt gefangen/
Vnd jugendt/ stärck vnd prangen/
Vndt standt/ vndt kunst/ vndt gunst verlacht!

Wie viel sindt schon vergangen/
Wie viell lieb-reicher wangen/
Sindt diesen tag erblast?
Die lange räitung machten/
Vnd nicht einmahl bedachten/
Das ihn ihr recht so kurtz verfast.

Wach' auff mein Hertz vndt dencke;
Das dieser zeitt geschencke/
Sey kaum ein augenblick/
Was du zu vor genossen/
Ist als ein strom verschossen
Der keinmahl wider fält zu rück.

Verlache welt vnd ehre.
Furcht/ hoffen/ gunst vndt lehre/
Vndt fleuch den Herren an/
Der immer könig bleibet:
Den keine zeitt vertreibet:
Der einig ewig machen kan.

Woll dem der auff ihn trawett!
Er hat recht fest gebawett/
Vndt ob er hier gleich fält:
Wirdt er doch dort bestehen
Vndt nimmermehr vergehen
Weil ihn die stärcke selbst erhält.

Form

Die fünfzehn Strophen des Gedichts folgen dem bekannten Versmaß von "Innsbruck/O Welt ich muss dich lassen" (16. Jahrhundert), auf dem auch "Nun ruhen alle Wälder" von Paul Gerhardt (1647) und Claudius' Abendlied "Der Mond ist aufgegangen" (1779) beruhen: Sechs Zeilen mit Schweifreim (a–a–b c–c–b) in jambischem Versmaß, wovon immer die ersten fünf Verse dreihebig sind, während der letzte vier Hebungen aufweist.

Entsprechend dem rhetorischen Charakter barocker Lyrik wird jeweils in den ersten drei Versen eine Behauptung aufgestellt, die in den nächsten drei Versen erweitert wird.

Interpretation

In den ersten Strophen werden die Freuden der Natur als Illusion bezeichnet. Gleichzeitig könne sich der Mensch nicht einmal an Gegenständen erfreuen, weil seine Leben stets eine „Phantasie der Zeit“ sei. Das hier schon angedeutete Vanitas-Motiv wird in den folgenden Strophen weiter ausgeführt. In der dritten bis fünften Strophe der Ruhm, wie die damit verknüpfte Aussicht auf ewigliches Leben in Erinnerungen der Nachkommenden, das im Leben angehäufte Wissen und Eigentum, als der Vergänglichkeit preisgegebene Güter benannt. Daraufhin enden in den beiden folgende Strophen selbst Jubel und Triumph, privilegierte Freuden geringer weltlicher Eliten, indem sie in ihr Gegenteil gekehrt werden. Auch Königreiche gehen unter. Machtinsignien wie der Thron, die Krone und Zepter können den Tod nicht aufhalten. Besitztümer wie Purpur, Gold und Edelsteine, welche zu Lebzeiten die Pracht königlicher Macht waren, verlieren ihren zugesprochenen Wert. Die Aufzählung ähnelt einem Totentanz, vom gemeinen Menschen, dem Gelehrten bis zum Regenten durchläuft der Tod alle Stände einer Gesellschaft. Anschließend folgt in der achten bis neunten Strophe am Beispiel einer Rose das Vanitas-Motiv. In einem Prozess von Blühen - volle Blütenpracht - Verwelken kommt es dem Leben gleich. Die Allgegenwärtigkeit des Todes wird in den beiden Höhepunkten "Welt" und "sorgenfrey" deutlich, woraufhin das Wachstum in Verfall kippt. Die 13. Strophe steht ganz im Zeichen des Memento mori, an die Sterblichkeit des Menschen wird erinnert und im Folgenden daran gemahnt, dass alle irdischen Versprechungen nur Augenblicke weilen. Stattdessen solle der Mensch Gott gedenken, welcher im Gegensatz zu den Mächtigen unsterblich ist: "Der immer König bleibet, den keine Zeitt vertreibet, der einig ewig machen kan." Schließlich wird im Bewusstsein der eigenen Vergänglichkeit auf die Stärke Gottes vertraut, denn wer sich zum Allmächtigen bekennt, der kann auf Trost hoffen.

Rezeption

Die Ode wurde in Kirchengesangsbücher aufgenommen.[1] Der Liedermacher Konstantin Wecker persiflierte das Gedicht unter dem gleichen Titel. Dagegen ist Johann Wolfgang von Goethes gleichnamiges Gedicht eine Parodie auf Adam Reusners Lied „Ich hab mein Sach Gott heimgestellt“.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Gudrun Beil-Schickler: Von Gryphius bis Hofmannswaldau. Untersuchungen zur Sprache der deutschen Literatur im Zeitalter des Barock. Francke, Tübingen 1995, S. 50.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Vanitas! Vanitatum Vanitas! aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.