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Unterlassen (Deutschland)

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Das Unterlassen ist in der Rechtswissenschaft eine Handlungsalternative zum positiven Tun (tautologisch oft als „aktives Tun“ bezeichnet) und zum sog. „Dulden“.

Begriff

Die Abgrenzung vom Dulden zum Unterlassen ist fließend: Das Dulden stellt eine gewollte passive Haltung zum aktiven Handeln eines anderen dar, während das Unterlassen das gewollte passive Verhalten in einer Situation bezeichnet, in welcher der Unterlassende selbst aktiv werden könnte. Auf Grund des rechtswissenschaftlichen Verständnisses des Unterlassens als eine Ausdrucksform der Handlung, unterscheidet sich der rechtswissenschaftliche vom naturwissenschaftlichen Handlungsbegriff.

Die modernen Rechtsordnungen sehen das Unterlassen als solches in der Regel noch nicht als haftungs- oder strafbegründend an. Vielmehr muss daneben eine Handlungspflicht treten. Grundlage dafür ist die Ausrichtung auf die Eigenverantwortlichkeit des Individuums. Weiterhin bedarf es einer sog. hypothetischen Kausalität für das Schadensereignis: Kann die (mögliche) Handlung (die nicht sozialadäquat zu sein braucht) nicht hinzugedacht werden, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele, fehlt es schließlich an der Zurechenbarkeit.

Zivilrecht

Ein Unterlassen kann im Deliktsrecht nur dann eine Schadensersatzpflicht auslösen, wenn für den Täter Verkehrssicherungspflichten bestehen oder einer Garantenstellung als Beschützer- oder Überwachergarant. Andernfalls ist das Unterlassen nicht rechtswidrig.

Überwachergarant ist derjenige, der eine Gefahrenquelle geschaffen hat oder für sie Verantwortung trägt: Beispielsweise hat er eine Grube gegraben, in die jemand stürzen könnte, oder er ist zum Schneeräumen auf seinem Abschnitt des Bürgersteiges verpflichtet. Darunter fallen auch die sog. „Ingerenz“, das vorausgegangene gefährliche Tun und die sog. Zustandshaftung.

Beschützergarant ist derjenige, den eine besondere Schutzpflicht hinsichtlich eines Rechtsgutes trifft. Diese Schutzpflicht kann aus der persönlichen Verbundenheit (Ehe, enge Verwandtschaft) oder aus tatsächlicher Übernahme der Gewähr für das Rechtsgut erwachsen (wobei eine vertragliche Verpflichtung auch unwirksam sein kann, daher tatsächliche Übernahme). Eine Schutzpflicht kann sich ansonsten auch aus dem Gesetz ergeben.

Strafrecht

Allgemeines

Im Strafrecht werden zwei Arten von Unterlassungsdelikten unterschieden. Dieser Unterschied beruht auf der Systematik der Gesetzbücher. Echte Unterlassungsdelikte sind Tatbestände, die nur durch ein Unterlassen verwirklicht werden (Beispiele im deutschen Recht: § 323c StGB - Unterlassene Hilfeleistung, § 138 StGB - Nichtanzeige geplanter Straftaten; im schweizerischen Recht: Art. 128 StGB Unterlassung der Nothilfe, Art. 217 StGB Vernachlässigung von Unterhaltspflichten). Bei unechten Unterlassungsdelikten ergibt sich die Strafbarkeit aus einem Zusammenwirken des Allgemeinen Teils des Strafrechts mit einem Tatbestand des Besonderen Teils: Im deutschen Recht zum Beispiel ist das Töten eines Menschen in § 212 StGB verboten. Dessen Wortlaut „wer einen anderen tötet, wird bestraft“ bezieht sich aber nur auf eine Handlung. In § 13 StGB wird nun das Unterlassen dem Handeln gleichgestellt. Beide Normen zusammengedacht ergäben folgenden Wortlaut: „Wer einen Menschen tötet oder nicht verhindert, dass ein Mensch getötet wird, obwohl er dazu verpflichtet ist, wird bestraft“. § 212 StGB ist ein Beispiel für ein Begehungsdelikt, da er nur Handlungen nennt. § 13 StGB bezieht sich nun auf all diese Delikte und erweitert sie um die Strafbarkeit für ein Unterlassen. Dies verkürzt einfach den Gesetzestext und macht ihn übersichtlicher, da nicht für jede Handlung eigens auch das entsprechende Unterlassen im Besonderen Teil eingefügt werden muss.

Bei beiden Arten von Delikten wird vom Täter eigentlich gefordert eine Handlung vorzunehmen. Diese Handlung muss für ihn möglich und zumutbar gewesen sein. Er muss erkennen, dass er eigentlich handeln müsste und dies vorsätzlich sein lassen. Bei den „unechten Unterlassungsdelikten“ trifft den Täter zudem eine besondere Pflicht, diese Handlung vorzunehmen, die Garantenpflicht, und das Unterlassen muss zu einem Handeln gleichwertig sein.

Alle sog. Begehungsdelikte können grundsätzlich auch durch Unterlassen begangen und entsprechend bestraft werden. Wegen des Analogieverbotes nach Art. 103 Abs. 2 GG ist dies ausdrücklich in § 13 StGB geregelt.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorschrift für verfassungsgemäß erklärt, obwohl in der Literatur Bedenken in Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot vorgebracht werden. Gerade nähere Bestimmungen zur Garantenpflicht fehlen.

Strafrechtlicher Prüfungsaufbau des vorsätzlichen unechten Unterlassungsdelikts (Erfolgsdelikt):

I. Tatbestand

    1. Objektiver Tatbestand
       a. Tatsubjekt, -objekt und Erfolg
       b. Abgrenzung Tun / Unterlassen (einer gebotenen handlung)
          (1) grds. führt jede gewillkürte Körperbewegung zur Annahme einer aktiven Handlung
          (2) Spezialfälle: Abbruch fremder Rettungshandlungen (Abschalten von Reanimatoren)
       c. Physisch-reale Möglichkeit zur Vornahme der gebotenen Handlung
       d. Garantenstellung
          (1) früher hergeleitet aus Gesetz (z.B. § 1626 BGB), Vertrag, tatsächlicher Übernahme oder
              aus rechtlich fundiertem engem natürlichem Lebensverhältnis (Gefahrengemeinschaft)
          (2) modern: Überwacher- (Herrschaft über Gefahrenquelle)/ Beschützergarant (Obhut über Rechtsgut, z.B. Kind)                            
       e. Gleichstellungsklausel (Keine eigenst. Bedeutung bei reinen Erfolgsdelikten)
       f. Hypothetische Kausalität
          Kausal, wenn die unterlassene Handlung nicht hinzugedacht werden kann, 
          ohne dass der tatbestandliche Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrschein-
          lichkeit entfiele.

II. Rechtswidrigkeit

    (insb. Rechtfertigende Pflichtenkollision)

III. Schuld

    Insb. Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens und Gebotsirrtum (Entschuldigungsgründe)

Literatur

  • Carl Bottek: Unterlassungen und ihre Folgen. Handlungs- und kausalitätstheoretische Überlegungen. Mohr Siebeck, Tübingen 2014, ISBN 978-3-16-153161-3.
  • Claus Roxin: Strafrecht. Allgemeiner Teil. (Band 2). Beck Verlag, München 2003, ISBN 3-406-43868-7, S. 625–706.
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