Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzy­klo­pädie zum Judentum.

Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ...

Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten)

How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida

Soziale Erwünschtheit

Aus Jewiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Soziale Erwünschtheit (englisch social desirability) ist eine Antworttendenz bzw. -verzerrung bei Befragungen in Sozialwissenschaft und Marktforschung sowie psychologischen Testverfahren. Soziale Erwünschtheit liegt vor, wenn Befragte bevorzugt Antworten geben, von denen sie glauben, sie träfen eher auf soziale Zustimmung als die wahre Antwort, bei der sie soziale Ablehnung befürchten.

Konzept und Kontrolle der sozialen Erwünschtheit

Es gibt zwei Arten sozialer Erwünschtheit: kulturelle und situationale soziale Erwünschtheit. Erstere hat ihre Ursache in internalisierten allgemeinen Verhaltenserwartungen (z. B. aufgrund traditioneller Geschlechterrollen), letztere in konkreten Stimuli der Befragungssituation (z. B. wegen Geschlecht oder Hautfarbe des Interviewers oder der Öffentlichkeit der Interviewsituation).[1]

Das Ausmaß der Verzerrung durch soziale Erwünschtheit hängt auch vom Thema der Befragung ab. Besonders betroffen sind heikle oder peinliche Fragen,[2][3] zum Beispiel nach dem Alkoholkonsum oder der politischen Präferenz für Parteien am rechten und linken Rand des Parteienspektrums.

Ob und wieweit es sich um bewusste oder unbewusste Tendenzen handelt, ist Gegenstand der Forschung, vor allem im klinischen Bereich. Für eher bewusste bzw. qualitative Tendenzen ist der Begriff der Dissimulation gebräuchlich, für eher unbewusste und quantitative Verzerrungen derjenige der Bagatellisierung, manchmal wird dies aber auch gleichgesetzt. Simulation bzw. Aggravation sind die entsprechenden Antworttendenzen, die eine „Erfindung“ oder Übertreibung negativ bewerteter Sachverhalte (im klinischen Bereich z. B. Symptome) ausdrücken. Der Begriff Faking („Vortäuschung“) ist für beide Richtungen der Abweichung üblich, Faking-good entspräche der positiveren, Faking-bad der negativeren Darstellung.[4]

Da der wahre Wert, also die Antworten ohne den Einfluss der sozialen Erwünschtheit, unbekannt ist, kann man den Effekt nur schwer erkennen. Es ist allerdings möglich Fragen zu identifizieren, die anfällig für soziale Erwünschtheit sind. Dazu fordert man einen Teil der Befragten (split ballot) auf, die Fragen so zu beantworten, dass sie sich in einem möglichst günstigen Licht darstellen (Faking Good Instruction). Einen anderen Teil der Befragten fordert man auf, die Fragen so zu beantworten, dass sie sich in einem möglichst ungünstigen Licht darstellen (Faking Bad Instruction). Je stärker sich die Antworten der beiden Gruppen unterscheiden, desto eher ist die Frage von sozialer Erwünschtheit betroffen.[5]

Maßnahmen zur Verringerung des Einflusses sozialer Erwünschtheit sind geschickte Frageformulierungen[6] oder der Einsatz von Fragebatterien, deren Einzelfragen unterschiedlich stark von dem Problem betroffen sind. Eine Methode, den Anteil der ehrlichen Antworten zu schätzen, ist die Randomized-Response-Technik.

Soziale Erwünschtheitsskalen

In einigen psychologischen Tests wird die Antworttendenz mit speziellen „Erwünschtheitsskalen“ (manchmal auch Lügenskalen genannt) gemessen, indem mehrere sehr wahrscheinlich zutreffende negative Sachverhalte („Ich habe schon einmal die Unwahrheit gesagt.“) und sehr unwahrscheinliche positive Sachverhalte („Ich bin immer pünktlich.“) abgefragt werden. Gemessen wird der Grad der Verneinung ersterer und Bejahung zweiterer als Ausmaß der Übertreibung der Antworten nach der sozialen Erwünschtheit.[7][8] Bekannte Skalen sind die Marlowe-Crowne-Scala[9] oder die SD-Skala von Edwards.[10] Weisen diese Skalen Auffälligkeiten auf, ist eine Interpretation mit entsprechender Vorsicht vorzunehmen bzw. darauf zu verzichten. In einigen Tests werden die Werte der anderen Skalen entsprechend dem Ausmaß der Abweichung in den Erwünschtheitsskalen korrigiert (z. B. Korrekturskala im Minnesota Multiphasic Personality Inventory).

Siehe auch

Quellen

  1. Hartmut Esser: Können Befragte lügen? Zum Konzept des „wahren Wertes“ im Rahmen der handlungstheoretischen Erklärung von Situationseinflüssen bei der Befragung. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 38, 1986, S. 314–336, hier S. 317; Rainer Schnell, Paul B. Hill und Elke Esser: Methoden der empirischen Sozialforschung. Oldenbourg, München 1999, S. 332 f.
  2. Alan H. Barton: Asking The Embarrassing Question. In: Public Opinion Quarterly 22, 1958, S. 67–68.
  3. Rainer Schnell, Paul B. Hill und Elke Esser: Methoden der empirischen Sozialforschung. Oldenbourg, München 1999, S. 333.
  4. Markus Bühner: Einführung in die Test- und Fragebogenkonstruktion. Pearson, 2011.
  5. vgl. zu sozialer Erwünschtheit allgemein und speziell zu „Faking Good“: Jürgen Bortz und Nicola Döring: Forschungsmethoden und Evaluation. Springer, Berlin 1995, S. 212–213.
  6. Alan H. Barton: Asking The Embarrassing Question. In: Public Opinion Quarterly 22, 1958, S. 67–68.
  7. Soziale Erwünschtheit in DORSCH Lexikon der Psychologie
  8. H. D. Mummendey: Methoden und Probleme der Kontrolle sozialer Erwünschtheit (Social Desirability). In: Zeitschrift für Differentielle und Diagnostische Psychologie 2, 1981, S. 199–218.
  9. MC-SDS auf sjdm.org
  10. Edwards SDS auf sjdm.org

Literatur

J. Musch, R. Brockhaus & A. Bröder: Ein Inventar zur Erfassung von zwei Faktoren sozialer Erwünschtheit. Diagnostica, 48, 2002, S. 121–129.

Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Soziale Erwünschtheit aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.