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Sucht
Sucht ist der umgangssprachliche Begriff für verschiedene medizinisch-psychologische Krankheitsbilder. In der Fachwelt ist er ersetzt worden durch die Begriffe
- Abhängigkeitssyndrom für substanzgebundene Abhängigkeiten und
- Impulskontrollstörung, Zwangsstörung oder Verhaltenssucht für nicht-substanzgebundene Abhängigkeiten ;
in zahlreichen offiziellen und inoffiziellen Einrichtungen wird der Begriff „Sucht“ allerdings weiterhin verwendet.[1]
Etymologie
Das Wort „Sucht“ (germ. suhti-, ahd. suht, suft, mhd. suht) geht auf „siechen“ (ahd. siechen, mhd. siuchan) zurück, das Leiden an einer Krankheit. Im heutigen Sprachgebrauch ist das Adjektiv „siech“ (vergleiche auch engl. sick, ndl. ziek) nur noch regional gebräuchlich.
Bereits 1888 definierte Meyers Konversationslexikon „Sucht“ als ein in der Medizin veraltetes Wort, das früher ganz allgemein Krankheit bedeutete, z. B. in Schwindsucht, Wassersucht, Fettsucht, Fallsucht, Gelbsucht.
Diese historischen Krankheitsbezeichnungen beschrieben meist nur das auffälligste Symptom. Der Schwindsüchtige „schwindet dahin“, im Wassersüchtigen sammelt sich Wasser, der Fettsüchtige ist zu fett, der Gelbsüchtige verfärbt sich gelb, der Trunksüchtige trinkt zu viel. Durch Verwendungen wie Tobsucht und Mondsucht wurde Sucht auch als krankhaftes Verlangen verstanden.[2] Daraus entstand im 20. Jahrhundert der moderne Suchtbegriff im Sinne von Abhängigkeit. Anfänglich bezog er sich nur auf die Trunksucht (Alkoholkrankheit). Später wurden auch andere Abhängigkeiten als Sucht bezeichnet.
Im offiziellen Sprachgebrauch der Weltgesundheitsorganisation (WHO) existierte der Begriff Sucht von 1957 bis 1963. Danach wurde er zunächst durch Missbrauch und Abhängigkeit ersetzt. Schließlich wurde nach 1969 das Missbrauchskonzept zugunsten vier definierter Klassen des Gebrauchs verworfen[3]:
- Unerlaubter Gebrauch ist ein von der Gesellschaft nicht tolerierter Gebrauch.
- Gefährlicher Gebrauch ist ein Gebrauch mit wahrscheinlich schädlichen Folgen für den Konsumenten.
- Dysfunktionaler Gebrauch liegt vor, wenn psychische oder soziale Anforderungen beeinträchtigt sind.
- Schädlicher Gebrauch hat bereits schädliche Folgen (Zellschäden, psychische Störung) hervorgerufen.
Diese Bezeichnungen haben in das ICD-10 Eingang gefunden, allerdings findet sich im DSM-IV nach wie vor die Bezeichnung „Missbrauch“. Der professionelle und wissenschaftliche Sprachgebrauch in den Bereichen Medizin und Soziale Arbeit bevorzugt mittlerweile die Formulierungen des ICD-10 und spricht vom Abhängigkeitssyndrom.
Die Vermeidung des Terminus Sucht sollte die Stigmatisierung Erkrankter vermeiden und deutlich machen, dass es sich beim Abhängigkeitssyndrom um eine Krankheit handelt. Die Begrenzung des Abhängigkeitssyndroms auf stoffliche Abhängigkeiten macht zudem auf Unterschiede zu nichtstofflichen Abhängigkeiten aufmerksam; der Begriff ist damit differenzierter als der der Sucht, der unterschiedslos stoffliche und nichtstoffliche Abhängigkeiten umfasst.
In der Gesellschaft hat sich die Neuformulierung bisher kaum durchgesetzt. „Sucht“ ist weiterhin weit verbreitet und wird auch durch die Medien noch sehr häufig benutzt.
Sucht als medizinischer und psychologischer Fachbegriff
Der Begriff „Sucht“ wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bis 1969[3] und von der American Psychiatric Association bis 1987[4] für das Abhängigkeitssyndrom verwendet. Insbesondere in der American Psychiatric Association war die Ersetzung durch „Abhängigkeitssyndrom“ umstritten. Gegen die Verwendung des Suchtbegriffs wurde die damit einhergehende Stigmatisierung jener Betroffenen vorgebracht, die Medikamente, welche das Zentralnervensystem beeinflussen, einnehmen und damit nach der damals geltenden Definition als „süchtig“ galten.[4]
In jüngerer Zeit ist die Diskussion neu entbrannt: Nunmehr wird argumentiert, die sprachliche Gleichsetzung von medizinisch betreuten Patienten, mit vorrangig körperlicher Abhängigkeit (z. B. Schmerzpatienten unter Morphiumbehandlung) und auch stark psychisch Abhängigen, wie Heroinabhängigen oder Alkoholikern, sei irreführend und hinderlich: Sie rufe bei Schmerzpatienten Angst vor Abhängigkeit hervor, die in Wahrheit Ängste vor dem Vollbild der körperlichen und psychischen Sucht seien. Im Zuge der Ausarbeitung der aktuellen Version des „Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders“ (DSM) von der American Psychiatric Association wird über die Wiederaufnahme des Suchtbegriffs nachgedacht.[5]
Sucht in der Umgangssprache
In der Umgangssprache wird von dem Beobachter ein, seiner Meinung nach, krankhaftes, übermäßigen oder zwanghaften Verhalten oder Gebrauch von Substanzen bezeichnet.[6] "Süchtig nach Ruhm", "Süchtig nach Schokolade", oder ähnliche Redewendungen, haben nichts mit der Definition der Sucht im medizinischen Sinne z.B. nach den Kriterien der WHO gemein und sind zu unterscheiden. Absetzerscheinungen bei Medikamenten, werden ebenfalls häufig als "Sucht nach einem Medikament" eingeordnet, sind allerdings keine Süchte im Sinne der Suchtmedizin, da in der Regel wesentliche Kriterien, wie u.a. die psychische Abhängigkeit von der Substanz nicht erfüllt sind.
Einzelnachweise
- ↑ Zum Beispiel die Abteilung „Drogen und Sucht des Bundesgesunheitsministeriums, das „Projekt Suchtforschung“ des Bundesbildungsministeriums, die Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin und die Deutsche Gesellschaft für Suchtpsychologie
- ↑ Duden, Etymologie: Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache
- ↑ 3,0 3,1 Stieglitz (Hrsg.) et al 2002). Kompendium. Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatische Medizin. Basel:Karger.
- ↑ 4,0 4,1 Fainsinger, Robin L.; Thai, Vincent; Frank, Gary; Fergusson, Jean: Leserbrief im American Journal of Psychiatrie 2006; 163:2014-a Volltext
- ↑ O’Brien C, Volkow N, Li T: “What’s in a word? addiction versus dependence in DSM-V.” American Journal of Psychiatry 2006; 163:764–765 Volltext mit zahlreichen Hinweisen auf offizielle Stellen, die den Begriff Sucht verwenden.
- ↑ Duden: SuchtDuden: Begriffsdefinition "Sucht"
Siehe auch
Literatur
- Michael Klein: Kinder und Suchtgefahren. Risiken - Prävention - Hilfen. Verlag Schattauer, 2007, ISBN 978-3-7945-2318-4.
- Rainer Thomasius, Michael Schulte-Markwort, Udo J. Küstner, Peter Riedesser: Suchtstörungen im Kindes- und Jugendalter: Das Handbuch: Grundlagen und Praxis. Verlag Schattauer, 2008, ISBN 978-3-7945-2359-7.
- Christoph Möller: Drogenmissbrauch im Jugendalter. Ursachen und Auswirkungen. Vandenhoeck & Ruprecht; 3. Auflage. 2009, ISBN 978-3-525-46228-7.
- Ambros Uchtenhagen & Walter Zieglgänsberger; Suchtmedizin, Urban & Fischer Verlag, ISBN 3-437-21780-1
- S3-Leitlinie Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen In AWMF online (Stand: 25. Oktober 2012)
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Sucht aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |