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Thure von Uexküll

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Thure von Uexküll im Sommer 1915 mit seinem Vater

Karl Kuno Thure von Uexküll (* 15. März 1908 in Heidelberg; † 29. September 2004 in Freiburg im Breisgau) war ein deutscher Mediziner und Begründer der psychosomatischen Medizin sowie Mitbegründer der Biosemiotik.

Leben

Thure von Uexküll wurde am 15. März 1908 in Heidelberg als Sohn des Biologen Jakob Johann von Uexküll und von Gudrun Gräfin Schwerin-Uexküll geboren. Jakob von Uexküll gilt als ein Wegbereiter der biologischen Ökologie. Er führte den Begriff der Umwelt in die Biologie ein und war ein Pionier der theoretischen Biologie und der Biosemiotik. Gudrun Gräfin Schwerin-Uexküll hatte sich als Übersetzerin des damals sehr populären „Das Buch von San Michele“ des schwedischen Arztes Axel Munthe einen Namen gemacht.

Thure von Uexküll wuchs in Hessen und Pommern auf und kam 1924 nach Hamburg, wo sein Vater das Institut für Umweltforschung gründete.

Er studierte von 1928 bis 1934 in München, Innsbruck, Rostock und Hamburg Medizin. In Hamburg legte er sein Staatsexamen ab und begann als Assistenzarzt in der Neurologischen Klinik des Barmbeker Krankenhauses. 1935 ging er nach Berlin an die Charité, wo er eine Volontärstelle bei Gustav von Bergmann, einem Internisten und Pionier der psychosomatischen Medizin, annahm. An eine akademische Karriere war zu der Zeit nicht zu denken, da sich Thure von Uexküll weigerte, in die NSDAP einzutreten. Zudem hatte sein jüngerer Bruder Gösta von Uexküll jüdischen Verfolgten zur Flucht verholfen, war ins Fahndungsnetz der Gestapo geraten und nach Schweden geflohen.

Von 1943 bis 1945 war Thure von Uexküll als Polizeiarzt in Russland und Jugoslawien eingesetzt. Nach dem Krieg leitete er eine Sammelstelle des Roten Kreuzes für die ärztliche Betreuung von frisch entlassenen KZ-Häftlingen.[1] Er habilitierte 1948 und war dann als Privatdozent an der Medizinischen Poliklinik der Universität München tätig. Bereits in diesen Jahren veröffentlichte er sein Standardwerk zur psychosomatischen Medizin.

Nach Aussagen eines ehemaligen Kollegen in der Professorenschaft konnte er aber an der konservativen medizinischen Fakultät nicht die notwendige Forschungs- und Überzeugungsarbeit für sein neuentstehendes Fachgebiet leisten. Daraufhin wechselte er 1955 als Ordinarius und Leiter der Medizinischen Poliklinik an die Justus-Liebig-Universität Gießen.

Nach seiner Berufung an die Reformuniversität Ulm auf den Lehrstuhl für Innere Medizin und Psychosomatik im Jahr 1966 machte er sich dort an eine Reform des Medizinstudiums, die z. B. durch die Integration von Fächern wie Psychologie oder Soziologie bis in die Gegenwart Spuren hinterließ. Gemeinsam mit der Oberin des Ulmer Reformklinikums Ilse Schulz und der Heidelberger Pflegewissenschaftlerin Antje Grauhan war Thure von Uexküll Ideengeber im interdisziplinär angelegten Ulmer Modellversuch „Die internistisch-psychosomatische Krankenstation“ in den 1970er Jahren.[2]

1974 gründete Uexküll gemeinsam mit einer Gruppe von gleich denkenden Kollegen das „Deutsche Kollegium für Psychosomatische Medizin“ (DKPM), die wissenschaftliche Fachgesellschaft der Psychosomatik.

Uexküll setzte sich für eine Psychosomatik ein, die ein integraler Bestandteil aller praktischen Fächer der Medizin sein und nicht als eine weitere spezialisierte Fachdisziplin isoliert neben den anderen medizinischen Fächern bestehen sollte.

1976 wurde Uexküll emeritiert, blieb aber seinem Fachgebiet treu, verfolgte die aktuelle Forschung und betreute weiterhin auch noch eigene Projekte. Als anerkannter Fachmann wurde er auch weiterhin regelmäßig von Kollegen konsultiert.

Thure von Uexküll forschte jahrzehntelang im Lichte der neuen Forschungsrichtung der Biosemiotik. Die Biosemiotik untersucht Prozesse der Biologie (z. B. Zell-Zell-Kommunikation) in Hinsicht auf ihren Zeichencharakter. Er entwickelte damit den Ansatz seines Vaters Jakob von Uexküll einer biologischen Bedeutungslehre konsequent weiter und begründete die Psychosomatik in dieser Hinsicht. Von Charles Sanders Peirce (1839–1914) wurde der triadische Charakter Zeichenbeziehung (Signifikant, Objekt/Signifikat, Interpret) übernommen.[3] Anfang der 1990er-Jahre intensivierte Thure von Uexküll die fruchtbare Auseinandersetzung mit Thomas A. Sebeok, dem Begründer der Zoosemiotik. Sie einigten sich schließlich auf den integrativen Terminus „Biosemiotik“, um in Zukunft alle Forschungen der Zeichenverwendung in der belebten Natur unter diesem Begriff zu subsumieren. Bald darauf wurden die ersten Biosemiotikkongresse durchgeführt.

Thure von Uexküll gründete am 15. August 1992 die Akademie für Integrierte Medizin, welche am 2. April 1993 als gemeinnütziger Verein in das Stuttgarter Vereinsregister eingetragen wurde. Er beklagte das „dualistische Paradigma“ der Medizin mit der Spaltung in einen „kranken Körper ohne Seele und eine leidende Seele ohne Körper“. Er hatte die Idee einer „Integrierten Medizin“, die den vorherrschenden biomechanisch/psychologischen Dualismus in der medizinischen Versorgung überwindet. Die AIM, die sich nach dem Tod Thure von Uexkülls in „Thure von Uexküll-Akademie für Integrierte Medizin“ umbenannte, verfolgt bis heute das Ziel, die im westlichen Kulturkreis verloren gegangene psychosoziale Dimension in alle Fachgebiete der Medizin zurückzubringen.

Ehrungen und Auszeichnungen

Die Universität Tartu verlieh ihm 1994 die Ehrendoktorwürde (Semiotik und Medizin).

Zu Ehren Uexkülls wurde 2014 die Akutklinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie im historischen Carlsbau im Glottertal Thure-von-Uexküll-Klinik benannt.[4]

Publikationen

  • Thure von Uexküll (1953), Der Mensch und die Natur.Grundzüge einer Naturphilosophie. Francke, Bern
  • Thure von Uexküll (1963). Grundfragen der psychosomatischen Medizin. Rowohlt, Hamburg.
  • Thure von Uexküll (1974). Signs, Symbols and Systems. In: T. Sebeok, R. Posner (Hg). A semiotic Landscape. Den Haag, Paris, New York, pp. 487–492.
  • Thure von Uexküll (1980). Die Umweltlehre als Theorie der Zeichenprozesse. In Th v. Uexküll (Hg): Jakob von Uexcküll. Kompositionslehre der Natur. Frankfurt, Berlin, Wien
  • Thure von Uexküll (1982). Semiotics and medicine. Semiotica 38, 3/4: 205–215.
  • Thure von Uexküll (1984). Semiotics and the problem of the observer. Semiotica 48, 3/4: 187–195.
  • Thure von Uexküll: Zeichen und Realität als anthroposemiotisches Problem. In: Oehler, Klaus (Hrsg.): Zeichen und Realität. Tübingen, Stauffenburg-Verlag 1984, Bd. 1, S. 61–72. ISBN 3-923721-81-1
  • Thure von Uexküll (1986). Medicine and Semiotics. Semiotica 61, 3/4: 201–217.
  • Thure von Uexküll (1987). Die Wissenschaft von dem Lebendigen. In: Perspektiven der Philosophie. Neues Jahrbuch 1987, 13: 451–461.
  • Thure von Uexküll (1989). Naturwissenschaft als Zeichenlehre. Merkur 43: 225 –234.
  • Thure von Uexküll, Werner Geigges, Jörg Hermann (1993). Endosemiosis. Semiotica 96, 1/2: 5–51.
  • Thure von Uexküll (1997). Biosemiose. In: R.Posner, K. Robering, T. Sebeok (HG). Semiotik. Walter de Gruyter, Berlin, New York, pp 447–457.
  • Thure von Uexküll et al. (Hg) (1997). Psychosomatic Medicine. Urban & Fischer.
  • Thure von Uexküll, Wolfgang Wesiack (1998). Theorie der Humanmedizin. Urban & Schwarzenberg. München, Wien, Baltimore 1988; 3. Auflage ebenda 1988.
  • Psychosomatische Medizin. Theoretische Modelle und klinische Praxis, Herausgegeben von Rolf Adler, Urban & Fischer bei Elsevier, München & Jena 2011 ISBN 978-3-437-21831-6

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Oliver Buschbeck, Marina von Uexküll und Karl Köhle: Thure von Uexküll zum 80. Geburtstag am 15. März 1988, Urban & Schwarzenberg München, Wien, Baltimore 1988, S. 2+3.
  2. Karl Köhle, Claudia Simons, Dieter Böck, Antje Grauhan (Hrsg.): Angewandte Psychosomatik. Die internistisch-psychosomatische Krankenstation – ein Werkstattbericht, mit einem Geleitwort von Thure von Uexküll, ROCOM Basel 1980, S. 9–11.
  3. Wolfgang U. Eckart: Thure von Uexküll. In: Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin. 8. Auflage, Springer, Heidelberg/ Berlin/ New York 2017, S. 317. doi:10.1007/978-3-662-54660-4
  4. Glottertal: Erste Patienten beziehen ihre Zimmer - badische-zeitung.de. Abgerufen am 30. September 2014.
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