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Simon Hayum

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Simon Hayum (geb. 27. Januar 1867 in Hechingen; gest. 13. August 1948 in Cleveland (Ohio))[1] war ein Tübinger Rechtsanwalt und Gemeinderat.

Leben

Simon Hayum stammte aus einer jüdischen Familie, die in einfachen Verhältnissen lebte. Sein Vater war Hausierer, die Mutter war mit der Erziehung der sechs Kinder beschäftigt.[2] Die finanzielle Unterstützung seiner Tante ermöglichte ihm ein Jurastudium. Er studierte zunächst in Berlin, dann in Tübingen, wo er das Examen machte. Danach eröffnete er 1892 eine Kanzlei in Tübingen. 1897 heiratete er Hermine Weil (* 8. Februar 1875; † 1967), eine Tochter des Hechinger Bankiers J. M. Weil. Mit ihr hatte er fünf Kinder. Zunächst wohnten er und die Familie zur Miete im Zentrum. Als er sich das leisten konnte, kaufte er 1905 das zweigeschossige Haus Uhlandstraße 15. Die Familie wohnte dort im ersten Stock, im Erdgeschoss befand sich die Kanzlei.[3] Die Kanzlei sollte schon bald zu der größten Tübingens werden. Die Familie Hayum gehörte zur gebildeten und reichen Oberschicht. Deswegen besuchten nicht nur ihre Söhne, sondern auch zwei der drei Töchter das Uhland-Gymnasium und nicht die als schlechter geltende Mädchenoberrealschule.[4]

Simon Hayum hielt sich für einen in jeder Hinsicht assimilierten Juden, deswegen suchte er nach gesellschaftlichen Kontakten mit nichtjüdischer Bevölkerung Tübingens und ging deswegen zu Stammtischen und Kegelgesellschaften. Er musste im Nachhinein konstatieren, dass er da „nicht so recht hereingekommen“ und sich „nicht so recht gefühlt“ hat, so dass er diese Versuche später aufgab. Es lag daran, dass bereits vor 1933 die Kontakte zwischen den Juden und Nichtjuden von einem sozialen Trennstrich geprägt waren.[5] Er war allerdings Mitglied im Anwaltsverein und seit 1925 dessen Kassierer. Seit der Jahrhundertwende waren er und der Bankier Friedrich Weil als die ersten Juden Mitglieder der Museumsgesellschaft, der bildungsbürgerlichen Institution Tübingens, die sich erst nach dem Ersten Weltkrieg den weiteren Personen der jüdischen Oberschicht öffnete.[6] Wie andere Mitglieder der Oberschicht beteiligte er sich regelmäßig an Spendenaktionen, die von der Ortszeitung „Tübinger Chronik“ organisiert wurden.[7]

Am Ersten Weltkrieg nahm er aus Altersgründen nicht teil. Er unterstütze aber den Staat finanziell: bereits 1914 zeichnete er eine Kriegsanleihe. Wohl seit dem Ersten Weltkrieg war Simon Hayum Vorsitzender der Ortsgruppe des Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens.[8] Auch seine Frau Hermine unterstützte nicht nur finanziell das Sozialamt, sondern engagierte sich gesellschaftlich im Jüdischen Frauenverein und in der Wohlfahrtspflege, zum Beispiel richtete sie Anfang der 1930er Jahre, in Zeiten der hohen Arbeitslosigkeit, in ihrem Haus eine Suppenküche für Bedürftige ein.[9]

Simon Hayum hatte linksliberale Überzeugungen und dementsprechend engagierte er sich politisch. Er war damals Mitglied der Fortschrittlichen Volkspartei und in den Jahren 1908–1912 war er Vorsitzender des kommunalen Bürgerausschusses. Während der Revolution 1918/19 war er Vorsitzender des Tübinger Bürgerrates, der ein Gegengewicht zu den Arbeiter- und Soldatenräten bildete. Seit ca. 1918 war er Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei. Als Mitglied dieser Partei war er von 1919 bis 1925 und von 1928 an Tübinger Gemeinderat. Ab 1928 führte er auch die sechsköpfige DDP-Fraktion im Rathaus an. Als Gemeinderat war Hayum Vertreter einer parteiunabhängigen bürgernahen Sachpolitik mit sozialliberalen Akzenten. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten, als die Atmosphäre des offenen Antisemitismus zunahm, fühlte er sich als Jude im Gemeinderat bedroht. Nach dem Beschluss des „Ermächtigungsgesetzes“ am 23. März 1933 entschloss er sich, der Amtsenthebung zuvorzukommen und trat Ende März von seinem Amt zurück. Das Gemeinderat wurde dann ohnehin am 31. März aufgelöst.[1]

Die Kanzlei Hayums wurde am 1. April 1933 von der SA feierlich boykottiert und seit diesem Datum dauerte der Boykott an. Die Anzahl der Klienten verminderte sich rapide, da immer weniger den Mut hatten, die Kanzlei in Anspruch zu nehmen. 1934 erteilte das Württembergische Innenministerium Hayum Berufsverbot. Die Kanzlei wurde zunächst von seinem Sohn Heinz und seinem Neffen Julius Katz weitergeführt. Der andauernde Mangel an Klienten führte 1935 zum finanziellen Ruin der Kanzlei. Auch im Alltag erlebte Simon Hayum seit 1933 Diskriminierungen. Er wurde sowohl von seinen Klienten, als auch von der sonstigen Bevölkerung gemieden bzw. isoliert. Um Beleidigungen zu entgehen, mieden Hayum und seine Frau die früher für sie selbstverständlichen Besuche von Restaurants, Konzerten und Theatern. Am 10. November 1938, dem Tag nach der Pogromnacht, wurde Hayum von der Gestapo heimgesucht. Die Gestapo beschlagnahmte bei ihm die Ortsgruppenakten des Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens.[1]

Im Zuge der Fluchtvorbereitung verkauften die Hayums das Haus in der Uhlandstraße weit unter Wert an die Stadt.[1] Hermine Hayum verschenkte einen Teil des Hausrats an die Hausangestellten (auch die ehemaligen).[10] Nachdem Oberbürgermeister Adolf Scheef sie vor der drohenden Verhaftung gewarnt hatte, flüchteten Hayum und seine Frau am 2. Februar 1939 in die Schweiz. Ihre Kinder und Enkel waren bereits früher in die USA emigriert. Die Einrichtungsgegenstände des Hauses wurden versteigert, danach richtete es die SA-Standarte als ihren Sitz ein. Die Hayums lebten zwei Jahre in Zürich, bevor sie 1941 in die USA emigrierten, wo Simon Hayum seine letzten sieben Jahre verbrachte.[1]

Kinder

  • Margarete (* 1. Mai 1900), ∞ 1920 Louis Koppel, studierte drei Semester Jura
  • Edith (* 25. März 1902; † August 1970), verheiratet Koppel, Kindergärtnerin
  • Heinz (* 10. August 1904; † 9. Februar 1963), ∞ Ellen Oppenheimer, Jurist
  • Julius (* 20. Mai 1906), Bankbeamter
  • Dorothee (* 28. April 1912; † 1950), ∞ 1935 Heinz Oppenheim, schloss Jurastudium 1934 mit Promotion ab

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 Martin Ulmer: Zerstörte Demokratie …, S. 32–34
  2. Zerstörte Hoffnungen …., S. 61
  3. Ann-Katrin Gehrung: Jüdische Spuren in Tübingen …., S. 3
  4. Zerstörte Hoffnungen …., S. 42
  5. Zerstörte Hoffnungen …., S. 47
  6. Zerstörte Hoffnungen …., S. 50
  7. Zerstörte Hoffnungen …., S. 52
  8. Zerstörte Hoffnungen …., S. 53
  9. Zerstörte Hoffnungen …., S. 62 u. 70
  10. Zerstörte Hoffnungen …., S. 63

Literatur

  • Ann-Katrin Gehrung: Jüdische Spuren in Tübingen: ein Stadtspaziergang, hrsg. von der Geschichtswerkstatt Tübingen, Tübingen 2014
  • Martin Ulmer: Zerstörte Demokratie. Zwangsweise ausgeschiedene Tübinger Stadträte 1933. Eine Dokumentation, hrsg. von der Geschichtswerkstatt Tübingen, Tübingen 2013, ISBN 978-3-941818-16-3 (= Kleine Tübinger Schriften, 39)
  • Simon Hayum: Erinnerungen aus dem Exil. Lebensweg eines Tübinger Bürgers, hrsg. von der Geschichtswerkstatt Tübingen, Tübingen 2005 (= Kleine Tübinger Schriften, 29)
  • Zerstörte Hoffnungen. Wege der Tübinger Juden, hrsg. von der Geschichtswerkstatt Tübingen, Tübingen : Kulturamt / Stuttgart : Theiss 1995, ISBN 3-8062-1216-3 (= Beiträge zur Tübinger Geschichte, 8)
  • Eva Maria Klein; Martin Ulmer: Geschichte einer Vertreibung. Die Familie Hayum. In: Benigna Schönhagen (hrsg.): Nationalsozialismus in Tübingen. Vorbei und vergessen, Tübingen 1992, S. 121–130
  • Lilli Zapf: Die Tübinger Juden, Tübingen : Katzmann 1978, 4. Auflage 2008, ISBN 978-3-7805-0526-8
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Simon Hayum aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.