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Spiegelmans Monster

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Spiegelmans Monster sind RNA-Moleküle, die sich durch chemische Evolution an ihre Umwelt anpassen. Sie sind nach ihrem Entdecker, dem Molekularbiologen Sol Spiegelman, benannt, der sie 1965 an der University of Illinois at Urbana-Champaign erstmals erzeugte. Spiegelmans Monster entstehen selbstorganisiert aus langen RNA-Ketten oder auch spontan aus einer Mischung von RNA-Grundbausteinen. Die Entstehung von Spiegelmans Monstern ähnelt möglicherweise früher, protozellulärer Evolution, als natürliche Selektion direkt auf das Erbgut wirkte, und zeigt bezüglich des Übergangs zwischen unbelebter und belebter Materie ein mögliches Bindeglied für die Entstehung des Lebens.[1]

Sol Spiegelman selbst nannte diese synthetische Qβ-RNA „kleines Monster“. In Anlehnung an Frankensteins Monster, das aus toter Materie zusammengesetzt wurde, blieb die Bezeichnung „Monster“ für die auf diese Weise erzeugten Polymere erhalten.[2]

Der Qβ-Bakteriophage, Stammvater von Spiegelmans Monstern

Entdeckung und Beschreibung

Sol Spiegelman in seinem Labor an der University of Illinois (ca. 1965)

Sol Spiegelman gab RNA des Bakteriophagen Qβ in eine Lösung, die zusätzlich auch dessen RNA Replikase enthielt. Dieses Enzym vervielfältigt selektiv das Phagenerbgut, jedoch nicht RNA-Moleküle mit beliebiger Nukleotidsequenz (der Phage nutzt diesen Mechanismus, um statt der RNA der Wirtszelle sein eigenes Erbgut zu vervielfältigen). In dieser künstlichen Umgebung wurde die RNA ohne Gegenwart eines Wirts repliziert.[3] Als er dann einen Teil des Reaktionsprodukts in eine frische Lösung mit Replikase gab, wiederholte sich dort der Vorgang. Wie zu erwarten, traten bei der Replikation jedoch kleine Fehler in der Nukleotidsequenz auf: Durch diesen Evolutionsfaktor wurde der Genpool verändert.[1]

Die RNA-Moleküle verloren über Generationen die Eigenschaft, pathogen zu sein und wurden kürzer. Kurze RNA-Ketten, die von der Replikase noch erkannt und kopiert werden können, vermehrten sich schneller und überlebten, wohingegen es in Spiegelmans künstlicher Umgebung keinen evolutionären Druck für Pathogentität gab. Spiegelman konnte experimentell eine Form Darwin'scher Evolution zeigen, die direkt auf die RNA wirkte und sie veränderte: Die RNA verlor alle Gene, die nicht länger nötig waren. Nach 74 Generationen entstand aus dem 4217 Nukleotide langen Erbgut des Phagen ein 218 Nukleotide langes Monster, das sich extrem schnell replizierte: Spiegelmans Monster evolvierte autonom, einzig unter dem evolutionären Druck einer hohen Replikationsgeschwindigkeit.[4][5]

Spontane Entstehung

Acridinorange macht Spiegelmans Monster chemisch abhängig.

Im Labor von Manfred Eigen wurde zehn Jahre nach Sol Spiegelmans ursprünglicher Entdeckung gezeigt, dass Spiegelmans Monster sogar spontan aus einer Mischung aus RNA-Bestandteilen und Qβ-Replikase entstehen können.[6] Aus den vorhandenen Einzelteilen konnten sich in dieser Umgebung RNA-Moleküle bilden, die Darwin'scher Evolution unterworfen waren. Dieses Experiment zeigte zum ersten Mal die spontane Entstehung von RNA-Strängen und deren selbstorganisierte Entwicklung.

Eine Veränderung der chemischen Umgebung, wie verschiedene Replikasekonzentrationen, die Zugabe von kurzen RNA-Stücken, sog. Oligonukleotide, oder die Gegenwart eines organisch-chemischen Moleküls, das mit der RNA wechselwirken kann, bewirkt eine Veränderung der entstehenden RNA-Moleküle. So ist es möglich, Spiegelman'sche Monster zu erzeugen, die von einem einfachen Molekül chemisch abhängig sind, beispielsweise dem RNA-Interkalator Acridinorange, ohne dessen Gegenwart sie sich nicht vermehren können.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 D. R. Mills, R. L. Peterson, S. Spiegelman: An extracellular Darwinian experiment with a self-duplicating nucleic acid molecule. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. Band 58, Nummer 1, Juli 1967, ISSN 0027-8424, S. 217–224, PMID 5231602, PMC 335620 (freier Volltext).
  2. U.S. National Library of Medicine
  3. S. Spiegelman, I. Haruna, I. B. Holland, G. Beaudreau, D. Mills: The synthesis of a self-propagating and infectious nucleic acid with a purified enzyme. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. Band 54, Nummer 3, September 1965, ISSN 0027-8424, S. 919–927, PMID 5217468, PMC 219765 (freier Volltext).
  4. D. L. Kacian, D. R. Mills, F. R. Kramer, S. Spiegelman: A replicating RNA molecule suitable for a detailed analysis of extracellular evolution and replication. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. Band 69, Nummer 10, Oktober 1972, ISSN 0027-8424, S. 3038–3042, PMID 4507621, PMC 389702 (freier Volltext).
  5. F. Oehlenschläger, M. Eigen: 30 years later–a new approach to Sol Spiegelman's and Leslie Orgel's in vitro evolutionary studies. Dedicated to Leslie Orgel on the occasion of his 70th birthday. In: Origins of life and evolution of the biosphere : the journal of the International Society for the Study of the Origin of Life. Band 27, Nummer 5–6, Dezember 1997, S. 437–457, PMID 9394469.
  6. M. Sumper, R. Luce: Evidence for de novo production of self-replicating and environmentally adapted RNA structures by bacteriophage Qbeta replicase. In: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. Band 72, Nummer 1, Januar 1975, S. 162–166, PMID 1054493, PMC 432262 (freier Volltext).
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Spiegelmans Monster aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.