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Transidentität

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Transidentität (von lateinisch trans „jenseitig, darüber hinaus“, und idem „derselbe, dasselbe, der gleiche“) wird oft synonym zu „Transsexualität“ gebraucht, bezieht sich jedoch eher auf die Geschlechtsidentität eines Menschen und versucht sich damit von einem Bezug zur „Sexualität“ abzugrenzen.[1] Transidentität beschreibt ein natürlich bedingtes Phänomen, bei dem die Geschlechtsidentität mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht[2][3][4] nicht übereinstimmt. Transidentität wird häufig umfassender verstanden und schließt Menschen ein, die keine chirurgische genitale Geschlechtsangleichung in Anspruch nehmen.[5][6][7][8]

Begriffsherkunft und -abgrenzung

Transidentität ist eine Bezeichnung, die 1984 nach Aussagen der Psychotherapeutin Inoszka Prehm und Cornelia Klein (bis 1998 die 1. Vorsitzende des von 1985 bis 2000 bestehenden Vereins Transidentitas)[9] von mehreren informellen Mitgliedern einer Selbsthilfegruppe gleichen Namens aus Köln und Frankfurt am Main erdacht wurde. Der Bekanntheitsgrad der Bezeichnung geht mit dieser Vereinsgründung und den Tagungen des Vereins in Frankfurt am Main in den Folgejahren einher. Übernommen wurde die Bezeichnung von zahlreichen weiteren Autoren,[10][11] Selbsthilfegruppen und Vereinen.[12][13] Die Deutsche Nationalbibliothek listet im Dezember 2019 insgesamt 45 Publikationen mit dem Wort Transidentität im Titel und 250 mit Erwähnungen der Bezeichnung. Im französischen Sprachraum wird die Bezeichnung transidenté genutzt, auf europäischer Ebene wird in englischsprachigen Publikationen auch trans identity verwendet.[14] Lena Balk schreibt 2020, dass transident die Selbstbezeichnung mit der höchsten Akzeptanz vor transgender sei; die Bezeichnung transsexuell folge mit weitem Abstand.[15]

Die Kritiker der Bezeichnung „Transsexualität“ argumentieren, dass damit zwar ursprünglich die Empfindung eines Menschen gemeint sei, die falschen „Sexualorgane“ zu besitzen, jedoch die Assoziation zu „Sexualität“ sehr nahe liege. Tatsächlich aber sei Transidentität kein sexuelles Problem im Sinne sexueller Handlungen, sexueller Präferenzen oder sexueller Orientierung.[16] Madeleine Eisfeld schrieb 2007, Transidentität sei eine Bezeichnung, die der Problematik am weitesten gerecht werde.[17] Die Ärztin und Historikerin Livia Prüll schrieb Anfang 2021, Transsexualität eigne sich nicht als Oberbegriff und transgender könne auch Personen beschreiben, die aus allen möglichen Gründen Geschlechtergrenzen überschreiten.[18]

Transidente Menschen können, ebenso wie Nicht-Transidente, die ganze Bandbreite sexueller Präferenzen und/oder Orientierungen besitzen. Da es sich jedoch hauptsächlich um die Selbstdefinition der eigenen Identität handelt, wird von der Bezeichnung Transsexualität Abstand genommen um das Thema der Identität hervorzuheben. Transidente haben viel mehr das Bestreben, in ihrer sozialen Geschlechtsrolle und meist auch körperlich als Angehörige des jeweils anderen Geschlechts anerkannt zu werden. Auch bei nichtbinären Menschen handelt es sich um die Selbstdefinition der eigenen Identität; allerdings wollen nichtbinäre Menschen ihre Körper (insbesondere ihre Sexualorgane) durchschnittlich seltener oder weniger stark verändern, lehnen binäre Geschlechterrollen ab oder sind intergeschlechtlich.[19][20]

Aufgrund dieser Selbstbestimmung[20] soll daher die Bezeichnung Transidentität die Assoziation mit Sexualität und damit verbundene Missverständnisse vermeiden, die durchaus praktische Auswirkungen auf das Leben von transidenten Personen haben. Diese sind nicht nur allgemeiner Natur, sondern auch zum Beispiel in den Begutachtungen, die für die medizinische Behandlung und für die Namens- und Personenstandsänderung notwendig sind; diese waren (heute selten) häufig sehr auf Fragen zu sexuellem Verhalten konzentriert, ignorierten dagegen häufig soziale Fragen oder Fragen zum Unbehagen mit den Reaktionen und Gefühlen des Körpers, welche die Transidenten als wesentlich wichtiger empfinden.

Die ebenfalls verwendete Bezeichnung „Transgender“ betont die soziale Rolle des Geschlechts (Gender) und weniger den dazu unpassenden Körper, also die Tatsache, dass die Betroffenen in erster Linie unter der ihnen zugewiesenen Geschlechterrolle leiden. Transgender verbreitete sich in Deutschland nach der Bezeichnung Transidentität.

Eine Gruppe von Betroffenen kehrt mittlerweile jedoch in der Selbstdefinition wieder zur Bezeichnung Transsexualität zurück, weil sie sich durch Transidentität möglicher vorgeburtlicher Ursachen beraubt sieht, sowie um auf den Umstand aufmerksam zu machen, dass Transsexualität primär keine Frage der geschlechtlichen Identität ist, sondern der Begriff eine geschlechtliche Variation beschreibe, die von Magnus Hirschfeld, der Transsexualismus 1923 erstmals so bezeichnete, als in der Natur vorkommend betrachtet wurde. Dieser verstand Transsexualität beziehungsweise Transsexualismus als „Entgegengeschlechtlichkeit“ und erwähnte seine Beobachtung unter anderem in seinem Artikel Die intersexuelle Konstitution, der als erweiterte Version eines am 16. März 1923 im hygienischen Institut der Universität Berlin gehaltenen Vortrags im Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen erschien. Hirschfeld beschreibt in diesem Artikel Menschen, deren Geschlecht er als Vorstufen des Hermaphroditismus ansah. Im Unterschied zu Transidentität, bei der das „Empfinden, wie das Gegengeschlecht“ gemeint ist, beschreibt Transsexualität demnach eine geschlechtliche Zwischenstufe. Ferner wird von transsexuellen Menschen argumentiert, dass gerade nicht die geschlechtliche Identität gewechselt, sondern lediglich der Körper an das eigentliche Geschlecht angepasst werde.

Mit Transgender fühlen sich viele Transsexuelle nicht angesprochen, weil sie, wie in der medizinischen Definition ICD-10 F64.0 beschrieben, primär unter den falschen geschlechtlichen Körpermerkmalen leiden und die Ausgestaltung der sozialen Rolle nur als sekundäre Folge davon sehen. Mit der seit Juni 2019 gültigen Klassifikation der ICD-11 der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird sich mit der Bezeichnung gender incongruence (Nichtübereinstimmung mit dem Zuweisungsgeschlecht) nicht mehr ausschließlich auf das Leiden ausschließlich am Körper bezogen, sondern auch auf soziale oder rechtliche Zuweisung eines Geschlechts, was mehr für Transgender oder Transidentität spricht.[21]

Siehe auch

Literatur

  • Bernd Meyenburg: Geschlechtsdysphorie im Kindes und Jugendalter. Kohlhammer, Stuttgart, 2020, ISBN 978-3-17-035126-4.
  • M. Fuchs, K. Praxmarer, K. Sevecke: Transidentität in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Springer, 2017 doi:10.1007/s10304-016-0112-0.
  • Livia Prüll: Trans* im Glück. Geschlechtsangleichung als Chance. Autobiographie, Medizinethik, Medizingeschichte. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2016, ISBN 978-3-525-49011-2.
  • Wilhelm F. Preuss: Geschlechtsdysphorie, Transidentität und Transsexualität im Kindes und Jugendalter. 2. Auflage. Ernst Reinhardt Verlag, München 2019, ISBN 978-3-497-02869-6.
  • Udo Rauchfleisch: Anne wird Tom – Klaus wird Lara. Transidentität/Transsexualität verstehen. Patmos, Ostfildern 2013, ISBN 978-3-8436-0427-7.
  • Udo Rauchfleisch: Transsexualität – Transidentität Begutachtung, Begleitung, Therapie. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2014, ISBN 978-3-525-46270-6.
  • Udo Rauchfleisch: Transexualismus – Genderdysphorie – Geschlechtsinkongruenz – Transidentität: Der schwierige Weg der Entpathologisierung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2019, ISBN 978-3-525-40516-1.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Transsexualität – Transidentität Begutachtung, Begleitung, Therapie. 5. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2016, ISBN 978-3-647-46270-7, S. 14 (erstveröffentlicht 2006).
  2. ICD-11: 17. Conditions related to sexual health: Gender incongruence. In: ICD.WHO.int. Version April 2019, abgerufen am 6. November 2020.
  3. M. Fuchs, K. Praxmarer, K. Sevecke: Transidentität in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. In: Gynäkologische Endokrinologie. Band 15, 2017, S. 30–38, hier S. ?? (doi:10.1007/s10304-016-0112-0).
  4. Universität Duisburg-Essen (UDE), Gleichstellungsbeauftragte: Gender-Portal: Was bedeutet Gender? In: uni-due.de, 19. September 2019, abgerufen am 6. November 2020.
  5. Livia Prüll: Trans* im Glück: Geschlechtsangleichung als Chance. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2016, ISBN 978-3-525-49011-2, S. 17–18 (Autobiographie, Medizinethik, Medizingeschichte).
  6. Petra Weitzel: Das Bild von Transsexuellen in der Öffentlichkeit. In: Transidentität, Transsexualität und Kirche. 2017, S. 6–7. (bmfsfj.de)
  7. Wilhelm F. Preuss: Geschlechtsdysphorie, Transidentität und Transsexualität im Kindes und Jugendalter. 2. Auflage. Ernst Reinhardt Verlag, München 2019, ISBN 978-3-497-02869-6, S. 12.
  8. Bernd Meyenburg: Geschlechtsdysphorie im Kindes und Jugendalter. Kohlhammer, Stuttgart, 2020, ISBN 978-3-17-035126-4, S. 13.
  9. Transidentitas e. V.: Offizielle Website. (Memento vom 15. Dezember 2000 im Internet Archive), abgerufen am 5. August 2020.
  10. Martin Fuchs, K. Praxmarer, Kathrin Sevecke: Transidentität in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. In: Gynäkologische Endokrinologie. Band 15, 2017, S. 30–38 (Volltext: doi:10.1007/s10304-016-0112-0; online auf researchgate.net).
  11. Brigitte Vetter: Transidentität – ein unordentliches Phänomen: wenn das Geschlecht nicht zum Bewusstsein passt. Huber, Bern 2010, ISBN 978-3-456-84842-6.
  12. Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e. V.: Offizielle Website. Abgerufen am 5. Juli 2020.
  13. Trans-Ident e. V.: Offizielle Website. Abgerufen am 5. Juli 2020.
  14. European network of legal experts in gender equality and non-discrimination: Trans and intersex equality rights in Europe – a comparative analysis. Herausgegeben von der Europäischen Kommission. Luxemburg 2018, ISBN 978-92-79-95764-2 (englisch; doi:10.2838/75428; PDF: 640 kB, 71 Seiten auf europa.eu).
  15. Lena Balk: Selbstbezeichnung und Selbstwahrnehmung geschlechtsvarianter, transsexueller, transidenter, transgender und nicht-binärer Menschen. Selbstveröffentlichung, 29. Juni 2020, S. 14: Tabelle 19 und 20 (PD: 554 kB, 28 Seiten auf transsexualitaet.info).
  16. Bernd Meyenburg: Geschlechtsdysphorie im Kindes und Jugendalter. Kohlhammer, Stuttgart 2020, ISBN 978-3-17-035126-4, S. 13.
  17. Madeleine Eisfeld: Bi- und Transgender. In: bijou 21. Schlotheim, Januar 2007, S. 48–50, hier S. 48 (Mitgliederzeitschrift von BinNe e. V.; PDF: 2,4 MB, 33 Doppelseiten auf bine.net).
  18. Livia Prüll: Transidentität und Diversität. In: Livia-Pruell.de. Mainz 2021, abgerufen am 17. März 2021.
  19. American College Health Association (ACHC), National College Health Assessment (NCHA): Reference Group Data Report – Spring 2020 (ACHA-NCHA III). Silver Spring, 16. Juni 2020, S. 101: Fragen 67A–C (englisch; PDF: 2,2 MB, 112 Seiten auf acha.org; Downloadseite); die 3 Fragen: “67A) What sex were you assigned at birth? […] 67B) Do you identify as transgender? […] 67C) Which term do you use to describe your gender identity?”
  20. 20,0 20,1 Arn Sauer: LSBTIQ-Lexikon: Vorbemerkung. In: bpb.de. 27. März 2017, abgerufen am 5. April 2020.
  21. ICD-11: Gender incongruence. In: WHO.int. Version: September 2020, abgerufen am 17. März 2021 (englisch).
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