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Thomas Klestil

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Dieser Artikel beschäftigt sich mit dem österreichischen Bundespräsidenten Thomas Klestil, weitere Personen dieses Namens siehe Klestil (Begriffsklärung).
Thomas Klestil

Thomas Klestil (* 4. November 1932 in Wien; † 6. Juli 2004 ebenda) war ein österreichischer Diplomat und von 1992 bis zu seinem Tod österreichischer Bundespräsident.

Ausbildung

Thomas Klestil wurde als jüngstes von fünf Kindern eines Straßenbahnbediensteten und einer Gärtnerin im Wiener Arbeiterviertel Erdberg geboren. Er besuchte, gemeinsam mit seinem Schulfreund Joe Zawinul eine Klasse des GRG 3 Hagenmüllergasse im dritten Bezirk in Wien, maturierte im Bundesrealgymnasium im elften Wiener Gemeindebezirk und studierte anschließend an der Hochschule für Welthandel. Seit 1953 war er Mitglied der katholischen Studentenverbindung K.A.V. Bajuvaria Wien. Im Jahr 1957 schloss er sein Studium mit der Promotion zum Doktor der Handelswissenschaften ab. Im selben Jahr heiratete er seine erste Frau Edith-Maria Wielander (1932–2011).

Karriere

Seine Diplomatenlaufbahn begann er 1957 im Bundeskanzleramt, in der Sektion, die die Außenbeziehungen Österreichs wahrnahm (ein eigenes Außenministerium wurde erst später gegründet). Von 1959 bis 1962 war er Mitglied der österreichischen Delegation bei der OECD in Paris. 1962 wurde er an die österreichische Botschaft in Washington versetzt, wo er bis 1966 die wirtschaftlichen Agenden wahrnahm. 1966 wurde er Sekretär bei Bundeskanzler Josef Klaus und arbeitete dort mit anderen jungen Politikern der ÖVP, unter anderem mit Alois Mock zusammen. Von 1969 bis 1974 baute er in Los Angeles als Generalkonsul das dortige Generalkonsulat auf.

Unter Bundeskanzler Bruno Kreisky hatte Klestil die Aufgabe, UNO-Organisationen zu bewegen, sich in der damals neuen Wiener UNO-City anzusiedeln. Anschließend wurde er Ständiger Vertreter Österreichs bei den Vereinten Nationen in New York und danach Botschafter in Washington, wo er erfolgreich ein weitreichendes Netz von Kontakten auch zur Regierung von Ronald Reagan aufbaute. 1989 kehrte er nach Österreich zurück und wurde unter Alois Mock Generalsekretär des Außenministeriums.

Bundespräsidentschaft

Die erste Amtszeit (1992–1998)

1992 kandidierte er auf Vorschlag des damaligen ÖVP-Parteichefs Erhard Busek bei der Wahl zum Bundespräsidenten. Er gewann den zweiten Wahlgang gegen Rudolf Streicher und wurde am 8. Juli als Nachfolger Kurt Waldheims vereidigt. Sein Slogan „Macht braucht Kontrolle“ deutete an, dass Klestil viel aktiver ins politische Tagesgeschäft einzugreifen gedachte als seine Vorgänger. Ein solcher Ausgleich zur damaligen Großen Koalition mit ihrer Parteibuchwirtschaft war für viele Österreicher erwünscht.

Diese Ankündigungen versuchte er gleich am Anfang seiner Amtszeit mit einer Öffentlichkeitsoffensive, unter anderem der Einführung von „Offenen Tagen“ in seinem Amtssitz, der Wiener Hofburg, sowie vor allem 1994 wahr zu machen, als er beim Beitritt Österreichs zur Europäischen Union den Beitrittsvertrag unterzeichnen und in Hinkunft an den Beratungen der EU-Regierungschefs teilnehmen wollte. Diese durch ein Gutachten eines Verfassungsrechtlers unterstützte Forderung wurde jedoch von der Regierung unter Bundeskanzler Franz Vranitzky abgelehnt, die auch Klestils Einspruchsrechte bei der Ernennung von höheren Beamten – zum Beispiel Schuldirektoren – zu beschränken verstand.

1994 nahm sein Image besonders im bürgerlich-konservativen Teil seiner Wählerschaft nachhaltigen Schaden, als Klestil, der im Wahlkampf noch die traditionellen Werte der intakten Familie hochgehalten hatte, selbst mit einem Eheproblem in den Boulevardmedien vertreten war und bekannt wurde, dass er schon längere Zeit ein Verhältnis mit seiner Wahlkampfleiterin Margot Löffler hatte.

Die zweite Amtszeit (1998–2004)

Klestil 2001 mit dem damaligen russischen Präsidenten Wladimir Putin

1998 wurde er im ersten Wahlgang wiedergewählt; die SPÖ hatte auf die Aufstellung eines eigenen Kandidaten verzichtet und die ÖVP verbarg ihr Unbehagen gegenüber Klestil hinter einem überparteilichen Personenkomitee. Nach der Wahl heiratete der mittlerweile geschiedene Klestil seine bisherige Lebensgefährtin Margot Löffler.

Nach der Nationalratswahl 1999, bei der Jörg Haiders FPÖ hinter der SPÖ zweitstärkste Partei geworden war, drängte Klestil nachdrücklich auf eine Fortsetzung der bisherigen Großen Koalition aus SPÖ und ÖVP. Zu diesem Zweck beauftragte Klestil Bundeskanzler Klima erneut mit der Regierungsbildung. Dies tat Klestil hauptsächlich deshalb, weil er FPÖ-Obmann Haider wegen dessen wiederholten, von manchen Beobachtern als rechtsextrem eingestuften Äußerungen für regierungsunwürdig hielt. Er befürchtete zudem außenpolitische Schwierigkeiten. Schließlich vereinbarte Wolfgang Schüssel, nachdem die Koalitionsgespräche zwischen SPÖ und ÖVP Ende 1999 gescheitert waren, Anfang 2000 ohne Auftrag des Bundespräsidenten – ein Novum in der österreichischen Geschichte – mit der FPÖ eine Regierungskoalition und teilte dies dem Bundespräsidenten mit.

Somit stand Klestil vor der Situation, dass eine von ihm nicht gewünschte Regierung bereitstand und auch über eine parlamentarische Mehrheit verfügte. Infolgedessen hätte seine verfassungsgemäß mögliche Weigerung, die Regierung zu ernennen, möglicherweise eine Staatskrise herbeigeführt.

So akzeptierte Klestil die realpolitischen Machtverhältnisse und gelobte die neue Regierung mit Wolfgang Schüssel als Bundeskanzler am 4. Februar 2000 an.

Zuvor erreichte er allerdings von den neuen Koalitionspartnern die Unterzeichnung einer Präambel zur Festschreibung demokratischer und europäischer Werte. Überdies lehnte er zwei FPÖ-Kandidaten für Ministerämter ab (Thomas Prinzhorn und Hilmar Kabas, dessen Enttäuschung dann zur „Hump-Dump-Affäre“ führte). Dies, sowie auch Klestils demonstrativ eisige Miene bei der Vereidigungszeremonie, erregte großes Aufsehen und führte zum endgültigen persönlichen Bruch mit Wolfgang Schüssel und weiten Teilen der ÖVP. Für sein Verhalten während der Regierungsbildung wurde Klestil im Bericht der drei Weisen über Österreich, der in Auftrag gegeben worden war, um die Sanktionen der anderen EU-Mitgliedsstaaten gegen Österreich zu evaluieren, lobend erwähnt:

„Der Bundespräsident ist kontinuierlich als Garant der Werte aufgetreten, die in dieser Erklärung besonders hervorgehoben werden. Er hat zwei von der FPÖ vorgeschlagene Ministerkandidaten abgelehnt, weil diese in der Vergangenheit öffentlich fremdenfeindliche Äußerungen abgegeben hatten. In einer öffentlichen Rede vom 13. März 2000 aus Anlaß des internationalen Theodor Herzl-Symposiums hat der Bundespräsident für eine "sprachliche Abrüstung" geworben. Er hat betont, daß Worte nicht nur ‚verletzen‘, sondern schließlich auch ‚töten‘ können.“[1]

Auch nach dem vorzeitigen Ende der ersten Koalition zwischen FPÖ und ÖVP und der darauf folgenden Nationalratswahl im November 2002 setzte sich Klestil nochmals mit aller Deutlichkeit für eine ÖVP-SPÖ-Koalition ein – wiederum ohne Erfolg.

In der Folge und wegen seiner gesundheitlichen Probleme trat Klestil in der österreichischen Öffentlichkeit immer weiter in den Hintergrund.

Zusammenfassung

Innenpolitisch musste Klestil bald erfahren, dass die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten des österreichischen Bundespräsidenten zwar bedeutend sind, sich in der politischen Praxis der Zweiten Republik aber nicht durchsetzen lassen. So erprobte er zwar wiederholt seinen politischen Spielraum, stieß jedoch bei der jeweiligen Regierung, die ihre eigenen Kompetenzen nicht teilen wollte, auf Widerstand. Durch die Regierungsbildung 2000 wurde eine der letzten größeren Kompetenzen des Staatsoberhauptes de facto beseitigt. Angesichts dessen gab es Diskussionen, ob man nicht die in der Praxis offensichtlich unwirksamen Kompetenzen des Präsidenten auch de jure abschaffen solle.

Viel erfolgreicher gestalteten sich Klestils außenpolitische Aktivitäten mit unzähligen Staatsbesuchen. Als zukunftsweisend stellten sich drei Initiativen Klestils heraus:

  • die institutionalisierten Treffen mit den Staatschefs der angrenzenden Länder des ehemaligen Ostblocks. In dieser Anbahnung von Kontakten mit Ostmitteleuropa war Klestil der zögerlichen Regierung und noch mehr der österreichischen Öffentlichkeit weit voraus.
  • Historische Maßstäbe setzte Klestil schon 1994 mit seinem Staatsbesuch in Israel, wo er bei einer Ansprache in der Knesset als erstes österreichisches Staatsoberhaupt die Mitverantwortung Österreichs am Holocaust öffentlich bekannte.
  • Als Katholik setzte er sich stets für den interreligiösen und interkulturellen Dialog ein.

Wohl gelitten war Klestil am Ende fast nur noch bei seinen früheren politischen Gegnern der Linken. Bei der Rechten hielt sich das niemals bewiesene Gerücht, Klestil habe die Reduzierung der politischen Kontakte von Seiten der anderen EU-Länder nach Bildung der ÖVP-FPÖ-Regierung nicht verhindert, sondern sogar veranlasst bzw. aktiv gefördert.

Thomas Klestil war der siebente österreichische Bundespräsident und der fünfte, der vor Ablauf seiner Amtszeit starb. Er wäre, hätte er zwei Tage länger gelebt, nach Rudolf Kirchschläger der zweite Präsident der zweiten Republik geworden, der dieses Amt volle zwei Amtsperioden ausgeübt hätte. Sein Amtsnachfolger ist Heinz Fischer.

Erkrankung und Tod

Die Flaggen vor dem Parlament wurden bei der Angelobung von Klestils Nachfolger Heinz Fischer aufgrund der Staatstrauer auf halbmast gesetzt.

Ab 1996 hatte Klestil gesundheitliche Probleme. Während eines Staatsbesuches in der Türkei zog er sich eine atypische Lungenentzündung zu, die Teil einer zu diesem Zeitpunkt nicht heilbaren Autoimmunerkrankung war. Am 23. September 1996 wurde bekannt, dass Klestil seit einer Woche im Wiener Allgemeinen Krankenhaus (AKH) behandelt wurde. Am 4. Oktober 1996 übernahm er wieder die Amtsgeschäfte, blieb aber noch bis 1. November im AKH. Am 15. November 1996 musste er aufgrund einer Lungenembolie wieder ins Krankenhaus und wurde dort 10 Tage behandelt. Der damalige Bundeskanzler Franz Vranitzky übernahm vorübergehend die Amtsgeschäfte. Klestil kehrte erst am 28. Jänner 1997 in die Hofburg zurück.

Am 5. Juli 2004 – drei Tage vor dem Ausscheiden aus seinem Amt – erlitt Klestil zwei Herzinfarkte. Er wurde mit dem Notarzthubschrauber Christophorus 9 in das Wiener AKH überführt, wo er am 6. Juli verstarb. Da Klestil im Amt verstarb, wurde für ihn Staatstrauer angeordnet.

Die Angelobung (Vereidigung) seines am 25. April 2004 gewählten Nachfolgers Heinz Fischer fand wie geplant am 8. Juli statt. Bis zur Angelobung Fischers wurden alle amtlichen Funktionen Klestils gemäß Artikel 64 Abs 1 B-VG vom Kollegium der drei Nationalratspräsidenten Andreas Khol, Barbara Prammer und Thomas Prinzhorn wahrgenommen.

Am 10. Juli 2004 wurde für Thomas Klestil von Kardinal Christoph Schönborn im Wiener Stephansdom ein Requiem zelebriert, an dem zahlreiche in- und ausländische Ehrengäste teilnahmen, darunter als Staatsoberhäupter der russische Präsident Wladimir Putin und der liechtensteinische Fürst Hans-Adam II. Das Vereinigte Königreich wurde durch die Princess Royal vertreten, die USA durch den kalifornischen Gouverneur Arnold Schwarzenegger. Das Bundesheer stellte ein Ehrengeleit. Nach dem Requiem wurde Klestil in der Präsidentengruft auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.

Im Jahr 2006 wurde in Wien Landstraße (3. Bezirk) der Thomas-Klestil-Platz nach dem früheren Bundespräsidenten benannt.

Auszeichnungen (Auszug)

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Thomas Klestil – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Thomas Klestil aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.