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Satz von Baire

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Der Satz von Baire, auch Bairescher Kategoriensatz[1], Satz von Baire-Hausdorff[2] oder einfach Kategoriensatz genannt, ist ein Lehrsatz aus der Mathematik. Er wird in der Literatur in verschiedenen Versionen formuliert und enthält im Kern eine topologische Aussage.[1][3] Diese Aussage ist in verschiedenen angrenzenden Teilgebieten der Mathematik wie der deskriptiven Mengenlehre, der Maßtheorie und der Funktionalanalysis von erheblicher Bedeutung. So lässt sich sowohl der Satz von Banach-Steinhaus, das Prinzip der gleichmäßigen Beschränktheit und der Satz über die offene Abbildung aus dem Satz von Baire ableiten.[4] Die Benennung als "Kategoriensatz" beruht auf der Tatsache, dass für die Formulierung des Satzes spezielle Mengen verwendet werden, die als Mengen erster und Mengen zweiter Kategorie bezeichnet werden. Es besteht kein direkter Bezug zur Kategorientheorie.

Die ersten Versionen des Satzes stammen von William Fogg Osgood (1897 Herleitung für den Spezialfall der reellen Achse ) und von René Louis Baire (1899 Herleitung für den Spezialfall des euklidischen Raumes ).[5] Eine allgemeinere Version wurde von Felix Hausdorff im Jahr 1914 gezeigt.[2]

Formulierung für vollständige metrische Räume

In einem vollständigen metrischen Raum gilt der Satz von Baire, welcher dort besagt:

Von abzählbar vielen abgeschlossenen Teilmengen, deren Vereinigung eine offene Kugel enthält, enthält mindestens eine bereits eine offene Kugel.

Bairesche Kategorien

Für allgemeinere Formulierungen und weitere Charakterisierungen sei hier zunächst der Begriff einer mageren Menge eingeführt.

Definition

Sei ein topologischer Raum (insbesondere z. B. ein metrischer Raum).

  • Eine Teilmenge heißt eine magere Menge oder von 1. (Baire-)Kategorie, falls es eine abzählbare Menge von nirgends dichten Teilmengen von gibt, deren Vereinigung ganz ist.
  • Falls eine Teilmenge nicht von 1. Baire-Kategorie bzw. mager ist, dann heißt sie von Menge von zweiter Baire-Kategorie (oder fett).
  • Falls das Komplement einer Menge mager ist, heißt sie eine residuelle Menge oder komager.

Beispiele magerer und residueller Mengen

  • Die Teilmenge der rationalen Zahlen ist mager in , die Menge der irrationalen Zahlen ist residuell in .
  • ist nicht mager in aber mager in .
  • Die Cantor-Menge ist eine nicht abzählbare, abgeschlossene und nirgends dichte, magere Teilmenge von .
  • Jede dichte, offene Teilmenge ist residuell, denn ihr Komplement ist nirgends dicht. Wäre dies nicht der Fall, hätte es als abgeschlossene Menge ein nichtleeres Inneres, womit die gegebene offene Teilmenge nicht dicht sein könnte.

Definition eines baireschen Raumes

Ein topologischer Raum heißt nun genau dann bairesch bzw. erfüllt den Satz von Baire, wenn jede residuelle Teilmenge dicht in dem Raum liegt. Dies impliziert insbesondere, dass der Raum, insofern er nicht leer ist, selbst nicht mager ist, denn sein Komplement ist die leere Menge und diese liegt in keinem nicht-leeren topologischen Raum dicht. Zudem impliziert dies, dass keine residuelle Menge mager ist, denn da auch ihr Komplement mager ist, wäre sonst der ganze Raum als Vereinigung zweier magerer Mengen mager.

Es lässt sich für einen topologischen Raum die Eigenschaft, ein bairescher Raum zu sein, durch eine der folgenden Bedingungen in äquivalenter Weise charakterisieren:

  • Die Vereinigung einer abzählbaren Familie abgeschlossener Teilmengen ohne innere Punkte hat keinen inneren Punkt.
  • Der Durchschnitt einer abzählbaren Familie offener, dichter Teilmengen liegt immer noch dicht im Raum .
  • Eine offene, nichtleere Teilmenge ist niemals mager.[6]

Beispiele für bairesche Räume

  1. Jeder vollständige, metrisierbare Raum, insbesondere jeder polnische Raum.[7]
  2. Jeder lokalkompakte Hausdorffraum.[7]
  3. Jeder offene Unterraum eines baireschen Raums.[6]
  4. Jeder topologische Raum ist nach dem Kategoriensatz von Banach bis auf eine magere Menge ein Baire-Raum.[8]

Anwendungen

Der Satz von Baire ermöglicht elegante Beweise zentraler Sätze der klassischen Funktionalanalysis:[9]

Existenz nirgends differenzierbarer Funktionen

Auf existieren stetige Funktionen, die an keiner Stelle differenzierbar sind. Um dies zu sehen setzt man für

Versieht man den Vektorraum mit der Supremumsnorm, so kann man zeigen, dass offen und dicht im liegt. Aufgrund des Satzes von Baire weiß man, dass der Raum dicht in liegt. Die Funktionen in sind stetig und an keiner Stelle differenzierbar.

Basis eines Banachraums

Eine andere Anwendung des Satzes von Baire zeigt, dass jede Basis eines unendlichdimensionalen Banachraumes überabzählbar ist.

Beweis durch die Gegenannahme, es gäbe eine abzählbare Basis des Banachraumes . Sei . Dann gilt:

  • als endlichdimensionale Vektorräume sind die abgeschlossen,
  • ihre Vereinigung ergibt den ganzen Raum: .

Nach dem Satz von Baire muss einer der eine Kugel enthalten. Ein Untervektorraum, der eine Kugel enthält, ist aber immer der ganze Raum. Dadurch würde zu einem endlichdimensionalen Raum, was zu einem Widerspruch führt.

Abzählbare lokalkompakte topologische Gruppen

Mit dem Satz von Baire lässt sich zeigen, dass höchstens abzählbare lokalkompakte, hausdorffsche topologische Gruppen diskret sind: Sie sind die Vereinigung höchstens abzählbar vieler einelementiger Mengen. Diese sind abgeschlossen, somit muss nach dem Satz von Baire mindestens eine von ihnen offen sein. Das heißt, es gibt in der Gruppe einen isolierten Punkt, damit sind aber auch alle Punkte isoliert, da topologische Gruppen homogen sind, und die Topologie diskret.

Vergleichbare Begriffsbildungen in der Maßtheorie

In der Maßtheorie wird gezeigt, dass sich der Raum , versehen mit dem Hausdorff- bzw. Lebesgue-Maß nicht als abzählbare Vereinigung von Nullmengen schreiben lässt. Ersetzt man hier den Begriff Nullmenge durch magere Menge, erhält man in diesem Spezialfall die Aussage des baireschen Kategoriensatzes. Die baireschen Kategorien können somit als topologisches Analogon zu Nullmengen bzw. Maßräumen in der Maßtheorie gesehen werden. In der Tat bestehen weitreichende Gemeinsamkeiten. Diese werden in Oxtoby (1980) ausführlich beschrieben. Man beachte aber, dass es im magere Mengen gibt, die keine Nullmengen sind und umgekehrt.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Dirk Werner: Funktionalanalysis. 7., korrigierte und erweiterte Auflage Auflage. Springer-Verlag, Heidelberg Dordrecht London New York 2011, ISBN 978-3-642-21016-7, S. 139, doi:10.1007/978-3-642-21017-4.
  2. 2,0 2,1 Winfried Kaballo: Grundkurs Funktionalanalysis. 1. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2011, ISBN 978-3-8274-2149-4, S. 144-145.
  3. Boto von Querenburg: Mengentheoretische Topologie. 3. Auflage. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York 2001, ISBN 9783540677901, S. 174-176, doi:10.1007/978-3-642-56860-2.
  4. Hans Wilhelm Alt: Lineare Funktionalanalysis. 6. Auflage. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2012, ISBN 978-3-642-22260-3, S. 229-333, doi:10.1007/978-3-642-22261-0.
  5. Bourbaki: Elements of Mathematics. General Topology. Part 2. 1966, S. 193–194, 272–273.
  6. 6,0 6,1 Schubert: Topologie. 1975, S. 133.
  7. 7,0 7,1 Schubert: Topologie. 1975, S. 132.
  8. Oxtoby: Measure and Category. 1980, S. 62.
  9. Reinhold Meise, Dietmar Vogt: Einführung in die Funktionalanalysis. Vieweg, Braunschweig u. a. 1992, ISBN 3-528-07262-8, Kapitel 1, § 8: Folgerungen aus dem Satz von Baire.

Literatur

  • René Baire: Sur les fonctions de variables réelles. In: Annali di Matematica Pura ed Applicata. Bd. 3, Nr. 1, 1899, S. 1–123, doi:10.1007/BF02419243.
  • Nicolas Bourbaki: Elements of Mathematics. General Topology. Part 2. Addison-Wesley Publishing Company, Reading MA u. a. 1966.
  • William F. Osgood: Non-Uniform Convergence and the Integration of Series Term by Term. In: American Journal of Mathematics. Bd. 19, Nr. 2, 1897, S. 155–190, doi:10.2307/2369589.
  • John C. Oxtoby: Measure and Category. A Survey of the Analogies between topological and measure Spaces (= Graduate Texts in Mathematics. 2). 2nd edition. Springer, New York NY u. a. 1980, ISBN 3-540-90508-1
  • Horst Schubert: Topologie. Eine Einführung. 4. Auflage. B. G. Teubner, Stuttgart 1975, ISBN 3-519-12200-6.
  • Dirk Werner: Funktionalanalysis. 5., erweiterte Auflage. Springer, Berlin u. a. 2005, ISBN 3-540-21381-3.
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