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E-, U- und F-Musik

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Die Begriffe E-, U- und F-Musik versuchen, musikalische Phänomene in ernste (E-), unterhaltende (U-) und funktionale (F-) zu unterteilen. Die Entgegensetzung von E- und U-Musik stammt von der Verteilungspraxis der Verwertungsgesellschaften seit Beginn des 20. Jahrhunderts her: Sie sollte dem Schutz seltener gespielter Musik gegenüber der häufiger gespielten dienen. Die Bezeichnung F-Musik wurde erst später in Analogie dazu gebildet.

Historischer Hintergrund war der zunehmende Wegfall der höfischen Subventionen für Musik im Lauf des 19. Jahrhunderts, die einst eine Alternative zum wirtschaftlichen Erfolg bei einem breiten Publikum waren. Sie wurden seit dem Ende des Ersten Weltkriegs durch kommunale und staatliche Zuschüsse ersetzt, die öffentlich gerechtfertigt werden müssen. Zu berücksichtigen ist allerdings auch die Arbeit von Kulturinstitutionen und Stiftungen sowie das Sponsoring (vgl. Musikwirtschaft).

Die Klassifikation ist umstritten und wird von gewissen Kreisen als völlig untauglich und nur als falsch verstandenen (und von den Begrifflichkeiten her die Realität verkennenden) kommerziellen Interessen dienend abgelehnt.

E-Musik

E-Musik ist eine Abkürzung für die sogenannte „ernste“ oder „ernst zu nehmende“ sogenannte Kunstmusik.[1] Der Aachener Generalmusikdirektor und spätere Präsident der Reichsmusikkammer Peter Raabe sprach schon 1928 in höchsten Tönen von den „ernsten Konzertunternehmungen“ und beklagte, dass man dem Feind der ernsten Musik ganz machtlos gegenüberstände, denn dieser ließe sich regelmäßig mit der „erbärmlichen Jazzbrühe“ übergießen.[2] Raabe nutzte diese Klassifizierung auch zur Begründung der Förderungswürdigkeit der ab 1938 tariflich abgesicherten „Kulturorchester“.[3] Dieser kulturpolitische Terminus wurde mit klassischer Musik gleichgesetzt, vielleicht bisweilen sogar dem Ideal ihrer „reinsten“ Form, wie sie manche in der Absoluten Musik fanden. Doch wurden solche Einschätzungen verbreiteter Musikdiskurse zurückgedrängt durch die Klassifikationspraxis öffentlich-rechtlicher Sendeanstalten und der zugehörigen gesetzlichen Grundlagen (zum Beispiel des Urheberrechtsschutzes). Die diesbezügliche Klassifizierung und fachliche Jurierung werden ergänzt durch die Vorlieben der Hörerinnen und Hörer, symptomatisch ist hier die Geschichte von BR-Klassik.

Das deutsche Urheberrechtswahrnehmungsgesetz nennt diese E/U-Terminologie überhaupt nicht und spricht in § 7 von „kulturell bedeutenden Werken und Leistungen“, die durch die Verteilungspraxis der Verwertungsgesellschaften zu fördern seien. Der Tendenz nach wird dies so ausgelegt, dass es sich um Musik handelt, die sich wirtschaftlich nicht selbst trägt, aber im Urteil vieler Hörer interessant und erhaltenswert ist (Qualität versus Nachfrage). So wird heute teilweise auch Musik aus den Bereichen Pop, Chanson, Elektronische Musik, Jazz, Welt-, Filmmusik, sowie Progressive Rock und Metal dazugerechnet. Der Mut zum Experiment, das „Schwimmen gegen den Strom“ ohne den Seitenblick auf die wirtschaftliche Machbarkeit werden oft mit dem Begriff der E-Musik in Zusammenhang gebracht.

Historisch gesehen ist vor allem die Vorstellung des „Geistesadels“ mit dem Begriff der E-Musik verbunden, die im Kern darin besteht, dass sich bessere Leistung gegen bessere Abstammung behaupten soll: Ein Mensch könne und solle durch seine Bildung und seine besonderen Fähigkeiten Zugang zum aristokratischen Hof erhalten, was ihm durch seine Geburt verwehrt wäre (Hoffähigkeit). Musiker gehörten zu den ersten in der europäischen Geschichte, denen dies möglich war, indem ihnen der Aufstieg vom Diener zum geachteten Künstler gelang, so beispielsweise in Hoftheater oder Kammerorchester. Dieses Streben nach Prestige hat sich im übertragenen Sinn bis heute erhalten.

U-Musik

U-Musik für „Unterhaltungsmusik“ fasst populäre und kommerzielle Musikrichtungen (populäre Musik) zusammen, z. B. Pop- und Rockmusik, Schlager und Volkstümlicher Schlager, teilweise auch Jazz, Volksmusik u. a. Diese Musikrichtungen hatten seit dem Ende des 19. Jahrhunderts nicht den Anspruch, „Kunst“ im Sinne der klassischen Musik zu sein. Diese Unterteilung existierte noch nicht zu Beginn des 19. Jahrhunderts und setzte erst mit der breiten Vermarktung von Musik im Lauf des Jahrhunderts ein (vgl. Salonmusik).

Durch Franz Schubert wurde das Lied zu einer komplexeren Kunstform, was etwa 1830 zu einer Spaltung in ernste und unterhaltende Liedformen führte. Daraus entwickelte sich die spätere Unterteilung in E- und U-Musik, die ihren Ursprung im Bestreben der GEMA hatte, anspruchsvolle, aber nicht lukrative Kunst zu fördern.[4] Die kontrovers diskutierte Aufteilung wird nur noch durch die GEMA vorgenommen. Diese Politik der GEMA führt noch heute dazu, dass ein Komponist der E-Musik die achtfachen Tantiemen eines U-Musikkomponisten bei Veröffentlichung erhält.[5]

Als bisher frühester Nachweis des Begriffes „Unterhaltungsmusik“ für Tanzmusik als Hör- und Konzertmusik gilt die erstmalige Verwendung durch Johann Strauss (Vater) in einer Annonce für einen Maskenball in der Berliner Zeitung vom 8. November 1845.[6]

F-Musik

F-Musik ist eine Abkürzung für Musik, die nicht um ihrer selbst willen gehört wird, sondern einen außermusikalischen Zweck erfüllt wie zum Beispiel Militärmusik, Kirchenmusik, Bühnenmusik und Filmmusik. Sie wird auch Gebrauchsmusik oder „funktionale“ bzw. „funktionelle“ Musik genannt.

Bis zum 18. Jahrhundert ist auch die europäische Musik ausschließlich funktional, das heißt den gesellschaftlichen Ereignissen in Kirche, Theater, Tanzboden, aristokratischer oder bürgerlicher „Kammer“ untergeordnet. In Zusammenhängen, wo während der Musik nicht geredet, gebetet, gegessen oder getanzt wurde, entwickelte sich eine weniger „dienende“, selbstbewusste Musik, die auch sorgfältiger ausgestaltet war – hauptsächlich die als Untermalung des aristokratischen Kartenspiels gespielte Musik (die sogenannte Kammermusik). Aus der Musik Joseph Haydns kann man zum Beispiel recht genau schließen, mit welchem Grad der Aufmerksamkeit seiner Hörer er jeweils rechnete. Diese Tendenz zur höheren Aufmerksamkeit führte in der Frühzeit des bürgerlichen Konzerts seit etwa 1800 zu einer Musik, auf die idealerweise die volle Konzentration stummer und unbeweglicher Zuhörer gerichtet ist.

Aber auch diese Musik konnte gesellschaftliche Funktionen haben, etwa als Vorwand zur Zusammenkunft oder als Demonstration erworbener Bildung. Der Ausdruck „funktionelle Musik“ versucht ähnlich wie „unterhaltende Musik“ ein Ideal, das es in der angestrebten Autonomie möglicherweise nie gegeben hat, als gegeben hinzustellen, um von ihm alle übrige Musik abzugrenzen. Carl Dahlhaus hat den Begriff daher als „Phantom“ bezeichnet.[7]

Die Entwürdigung des Musikers durch fehlende Aufmerksamkeit seiner Zuhörer ist beim Abspielen von Aufzeichnungen nicht mehr gegeben. Die Bewertung der Aufführungssituation kann daher nur noch bedingt mehr zur Unterscheidung von F-, U- und E-Musik dienen.

Zu den eindeutigsten Fällen von F-Musik gehört Musik in Kaufhäusern, Hotelhallen oder Aufzügen (Muzak), die daraufhin eingerichtet ist, dass sie nur nebenbei wahrgenommen wird. F-Musik wird gelegentlich als Teil der U-Musik oder der E-Musik (so Erik Saties musique d'ameublement) begriffen. Theodor W. Adorno bezeichnete Kurt Weills Musik zu Bertolt Brechts Die Dreigroschenoper als „Gebrauchsmusik, die man wirklich gebrauchen kann“.

Klassifikationsprobleme

Die Gliederung ist umstritten, da sie

  • hauptsächlich im deutschsprachigen Raum üblich ist (in den meisten Sprachen ist eine Unterscheidung zwischen hoher und niederer Musik allerdings durchaus in Gebrauch, wie zum Beispiel mit den englischen Begriffen popular music, light music und serious music, art music).
  • eine wertende Konnotation einbringt („E-Musik ist kulturell wertvoll, U-Musik dagegen nicht.“).
  • sich für die systematische Klassifikation von Musik als wenig praxistauglich erwiesen hat.

Die Grenzen zwischen E- und U-Musik sind fließend und zudem nur im zeitlichen Kontext vertretbar; während beispielsweise Operetten oder auch die Musikrevuen der Gershwin-Brüder zu Beginn des 20. Jahrhunderts typische Vertreter der U-Musik waren, werden sie heute eher der E-Musik zugerechnet – besonders wenn sie von „E-Musikern“ in Institutionen der E-Musik oder nach den ästhetischen Normen der E-Musik aufgeführt werden.

Auch äußerst komplexe Kompositionen des Jazz und des Free Jazz werden der U-Musik zugeordnet, obwohl diese weder populär, noch einfach zu spielen sind. Hier sind zudem die Grenzen zur Neuen Musik durchaus fließend. Für die atonalen Formen des Free Jazz ist die Klassifikation Unterhaltungsmusik allerdings sachlich unzutreffend.

Ob eine Unterscheidung von U-Musik und E-Musik möglich ist und welche Werturteile damit verbunden sind, ist Thema der Musikästhetik und der Musiksoziologie und wird in den Interessenverbänden kontrovers diskutiert – auch deshalb, weil diese Einteilungen mit ökonomischen Interessen verbunden sind.

Eine wirtschaftliche Bedeutung hatte die Unterscheidung zwischen E-Musik und U-Musik seit Anfang des 20. Jahrhunderts aufgrund der grundsätzlich höheren Vergütung von E-Musik im Verteilungsplan der Verwertungsgesellschaften.[8] Diese Praxis sollte vom Aufsichtsrat der deutschen GEMA im Jahr 2003 aufgegeben werden, nachdem alle sechs Sitze durch Wahl an U-Musiker gegangen waren. Dies wurde jedoch nicht umgesetzt. Die schweizerische SUISA hat die Unterscheidung zwischen U- und E-Musik bereits 1983 aufgegeben und dafür eine Bevorzugung der längeren Musikwerke eingeführt.

Musiksoziologie und Musikalische Ästhetik

Die vorstehende Diskussion bezieht sich weitestgehend auf Klassifizierungen durch Verwertungsgesellschaften, also auf rein wirtschaftliche Aspekte, die selten künstlerische Gesichtspunkte enthalten. Beispielsweise hat die GEMA Formulare, nach denen die Musikbeispiele, die in einem Vortrag benutzt werden, unter „Unterhaltung“ abgerechnet werden, egal welcher Musikrichtung sie entnommen wurden.

Der künstlerische Gehalt wird in der Kunst- oder Musikphilosophie oder der Ästhetik untersucht. Der Komponist, Philosoph und Soziologe Theodor W. Adorno hat hierzu die entscheidenden Beiträge verfasst, zum Teil schon während seines Exils in den USA und unter Berücksichtigung der populären Musik dort. In seinen Schriften tauchen die Begriffe U-, E- und F-Musik jedoch nicht auf. Er untersucht das Verhältnis von Qualität und Nachfrage, von Gebrauchskontexten, unterscheidet „hohe“ und „niedere“ Musik, und arbeitete mit an der Analyse der kompositorischen Problemstellungen der „E“-sten Musik seiner Zeit, der Dodekaphonie.

Musik gehörte in der mittelalterlichen Philosophie und in der höheren Schulbildung zum Quadrivium. Es umfasste jedoch nur die hoch geschätzte theoretische Beschäftigung mit Musik, während die Praxis eher gering geschätzt wurde. Dies änderte sich seit dem 16./17. Jahrhundert. Diese Aufwertung der Praxis schlug sich in der Philosophie seit dem 18. Jahrhundert nieder. Die Enzyklopädisten maßen auch der Musikausübung einige Bedeutung zu. In Jean-Jacques Rousseaus Philosophie sind Musikgenres eng mit Wertvorstellungen verbunden. Im Kampf zwischen Musikgenres wie dem Buffonistenstreit drückten sich soziale Konflikte aus.

Zentral war die praktische Musik für einige Philosophen des 19. und 20. Jahrhunderts, etwa Arthur Schopenhauer, Friedrich Nietzsche und Sören Kierkegaard. Auch für sie stellte sich die Frage, wie die respektable von der weniger respektablen Musik zu unterscheiden sei. Sie wurde immer sehr unterschiedlich beantwortet.

Einzelnachweise

  1. Der Begriff der Kunstmusik ist umstritten, denn damit wird das Gegenüber von Kunst und „Unkunst“ suggeriert.
  2. Peter Raabe: Stadtverwaltung und Chorgesang, Rede bei einem Chorkongress in Essen (1928), in: Peter Raabe: Kulturwille im deutschen Musikleben, Kulturpolitische Reden und Aufsätze, Regensburg 1936, S. 38.).
  3. Tarifordnung für die deutschen Kulturorchester vom 30. März 1938 bzw. Tarifvertrag für Musiker in Kulturorchestern vom 31. Oktober 2009, § 1.
  4. Mandy Risch-Kerst/Andreas Kerst, Eventrecht kompakt, 2009, S. 293
  5. Mandy Risch-Kerst/Andreas Kerst, a.a.O., S. 293
  6. Norbert Linke: Recherchen und Funde. Einige Anmerkungen zur Notwendigkeit, Original-Materialien zu sichten und auszuwerten. In: Die Fledermaus Wiener Institut für Strauß-Forschung, Mitteilungen 7-8, 1994, Verlag Hans Schneider, Tutzing, ISBN 3-7952-0770-3, S. 49 und mit Zitierung des Textes genauer Fußnote 72 (S. 52).
  7. Carl Dahlhaus: „Über die "mittlere Musik" des 19. Jahrhunderts“, in: Das Triviale in Literatur, Musik und bildender Kunst, hrsg. Helga de la Motte-Haber, Frankfurt am Main 1972
  8. Frieder W. Bergner: Das U und das E in der Musik

Siehe auch

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