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Sozialistischer Klassizismus

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Als Sozialistischer Klassizismus wird der Baustil von repräsentativen Bauten in der Sowjetunion in der Zeit des Machthabers Josef Stalin (1879–1953) bezeichnet. Er folgt auf den Konstruktivismus und macht der Russischen Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts in der Architektur ein Ende. Neben der politischen Förderung durch Stalin liegen auch internationale Trends dem Stilwechsel zugrunde, so kann ein zunehmender Wechsel zu monumentalen klassizistischen Formen in den 1930er Jahren auch in den USA und in Westeuropa beobachtet werden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verbreitete sich diese spezifisch sowjetische Form des Klassizismus auch insbesondere in Polen und der DDR. Der Stil entwickelte teils starke regionale Eigenarten und entwickelte sich insbesondere in China und Nordkorea zu einem sachlicheren Klassizismus.

Anfang der 1960er Jahre wurde der Stil in der Sowjetunion, Polen und der DDR durch die sozialistische Moderne abgelöst. Dieser Wechsel erfolgte aus kunsthistorischen, wirtschaftlichen als auch aus ideologischen Gründen.

Allgemeines, Merkmale und Einordnung

Theater der Roten Armee in Moskau (2008)

Der Sozialistische Klassizismus ist Teil des Sozialistischen Realismus, der etwa ab Anfang der 1930er Jahre der offiziell propagierte Kunststil in der Sowjetunion war. Geprägt ist der Stil durch palastartige Gebäude, die zahlreiche Verzierungen an den Fassaden, Säulen, Säulenhallen und Turmaufbauten enthalten. Der Stil ist allerdings keine reine Herrschaftsarchitektur, sondern war vor allem in den Anfangsjahren mit dem Konzept verbunden, die Wohnverhältnisse zu revolutionieren und das kulturelle Niveau der „Arbeiterklasse“ und aller „Werktätigen“ anzuheben (Wohnpaläste, Kulturpaläste).

Grundsatz dieser Architekturform(en) war das qualifizierte Zitat historischer Bauformen im Sinne einer „nationalen Tradition“, sodass die tatsächlich verwendeten Elemente und Formen variieren. Der Begriff „Sozialistischer Klassizismus“ eignet sich dennoch zur Beschreibung des Gesamtphänomens, da eben klassizistische Formen staatenübergreifend angewandt wurden.

Der Baustil kam mit dem Tod Stalins und der Entstalinisierung aus der Mode. Seitdem setzte man in der Sowjetunion und anderen sozialistischen Staaten auf eine funktionalistische und stark industrialisierte Architektur.

Sozialistischer Klassizismus in verschiedenen Staaten

Sowjetunion

Gebäude des Außenministeriums in Moskau, eine der „Sieben Schwestern“ (2011)
Station Komsomolskaja der Moskauer Metro (2018)

In vielen sowjetischen Großstädten, besonders in Moskau, wurden diese Monumentalgebäude errichtet. Berühmte Beispiele in Moskau sind der Stalinsche Neubau der Lomonossow-Universität, die Hotels Ukraina und Leningradskaja und das Außenministerium. Zusammen mit drei anderen Hochhäusern bilden diese die Gruppe der sogenannten „Sieben Schwestern“.

Der größte Bau des Sozialistischen Klassizismus sollte ebenfalls in Moskau entstehen. Es war dies der Palast der Sowjets (Дворец Советов), der zur Zeit der Erbauung mit 415 Metern das höchste Gebäude der Welt gewesen wäre. Als Bauplatz sollte der Platz der 1931 abgerissenen Christ-Erlöser-Kathedrale dienen. Der Palast der Sowjets war Teil eines „Generalplans zur Stadterneuerung“, der den Umbau Moskaus zur sozialistischen Musterstadt vorsah. Parallel dazu gab es auch für Leningrad einen Generalplan, der den Bau eines neuen Zentrums am Moskauer Platz (Московская площадь) beinhaltete. Was seine Konsequenzen für das historische Stadtbild angeht, war der Moskauer Generalplan jedoch weitaus radikaler.

Der Zweite Weltkrieg stoppte die Bauarbeiten am Moskauer Palast der Sowjets. Nach Stalins Tod wurde das Projekt aufgegeben und das Fundament zu einem Freibad (Schwimmbad Moskwa) umgebaut. 1994 wurde wiederum das Schwimmbad abgerissen und wenig später die zerstörte Kirche wieder aufgebaut.

1946 wurde in Moskau das Hotel Peking errichtet. Architekt war Dmitri Nikolajewitsch Tschetschulin (1901–1981), der auch am Bau des Weißen Hauses in Moskau beteiligt war.

Einige Stationen der Moskauer Metro sind ebenfalls typische Beispiele des Sozialistischen Klassizismus aufgrund der Zitate historischer Architektur und ihrer Anlage als unterirdische Paläste.

In der Lettischen SSR war das Hauptgebäude der Akademie der Wissenschaften in Riga ein bedeutender Bau im Stil des Sozialistischen Klassizismus.

DDR

Teil der Magdeburger Innenstadt im Stil des Sozialistischen Klassizismus, Ernst-Reuter-Allee (2005)

In Deutschland findet sich dieser Stil in vielen Städten auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Politische Maßgabe dafür waren Die 16 Grundsätze des Städtebaus. Dabei wurde der sozialistische Klassizismus sowohl bei der Rekonstruktion beziehungsweise dem Neuaufbau zerstörter Stadtgebiete, etwa in Berlin (dort vor allem in Friedrichshain und Mitte), Magdeburg und Neubrandenburg angewandt – als auch bei Entwurf und Bau neuer Stadtviertel, wie z. B. in Rostock-Reutershagen I.

Karl-Marx-Allee (Block F Nord) mit Frankfurter Tor in Berlin (2009)

Wichtigstes und in seiner Monumentalität einzigartiges Projekt war die Stalinallee (heute Karl-Marx-Allee) in Berlin-Friedrichshain. Unter Leitung desselben Architekten, Hermann Henselmann (1905–1995), wurde auch ein Wohnkomplex im Bereich der Ostseestraße erbaut. Hervorzuheben ist ferner die Präsenz des sowjetischen Stils in Gestalt der Botschaft der UdSSR Unter den Linden (heute Russische Botschaft).

Rathaus Eisenhüttenstadt, ehemals Haus der Parteien und Massenorganisationen (2012)

Stalinstadt – das heutige Eisenhüttenstadt – wurde ab 1950 als Planstadt im sozialistischen Klassizismus aufgebaut, als Wohnort für die Arbeiter des neu entstehenden Eisenhüttenkombinats Ost. Weite Teile der Stadt, insbesondere der II. Wohnkomplex, bestehen aus sozialistisch-klassizistischen Gebäuden. Somit stellt das Ensemble ein herausragendes Beispiel des Zuckerbäckerstils in der DDR dar.

In Dresden wurde der Stil beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg angewendet, dabei zumeist angelehnt an den Dresdner Barock. Beispiele hierfür sind der Komplex Altmarkt 4–6 / Wilsdruffer Straße 15–21 und das Centrum-Warenhaus am Altmarkt, die Bebauungen entlang der Wilsdruffer Straße (Innere Altstadt), die Gebäude an der Grunaer Straße (Pirnaische Vorstadt) sowie die Gebäude der ehemaligen Hochschule für Verkehrswesen und ein ganzes Wohnviertel entlang der Nürnberger Straße (Südvorstadt).

Beispiele dieser Bauepoche in Leipzig sind die am südöstlichen Innenstadtring von Architekt Rudolf Rohrer (1900–1968) 1953 bis 1956 errichteten fünf- bis achtgeschossigen Wohnhäuser mit dem Ring-Café am Roßplatz. Zur gleichen Zeit entstanden nach Entwürfen von Heinz Auspurg (1912–2001) als Fortsetzung der Ringbebauung die Wohnhäuser der Leipziger Windmühlenstraße. Auch die frühen Bauten des Zentralstadions unter der Leitung von Karl Souradny (1904–1973) beziehungsweise des Sportforums (v. a. Glockenturm und Seitenfunktionalbauten) sowie einige der ehemaligen Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) zeigen klare Züge dieser Epoche.

Beim Neuaufbau der Langen Straße zur neuen Hauptstraße in Rostock entwarfen die Architekten, z. B. Joachim Näther (1925–2009) einen von der norddeutschen Backsteingotik inspirierten Stil.

Zu den frühen Bauwerken dieser Epoche gehört der Kulturpalast Chemnitz, der 1950 als „Kulturpalast der Bergarbeiter“ von der SAG Wismut erbaut wurde. Ein weiteres Beispiel in Chemnitz ist das repräsentative Gebäude im Stadtteil Siegmar, Jagdschänkenstraße 50, das ab 1951 ebenfalls im Auftrag der SAG Wismut, der Vorläuferin der SDAG Wismut, errichtet wurde: Nach anfänglicher anderer Nutzung wurde es in den 1950er Jahren Sitz der Hauptverwaltung der SDAG Wismut. Es steht unter Denkmalschutz und ist seit 1991 Sitz der heutigen Regionaldirektion Chemnitz der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See.

Weitere sozialistische Staaten

In der Tschechoslowakei wurde in Ostrov, unweit des kleinen historischen Ortskerns, eine Planstadt errichtet.

Bedeutende Einzelbauten des Sozialistischen Klassizismus sind der Kulturpalast in Warschau, das Hotel „International“ in Prag und die Große Halle des Volkes in Peking. Zum Sozialistischen Klassizismus rechnet man häufig auch das Haus des Volkes in Bukarest, obwohl er in den 1980er Jahren geplant und gebaut wurde. Dies geht eher auf den politischen Zusammenhang zurück als auf den bauhistorischen.

Kritik

Der Baustil wurde von zeitgenössischen Architekten, die der Moderne verpflichtet waren, stark kritisiert. Sie empfanden ihn als monumental und übermäßig ornamentiert. Im Volksmund und in der journalistischen Presse wird der Stil gelegentlich abwertend als „(Stalinistischer) Zuckerbäckerstil“, „Stalinbarock“[1], „Stalingotik“ oder „Stalin-Empire“, russ. Сталинский ампир bezeichnet.

Architekten des Sozialistischen Klassizismus

Architekten des Sozialistischen Klassizismus waren unter anderen

Sowjetunion:

DDR:

Literatur

  • Bruno Flierl: Gebaute DDR – Über Stadtplaner, Architekten und die Macht. Verlag für Bauwesen Berlin, Berlin 1998, ISBN 3-345-00655-3.
  • Dmitrij Chmelnizki: Die Architektur Stalins. Studien zu Ideologie und Stil. ibidem-Verlag, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-89821-515-2.
  • Birk Engmann: Bauen für die Ewigkeit: Monumentalarchitektur des zwanzigsten Jahrhunderts und Städtebau in Leipzig in den fünfziger Jahren. Sax-Verlag, Beucha 2006, ISBN 3-934544-81-9.
  • Alexej Tarchanow, Sergej Kawtaradse: Stalinistische Architektur. Klinkhardt und Biermann, München 1992, ISBN 3-7814-0312-2.

Einzelnachweise

  1. Julian Blunk: Auferstanden aus Ruinen. Die Konstruktion kultureller Traditionen einer traditionslosen Gesellschaft im Wiederaufbau der SBZ. In: Matthew Philpotts, Sabine Rolle: Contested Legacies. Constructions of Cultural Heritage in the GDR. Camden House, Rochester/New York 2009, S. 7–29, auf S. 25.

Weblinks

 Commons: Stalinistische Architektur – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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