Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzy­klo­pädie zum Judentum.

Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ...

Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten)

How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida

Universität Tartu

Aus Jewiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Tartu Ülikool
Universität Tartu
Logo
Gründung 1632
Trägerschaft staatlich
Ort Tartu
Staat Estland
Leitung Volli Kalm (Rektor)
Studenten 16.025 (2013)[1]
Mitarbeiter 3.739 (2013)[1]
davon Professoren 180 (2013)[1]
Netzwerke Coimbra-Gruppe
Website www.ut.ee

Die Universität Tartu (estnisch Tartu Ülikool, Tartu nennt sich auf Deutsch und Schwedisch Dorpat) ist die älteste Universität Estlands und dessen einzige Volluniversität. Sie wurde 1632 von König Gustav II. Adolf von Schweden gegründet.

Name und Sprache

Hauptgebäude
Aula

Ehemalige Bezeichnungen der Universität sind Academia Gustaviana (1632–1665), Academia Gustavo-Carolina (1690–1710), Kaiserliche Universität zu Dorpat (Imperatorskij Derptskij Universitet, 1802–1893), Kaiserliche Universität Jurjew (Imperatorskij Jur'evskij Universitet, 1893–1918), Universität der estnischen Republik Tartu (Eesti Vabariigi Tartu Ülikool, 1919–1940) sowie Staatliche Universität Tartu (Tartu Riiklik Ülikool, 1940–1941 und 1944–1989).

Gegründet wurde die Universität als Academia Gustaviana 1632 durch König Gustav II. Adolf von Schweden. Zur Gründungszeit trug die Stadt den Namen „Dorpat“ (estn. Tartu), so dass auch die Universität unter dem Namen Universität Dorpat europaweit bekannt war. Nach der Wiedergründung im Jahr 1802 hieß sie dann Kaiserliche Universität zu Dorpat und war von 1802 bis in die 1890er Jahre eine weitestgehend deutschsprachige Universität, die hauptsächlich die deutsch-baltische und russlanddeutsche Mittelschicht ausbildete, wobei auch zunehmend Esten an ihr auf Deutsch studierten. Im Zuge der allgemeinen Russifizierung wurde 1893 Russisch als Lehrsprache eingeführt und die Einrichtung in Universität Jurjew umbenannt. Nach der estnischen Unabhängigkeit von Russland im Jahr 1918/19 heißt sie Universität Tartu und ist die erste estnischsprachige Universität weltweit. Die Lehrsprache war also zunächst lange Zeit vorwiegend Deutsch, ab 1893 dann Russisch und seit 1918 hauptsächlich Estnisch.

Geschichte

Schweden

Als Livland von 1583 bis 1601 unter polnischer Herrschaft stand, gab es in Dorpat ein Jesuitengymnasium. Gegründet wurde die Universität als Academia Gustaviana 1632 durch König Gustav II. Adolf von Schweden als Teil der schwedischen Kolonialpolitik. Livland und mit ihm die Stadt Dorpat war gerade von Schweden erobert worden. Die Academia Gustaviana Dorpatensis war damit die zweitälteste Universität im damaligen schwedischen Herrschaftsbereich nach der Universität Uppsala (1477) und wurde die drittälteste, als die Universität Greifswald zu Schwedisch-Pommern kam (1456).

Die damalige Hochschule in Dorpat existierte jedoch nur relativ kurz und wurde später nach Pernau verlegt. 1710 wurde der Betrieb ganz eingestellt, nachdem Livland im Großen Nordischen Krieg unter russische Herrschaft gekommen war.

Russland

Die Universität in ihrem goldenen Zeitalter (1860)
Die Sternwarte Dorpat wurde 1810 eröffnet. Friedrich Georg Wilhelm von Struve arbeitete hier.
Hauptartikel: Ostseegouvernements

Das heutige Staatsgebiet Estlands war zu dieser Zeit ein Teilgebiet des Russischen Zarenreichs, wiewohl die estnisch- und/oder deutschsprachigen Bewohner weiterhin ihre Lebensweise und Bräuche weiterpflegten. Auf Initiative der Deutsch-Baltischen Ritterschaft wurde 1802 im Gouvernement Livland die Universität als Kaiserliche Universität zu Dorpat durch den reformgesinnten Zaren Alexander I. wiederbegründet. Erster Kurator der Universität war der in russischen Diensten stehende deutsche Dichter Friedrich Maximilian Klinger, Gründungsrektor wurde der in Frankreich geborene Arzt Georg Friedrich Parrot.

Die Universität Dorpat war zwischen 1802 und 1893 eine deutschsprachige Hochschule – administrativ zwar russisch, intellektuell und hinsichtlich des Lehrkörpers aber eine deutsche Universität (von den 30 deutschsprachigen Universitäten um 1875, von denen 23 im Deutschen Reich lagen, war Dorpat die elftgrößte; über 50 % der Professoren waren „Reichsdeutsche“, weitere 40 % Deutschbalten). In der Lehre bildete die Universität nicht nur den gesamtbaltischen Adel (in den Gouvernements Estland und Kurland gab es keine weitere Universität) und das Bildungsbürgertum aus, sondern auch – und aus der Sicht des Staates vor allem – Staatsdiener und Ärzte für das gesamte Russische Kaiserreich. Wissenschaftlich war die Universität Dorpat, die etwa zwischen 1860 und 1880 ihr „Goldenes Zeitalter“ (u.a. Alfred Wilhelm Volkmann, Gustav Teichmüller, Wilhelm Ostwald und Karl Ernst von Baer) erlebte, international angesehen.

Heute noch sichtbare Zeichen der engen Verflechtung der Universität mit Deutschland stellen wichtige Universitätsgebäude aus dem 19. Jahrhundert dar. Zwischen 1804 und 1809 wurden nach Plänen des Universitätsbaumeisters Johann Wilhelm Krause (1757 in Niederschlesien geboren, 1828 in Dorpat gestorben) das Universitätshauptgebäude, dessen Innenausstattung der Aula der Handwerksmeister Christian Holz aus Greifswald schuf, und 1811 die Sternwarte Dorpat errichtet. Unter der Leitung der bedeutenden Astronomen Friedrich Georg Wilhelm Struve und Johann Heinrich Mädler wurde sie zu einer der führenden astronomischen Forschungseinrichtungen. Der botanische Garten, einer der ältesten seiner Art in Osteuropa, wurde 1803 von Gottfried Albrecht Germann begründet und 1806 an seinen heutigen Platz verlegt. Das Anatomicum (Tartu) (1805, Planung von Krause) bildete die Vorlage vieler anderer entsprechender Gebäude in Europa und wurde bis zum Ende der 1990er Jahre für die medizinische Ausbildung genutzt.

Diese Freiheit endete, als in Russland nationalistische und nationalstaatliche Tendenzen zu dominieren begannen und man die Homogenität der Bildung in Russland für wichtiger hielt als den Erhalt einer deutschsprachigen estnischen Universität auf internationalem Niveau. Zwischen 1882 und 1893 kam es daher zu einer Russifizierung, die eine Verpflichtung zur Lehre ausschließlich auf Russisch einschloss; die Theologische Fakultät durfte aber bis 1916 auf Deutsch lehren, weil die russisch-orthodoxe Kirche den Verbreitung lutherischer Ideen in Russland verhindern wollte. Im Rahmen der allgemeinen Russifizierung im Zarenreich wurde die Stadt und die Universität im Jahr 1893 in „Jurjew“ umbenannt. Die Mehrzahl der deutschsprachigen Mitarbeiter, Professoren und Studenten verließ die Universität.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kamen viele Bessarabiendeutsche und Schwarzmeerdeutsche an die Universität. Viele studierten Evangelische Theologie, zum Beispiel Rudolf Faltin, Daniel Haase und Immanuel Winkler. Im Februar 1908 gründeten sie den Südländerverein Teutonia. Zu den Mitgliedern gehörten Otto Broneske, Georg Leibbrandt und Karl Stumpp.[2]

Die Hochschule bestand als russischsprachige Universität Jurjew bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Bevor 1918 deutsche Truppen Tartu besetzten, wurde ein Teil der Universität nach Woronesch in Russland evakuiert, insbesondere die universitären Sammlungen, aber auch einige Angestellte und Studenten. 39 Professoren, 45 Universitätslehrer, 43 sonstige Angestellte und etwa 800 Studenten aus Tartu – zumeist Russen – bildeten so den Grundstock der neu gegründeten Staatlichen Universität Woronesch. In Tartu selbst wurde die Universität für einen Teil des Wintersemesters 1918/19 unter deutscher Besatzung als Landesuniversität Dorpat wiedereröffnet.

Estland

Studentenfestival am Emajõgi

1919 wurde die Hochschule im neu entstandenen Staat Estland als Universität Tartu zur Nationaluniversität und blieb auch in der darauffolgenden Sowjetzeit die wichtigste Universität in Estland. Die Wiedererlangung der vollen akademischen Unabhängigkeit kann man auf das Jahr 1992 datieren, obwohl seit 1988 ungestörte Forschung wieder möglich war. Seit den 1990er Jahren hat man zahlreiche Strukturveränderungen (wechselnd nach amerikanischem, skandinavischem und mitteleuropäischem Vorbild) vorgenommen und versteht sich als Teil der europäischen Wissenslandschaft. Insbesondere der Bologna-Prozess hat die Integration der Universität Tartu in den europäischen Hochschulraum im Bereich des Studiums gefördert.

Heute ist die Universität Tartu die einzige Volluniversität Estlands und gehört zu den ältesten in Ost- und Nordeuropa. Sie ist Mitglied der Coimbra-Gruppe und des Utrecht-Netzwerks.

Kulturakademie

Die Viljandi-Kulturakademie ist eine höhere Bildungseinrichtung für angewandte Kulturfächer und gehört seit 2005 zur Universität Tartu.

Partneruniversitäten

Partneruniversitäten der Universität Tartu sind die Mitglieder der Coimbra-Gruppe und andere Universitäten:[3]
DeutschlandDeutschland Georg-August-Universität Göttingen
DeutschlandDeutschland Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
DeutschlandDeutschland Universität Hamburg
DeutschlandDeutschland Christian-Albrechts-Universität Kiel
DeutschlandDeutschland Deutsche Sporthochschule Köln
DeutschlandDeutschland Universität Konstanz
DeutschlandDeutschland Westfälische Wilhelms-Universität in Münster
FinnlandFinnland Universität Helsinki
FinnlandFinnland Universität Turku
NiederlandeNiederlande Universität Amsterdam
NiederlandeNiederlande Reichsuniversität Groningen
RusslandRussland Lomonossow-Universität in Moskau
RusslandRussland Staatliche Universität Sankt Petersburg
SchwedenSchweden Universität Göteborg
SchwedenSchweden Universität Lund
SchwedenSchweden Universität Uppsala

Professoren

Jaak Aaviksoo (2011), Bildungsminister und ehemaliger Rektor
Jaan Kross (1987)

Alumni

Karl Ernst von Baer (1792–1876), Entdecker der menschlichen Eizelle
Siim Kallas (* 1948), estnischer Premierminister und EU-Kommissar
Andrus Ansip (* 1956), estnischer Premierminister und EU-Kommissar

Literatur

Ältere Darstellungen

  • Allgemeines Schriftsteller- und Gelehrten-Lexikon der Provinzen Livland, Esthland und Kurland, bearbeitet von Johann Friedrich von Recke und Karl Eduard von Napiersky. Band I: A-F, Mitau 1827. Band II: G-K, Mitau 1829. Band III: L-R, Mitau 1830. Band IV: S-Z, Mitau 1832. Nachträge, unter Mitwirkung von C. E. Napiersky und Theodor Beise. Band I: Nachträge A-K, Mitai 1859. Band II: Nachträge L-Z, Mitau 1861.
  • Friedrich Busch: Der Fürst Karl Lieven und die Kaiserliche Universität Dorpat unter seiner Oberleitung. Karow, Dorpat/Leipzig 1846, 179 Seiten.
  • Album academicum der Kaiserlichen Universität Dorpat; zur Jubel-Feier ihres fünfzigjährigen Bestehens am 12. December 1852. Laakmann, Dorpat 1852. (Digitalisat der ULB Düsseldorf)
  • Arnold Hasselblatt und Gustav Otto: Album academicum der Kaiserlichen Universität Dorpat. Dorpat 1889, 1007 Seiten. (Digitalisat)
  • Rückblick auf die Wirksamkeit der Universität Dorpat – Zur Erinnerung an die Jahre von 1802–1865. Nach den vom Curator des Dörptschen Lehrbezirks eingezogenen Berichten und Mittheilungen. Dorpat 1866, 166 Seiten.
  • Erik Thomson: Alma mater Dorpatensis. Die Universität Dorpat in Estland von den Anfängen bis 1944. Ostpreußenblatt, Folge 26, 26. Juni 1982, S. 20

Grundlagenwerke

  • Erich Donnert: Die Universität Dorpat-Jur'ev 1802–1918. Ein Beitrag zur Geschichte des Hochschulwesens in den Ostseeprovinzen des Russischen Reiches, Peter Lang, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-631-56477-6.
  • Roderich v. Engelhardt: Die Deutsche Universität Dorpat in ihrer geistesgeschichtlichen Bedeutung. Ernst Reinhardt, München 1933.
  • Tullio Ilomets, Hillar Palamets (Hrsg.): Alma Mater Tartuensis (1632–1982). Eesti Raamat, Tallinn 1982.
  • Reet Mägi, Wolfgang Drechsler (Hrsg.): Kaiserliche Universität Dorpat 200 – Academia Gustaviana 370 – Das Jubiläum der Universität Tartu. Tartu Ülikooli Kirjastus, Tartu 2004.
  • Hugo Semel (Hrsg.): Die Universität Dorpat (1802–1918). Laakmann, Dorpat 1918.

Besondere Aspekte

  • Georg von Rauch: Die Universität Dorpat und das Eindringen der frühen Aufklärung in Livland 1690–1710. Essener Verlagsanstalt, Essen 1943.
  • Csaba János Kenéz (Bearb.): Zur 350-Jahrfeier der Universität Dorpat. Johann-Gottfried-Herder-Institut, Marburg 1984.
  • Museum of Tartu University History: Inventions and Discoveries at the Imperial Tartu University. Bd 1. Chemistry, Physics. Museum of Tartu University History, Tartu 2002.
  • Museum of Tartu University History: Inventions and Discoveries at the Imperial Tartu University. Bd 2. Medicine. Museum of Tartu University History, Tartu 2002.
  • Helmut Piirimäe, Claus Sommerhage (Hg.): Zur Geschichte der Deutschen in Dorpat. Tartu Ülikooli Kirjastus, Tartu 2000 (Beiträge u.a. zur Universität, zum Studententum, zum Schulwesen und über Gustav v. Ewers).
  • Die Universitäten Dorpat / Tartu, Riga und Wilna / Vilnius 1579 – 1979. Beiträge zu ihrer Geschichte und ihrer Wirkung im Grenzbereich zwischen West und Ost. Herausgegeben von Gert von Pistohlkors, Toivo U. Raun, Paul Kaegbein. Köln; Wien 1987 (Quellen und Studien zur baltischen Geschichte; 9). [Zweites Internationales Marburger Symposium zu Problemen der baltischen Sozial- und Kulturgeschichte]. ISBN 3-412-00886-9.
  • Konstantin v. Freytag-Loringhoven: Adolf von Harnack (1851–1930) und Wilhelm Ostwald (1853–1932). Leben und Lernen in Dorpat als lebenslange Referenz zweier deutschbaltischer Wissenschaftler. Einst und Jetzt, Bd. 59 (2014), S. 41–90.

Weblinks

 Commons: University of Tartu – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Wikisource: Dorpat – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Tegevusaruanne 2013. Tartu Ülikool. Abgerufen am 28. Oktober 2014.
  2. Harald Seewann: TEUTONIA Dorpat/Tübingen – eine Verbindung deutscher studierender Kolonistensöhne aus Rußland (1908–1933). Einst und Jetzt, Bd. 34 (1989), S. 197–206.
  3. UT's partner universities
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Universität Tartu aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.