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Heisenbergsche Unschärferelation

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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Die ebenfalls von Heisenberg gefundene Energie-Zeit-Unschärferelation wird in einem eigenen Artikel behandelt. Für den Bereich der Informationstechnik siehe Küpfmüllersche Unbestimmtheitsrelation.
Heisenberg und die Gleichung der Unschärferelation auf einer deutschen Briefmarke

Die Heisenbergsche Unschärferelation oder Unbestimmtheitsrelation ist die Aussage der Quantenphysik, dass zwei komplementäre Eigenschaften eines Teilchens nicht gleichzeitig beliebig genau bestimmbar sind. Das bekannteste Beispiel für ein Paar solcher Eigenschaften sind Ort und Impuls.

Die Unschärferelation ist nicht die Folge von technisch behebbaren Unzulänglichkeiten eines entsprechenden Messinstrumentes, sondern prinzipieller Natur. Sie wurde 1927 von Werner Heisenberg im Rahmen der Quantenmechanik formuliert. Die Heisenbergsche Unschärferelation kann als Ausdruck des Wellencharakters der Materie betrachtet werden. Sie gilt als Grundlage der Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik.[1][2]

Quantenmechanik und klassische Physik

Die Quantenmechanik ist eine der fundamentalen Theorien für die Beschreibung unserer physikalischen Welt. Der konzeptionelle Aufbau dieser Theorie unterscheidet sich tiefgreifend von dem der klassischen Physik.

Die Aussagen der Quantenmechanik über unsere Welt sind Aussagen über Ausgänge von Messungen. Im Gegensatz zur klassischen Physik können in jedem Fall nur Wahrscheinlichkeitsaussagen getroffen werden, man kann also nur die Werteverteilung bei der Messung an einem Ensemble von gleichartigen Systemen vorhersagen. Die Heisenbergsche Unschärferelation ergibt sich daraus, dass ein physikalisches System in der Quantenmechanik mit Hilfe einer Wellenfunktion beschrieben wird. Während in der klassischen Mechanik Ort bzw. Impuls einfache Größen sind, die prinzipiell exakt messbar sind, ergeben sich ihre Verteilungen in der Quantenmechanik als Betragsquadrat der Wellenfunktion bzw. ihrer Fouriertransformierten, d. h., sie sind nicht unabhängig voneinander festlegbar. Da die Verteilungen von Ort und Impuls beide von der Wellenfunktion des Systems abhängen, sind auch die Standardabweichungen der Messungen voneinander abhängig. Je genauer man den Ort eines Teilchens in der üblichen quantenmechanischen Beschreibung festlegen will, umso größer wird die Unschärfe des Impulses – und umgekehrt.

Folgende Analogie veranschaulicht die Unbestimmtheit: Nehmen wir an, dass wir ein zeitveränderliches Signal, zum Beispiel eine Schallwelle, haben und wir die genaue Frequenz dieses Signals zu einem bestimmten Zeitpunkt messen wollen. Das ist unmöglich, denn um die Frequenz einigermaßen exakt zu ermitteln, müssen wir das Signal über eine genügend lange Zeitspanne beobachten, und dadurch verlieren wir Zeitpräzision. Das heißt, ein Ton kann nicht innerhalb nur einer beliebig kurzen Zeitspanne da sein, wie etwa ein kurzer Schrei, und gleichzeitig eine exakte Frequenz besitzen, wie sie etwa ein ununterbrochener reiner Ton hat. Die Dauer und die Frequenz der Welle sind analog zum Ort und Impuls eines Teilchens zu betrachten.

Ursprüngliche Formulierung

Die erste Formulierung einer Unschärferelation in der Quantenmechanik betraf die gleichzeitige Kenntnis von Ort und Impuls eines Teilchens. Im Jahre 1927 veröffentlichte Heisenberg seine Arbeit Über den anschaulichen Inhalt der quantentheoretischen Kinematik und Mechanik[1] und argumentierte, dass die mikroskopische Bestimmung des Ortes x eines Teilchens im Allgemeinen zu einer Beeinflussung (Störung) des Impulses p des Teilchens führen muss. Wenn also der Ort eines Elektrons durch optische Beobachtung (im einfachsten Fall: Sehen) bestimmt werden soll, so kann das Teilchen beleuchtet werden, damit mindestens eins der einfallenden Lichtquanten in das Messinstrument (Auge, Mikroskop) gestreut wird.

Einerseits ist die Ungenauigkeit Δx des Ortes dabei abhängig von der Wellenlänge des verwendeten Lichtes. Andererseits wirkt die Ablenkung des Lichtquants wie ein Stoß auf das Teilchen, wodurch der Impuls des Körpers eine Unbestimmtheit von Δp erfährt (Comptonstreuung). Als prinzipielle Untergrenze für diese Unbestimmtheiten schätzte Heisenberg mit Hilfe der De-Broglie-Beziehung ab, dass das Produkt von Δx und Δp nicht kleiner sein kann als die für die Quantenphysik charakteristische Naturkonstante, das Plancksche Wirkungsquantum . Diese fundamentale Grenze der Messbarkeit formulierte Heisenberg in der (symbolischen) Aussage[1][3]

Der zunächst qualitative Charakter dieser Abschätzung rührt daher, dass die Aussage nicht (streng) bewiesen und die verwendete Notation für die Unbestimmtheiten nicht genau definiert ist. Bei geeigneter Interpretation der Notation im Rahmen der modernen Quantenmechanik zeigt sich jedoch, dass die Formel der Realität sehr nahekommt.

Unschärferelation und Alltagserfahrung

Warum diese charakteristischen Unbestimmtheiten weder im Alltag noch in der Forschung früher bemerkt worden waren, kann man verstehen, wenn man sich die Kleinheit des Planckschen Wirkungsquantums gegenüber den typisch erreichbaren Messgenauigkeiten für Ort und Impuls vergegenwärtigt. Dazu die folgenden Beispiele:

Radarkontrolle im Straßenverkehr
Der Ort des Fahrzeugs sei bei der Radarkontrolle bis auf ±1 m genau bestimmbar, d. h. Δx = 2 m. Die Unbestimmtheit der Geschwindigkeit wird mit Δv = 1 km/h angenommen und die Masse mit m = 1000 kg. Daraus ergibt sich eine Impulsunschärfe von Δp = m·Δv = 270 kg m/s. Damit resultiert für das Produkt: Δx·Δp = 8·1035·. Die Einschränkung durch die Unschärferelation würde sich daher erst bei Steigerung der Genauigkeit um je 18 Dezimalstellen bei Ort und Geschwindigkeit bemerkbar machen. Es ist offensichtlich, dass das Radarsignal das Fahrzeug bei der Messung praktisch nicht beeinflusst.
Staubkorn
Bei einem extrem genau mikroskopierten Staubkorn von einer Masse m = 10−15 kg und geringer Unschärfe sowohl der Ortsangabe, Δx = 0,01 μm, als auch der Geschwindigkeit, Δv = 1 mm/s, resultiert für das Produkt: Δx·Δp = 1,5·107·. Die Einschränkung durch die Unschärferelation würde sich hier bei Steigerung der Genauigkeit um je vier Dezimalstellen bei Ort und Geschwindigkeit bemerkbar machen.
Elektron im Atom
Ein Atom hat einen Durchmesser von etwa 1 Å. Bei einer kinetischen Energie eines darin gebundenen Elektrons von etwa Ekin = 10 eV ergibt sich für das Elektron eine Impulsunschärfe von etwa Δp = 1,7·10−24 kg m/s. Eine Ortsbestimmung mit der Ungenauigkeit von etwa 10 Atomdurchmessern, Δx = 10 Å, ergibt für das Produkt Δx·Δp = 2,5·, was noch im Bereich des prinzipiell Möglichen liegt. Für eine Ortsgenauigkeit in der Größenordnung des Atomdurchmessers mit Δx = 1 Å hingegen gilt: Δx·Δp = 0,25·. Dies steht aber in Widerspruch zur Unschärferelation, eine solche Genauigkeit der Beschreibung ist somit prinzipiell unmöglich.

Aussagen

Unter dem Begriff des Unschärfe- oder auch Unbestimmtheitsprinzips werden die folgenden Aussagen zusammengefasst, die zwar miteinander verwandt sind, jedoch physikalisch unterschiedliche Bedeutung haben.[4] Sie sind hier beispielhaft für das Paar Ort und Impuls notiert.

  1. Es ist nicht möglich, einen quantenmechanischen Zustand zu präparieren, bei dem der Ort und der Impuls beliebig genau definiert sind.
  2. Es ist prinzipiell unmöglich, den Ort und den Impuls eines Teilchens gleichzeitig mit unbegrenzter Genauigkeit zu messen.
  3. Die Messung des Impulses eines Teilchens ist zwangsläufig mit einer Störung seines Ortes verbunden, und umgekehrt.

Jede dieser drei Aussagen lässt sich quantitativ in Form sogenannter Unschärfe-Relationen formulieren, die eine untere Grenze für die erreichbare minimale Unschärfe der Präparation bzw. Messung angeben.

Auch zwischen anderen Paaren physikalischer Größen können Unschärferelationen gelten. Die Voraussetzung dafür ist, dass der Kommutator der beiden den Größen zugeordneten quantenmechanischen Operatoren nicht null ist.

Ungleichungen

Bei der Formulierung von Unbestimmtheitsrelationen im Rahmen der Quantenmechanik gibt es verschiedene Vorgehensweisen, die sich auf jeweils unterschiedliche Arten von Messprozessen beziehen. Abhängig von dem jeweils zugrunde gelegten Messprozess ergeben sich dann entsprechende mathematische Aussagen.

Streuungs-Relationen

Bei der populärsten Variante von Unschärferelationen wird die Unschärfe des Ortes x und des Impulses p jeweils durch deren statistische Streuung σx und σp definiert. Die Unschärferelation besagt in diesem Fall[1][5]

,

wobei und die Kreiszahl ist.

Im Rahmen des Formalismus der Quantenmechanik ergeben sich die Wahrscheinlichkeitsverteilungen für Orts- und Impulsmessungen und damit die Standardabweichungen aus den zugehörigen Wellenfunktionen ψ(x) und φ(p). Die Streuungs-Ungleichung folgt dann aus dem Umstand, dass diese Wellenfunktionen bezüglich Ort und Impuls über eine Fourier-Transformation miteinander verknüpft sind. Die Fourier-Transformierte eines räumlich begrenzten Wellenpakets ist wieder ein Wellenpaket, wobei das Produkt der Paketbreiten einer Beziehung gehorcht, die der obigen Ungleichung entspricht.

Zustände minimaler Unschärfe werden dabei solche Wellenfunktionen ψ(x) und φ(p) genannt, für die sich das Gleichheitszeichen der Ungleichung ergibt. Heisenberg[1] und Kennard[5] haben gezeigt, dass diese Eigenschaft für bestimmte gaußförmige Wellenfunktionen erreicht wird. Man beachte dabei, dass statistische Streuungen gemäß ihrer Definition nur die halbe Breite der gaußschen Wahrscheinlichkeitsdichte beschreiben. Verwendet man stattdessen jeweils die gesamte Breite, d. h. 2σx und 2σp als Definition für die Unschärfen, so würde auf der rechten Seite der Ungleichung der Wert 2ħ anstatt ħ/2 die untere Schranke bilden.

Simultane Messung

Schematische Darstellung der Beugung am Spalt. Die Genauigkeit Δx der Ortspräparation entspricht exakt der Breite des Spaltes.

Bei der von Heisenberg ursprünglich publizierten Variante der Unbestimmtheitsrelation wird der Begriff der Unschärfe von Ort und Impuls nicht immer durch die statistische Streuung dargestellt.[1][3] Ein Beispiel dafür ist das häufig diskutierte Gedankenexperiment für die Bestimmung von Ort und Impuls von Teilchen mit Hilfe des Einfachspaltes: Ein Strahl möglicher Elektronenbahnen wird durch einen Schirm mit einem Spalt der Breite ausgeblendet (siehe Abbildung rechts). Die Teilchen, die durch den Spalt hindurch kommen, sind in diesem Moment durch ihren Ort in Richtung parallel zum Schirm mit der Genauigkeit des Spaltes festgelegt (Präparation). Die Ausblendung des Strahls ist mit einer räumlichen Ablenkung des Objektes um den (zufälligen) Öffnungswinkel verbunden (Beugung), und alle Punkte des Spalts sind nach dem huygensschen Prinzip Ausgangspunkte für Elementarwellen.

Nun werden die folgenden Voraussetzungen getroffen:

  • Der Ablenkungswinkel ist eine Zufallsgröße, die bei jedem Teilchen einen anderen Wert annehmen kann.
  • Für die De-Broglie-Wellenlänge des Teilchens gilt:
  • Damit das erste Interferenzminimum auf dem Schirm noch optisch erkennbar ist, muss der Gangunterschied etwa mindestens so groß sein wie die De-Broglie-Wellenlänge des Teilchens, das heißt:
  • Es werden nur Teilchen betrachtet, deren Ablenkungswinkel einem Impuls entsprechen, der innerhalb des vorgegebenen Impulsintervalls Δp (keine Zufallsgröße) des ersten Beugungsminimums auf der Impulsskala liegt. Formal sind das genau diejenigen, welche der folgenden Bedingung genügen:

Die letzten beiden Relationen ergeben zusammen mit der Formel von de Broglie die folgende Einschränkung für die gemäß Heisenberg betrachteten Streuwinkel:

Werden nun ausschließlich die äußeren Terme in diesem Ausdruck betrachtet, so ergibt sich nach Multiplikation mit p·Δx die Relation von Heisenberg:[1]

Der wesentliche Unterschied der beiden Ungleichungen (1) und (2) liegt sowohl in der jeweiligen Präparation als auch in den zugrunde gelegten Messprozessen. Bei der Streuungs-Relation (1) bezieht sich die Messung der Streuungen σx und σp auf unterschiedliche Stichproben von Teilchen, weshalb man in diesem Fall nicht von simultanen Messungen sprechen kann.[6] Der physikalische Inhalt der Heisenberg-Relation (2) kann daher nicht durch die Kennard-Relation (1) beschrieben werden.[7]

Eine Aussage, die sich auf die Präparation (Projektion) durch einen Spalt im Sinne von (2) bezieht und dennoch eine Abschätzung für die Streuung σp des Impulses ergibt, lässt sich wie folgt formulieren: Für Teilchen (Wellenfunktionen), die in einem endlichen Intervall Δx präpariert wurden, erfüllt die Standardabweichung für den Impuls die Ungleichung[8]

Die minimal mögliche Streuung der Impulsverteilung ist demnach von der vorgegebenen Breite Δx des Spaltes abhängig. Hingegen bezieht sich die Präparation bei Ungleichung (1) auf solche Teilchen, von denen bekannt ist, dass sie vor der Impulsmessung eine Streuung σx hatten. Somit können die Teilchen des Spaltversuches die untere Schranke von Ungleichung (1) nicht erreichen, da Gauß'sche Wahrscheinlichkeitsdichten auf der gesamten reellen Achse ungleich Null sind und nicht nur in einem endlichen Teilbereich der Länge Δx.

Unabhängig davon, welche Präparation der Wellenfunktion im Ortsraum vorgenommen wird, zeigt also das Beugungsexperiment von Heisenberg, dass auch für die Messung der Wahrscheinlichkeitsdichte des Impulses immer eine vorherige Fouriertransformation notwendig ist. Heisenberg versteht hier also unter der unvermeidbaren „Störung des Systems“ den Einfluss dieser Fouriertransformation auf den quantenmechanischen Zustand im Ortsraum. Im Experiment wird diese Störung durch die zeitliche Propagation und das Zerfließen der Wellenfunktion zwischen Spalt und Schirm bewirkt. Letzteres entspricht gerade Aussage 3 des vorherigen Kapitels.

Messrauschen und Störung

Eine weitere Variante von Ungleichungen, die den Einfluss der Wechselwirkung zwischen Messobjekt und Messapparatur im Rahmen eines von Neumannschen Messprozesses explizit berücksichtigt, führt zu folgendem Ausdruck:[9]

Die neuen Variablen εx und ηp bezeichnen dabei den Einfluss des Messapparates auf die betrachteten Messgrößen. Dabei ist:

  • die mittlere Abweichung zwischen dem Ort vor der Wechselwirkung im Messgerät und dem Wert der anschließend angezeigt wird (Messrauschen),
  • die mittlere Veränderung des Impulses während der Zeitentwicklung in der Messapparatur.

Die beiden Maße für die Unbestimmtheit unterscheiden sich demnach konzeptionell voneinander. Im ersten Fall wird die Abweichung zwischen dem Ort x vor der Messung und dem Messwert des Ortes, der am Ende vom Messgerät angezeigt wird, betrachtet. Hingegen wird im zweiten Fall lediglich die Abweichung zwischen dem Impuls vor und nach der zeitlichen Entwicklung im Messgerät betrachtet, aber der davon verschiedene Messwert des Impulses, der am Ende angezeigt würde, unberücksichtigt gelassen.

Unter der Annahme, dass 1. das Messrauschen εx und die Störung ηp unabhängig vom Zustand ψ des Teilchens sind und 2. die Streuung σx der Ortsverteilung des Teilchens kleiner ist als das Messrauschen εx, wurde aus Relation (1) die Ungleichung[9]

gefolgert, was von dem japanischen Physiker Masanao Ozawa als Ausdruck für den Messprozess von Heisenberg interpretiert wird. Da es sich aber bei der hier vorliegenden Betrachtung nicht um eine simultane Messung im Sinne von Heisenberg handelt (σp ist unberücksichtigt), ist zu erwarten, dass das Produkt εx·ηp auch Werte kleiner als ħ/2 annehmen kann. Dies veranlasste einige Autoren zu der Aussage, dass Heisenberg irrte.

Das zugrunde liegende Konzept, das den Einfluss der Wechselwirkung innerhalb des Messgerätes auf die physikalischen Observablen explizit berücksichtigt, wurde 2012 durch Experimente mit Neutronenspins[10] und durch Versuche mit polarisierten Photonen verifiziert.[11][12]

Verallgemeinerung

Die zuerst von Kennard bewiesene Ungleichung (1) wurde 1929 von Howard P. Robertson formal verallgemeinert.[13] Mit dieser Verallgemeinerung lassen sich auch Unschärfebeziehungen zwischen weiteren physikalischen Größen angeben. Dazu gehören beispielsweise Ungleichungen bezüglich unterschiedlicher Drehimpulskomponenten, zwischen Energie und Impuls oder auch Ort und Energie. In Bra-Ket-Notation kann für zwei Observable A und B allgemein die folgende Ungleichung formuliert werden:[13]

Hierbei sind A und B die den Observablen zugehörigen selbstadjungierten linearen Operatoren. Der Ausdruck [A,B] = AB-BA bezeichnet den Kommutator von A und B. Anders als bei der für Ort und Impuls bestehenden Relation (1) kann in der verallgemeinerten Relation von Robertson auch die rechte Seite der Ungleichung explizit von der Wellenfunktion abhängig sein. Das Produkt der Streuungen von A und B kann daher sogar den Wert null annehmen, und zwar nicht nur dann, wenn die Observablen A und B miteinander kommutieren, sondern für spezielle selbst dann, wenn dies nicht der Fall ist. Für Ort und Impuls und andere sog. „komplementäre“ Observablenpaare, ist der Kommutator aber jeweils proportional zum Einheitsoperator. Der Erwartungswert in der Relation von Robertson kann daher für komplementäre Observablen nie null werden. Andere in diesem Zusammenhang oft genannte Variable, die nicht miteinander vertauschen (z. B. zwei verschiedene Drehimpulskomponenten), sind hingegen nicht zueinander komplementär, weil ihr Vertauschungsprodukt keine Zahl, sondern ein Operator ist. Vertauschbare Observable sind hingegen in jedem Fall, d. h. für alle , gleichzeitig streuungsfrei messbar, da ihr Kommutator verschwindet. Es handelt sich dann um kompatible oder verträgliche Observablen.

Die obige Ungleichung kann in wenigen Zeilen bewiesen werden:

Zunächst werden die Varianzen der Operatoren A und B mit Hilfe von zwei Zustandsfunktionen f und g dargestellt, d. h., es sei

,
.

Damit erhält man für die Varianzen der Operatoren die Darstellungen:

Unter Verwendung der schwarzschen Ungleichung ergibt sich daraus:

Um diese Ungleichung in die gebräuchliche Form zu bringen, wird die rechte Seite weiter abgeschätzt und berechnet. Dazu verwendet man, dass das Betragsquadrat einer beliebigen komplexen Zahl z nicht kleiner als das Quadrat ihres Imaginärteils sein kann, d. h.

wobei den Imaginärteil von darstellt. Mit der Substitution ergibt sich daraus für das Produkt der Varianzen die Abschätzung

Für die darin auftretenden Skalarprodukte und erhält man durch weiteres Ausrechnen

Damit ergibt sich für die Differenz in der Ungleichung

also gerade der Erwartungswert des Kommutators. Das führt schließlich zur Ungleichung

und ein Wurzelziehen liefert die oben angegebene Ungleichung.

Ableitung der Unbestimmtheitsrelation nach v. Neumann

Als gegeben werden angenommen:[14]

  • Ein Hilbertraum , versehen mit dem Skalarprodukt und der dazugehörigen Norm und mit als Identitätsoperator auf ;
  • Zwei in definierte selbstadjungierte lineare Operatoren und mit für einen gewissen Skalar ;
  • Ein der Norm  .[15]

Davon ausgehend lassen sich die folgenden Rechenschritte durchführen:

Schritt 1

Es ist:

Also gilt:

[16]

Das bedeutet:

Also folgt mit Cauchy-Schwarz:

Schritt 2

Sind nun zwei beliebige Skalare, so gilt die Kommutatorgleichung in gleicher Weise auch für und , wie man leicht nachrechnet.

Folglich hat man stets ganz allgemein:

Schritt 3

Infolge des Schrittes 2 erhält dann wegen mit und stets

Schritt 4

Für den quantenmechanisch relevanten Fall gewinnt man nun sofort die Heisenbergsche Unschärferelation

Anmerkungen
  1. Wie die zweite Gleichung von Schritt 1 zeigt, muss der Skalar unter den gegebenen Voraussetzungen stets rein imaginär, also realteilfrei sein.
  2. Wegen ist nach dem Satz von Wintner-Wielandt zwangsläufig unendlich-dimensional. Ebenso kann wegen in Verbindung mit dem Satz von Hellinger-Toeplitz auch nicht gelten.[17]

Beispiele

1. Wählt man im vorhergehenden Kapitel für die Operatoren sowie und verwendet, dass für den Kommutator von Ort und Impuls gilt, so ergibt die Ungleichung von Robertson die Relation von Kennard. Die rechte Seite der Relation ist dabei unabhängig von der Wellenfunktion des Teilchens, da der Kommutator in diesem Fall eine Konstante ist.

2. Eine Unschärferelation für die Messung von kinetischer Energie und Ort ergibt sich aus dem Kommutator d. h.

In diesem Fall ist die untere Schranke nicht konstant, sondern vom Mittelwert des Impulses abhängig und damit von der Wellenfunktion des Teilchens.

3. Bei einer Messung von Energie und Impuls eines Teilchens in einem vom Ort abhängigen Potential ist der Kommutator der Gesamtenergie und von der Ableitung des Potentials (Kraft) abhängig, d. h. Die entsprechende Unschärferelation für Energie und Impuls ist damit

Auch in diesem Beispiel ist die rechte Seite der Ungleichung im Allgemeinen keine Konstante.

4. Im Fall der Messung von Energie und Zeit lässt sich die Verallgemeinerung von Robertson nicht unmittelbar anwenden, da die Zeit in der Standard-Quantentheorie nicht als Operator definiert ist. Mit Hilfe des ehrenfestschen Theorems und einer alternativen Definition der Zeitunschärfe lässt sich allerdings eine analoge Ungleichung beweisen, siehe Energie-Zeit-Unschärferelation.

5. Für die Zeitabhängigkeit des Ortsoperators im Heisenberg-Bild gilt die Darstellung

Aufgrund der Impulsabhängigkeit in dieser Darstellung ergibt sich, dass der Kommutator von zwei Ortsoperatoren zu den unterschiedlichen Zeitpunkten 0 und nicht verschwindet, d. h. Daraus folgt für das Produkt der Streuungen der beiden Ortsmessungen im zeitlichen Abstand die Unschärferelation

Je mehr Zeit zwischen den beiden Streuungsmessungen vergeht, desto größer wird die minimal erreichbare Unschärfe. Man beachte, dass bei diesem Beispiel für zwei nicht gleichzeitig durchgeführte Messungen eine Unschärferelation vorliegt. Für zwei instantan durchgeführte Messungen des Ortes verschwindet der Kommutator und die untere Schranke der Ungleichung wird gleich 0.

6. Die minimale Breite einer Tunnelbarriere kann über die Unschärferelation abgeschätzt werden. Betrachtet man ein Elektron mit der Masse und der elektrischen Ladung das eine Potentialdifferenz durchtunnelt, so ergibt sich für die Ortsunschärfe und somit die minimale Breite der Tunnelbarriere

Bei einer Potentialdifferenz von 100 mV, wie sie etwa bei der Rastertunnelmikroskopie vorkommt, ergibt sich aufgrund dieser Beziehung eine kleinste Tunnelbarriere von etwa 0,3 nm, was sich gut mit experimentellen Beobachtungen deckt.[18]

Siehe auch

Literatur

  • Werner Heisenberg: Gesammelte Werke. Herausgegeben von Walter Blum, Hans-Peter Dürr und Helmut Rechenberg. Piper, München 1984–1992; Springer, Heidelberg/Berlin/New York 1994.
  • ders.: Der Teil und das Ganze. Piper, München 1969.
  • ders.: Quantentheorie und Philosophie. Reclam, Stuttgart 1979.
  • Johann v. Neumann: Mathematische Grundlagen der Quantenmechanik. Unveränderter Nachdruck der 1. Auflage von 1932. Kapitel III „Die quantenmechanische Statistik.“ Abschnitt 4 „Unbestimmheitsrelationen“. 38, Springer-Verlag, Berlin [u. a.] 1968, ISBN 3-540-04133-8. MR0223138
  • Joachim Weidmann: Lineare Operatoren in Hilberträumen. Teil 1: Grundlagen. Teubner Verlag, Stuttgart [u. a.] 2000, ISBN 3-519-02236-2. MR1887367

Weblinks

Einzelnachweise und Fußnoten

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 W. Heisenberg: Über den anschaulichen Inhalt der quantentheoretischen Kinematik und Mechanik. In: Zeitschrift für Physik. 43, Nr. 3, 1927, S. 172–198, doi:10.1007/BF01397280 (Originalarbeit als HTML).
  2. Vgl. Walter Greiner: Quantenmechanik. 6. überarb. und erw. Auflage. Verlag Harri Deutsch, Zürich [u. a.] 2005, ISBN 978-3-8171-1765-9, S. 55-56.
    • 1) S. 55 unten: „Der Wellencharakter der Materie … drückt sich unter anderem dadurch aus, dass im Bereich der Mikrophysik ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen einer Orts- und Impulsbestimmung besteht. Dies äußert sich darin, dass Ort und Impuls eines Teilchens nicht gleichzeitig scharf bestimmt werden können. Das Maß der Unschärfe wird durch die Heisenbergsche Unschärferelation gegeben.“
    • 2) S. 56 (Fußnote): „Auf der Suche nach der richtigen Beschreibung der atomaren Phänomene formulierte Heisenberg im Juli 1925 sein positivistisches Prinzip, dass nur ‚prinzipiell beobachtbare‘ Größen herangezogen werden dürfen … . In enger Zusammenarbeit mit N. Bohr gelang es Heisenberg, den tieferen … physikalischen Hintergrund des neuen Formalismus zu zeigen. Die Heisenbergsche Unschärferelation von 1927 wurde Grundlage der Kopenhagener Deutung der Quantentheorie.“
  3. 3,0 3,1 Werner Heisenberg: Physikalische Prinzipien der Quantentheorie. S. Hirzel Verlag, Leipzig 1930.
  4. Paul Busch, Teiko Heinonen, Pekka Lahti: Heisenberg's uncertainty principle. In: Physics Reports. 452, Nr. 6, 2007, S. 155–176, arXiv:quant-ph/0609185v3, doi:10.1016/j.physrep.2007.05.006.
  5. 5,0 5,1 E. H. Kennard: Zur Quantenmechanik einfacher Bewegungstypen. In: Zeitschrift für Physik. 44, Nr. 4, 1927, S. 326–352, doi:10.1007/BF01391200.
  6. L. E. Ballentine: The Statistical Interpretation of Quantum Mechanics. In: Reviews of Modern Physics. 42, Nr. 4, 1970, S. 358–381.
  7. J. B. M. Uffink, J. Hilgevoord: Uncertainty principle and uncertainty relations. In: Foundations of Physics. 15, Nr. 9, 1985, S. 925–944, doi:10.1007/BF00739034.
  8. T. Schürmann, I. Hoffmann: A closer look at the uncertainty relation of position and momentum. In: Foundations of Physics. 39, Nr. 8, 2009, S. 958–963, arXiv:0811.2582, doi:10.1007/s10701-009-9310-0.
  9. 9,0 9,1 Masanao Ozawa: Physical content of Heisenberg' uncertainty relation: Limitation and reformulation. In: Phys. Lett. A. 318, 2003, S. 21-29, arXiv:quant-ph/0210044.
  10. Quantum Uncertainty: Are You Certain, Mr. Heisenberg? In: Science Daily. 18. Januar 2012.
  11. Geoff Brumfiel: Common Interpretation of Heisenberg's Uncertainty Principle Is Proved False. Scientific American, 11. September 2012.
  12. Vergleiche auch Rainer Scharf: Quantenphysik. Der große Heisenberg irrte. In: FAZ.NET vom 17. November 2012.
  13. 13,0 13,1 H. P. Robertson: The Uncertainty Principle. In: Physical Review. 34, Nr. 1, 1929, S. 163–164, doi:10.1103/PhysRev.34.163.
  14. Johann v. Neumann: Mathematische Grundlagen der Quantenmechanik. Unveränderter Nachdruck der 1. Auflage von 1932. Kapitel III „Die quantenmechanische Statistik“. Abschnitt 4 „Unbestimmheitsrelationen“. 1 Auflage. 38, Springer-Verlag, Berlin [u. a.] 1968, ISBN 3-540-04133-8, S. 123-124.
  15. Im Folgenden wird kurz anstelle von geschrieben. Zudem ist zu beachten, dass das an den Operatoren hochgestellte hier auf das jeweilige Urbild verweist.
  16. Hier und im Weiteren wird der Darstellung von John von Neumann und den Gepflogenheiten der Analysis gefolgt, wonach das Skalarprodukt in der ersten Komponente linear und in der zweiten Komponente antilinear ist. In der Physik findet man oft die entgegengesetzte Praxis. Welcher Variante man folgt, ist ohne Einfluss auf das Ergebnis hier im Artikel. Insbesondere ist festzuhalten, dass rein imaginär dann und nur dann ist, wenn rein imaginär ist.
  17. Harro Heuser: Funktionalanalysis. Theorie und Anwendung. 4., durchgesehene Auflage. 36, Teubner Verlag, Wiesbaden 2006, ISBN 978-3-8351-0026-8, S. 102, 244, 564 – 565.
  18. Markus Bautsch: Rastertunnelmikroskopische Untersuchungen an mit Argon zerstäubten Metallen. Kapitel 2.1: Vakuum-Tunneln – Unschärferelation beim Tunneln. Seite 10, Verlag Köster, Berlin (1993), ISBN 3-929937-42-5.
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