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Spitze (Stoff)

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Rubens: Selbstbildnis mit seiner Ehefrau, 1609/10

Im Zusammenhang mit Textilien und Kleidung ist Spitze ein Sammelbegriff für sehr unterschiedliche dekorative Elemente, die nur aus Garn oder aus Garn und Stoff bestehen. Allen Erscheinungsformen der Spitze ist gemeinsam, dass sie durchbrochen sind, d. h. zwischen den Fäden werden Löcher unterschiedlicher Größe gebildet, so dass sich ein Muster ergibt. Daher ist z. B. ein nur mit einem Motiv bestickter Stoff keine Spitze.

Das Wort Spitze leitet sich vom ahd. spizza, spizzi, mhd. spitze ab, was „Garngeflecht“ bzw. „in Zacken auslaufende Borte“ bedeutet.[1].

Meistens wurden und werden Spitzen als Randverzierung an Kleidungsstücken verwendet; es gibt aber auch „entre-deux-Spitzen“ als Einsatz zwischen zwei Stoffstücken, flächige Spitzenstoffe (sog. Plains) und vor allem seit Ende des 19. Jahrhunderts eigenständige, von Kleidung unabhängige Objekte aus Spitze, z. B. als Fensterdekoration wie Macramés, Florentiner oder als Tischwäsche.

Heute werden Spitzen für die Bekleidung hauptsächlich für Dessous, Nachtwäsche, Damenoberbekleidung, Brautkleider und Trachten verwendet. Außerdem findet Spitze Verwendung bei der Fertigung von Tischwäsche, Gardinen und liturgischen Gewändern. Die Region um Plauen bildet das deutsche Zentrum maschinengestickter Spitze (siehe Plauener Spitze), während die Region um St. Gallen als Schweizer Textilzentrum gilt (siehe St. Galler Spitze).

Es werden zwei Arten von echten Spitzen unterschieden: Die Nadelspitze und die Klöppelspitze. Technisch gesehen hat sich die Nadelspitze aus der Durchbrucharbeit entwickelt, die Klöppelspitze aus dem Geflecht.

Geschichte

Venezianische Spitze, 1690/1710

Die ersten Nadelspitzen (Reticella) wurden im 15. Jahrhundert in Norditalien gefertigt und erlangten im Verlauf des 16. Jahrhunderts weite Verbreitung. Im 17. Jahrhundert entwickelte sich daraus die Nadelspitzen-Technik, die zunächst in Venedig und Mailand gepflegt wurde. Spitzen wurden an Ärmelmanschetten angesetzt und dienten als Kragen für Männer und Frauen. Der aufwendigen Herstellung wegen waren Nadelspitzen so extrem teuer, dass nur die Reichsten sie sich leisten konnten. Ihre Beliebtheit beim französischen Adel sorgte für einen beträchtlichen Kapitaltransfer nach Italien, dem Ludwig XIV. dadurch gegensteuerte, dass er die Spitzenherstellung in Frankreich förderte.

Italienische Spitze auf Tüllgrund, 1700/1710

Um 1700/1710 löste die billigere, weil schnellere Klöppeltechnik die Nadelspitze weitgehend ab. Waren die Spitzen anfangs noch dicht gemustert, setzte sich im Verlauf des Jahrhunderts der Tüllgrund mit eingearbeitetem oder appliziertem Muster immer mehr durch. Tüllgrundspitzen waren noch einmal schneller und billiger herzustellen als dicht gemusterte, so dass gegen Ende des 18. Jahrhunderts sich auch weniger wohlhabende Bürger Spitze zum Sonntagsstaat leisten konnten.

Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts entstand die Häkeltechnik, die in Irland von Heimarbeiterinnen zu höchster Vollendung entwickelt wurde. Occhispitze, die etwa zur gleichen Zeit entstand, spielte nur als häusliche Freizeitbeschäftigung eine Rolle.

Ab Anfang des 20. Jahrhunderts konnte man Klöppelspitze und Lochspitze auch maschinell fertigen, so dass die traditionellen Spitzentechniken vom Aussterben bedroht waren. Die Klöppelei wurde und wird nur noch regional von Vereinen und Schulen am Leben erhalten, während die Nadelspitzen-Technik als ausgestorben gelten kann. Heute werden Klöppelspitzen nur noch maschinell gefertigt oder aber als eigenständige Kunstwerke ausgeführt. Als Spitze erwirbt man im Kurzwarenhandel maschinelle Bohrspitze (Lochspitze), maschinengestickte Tüllspitze, Ätzspitze oder die gröbere Macramé-Spitze.

Arten von Spitze/Stickerei (Auswahl)

Handgearbeitete Spitze

Reticella-Spitze

Die Reticella-Spitze (rete ital.: Netz) ist ab der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts in Italien entstanden. Sie hat sich aus der Durchbrucharbeit entwickelt. Aus einem leinwandbindig gewebten Stoff werden Fäden ausgezogen und die so entstandenen Stege mit Knopflochstich umstickt, die Löcher mit diagonalen Fäden ausgefüllt, die wiederum umstickt werden. Man kann zwischen einem einfachen und einem doppelten Durchbruch unterscheiden. Dabei werden entweder nur Kett- oder Schussfäden aus dem Gewebe gezogen oder Kett- und Schussfäden. Wenn so viele Fäden ausgezogen werden, dass von dem Grundstoff fast nichts übrigbleibt, spricht man von Punto in Aria (ital.: Stickerei in der Luft). Als Muster finden sich Ranken, Blüten und Blätter. Aus der Reticella entwickelte sich die Nadelspitze.

Nadelspitze (frz. Guipure)

Auf einen schwarzen Karton wird das Muster gezeichnet und dann entlang der Zeichnung Fäden, die sog. Trassierfäden, gespannt, die die Grundlage der Spitze bilden. Dieses Grundgitter wird dann zumeist in Knopflochstich umstickt, weitere Verbindungsfäden gezogen und z.T. die Flächen dazwischen ausgefüllt. Manchmal werden auf Teile des Gitters zusätzlich dickere Fäden gelegt und umstickt, um eine reliefierte Oberfläche zu erreichen. Zum Schluss wird der Karton entfernt.

Reticella

Nadelspitzen sind die vom Arbeitsaufwand her anspruchsvollsten Spitzen, deren Herstellung gute Augen, viel Licht und eine ruhige Hand erfordert. Sie wurden ausschließlich aus cremefarbenem oder weißem Leinengarn gefertigt. Gegen Ende des 19. Jh. geriet die Technik in Vergessenheit. Bekannte Nadelspitzen sind beispielsweise Point de Venise, Point d’Alençon, Point de neige oder Point rose.

Klöppelspitze

Beim Klöppeln werden Fäden nach einem bestimmten Muster verkreuzt bzw. verdreht, den sogenannten Schlägen. Auf rollenförmigen (traditionell vor allem in Deutschland) oder flachen Klöppelkissen (traditionell vor allem Frankreich und Belgien) oder Kombination von beiden wird eine Musterzeichnung festgesteckt, der Klöppelbrief. Das Garn wird auf Klöppel gewickelt, mit Nadeln paarweise auf dem Klöppelsack befestigt und dann durch Kreuzen und Drehen der Klöppel verzwirnt, verflochten bzw. verwebt. Die Verkreuzungsstellen werden an den durch das Muster vorgegebenen Nadelpunkten mit dünnen Nadeln am Platz gehalten, bis ihre Position durch die nachfolgenden Schläge fixiert ist. Am Ende einer Klöppelarbeit wird diese mit Haar- oder Spezialspray (Neuzeit) oder Wäschestärke fixiert.

Echte, also handgefertigte Klöppelspitzen werden traditionell in creme/weiß oder schwarz aus Leinen, Baumwolle oder aus cremefarbener Seide (Blonde) gemacht; heute werden auch farbige Fäden verwendet. Das Klöppeln erfreut sich heute noch großer Beliebtheit und hat weltweit verschiedene Zentren. Im Erzgebirge, einem traditionellen Zentrum deutscher Spitzenherstellung, wird Handklöppelspitze noch gepflegt. Bekannte Klöppelspitzen sind etwa Mechelner, Brüsseler, Honiton, Valenciennes, Torchon oder Schneeberger.

Mechelener Spitze: Rokokospitze, bei der ein starker Konturfaden aus Leinen das Muster umrandet.
Brüsseler Spitze: Sie gibt es in Klöppel- und Nadeltechnik. Besonderes Merkmal ist die gesonderte Herstellung von Grund mit der Nadel und dem feinen Muster, welches geklöppelt wurde. Erkennungszeichen ist ihr feines bandartiges Relief. Sie wird auch Points d’Angleterre (englische Spitze) genannt, weil sie illegal nach England verschifft und dort als landeseigene Ware verkauft wurde.
Torchon: Ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, ursprünglich eine Klöppelspitze mit geometrischem Muster, die schließlich maschinell hergestellt wurde.

Technologische Begriffe bei Nadel- und Klöppelspitzen
Flechte/Flechtschlag (Klöppeln): Vier Fadenelemente werden kontinuierlich gekreuzt und gedreht.
Formenschlag (Klöppeln): Ein (aktiver) Faden wird über drei passive Fäden hin und her geführt. Der Effekt ist der eines leinwandbindigen Gewebes mit Schusseffekt. Er dient zur Darstellung von rechteckigen Formen und Bändern.
Leinenschlag (Klöppeln): Ein (aktives) Fadenpaar wird durch mehrere (passive) Fadenpaare geführt. Der Effekt ist der eines leinwandbindigen Gewebes.
Picot: Kleine Stäbchen, die in der Nadel- und Klöppelspitze zur Auszier von Motiven, Stegen und Randabschlüssen gearbeitet werden.
Steg: Bei Nadel- und Klöppelspitzen die Verbindung zwischen den Motiven. Füllen sie in der Nadelspitze eine größere Fläche, spricht man von Steggrund.

Tüllspitze

Handgearbeitete Tüllspitze

Ein maschinell gefertigter Tüllgrund wird stickereiähnlich mit Fäden durchzogen. Da diese Technik leicht maschinell nachgeahmt werden konnte, ist Tüllspitze - auch Webspitze oder Bobinetspitze genannt - heute noch weit verbreitet und im Kurzwarenhandel zu finden.

Häkelspitze

Taschentuch mit Häkelspitze
Irische Häkelspitze

Häkelspitze ahmt die Muster der Nadelspitze in Häkeltechnik nach. Besonders bekannt ist die Irische Häkelspitze oder Irische Guipüre, die im 19. Jh. der verarmten irischen Landbevölkerung ein Zubrot einbrachte.

Unter Csetneker Spitze versteht man eine bestimmte Technik der Häkelspitzenanfertigung. Dabei werden die mit Figur ausgestatteten Teile jeweils gesondert gehäkelt, dann auf ein mit der Skizze des Spitzenmusters versehenes Papierblatt oder Gewebe angeheftet und mit einem in ihrer Position gehäkelten Netzwerk befestigt.

Occhi (Frivolitäten)

Occhi (ital. „Augen“, auch bekannt als Frivolitätenarbeit oder Schiffchenspitze), wird aus einem Faden geknüpft, der auf ein Schiffchen gewickelt wurde. Dabei werden ringförmige (die „Augen“) und bogenförmige Figuren gebildet und untereinander zu größeren Formen verbunden.

Strickspitze

bildet durchbrochene Muster in Stricktechnik.

Weißstickerei

Taschentuch mit Lochspitze
Richelieuarbeit

In feinen weißen Leinen- oder Baumwollstoff werden Löcher gebohrt, geschnitten oder durch Fadenziehen gebildet und die Kanten der Löcher dann mit weißem Garn dicht umstickt. Die Technik wurde v.a. in Sachsen besonders fein und kunstvoll ausgeführt, so dass das Produkt als Point de Saxe oder Dresden lace zum Exportschlager wurde.

Eine auch heute noch beliebte Form der Weißstickerei ist die sogenannte Richelieu- oder Ausschnittstickerei. Zuerst werden die Konturen der Motivteile mit einem Festonstich (auch Languetten- oder Schlingstich) dick nachgestickt, anschließend werden dann bestimmte Teile ausgeschnitten. Stege in den Öffnungen und eingestopfte Spinnen an den Kreuzungspunkten geben der Arbeit zusätzlichen Halt.[2]

Lochspitze (auch Bohrspitze, Baumwoll- oder Wäschespitze genannt), ist eine Unterart der Weißstickerei. In eine Grundlage aus weißem Batist werden mit einer Ahle runde Löcher gebohrt und dann dicht mit einem weißen Baumwollfaden umstickt. Lochspitze war Ende des 19. und Anfang des 20. Jh. als Randverzierung an Unterwäsche beliebt, daher der Name „Wäschespitze“. Die maschinell gefertigte Variante nennt man Bohrspitze; sie ist heute noch u. a. im Kurzwarenhandel zu finden.

Maschinenspitze

Voraussetzung für die mechanische Herstellung von Spitzen war die Erfindung der Strumpfwirkmaschine von William Lee 1589 in England. Allerdings konnte erst 200 Jahre später eine erste zufriedenstellende Maschinenspitze hergestellt werden. Entscheidend hierfür war ein Patent von Thomas und John Morris und William Betts 1764. Es war nun möglich, ein tüllartiges Netz auf der Maschine zu produzieren. Diese Erfindung wurde allerdings nicht weitergeführt. Erst mit der Erfindung der Bobinettüllmaschine von John Heathcoat 1808 konnte ein glatter ungemusterter Tüll gefertigt werden. Dieser wurde dann durch Handstickerei verziert. 1828 erfand Josua Heilmann die erste mechanische Stickmaschine, die die Arbeit der Handstickerinnen ersetzte. [3].

Maschinengeklöppelte Spitze

Maschinell auf der Spitzenklöppelmaschine hergestellte Spitze hat einfache geometrische Formen mit meist volkstümlicher Musterung. Sie wird oft als „Torchon lace“ bezeichnet und ist nur schwer von der handgeklöppelten Spitze zu unterscheiden. Zu den bedeutenden deutschen Produktionsstandorten gehört seit den Anfängen um 1900 die Stadt Wuppertal.

Maschinengeklöppelte Spitze
Stickmaschine

Luftspitze/ Ätzspitze

entsteht durch maschinelles Übersticken eines Stoffgrundes und anschließendes Beseitigen des überflüssigen, nicht überstickten Grundes. Das Ergebnis ist ein durchbrochener Stoff, der aus einer gewissen Entfernung aussieht wie Nadelspitze. Heute besteht der Stickgrund aus einem wasserlöslichen bzw. nicht temperaturbeständigen Material.

Applikationsspitze

Auf einen maschinell gefertigten Netzgrund werden handgeklöppelte Elemente aufgenäht.

Literatur

  • Marie Schuette: Alte Spitzen. Nadel- und Klöppelspitzen. Ein Handbuch für Sammler und Liebhaber Klinkhardt & Biermann : München, 1981.
  • Marie Schuette: Spitzen von der Renaissance bis zum Empire. Die Sammlung Helene Vieweg-Brockaus Karl W. Hiersemann: Leipzig, 1929.
  • Schöner, Friedrich Spitzen VEB Fachbuchverlag: Leipzig, 1982.
  • Willy Erhardt: Das Glück auf der Nadelspitze Plauen, 1995.
  • Ingrid Loschek: Reclams Mode und Kostümlexikon, 5. Aktualisierte und erweiterte Ausgabe, Stuttgart 2005
  • Beate Schad: Maschinenspitze-Tradition und Innovation Internationale Fachtagung am 27. Oktober 2011 in Plauen (pdf-Datei)
  • Birgitt Borkopp-Restle: Textile Schätze aus Renaissance und Barock aus den Sammlungen des Bayerischen Nationalmuseums, Hrsg. Renate Eikelmann, München 2002
  • Skript zum Spitzenkurs von Thessy Schoenholzer-Nichols an der TU-München Lehrstuhl für Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft, Februar 2002.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. vgl. Ingrid Loschek: Reclams Mode und Kostümlexikon, 5. Aktualisierte u. erweiterte Ausgabe, Stuttgart 2005, Stichwort „Spitze“
  2. Eintrag Jutta Lammèr in: Lexikon der Handarbeiten. Otto Mayer Verlag, Ravensburg 1983, ISBN 3-473-42363-7, S. 250
  3. Beate Schad: Maschinenspitze-Tradition und Innovation Internationale Fachtagung am 27. Oktober 2011 in Plauen
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