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Ursprache

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Als Ursprache (auch Grundsprache, Protosprache) bezeichnet man in der Linguistik eine in der Regel hypothetische Sprachform, aus der sich alle Sprachen einer genetischen Einheit oder Sprachfamilie entwickelt haben. Dabei handelt es sich um eine mit den Verfahren der vergleichenden Sprachwissenschaft – also durch den wissenschaftlichen Vergleich der zu der genetischen Einheit gehörenden Einzelsprachen – erschlossene hypothetische Urform einer genetischen Einheit von Sprachen.

Im eigentlichen Sinne handelt es sich bei einer Ursprache um die jüngste gemeinsame Vorform aller belegten Sprachen einer Sprachfamilie, nicht um irgendeine ältere Vorstufe (diese Vorläufer sind nämlich nicht auf direktem, vergleichenden Wege, sondern nur durch interne Rekonstruktion, ggf. mithilfe von frühen Lehnwortschichten, erreichbar); man vergleiche den Most recent common ancestor (letzten gemeinsamen Vorfahren) in der Genetik. Die zu einer Sprachfamilie „X“ gehörige Ursprache wird „Ur-X“ oder „Proto-X“ genannt, eine frühere Stufe „Vor-Ur-X“. Die Unterscheidung zwischen „Ur-X“ und „Vor-Ur-X“ wird allerdings nicht immer genau beachtet (insbesondere dann, wenn sich zwischen Vorstufe und „Proto-Stufe“ keine weiteren bekannten Sprachformen abgezweigt haben). Eine Ursprache wird in der Stammbaummetapher als die Wurzel eines Baumes aufgefasst, der die Aufspaltung der Sprachfamilie anschaulich darstellt. Eine andere Metapher, die Familienmetapher, führt dazu, dass man die Nachfolger häufig als „Tochtersprachen“ (manchmal auch „Folgesprachen“) bezeichnet; die Ursprache wäre somit die „Muttersprache“, doch weil der Begriff „Muttersprache“ bereits eine andere Bedeutung hat, wird er in diesem Sinne nur selten verwendet. Gelegentlich findet man stattdessen aber Elternsprache.

Der Begriff „Ursprache“ oder „Protosprache“ kann irreführenderweise suggerieren, es handele sich um eine einfache oder „primitive“ – oder zumindest relativ zu den belegten Sprachen „primitivere“ – Sprache, doch sind Ursprachen im Grunde ganz normale „moderne“, entwickelte und sehr komplexe Sprachen wie die Sprachen, die bis in die jüngste Vergangenheit auf der Welt gesprochen wurden oder immer noch gesprochen werden, und wie – meist ungefähr zur selben Zeit gesprochene – Sprachen, die in Altertum und Mittelalter zufälligerweise auch niedergeschrieben und in Textdokumenten bis heute überliefert wurden; also Sprachen, mit denen man im Prinzip alles ausdrücken kann, abgesehen davon, dass die Rekonstruktionen von Ursprachen mehr oder weniger stark bruchstückhaft sind und Ausdrücke für moderne Gegebenheiten notwendig fehlen. (Auch Pidgin-Sprachen sind keinesfalls in jeder Hinsicht simpel, „primitiv“ oder grundsätzlich eingeschränkt in ihren Ausdrucksmöglichkeiten, selbst wenn sie stärker auf Umschreibungen angewiesen sind oder auf eine ganze Reihe bestimmter Unterscheidungsmöglichkeiten in der Regel verzichten, sofern sie für den konkreten Zweck verzichtbar sind.) Protosprachen in diesem Sinne, die im Prinzip in vielen Einzelheiten rekonstruiert werden können, sind also zu unterscheiden von „Proto-Sprache“, spekulativen Sprachformen in der Sprachursprungsforschung, wo es um viel weiter in der Vergangenheit liegende Perioden geht, lange vor der Entstehung aller heutigen und historisch belegten Sprachfamilien. Ursprachen im hier besprochenen Sinne hingegen gehören immer zu einer eng umgrenzten, miteinander nachweisbar historisch zusammenhängenden, Gruppe von Sprachen. Selbst die hochspekulative Proto-Welt-Sprache, auf die alle in historischer Zeit gesprochenen Sprachen zurückgehen müssten, reicht wahrscheinlich nicht annähernd bis in die Periode zurück, als sich Sprachen, wie wir sie kennen, entwickelt haben.

Beispiele

Ein typisches Beispiel für eine Ursprache ist die Rekonstruktion des Proto-Indogermanischen aus indogermanischen Einzelsprachen.

Es gibt allerdings auch Ausnahmen: So ist das Lateinische als Ursprache der romanischen Sprachen außerordentlich gut belegt und muss nicht erst mühsam rekonstruiert werden. (Allerdings ist der gemeinsame Ausgangspunkt der romanischen Sprachen nicht das klassische Latein der schriftlichen Überlieferung, sondern das Sprech- oder Vulgärlatein des frühen Mittelalters, das wiederum primär nur aus den romanischen Einzelsprachen rekonstruiert werden kann.)

Nach dem Vorbild des Proto-Indogermanischen sind inzwischen für viele Sprachfamilien oder genetische Einheiten Ursprachen rekonstruiert worden, z. B. Proto-Uralisch, Proto-Turkisch, Proto-Mongolisch, Proto-Tungusisch, Proto-Sinotibetisch, Proto-Semitisch, Proto-Afroasiatisch, Proto-Nilosaharanisch (mit Einschränkungen), Proto-Bantu und viele andere. Andererseits gibt es bedeutsame Sprachfamilien, für die eine Rekonstruktion der Ursprache bisher nicht erfolgt ist, z. B. die Niger-Kongo-Sprachen.

Die Bezeichnung Protosprache wurde 1973 von dem Anthropologen Gordon Hewes geprägt.[1]

Literatur

  • Hadumod Bußmann: Lexikon der Sprachwissenschaft. 3., aktualisierte und erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 2002. ISBN 3-520-45203-0. Stichwort: „Ursprache“.
  • Helmut Glück (Hrsg.): Metzler Lexikon Sprache. 4., aktualisierte und überarbeitete Auflage. Metzler, Stuttgart/ Weimar 2010. ISBN 978-3-476-02335-3. Stichwort: „Sprachursprung“.

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary: Grundsprache – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Ursprache – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. W. Tecumseh Fitch: The evolution of language. In: New Scientist, 4. Dezember 2010, Beiheftung Instant Expert 6, S. vii
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