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Schuldknechtschaft

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(Weitergeleitet von Schuldsklaverei)
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Schuldknechtschaft (Obnoxiation) ist eine „Rechtsstellung oder Lage, die dadurch entsteht, dass ein Schuldner als Sicherheit für eine Schuld seine persönlichen Dienstleistungen oder diejenigen einer unter seiner Kontrolle stehenden Person verpfändet [und] wenn der [...] Wert dieser Dienstleistungen nicht zur Tilgung der Schuld dient oder wenn diese Dienstleistungen nicht sowohl nach ihrer Dauer wie auch nach ihrer Art begrenzt und bestimmt sind.“[1]

Schuldknechtschaft ist ferner ein auf Dauer angelegtes, sklavereiähnliches Abhängigkeitsverhältnis, das von einer einseitigen wirtschaftlichen Ausbeutung gekennzeichnet ist, sowie dadurch, dass der Gläubiger allein und willkürlich über die Art und die Dauer der Abhängigkeit entscheiden kann.

Geschichte

Frühe Hochkulturen

Der Codex Hammurabi erwähnt die Schuldknechtschaft in Zusammenhang mit einer Regel, nach der Frau und Kinder des Schuldners nach drei Jahren befreit werden mussten. Bei den Sumerern gab es das sogenannte amargi, einen öffentlichen Schuldenerlass, der dazu führte, dass die Kinder von verschuldeten Familien, so wörtlich „zurück zur Mutter“ gelassen wurden. In der Tora findet sich die Regel, nach der im „Jubeljahr“, im Abstand von 50 Jahren, alle Menschen aus der Schuldknechtschaft entlassen werden. Nach dem Deuteronomium sollen sogar in jedem Sabbatjahr, also alle sieben Jahre, die Sklaven aus der Schuldknechtschaft erlöst werden.

Antike

Die Schuldknechtschaft war in der Antike bei den Griechen, Römern, Germanen und in Gallien[2] ein Mittel, Geldschulden einzutreiben (also eine Form der Vollstreckung). Der Schuldner wurde wegen nicht gezahlter Geldschulden, insbesondere wenn er sich zur Vermeidung der Schuldknechtschaft zur Zahlung verpflichtet hatte, dem Gläubiger als Sklave zugesprochen: zur Abarbeitung der Schuld und sogar mit dem Recht, sich an den Leib des Schuldners zu halten. Nach einer Theorie bedeutete dies das Recht, den Schuldsklaven buchstäblich in Stücke zu hauen. Allerdings beruht diese Theorie auf einer zweifelhaften Übersetzung der III. Tafel des Zwölftafelgesetzes und auf der Unkenntnis einer als Gussbrocken bezeichneten Währung (aes rude). Nach einer anderen Theorie wurde der Schuldner lediglich verkauft (trans tiberim), und der erzielte Erlös wurde anteilsmäßig unter die Gläubiger verteilt. Dies erklärt auch die weitere Bestimmung Si plus minusve secuerunt, se fraude esto.[3]

In Athen wurde dieses Recht durch Solon im Rahmen der Seisachtheia abgeschafft. In Rom wurde die Schuldknechtschaft 326 v. Chr. durch das Gesetz „Lex Poetelia Papiria de nexis“ abgeschafft.[4]. Erwähnt wird die Schuldhaft aber noch in der Kaiserzeit, wo sie allerdings durch die Zwangsversteigerung ergänzt wurde (missio in possessionem).

Mittelalter

Die Praxis der Schuldknechtschaft hielt sich bis ins Mittelalter hinein und wurde durch die reine Privathaft und zu Beginn der frühen Neuzeit durch die öffentliche Schuldhaft im Schuldturm ersetzt.

19. und 20. Jahrhundert

Forced apprenticeship („Zwangslehre“) war eine staatlich sanktionierte Rechtsform in Staaten der USA, die die Sklaverei abgeschafft hatten. Nach dem Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs war Schuldknechtschaft neben dem Convict Leasing (Verpachtung von Strafgefangenen) eine der Methoden, mit denen sich Plantagenbesitzer und Unternehmen der Südstaaten mit billigen Arbeitskräften versorgten. Die sogenannten Black Codes lieferten den Vorwand, Farbige aufzugreifen und sie zu Geldstrafen zu verurteilen, die sie in der Regel nicht bezahlen konnten. Plantagenbesitzer oder Unternehmen zeigten sich willens, für die Verurteilen die Geldstrafe zu entrichten, sofern sie gleichzeitig einen Schuldknechtsvertrag zu unterzeichnen, der den Verurteilten zwang, die Zahlung durch Arbeit abzugelten. Douglas A. Blackmon hat in seinem mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Buch Slavery by Another Name anhand zahlreicher Beispiele nachgewiesen, wie korrupte Friedensrichter, Sheriffs und Unternehmer oder Plantagenbesitzer ein System der Versorgung mit billigen Arbeitskräften schufen. Schuldknechtschaft war ähnlich wie Conflict Leasing früh verboten, jedoch war die Befolgung dieses Verbots weniger nachprüfbar. 1921 ermordeten der Plantagenbesitzer John S. Williams und sein Aufseher Clyde Manning nachweislich mindestens 11 über Schuldknechtschaftsverträge zur Zwangsarbeit verpflichtete farbige Arbeitskräfte. Nachdem er von FBI-Agenten aufgesucht wurde, fürchtete Williams zwar die Strafverfolgung wegen Ausübung von Schuldknechtschaft, bezeichnete sie aber im ersten Gespräch mit den Agenten noch als übliche Praxis.[5] Vermutlich wäre auch der Besuch der FBI-Agenten für Williams ohne Konsequenzen geblieben, wenn nicht Wochen später die verwesenden Leichen der Ermordeten in den Gewässern von Jasper County (Georgia) aufgetaucht wären. [6] Schuldknechtschaft lässt sich in den USA bis 1941 nachweisen. Am 13. Oktober 1941 bekannte sich Charles E. Bledsoe vor einem Bundesgericht in Mobile, Alabama, für schuldig, auf Basis eines Schuldknechtsvertrages einen Farbigen namens Martin Thompson gegen seinen Willen festgehalten zu haben. Bledsoe wurde zur Zahlung einer Geldstrafe von 100 USD und sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.[7]

Kamaiya war ein nepalesisches Schuldknechtschaftssystem, das bis zum Ende des 20. Jahrhunderts existierte.

Heutige Situation

Noch heute ist die Schuldknechtschaft – obwohl weltweit als Form der Sklaverei verboten – in vielen Ländern verbreitet, so in Pakistan und Indien (wo sie als bonded labour bezeichnet wird) oder in Lateinamerika (wo sie peonaje – Knechtschaft – heißt). Sie gilt als die meistverbreitete Form der „neuen Sklaverei“. Ein berühmt gewordenes Opfer der Schuldknechtschaft war der pakistanische Junge Iqbal Masih, der im Alter von vier Jahren als Schuldknecht an eine Teppichmanufaktur verkauft worden war.

Rechtslage in Deutschland

Schuldknechtschaft ist in Deutschland verboten und unter Strafe gestellt: § 233 StGB - Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft.

Literatur

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary: Schuldknechtschaft – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. zitiert nach Art. 1 lit. a des „Zusatzübereinkommens über die Abschaffung der Sklaverei, des Sklavenhandels und sklavereiähnlicher Einrichtungen und Praktiken“ vom 7. September 1956 (BGBl. 1958 II S. 203)
  2. Caius Julius Caesar, De Bello Gallico, Buch 6/Kap. 13
  3. Flach, Dieter, Die Gesetze der frühen römischen Republik: Text und Kommentar, Darmstadt 1994, S. 126, mit Anm. 95 u. S. 127
  4. vgl. Christian Delacampagne: Die Geschichte der Sklaverei. Düsseldorf, Zürich 2004 (orig. 2002), S. 74
  5. Blackmon, Slavery by Another Name, S. 363 bis 367.
  6. Blackmon, Slavery by Another Name, S. 363.
  7. Blackmon, Slavery by Another Name, S. 363 bis 367.
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