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Schundliteratur

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Schundliteratur ist ein Begriff, mit dem angeblich unmoralische oder verderbte Literatur angeprangert wird.

Verbrennung von „Schmutz- und Schundliteratur“ in der DDR 1955.

Definition

Zur Zeit des den Begriff prägenden Gesetzes zur Bewahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzschriften der Weimarer Republik von 1926 ging es vor allem gegen Romane oder Druckwerke mit deutlich sinnlichem Inhalt. Die Definition von „Schund“ hat sich seitdem verändert, der Begriff hält sich aber weiterhin. Heute werden umgangssprachlich Bücher von literarisch minderer Qualität (oder solche, die dafür gehalten werden), als „Schund“ bezeichnet, meist Comics oder Romane, die dem Bereich der Trivialliteratur zugerechnet werden. Für vergleichbare Produkte im Film- und Musiksektor hat sich dagegen der Anglizismus Trash eingebürgert.

Was im deutschen Trash genannt wird, würde im Englischen korrekt als Pulp übersetzt. Pulp Fiction heißt somit Schundliteratur. Ehemals zum Schund gerechnete Romane werden manchmal erst nach Jahrzehnten rehabilitiert, wie es zum Beispiel bei den wegen Obszönität indizierten Werken des englischen Autors D. H. Lawrence der Fall war.

Anfänge der Kritik an Schundliteratur. Der Erste Weltkrieg

Vorbehalte gegen vermeintlich minderwertige Literatur sind so alt wie diese, aber erst ab dem 18. Jahrhundert bekam die Auseinandersetzung eine neue Qualität als gesellschaftliches Problem. In den Fokus rückte zunächst die Lesesucht von Bediensteten, Frauen und Arbeitern. Dabei war der deutsche Sprachraum einer der wenigen, in denen Schundliteratur nicht nur als anstößig, sondern als Angriff auf die gesamte Wertordnung wahrgenommen wurde. Maßgebend wurde das Buch von Ernst Schultze: Die Schundliteratur. Ihr Vordringen, ihre Folgen, ihre Bekämpfung aus dem Jahr 1909.

Im Ersten Weltkrieg wurde im Deutschen Reich ab 1916 von einigen Stellvertretenden Generalkommandos der Armeekorps als Inhaber der vollziehenden Gewalt der Vertrieb von Schundliteratur massiv eingeschränkt. Eine eigene Gattung bildete dabei die so genannte Kriegsschundliteratur, worunter Serien oder Einzelwerke der Genres des Abenteuer-, Liebes- oder des so genannten Verbrecherromans verstanden wurden, bei denen durch den Titel der Eindruck von patriotischer Literatur hervorgerufen werden sollte. Die Bekämpfung der Kriegsschundliteratur wurde vor allem vom Dürerbund und den Prüfungsstellen für Jugendliteratur betrieben. Besonders bekannt wurde der Erlass des Oberkommandos in den Marken, Berlin vom 22. März 1916, in dem 135 Heftromanserien namentlich aufgeführt wurden, so auch Der Luftpirat und sein lenkbares Luftschiff.

In der Weimarer Republik erschien der Schund vielen als Folge der Demokratisierung und wurde oft als Argument für den Ruf nach einer stärkeren Obrigkeit benutzt. Am 18. Dezember 1926 wurde das Gesetz zur Bewahrung der Jugend vor Schund- und Schmutzschriften erlassen. Diese Phase des Schundkampfes wurde in der Zeit des Nationalsozialismus von der rigorosen Zensur der Reichsschrifttumskammer abgelöst.

Comics als neuer Mittelpunkt der Kritik

Ein Artikel von Sterling North leitete 1940 in den USA landesweit eine erste Kampagne gegen Comics ein. 1954 veröffentlichte der Psychiater Fredric Wertham sein einflussreiches Buch Seduction of the Innocent, in dem er eine angebliche schädliche Wirkung der Crime- und Horrorcomics auf Kinder und Jugendliche nachzuweisen versuchte.

Maßnahmen gegen Schundliteratur in der Bundesrepublik Deutschland

Bereits kurz nach der Aufhebung der Presselizensierung durch die Alliierten beantragte die CDU/CSU im Bundestag „angesichts der die deutsche Jugend und die öffentliche Sicherheit bedrohenden Entwicklung gewisser Auswüchse des Zeitschriftenmarktes“ (Bundestag, Wahlperiode 1, Drucksache 103) ein Gesetz nach dem Modell des Schundgesetzes von 1926. Mit der Verabschiedung des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften am 9. Juni 1953 und der Einrichtung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften am 19. Mai 1954 fand diese Phase ihren Abschluss.

Darüber hinaus wurden ab 1955 in groß angelegten Umtauschaktionen „Schmöker“ und Comics gegen „gute“ Bücher oder Hefte getauscht. Die „schlechten“ Hefte wurden verbrannt oder vergraben. Gerade Comics wurden nun zum Inbegriff der Schundliteratur. Dabei konnte in Deutschland der Diskurs auch auf eine kulturpessimistische Haltung zurückgreifen, die streng zwischen der ernsten Kultur und der leichten Welt der Massenmedien unterschied.

Maßnahmen gegen Schundliteratur in der DDR

In der DDR wurde der Begriff ideologisch für die Auseinandersetzung der Gesellschaftssysteme genutzt und mit folgender Lesart definiert (Lexikon A-Z in zwei Bänden, Leipzig 1958): Schundliteratur: Literatur, die nach Form und Inhalt wertlos (z. B. verlogen-sentimentale Liebesromane) und, besonders für Jugendliche, moralisch gefährlich ist (z. B. Gangstergeschichten). Die S. wird in den Ländern des Friedenslagers energisch bekämpft und vor allem durch eine wertvolle Jugendliteratur ausgeschaltet, während sie in den kapitalistischen Ländern teilweise in den Dienst der Aufrüstung gestellt wird." In den Schulen der DDR wurden jährlich durch die Klassenleiter Belehrungen über das Verbot von sogenannter "Schmutz- und Schundliteratur" durchgeführt.

Problematik der Zuordnung

Trotz aller Kritik bietet als Schund gebrandmarkte Literatur dem Leser eine eskapistische Alternative. Mit dem A-cappella-Chorwerk „Schundromane lesen“ bekam dieses Genre durch Paul Hindemith zur Zeit des Nationalsozialismus eine ungewöhnliche und anstößige musikalische Ehrung:
Das ist das Schönste: auf der Treppe hocken! Und mit Nat Pinkerton durch London zieh’n ...

Scholastiker wie auch Kyniker in den Literaturwissenschaften zählen meist durch die allgemeine Öffentlichkeit gefeierte Werke zeitgenössischer Autoren wie Paulo Coelho oder Dan Brown zur Schundliteratur.

Nackt kam die Fremde und Atlanta Nights sind zwei Schundromane von zwei Autorenkollektiven, die zeigen wollten, dass sich auch der größte Schund verkauft, beziehungsweise verlegt wird. Die Autorenkollektive schrieben absichtlich Romane ohne jegliche literarische Qualitäten.

I, Libertine ist ebenfalls ein absichtlich schlecht geschriebener Schundroman, der gestartet wurde, um die Erstellung von Bestsellerlisten zu kritisieren.

Literatur

  • Rosmarie Ernst: Lesesucht, Schund und gute Schriften: Pädagogische Konzepte und Aktivitäten der Jugendschriftenkommission des Schweizerischen Lehrervereins (1859–1919). Chronos, Zürich 1991, ISBN 3-905278-80-4.
  • Hans Epstein: Der Detektivroman der Unterschicht. Neuer Frankfurter Verlag, Frankfurt a. M. 1929
  • Werner Glogauer: Kriminalisierung von Kindern und Jugendlichen durch Medien. Wirkungen gewalttätiger, sexueller, pornographischer und satanischer Darstellungen. Nomos, Baden-Baden 1990, ISBN 3-7890-2489-9 (4. Auflage 1994 ISBN 3-7890-3391-X).
  • Kaspar Maase: Die Kinder der Massenkultur. Kontroversen um Schmutz und Schund seit dem Kaiserreich. Frankfurt a. M. 2012, ISBN 978-3-593-39601-9.
  • Mike McGrady: Stranger Than Naked. A Manual. Or How to Write Dirty Books for Fun and profit. Wyden, New York NY 1970.
  • Julius Mende: Die sexuelle Welle. Zwischen Sinnlichkeit und Vermarktung. Bilder und Texte. Promedia, Wien 2007, ISBN 978-3-8537-1266-5.
  • Ernst Schultze: Die Schundliteratur. Ihr Vordringen, ihre Folgen, ihre Bekämpfung. Verlag des Waisenhauses, Halle 1909.
  • Christian Vähling: Bildidiotismus und Jugendnot. Wie deutsche Pädagogen Kinderseelen retteten. In: Comic! Jahrbuch. 2004, ISSN 0945-926X, S. 8–28.
  • Tanja Vorderstemann: Der Kampf gegen Schmutz und Schund – Heftserien: Nick Carter, Nat Pinkerton, Lord Lister – Positiver Schundkampf Wolgast und die Position der Jugendschriftenbewegung. Grin, München 2007, ISBN 978-3-638-65376-3.
  • Fredric Wertham: Seduction of the Innocent. Rinehart & Company, New York NY u. a. 1954.
  • Erlaß des Oberkommandos in den Marken - Berlin. Gegen die "Schundliteratur", Berlin, den 22. März 1916, abgedruckt als Anlage D. in: Paul Samuleit: Kriegsschundliteratur, Berlin (Carl Heymanns Verlag) 1916, S. 47-54. (Online)
  • Eintrag Kriegsschundliteratur, in: Ulrich Steindorff (Hg.): Teubner´s Kriegstaschenbuch. Ein Handlexikon über den Weltkrieg, Leipzig/Berlin (Verlag von B. G. Teubner) 1916, S. 11.

Siehe auch

Weblinks

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