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Sexueller Missbrauch von Jugendlichen

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Sexueller Missbrauch von Jugendlichen bezeichnet sexuelle Handlungen, die aufgrund des Entwicklungsstands des betroffenen Jugendlichen oder aufgrund des Zustandekommens der Handlungen nicht akzeptiert werden.

Strafrechtliche Aspekte

Europarecht

Zu beachten ist insbesondere das sexuelle Selbstbestimmungsrecht Jugendlicher. So sprach der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einem 17-jährigen Jugendlichen Schadensersatz wegen eines Verstoßes gegen die Europäische Menschenrechtskonvention zu, weil er, der sich stets für ältere Partner interessierte, von seinem 14. bis zu seinem 18. Geburtstag vom damalig gültigen § 209 StGB öStGB davon abgehalten worden war, erfüllende intime Beziehungen einzugehen, die seiner Neigung zu erwachsenen Partnern entsprachen.[1]

Deutschland

§ 182 Strafgesetzbuch (StGB) wurde zuletzt aufgrund des Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie vom 31. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2149) geändert. Dabei wurden die Schutzaltersgrenzen der Tatbestandsalternativen des neu gefassten § 182 Abs. 1 StGB und des neu eingefügten Abs. 2 von 16 auf 18 Jahre angehoben. Das Mindestalter des Täters von 18 Jahren, das früher Bedingung für eine Strafbarkeit war, wurde hinsichtlich des Ausnutzens einer Zwangslage (Abs. 1) gestrichen. Neu eingefügt wurden Abs. 2 (früher in Abs. 1 enthalten) sowie Abs. 4, der nun Versuchsstrafbarkeit anordnet. Die Änderungen traten zum 5. November 2008 in Kraft.

§ 182 Abs. 1 StGB verbietet sexuelle Handlungen mit einem Jugendlichen unter 18 Jahren, wenn der Jugendliche durch Ausnutzung einer Zwangslage dazu gebracht wurde. In Abs. 2 werden sexuelle Handlungen eines über 18-Jährigen gegen ein Entgelt mit einem Jugendlichen unter 18 Jahren verboten. Schließlich werden in Abs. 3 sexuelle Handlungen von Erwachsenen ab 21 Jahren mit Jugendlichen unter 16 Jahren unter Strafe gestellt, wenn der Erwachsene dabei eine „fehlende Fähigkeit des Opfers zur sexuellen Selbstbestimmung ausnutzt“. Die „fehlende Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung“ kann nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes nicht allein aus dem Alter des Jugendlichen abgeleitet werden, sondern muss im Einzelfall festgestellt werden.[2] Sexuelle Unerfahrenheit reicht nicht für die Feststellung der fehlenden Fähigkeit zur sexuellen Selbstbestimmung aus.[3]

Der Versuch ist strafbar. Absätze 1 und 2 sind als Offizialdelikt, Absatz 3 ist als (Misch-)Antragsdelikt ausgestaltet. Nach Absatz 6 kann der Richter in einem gegebenen Fall von der Strafe absehen, wenn das Unrecht, das dem „Opfer“ widerfährt, unter Einbeziehung seines Verhaltens vergleichsweise gering ist.

Rechtsgut der Vorschrift ist die sexuelle Selbstbestimmung Jugendlicher.

§ 182 StGB betrifft sowohl auf Täter- als auch auf Opferseite beide Geschlechter gleichermaßen und ersetzte 1994 die alten §§ 182 und 175 StGB sowie den bis zu diesem Zeitpunkt auf dem Gebiet der neuen Bundesländer gem. Einigungsvertrag weitergeltenden § 149 StGB-DDR („Einfacher Mißbrauch“). § 182 StGB a.F. („Verführung“) betraf ausschließlich den Geschlechtsverkehr zwischen erwachsenem Mann und einem „Mädchen“ unter 16 Jahren als Antragsdelikt. § 175 StGB betraf zunächst männlich-homosexuellen Verkehr allgemein („Unzucht mit Männern“), später nur den Verkehr zwischen erwachsenem Mann (mindestens 18 Jahre alt) und männlichem Jugendlichen (unter 18 Jahren alt) als „homosexuelle Handlung“.

Wenn das Opfer unter 14 Jahre alt und damit im Rechtssinn Kind ist, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes[4] noch nicht abschließend geklärt, ob § 182 StGB zusätzlich zu dem mit höherer Strafdrohung belegten § 176 StGB (Tatbestand des § 176 des StGB) im Wege der Tateinheit eingreifen kann, oder ob lediglich „Gesetzeseinheit“ besteht.

Frühere, geplante Gesetzesänderungen

Am 26. August 2006 beschloss das Bundeskabinett, zum besseren Schutz Jugendlicher vor sexueller Ausbeutung eine Reihe von Gesetzen zu ändern. Unter anderem betraf die Änderung auch die Anhebung der Schutzaltersgrenze gemäß § 182 Abs. 1 StGB. Nach dem Entwurf der Bundesregierung sollte sich strafbar machen, wer mit einer Person unter 18 Jahren sexuelle Handlungen gegen Entgelt oder unter Ausnutzung einer Zwangslage ausübt. Bis zum 4. November 2008 lag dieses Schutzalter bei 16 Jahren. Entfallen sollte bei § 182 Abs. 1 StGB auch die untere Altersgrenze von 18 Jahren für die Strafbarkeit des Täters. Das bedeutete, dass bereits eine Person ab 14 Jahren (Strafmündigkeit) hätte bestraft werden können, wenn sie mit einer anderen Person unter 18 Jahren unter Ausnutzung einer Zwangslage oder gegen Entgelt sexuelle Handlungen ausgeübt hätte. Ebenfalls neu sollte bereits der Versuch eines Verstoßes gegen § 182 StGB unter Strafe gestellt werden.[5] Die für den 27. April 2007 vorgesehene abschließende Beratung im Bundestag wurde von der Tagesordnung abgesetzt,[6] da der Bundesrat eine weitergehende Verschärfung der Vorschrift vorgeschlagen hatte.[7] Demnach sollten sexuelle Handlungen mit Personen unter 18 Jahren auch dann als Missbrauch strafbar sein, wenn sie nicht gegen einen geldwerten, sondern einen „sonstigen“ (immateriellen) Vorteil stattgefunden hätten. Das hätte bedeutet, dass beispielsweise gegen einen 14- bis 17-jährigen Jugendlichen ein Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs hätte eingeleitet werden können, wenn er seine Freundin aus der gleichen Altersgruppe ins Kino eingeladen hätte und es dabei zum Petting gekommen wäre. Dieser verschärfte Entwurf wurde von den Fraktionen von CDU/CSU und SPD unterstützt und war für den 13. Dezember 2007 im Bundestag zur Abstimmung vorgesehen. Jugendverbände, Sozialwissenschaftler und die Oppositionsparteien FDP, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke übten scharfe Kritik an dieser als „Petting-Paragraf“[8][9] bezeichneten Kriminalisierung von sexuellen Handlungen Jugendlicher untereinander. Die Abstimmung wurde von der Tagesordnung abgesetzt.

Österreich

In Österreich existierte bis 2002 keine entsprechende Norm. Vielmehr waren heterosexuelle und lesbische Sexualkontakte zwischen Mündigen (14 Jahre und älter) vollkommen legal, während § 209 StGB „gleichgeschlechtliche Unzucht“ eines Volljährigen mit 14- bis 17-jährigen „Person[en] männlichen Geschlechtes“ unter Strafe stellte. Für die Abschaffung dieses Paragraphs gab es mehrere parlamentarische Anläufe, von denen der knappste 1996 mit Stimmengleichheit ausging. Erst mit seiner Erkenntnis vom 21. Juni 2002 hob der VfGH diese Bestimmung auf.[10] In Folge gab es Initiativen vonseiten rechter Organisationen und Parteien, das allgemeine Schutzalter auf 16 Jahre anzuheben,[11] während sich die Bundesjugendvertretung klar gegen eine Erhöhung aussprach.[12] Die ÖVP brachte schließlich den § 207b StGB in den Nationalrat ein, wo er mit den Stimmen der schwarz-blauen Regierung verabschiedet wurde.

§ 207b StGB orientiert sich am Wortlaut und dem Inhalt des § 182 StGB-Deutschland, ohne mit ihm identisch zu sein. In Österreich sind geschlechtliche Handlungen mit Jugendlichen unter 18 Jahren dann verboten, wenn dies unter Ausnutzung einer Zwangslage oder unter Ausnützung der eigenen Überlegenheit und der Unreife des Jugendlichen erfolgen. Auch ist die unmittelbare Verleitung von Jugendlichen durch ein Entgelt, wie auch zu sexuellen Handlungen mit Dritten, verboten. Das Verleiten von Jugendlichen, zu denen man in einem Autoritätsverhältnis steht, zu einer geschlechtlichen Handlung mit einer anderen Person fällt unter den Tatbestand der Kuppelei (§ 212 StGB).

Der Gesetzgeber ging bei der Schaffung des § 207b StGB davon aus, dass die sexuelle Selbstbestimmungsfähigkeit mit Vollendung des 14. Lebensjahres grundsätzlich gegeben ist und die neue Bestimmung nur Fälle erfasst, in denen diese Fähigkeit aus besonderen Gründen ausnahmsweise fehlt bzw. deutlich eingeschränkt ist.[13] Allen Fällen des § 207b StGB ist gemeinsam, dass sie Situationen im Auge haben, in denen es dem Jugendlichen unmöglich gemacht oder erheblich erschwert wird, sein sexuelles Selbstbestimmungsrecht dahin auszuüben, dass er einen von ihm nicht gewünschten Sexualkontakt (mit Erfolg) ablehnt[13]. § 207b StGB soll Sachverhalte erfassen, in denen bestimmte Konstellationen zu sexuellen Kontakten ausgenutzt werden, zu denen sich der Jugendliche andernfalls nicht bereit finden würde.[13] Im Falle des Absatz 3 etwa muss der Täter durch das Entgelt (gemäß § 74 StGB jede einer Bewertung in Geld zugängliche Gegenleistung) den Jugendlichen konkret zur sexuellen Handlung bestimmen (veranlassen).[13] Von Jugendlichen (ebenfalls) gewollte Sexualkontakte sollen also nicht kriminalisiert werden. Obschon der Wortlaut des Gesetzes das nicht erwähnt, richtet sich der Paragraph an erwachsene Täter, nicht an die Beziehungen Jugendlicher verschiedener Altersstufen untereinander (entsprechend der Alterstoleranzklausel der §§ 206,207 Missbrauch Unmündiger bei geringem Alterunterschied).

Parlamentarische Anfragen ab Inkrafttreten bis zumindest 2004 zeigen, dass einige Staatsanwaltschaften ihn vielfach als Ersatzbestimmung handhaben und unverhältnismäßig oft homosexuelle Kontakte verfolgt werden.[14] Auch wurden immer wieder Gerichtsverfahren eingeleitet, ohne dass ein Anfangsverdacht auf eine verbotene Beziehung vorlag, um zu prüfen ob ein Fall nach § 207b StGB erfüllt sein könnte. Österreichs Kinderschutzexperten forderten in ihrem Bericht zum „Nationalen Aktionsplan (NAP) Kinder- und Jugendrechte“ einstimmig eine Evaluation des § 207b StGB nach 5 Jahren seines Bestehens, um festzustellen, ob diese Bestimmung das Selbstbestimmungsrecht Jugendlicher schützt oder aber beschneidet.[15] Und auch der Österreichbericht 2004 des EU-Network of Independent Experts on Fundamental Rights kritisiert die Praxis mancher Staatsanwaltschaften, bloße Intimkontakte bereits zum Anlass für Verfolgungsschritte zu nehmen.[16]

Vereinigte Staaten von Amerika

In den USA sind sexuelle Handlungen mit Personen im Schutzalter als statutory rape (wörtlich: „Vergewaltigung nach dem Gesetz“) strafbar. In manchen Staaten gilt dies nicht, wenn die beteiligten Personen durch eine Ehe oder eine Partnerschaft verbunden sind. In manchen Staaten gibt es weitere Ausnahmen, wenn das Alter der Beteiligten nicht mehr als eine festgelegte Anzahl von Jahren differiert. Die Rechtslage ist von Staat zu Staat sehr unterschiedlich. Dies ist für Verfolgungsbehörden ein Problem, wenn der Tatort nicht eindeutig bestimmt werden kann.

Siehe auch

Literatur

  • Helmut Graupner: Sexualität, Jugendschutz & Menschenrechte. Über das Recht von Kindern und Jugendlichen auf sexuelle Selbstbestimmung. 2 Bände. Peter Lang – Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main u. a. 1997, ISBN 3-631-31790-5 (Zugleich: Wien, Univ., Diss., 1996).
  • Helmut Graupner, Vern L. Bullough (Hrsg.): Adolescence, Sexuality, and the Criminal Law. Multidisciplinary perspectives. Hawoth Press, Binghamton NY 2005, ISBN 0-7890-2781-X (Auch erschienen als: Journal of psychology & human sexuality. 16, 2/3, 2004, ISSN 0890-7064).
  • Renate-Berenike Schmidt, Uwe Sielert (Hrsg.): Handbuch Sexualpädagogik und sexuelle Bildung. 2. Auflage. Beltz Juventa, Weinheim und Basel 2013, ISBN 978-3-7799-0798-5.

Einzelnachweise

  1. EGMR (Memento vom 17. März 2003 im Internet Archive): S.L. vs. Austria, appl. 45330/99, judg. 9. Januar 2003, par. 49, 52
  2. BGH, Beschluss vom 23. Januar 1996, Az. 1 StR 481/95, Volltext = BGHSt 42, 27.
  3. BGH, Urteil vom 16. April 2008, Az. 5 StR 6/08, Volltext.
  4. BGH, Beschluss vom 22. Dezember 2000, Az. 3 StR 323/00, Volltext.
  5. BMJ (Memento vom 12. November 2006 im Internet Archive) vom 25. September 2006.
  6. GESTA 16 /C076 (PDF; 140 kB), Deutscher Bundestag, 29. Juni 2007.
  7. Anhörung Kinderpornographie, Deutscher Bundestag, 29. Juni 2007.
  8. Gesetzesänderung Streit um den Petting-Paragrafen, Stern, aufgerufen 21. Februar 2008.
  9. Sexualstrafrecht: Vorerst kein "Petting-Paragraph, Die Zeit, aufgerufen 21. Februar 2008.
  10. Entscheidungstext G6/02. Verfassungsgerichtshof, abgerufen am 22. Mai 2014.
  11. Presseaussendungen des Familienbundes: Schutzalter für Jugendliche muss sich bei 16 Jahren einpendeln, 25. Juni 2002, und des Freiheitliche Familienverbandes: Keine ersatzlosen Abschaffung von §209, 27. Juni 2002
  12. Bundesjugendvertretung lehnt Erhöhung des Schutzalters ab vom 2. Juli 2002 – Aufgerufen am 22. Mai 2014
  13. 13,0 13,1 13,2 13,3 Österreichisches Parlament: Entschließung des Nationalrates vom 10. Juli 2002, E 152-NR/XXI. GP a) S. 3 b) S. 4 c) S. 3 d) S. 7.
  14. Rechtskommitee Lambda: § 207b: Justiz verfolgt nahezu ausschließlich Homosexuelle (PDF; 21 kB)
  15. Kränz-Nagl, Sax, Wilk & Wintersberger; Bericht zum YAP-Prozess 2003, Mai 2004, Anhang A - 10.2.1.
  16. EU-Network of Independent Experts on Fundamental Rights: Österreichbericht 2004 (englisch, PDF) S.62

Weblinks

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