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Saat-Hafer

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Saat-Hafer
Saat-Hafer (Avena sativa)

Saat-Hafer (Avena sativa)

Systematik
Commeliniden
Ordnung: Süßgrasartige (Poales)
Familie: Süßgräser (Poaceae)
Unterfamilie: Pooideae
Gattung: Hafer (Avena)
Art: Saat-Hafer
Wissenschaftlicher Name
Avena sativa
L.

Saat-Hafer oder Echter Hafer (Avena sativa) ist eine Pflanzenart aus der Gattung Hafer (Avena) innerhalb der Familie der Süßgräser (Poaceae). Sie wird als Getreide genutzt.

Pflanzenbeschreibung

Saat-Hafer ist eine einjährige krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 0,6 bis 1,5 Meter erreicht.

Dieses Rispengras hat eine 15 bis 30 cm lange, allseitswendige Rispe (Blütenstand), die zum Teil wiederum verzweigte Rispen trägt, die sich sanft nach unten neigen. An der Spitze tragen die Rispen Ährchen mit zwei bis drei Blüten, von denen meist nur zwei fruchtbar sind. Hafer ist ein Selbstbestäuber. Die spindelförmigen Körner sind bei der Reife mit der kurzbegrannten Deckspelze und der Vorspelze fest verwachsen. Die Spelzen umgeben das eigentliche Korn.

Ökologie

Der Saat-Hafer ist überwiegend einjährig und eine Sommerfrucht. Wie bei allen Getreide-Arten richten sich aufgrund von Sturm usw. niederliegende Halme durch ihr unterseits stärkeres Wachstum wieder auf. Der Wachstumsvorgang wird positiv gravitrop eingeleitet, also durch die Erdanziehung ausgelöst.[1]

Blütenbiologisch handelt es sich um den „Langstaubfädigen Typ“ mit Windbestäubung. Die homogamen, selbstfertilen Blüten öffnen sich erst nachmittags, bei Trockenheit in Anpassung an das Steppenklima sogar erst ab 18 Uhr. Bei nasser Witterung bleiben die Blüten geschlossen, also kleistogam und es erfolgt Selbstbestäubung.[1]

Beim Saat-Hafer zerfallen die meist zwei- bis dreiblütigen Ährchen zur Reife nicht. Bei den oberen Blüten oder evtl. auch bei allen Blüten fehlen die Grannen. Bei den Wildhafer-Arten ist die Ausbreitungseinheit (Diaspore) die von den haften bleibenden Spelzen umgebene Karyopse. Wegen der Luft zwischen den Spelzen sind diese spindelförmigen Gebilde von geringem spezifischem Gewicht. Es gibt für sie viele Ausbreitungsmöglichkeiten: Die Früchte können durch den Wind (beispielsweise als Bodenroller) ausgebreitet werden, oder als Regenschwemmlinge, oder mittels der hygroskopischen Grannen als Klettfrüchte. Die Haare der Grannen bewirken, dass die Körner sogar hüpfende Bewegungen ausführen können, was eine Selbstausbreitung als Bodenkriecher ermöglicht. Die Früchte können sich außerdem im Tierfell oder im Boden einbohren; solche Bohrfrüchte sind gleichzeitig ausbreitungshemmende Gebilde, wie sie für Trockengebiete typisch sind. Daneben sind eine Bearbeitungsausbreitung und eine solche als Wasserhafter möglich. Fruchtreife ist von August bis Oktober.[1]

Geschichte

Der früheste Nachweis für den Haferanbau ist durch die bronzezeitlichen Pfahlbausiedlungen in der Schweiz belegt. Bereits Germanen schätzten den Hafer. Die Bedeutung des Hafers wird auch darin deutlich, dass er in deutschen Familiennamen vorkommt, z.B. Haferkamp (= Hafer-Feld).

In den altertümlichen Getreidefunden taucht Hafer nie in Reinform, sondern immer als Beimengung auf. Dies lässt den Schluss zu, dass Hafer zunächst als Beigras auf Gersten- und Weizenfeldern wuchs. Er wird daher zu den sekundären Kulturpflanzen gezählt. Um etwa 5000 v. Chr. sind die ältesten Nutzungsnachweise von Hafer in Polen und der nördlichen Schwarzmeerregion zu finden. Die ersten Nutzungsbelege in Mitteleuropa lassen sich auf 2400 v. Chr. datieren. Bis ins Mittelalter war der Haferanbau auf das Gebiet nördlich des Mains beschränkt. Erst später fand dann auch weiter südlich der Anbau statt. Ab dem Hochmittelalter ist Hafer in Mittelgebirgslagen eine bedeutende Feldfrucht, die erst durch die Einführung der Kartoffel ihre Stellung verlor. Noch 1939 rangierte Hafer in der weltweiten Bedeutung nach Weizen und Mais an dritter Stelle der Getreidearten. In Deutschland war Hafer bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts nach Roggen die wichtigste Getreideart. Heute ist der Haferanbau in Deutschland gegenüber den anderen Getreidearten von untergeordneter Bedeutung.

Bis in die Neuzeit war in klimatisch wenig günstigen Gegenden Deutschlands der Anbau von Hafer häufig anzutreffen, da der Hafer auch bei ungünstigen Witterungsbedingungen (Staunässe, Trockenheit, mangelnde Bodenqualität) und schlechter Nährstoffversorgung stabilere Erträge liefert als zum Beispiel Sommergerste. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist der Anbau zurückgegangen, zum Teil wegen der Motorisierung, die Zugpferde (als Haferkonsumenten) mehr und mehr überflüssig machte und damit die Nachfrage senkte. In den letzten Jahrzehnten nahm die Produktion wieder zu, da der Pferdesport an Popularität gewonnen hat.

Anbau

Hafer bevorzugt ein gemäßigtes Klima mit hohen Niederschlägen. Sein Anbau findet in den Mittelgebirgen, im Alpenvorland und in den Küstenregionen statt. Seine Ansprüche an den Boden sind gering. Hafer wird als Sommergetreide angebaut und im Frühjahr ausgesät. Die Ernte findet ab Mitte August statt. Unter den Getreidearten gilt Hafer als „Gesundungsfrucht“, da sich viele Getreideschädlinge in ihm nicht vermehren.

Ein Großteil der Ernte in Deutschland wird heute zur Tierfutterherstellung verwendet. Hafer wird aufgrund von veränderten Konsumgewohnheiten auch wieder vermehrt in der menschlichen Ernährung verwendet.

Nutzung

Produkte des Hafers sind Stroh, Hafergrütze, Haferflocken, Haferkleie, Getränke auf Haferbasis, Hafermehl, Cerealien mit Hafer, verschiedene Extrakte für die Medizin und Furfural, eine Chemikalie, die aus den Spelzen gewonnen wird.

Ursprungs- (rot) und Hauptanbaugebiet (grün) von Hafer

Ernährungsphysiologisch ist Hafer die hochwertigste Getreideart, die in Mitteleuropa angebaut wird. Die Haferkörner werden lediglich entspelzt, d. h. die äußere für den Menschen unverdauliche Hülle wird entfernt. Der übrigbleibende sogenannte Haferkern wird jedoch nicht geschält, d. h. die äußeren Randschichten, Frucht- und Samenschale, sowie der Keimling bleiben erhalten. Hierbei handelt es sich dann um Vollkornprodukte. In diesen Bestandteilen des Haferkerns stecken vor allem Vitamine, Mineralstoffe, Ballaststoffe. Es gibt eine Vielfalt an Erzeugnissen aus Hafer für die menschliche Ernährung: von Hafergrütze über Haferflocken und Haferspeisekleie bis hin zu Hafermehl, Cerealien und Getränken. Hafermehl kann infolge des geringen Kleberanteils (Gluten) nur bedingt zur Herstellung von Brot verwendet werden, ist jedoch eben deshalb für die glutenfreie Ernährung bei Zöliakie bedingt geeignet. Ein Haferanteil von 20 bis 30 Prozent im Brot ist jedoch möglich. In einigen Regionen wird aus Hafer Whiskey hergestellt. Im Mittelalter war Haferbier ein beliebtes Getränk. Als Futtermittel wird Hafer an Pferde, Rinder oder Geflügel verfüttert. Der hohe Rohfaseranteil macht die Körner für die Verfütterung an Schweine ungeeignet.

Die größten Haferproduzenten

Folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die 20 größten Haferproduzenten der Welt, die 2013 zusammen etwa 89 % der Welterntemenge von etwa 23,8 Mio. t erzeugten. Inklusive der Produktionsmengen Österreichs und der Schweiz zum Vergleich.

Die größten Haferproduzenten weltweit (2013)[2]
Rang Land Menge
(in t)
  Rang Land Menge
(in t)
   1 RusslandRussland Russland    4.931.822    13 BrasilienBrasilien Brasilien    478.752
   2 KanadaKanada Kanada    3.888.000    14 UkraineUkraine Ukraine    467.270
   3 FinnlandFinnland Finnland    1.196.800    15 ArgentinienArgentinien Argentinien    444.820
   4 PolenPolen Polen    1.190.039    16 FrankreichFrankreich Frankreich    432.282
   5 AustralienAustralien Australien    1.121.135    17 RumänienRumänien Rumänien    373.783
   6 Vereinigte StaatenVereinigte Staaten Vereinigte Staaten    1.016.024    18 WeissrusslandWeißrussland Weißrussland    351.612
   7 Vereinigtes KonigreichVereinigtes Königreich Vereinigtes Königreich    964.000    19 DanemarkDänemark Dänemark    313.200
   8 SpanienSpanien Spanien    956.800    20 KasachstanKasachstan Kasachstan    304.800
   9 SchwedenSchweden Schweden    851.500    ...        
   10 ChileChile Chile    680.382    32 OsterreichÖsterreich Österreich    86.900
   11 DeutschlandDeutschland Deutschland    627.700    51 SchweizSchweiz Schweiz    7.934
   12 China VolksrepublikVolksrepublik China Volksrepublik China    614.000     Welt    23.821.207

Die gesamte Anbaufläche für Hafer weltweit betrug 2013 etwa 9,8 Mio. Hektar, davon in Deutschland 131.500, in Österreich 23.200 und in der Schweiz 1.673 Hektar. Im Jahre 2013 lag der durchschnittliche Hektar-Ertrag weltweit bei 24,4 dt/ha, in Deutschland bei 47,7 dt/ha, in Österreich bei 37,5 dt/ha und in der Schweiz bei 47,4 dt/ha.[2]

Siehe auch:

Durchschnittliche Zusammensetzung

Die Zusammensetzung von Hafer schwankt naturgemäß, sowohl in Abhängigkeit von der Hafersorte und den Umweltbedingungen (Boden, Klima) als auch von der Anbautechnik (Düngung, Pflanzenschutz).

Angaben je 100 g essbarem Anteil, entspelzt, ganzes Korn:[3]

Bestandteile
Wasser 13,0 g
Eiweiß 11,7 g**
Fett 7,1 g
Kohlenhydrate 55,7 g*
Ballaststoffe 9,7 g
Mineralstoffe 2,9 g
Mineralstoffe
Natrium 8 mg
Kalium 355 mg
Magnesium 130 mg
Calcium 80 mg
Mangan 3,1 mg
Eisen 5,8 mg
Kupfer 0,42 mg
Zink 3,2 mg
Phosphor 340 mg
Selen 7 µg**
Vitamine
Thiamin (Vit. B1) 675 µg
Riboflavin (Vit. B2) 170 µg
Nicotinsäure (Vit. B3) 2400 µg
Pantothensäure (Vit. B5) 710 µg
Vitamin B6 960 µg
Folsäure 35 µg
Vitamin E 840 µg
essentielle und semi-essentielle Aminosäuren
Arginin1 850 mg
Histidin1 270 mg
Isoleucin 560 mg
Leucin 1020 mg
Lysin 550 mg
Methionin 230 mg
Phenylalanin 700 mg
Threonin 490 mg
Tryptophan 190 mg
Tyrosin 450 mg
Valin 790 mg

* Differenzberechnung
** In ausländischem Hafer oft höhere Werte
1 semi-essentiell
1 mg = 1000 µg

Der physiologische Brennwert beträgt 1409 kJ bzw. 336 Kilokalorien/kcal je 100 g essbarem Anteil.

Weiterhin enthalten sind Phytosterine, Alkaloide, Avenanthramide (sekundäre Pflanzenstoffe), Kieselsäure und Linolsäure. Von allen gängigen Getreidearten enthält er den höchsten Mineralstoff- und Fettgehalt. Der hohe Eisengehalt ist vergleichbar mit vielen Fleischsorten. Zu erwähnen ist auch der mit rund 4,5 Prozent hohe Gehalt an β-Glucan, einem löslichen Ballaststoff, mit dem eine Senkung des Cholesterinspiegels erzielt werden kann.

Haferrispe
Saat-Hafer auf einem Feld im August
Haferkörner
Feine, mittlere und grobe Hafergrütze. Unten: Geschälte Haferkörner

Verarbeitung

Die Haferkörner sind fest von den Spelzen umschlossen. Durch den Drusch lassen sie sich nicht voneinander trennen. Soll Hafer zur menschlichen Ernährung verwendet werden, so werden nach dem Reinigen und Sieben der Haferkörner zunächst die Spelzen in einer Schälmühle mit einem „Prallschäler“ entfernt und mit einem „Steigsichter“ abgetrennt. Anschließend werden die verbleibenden Haferkerne gedarrt, wodurch die fettspaltenden Enzyme in Hafer deaktiviert werden. Dies verhindert das Ranzigwerden von Haferprodukten aufgrund des relativ hohen Fettgehaltes von etwa sieben Prozent und verlängert so die Haltbarkeit. Während der Darre wird die Haferstärke teilweise aufgeschlossen und die Haferprodukte werden dadurch bekömmlicher und besser verdaubar. In der Darre bildet sich auch ein typisches nussartiges Aroma heraus. Anschließend werden die Haferkerne durch Dämpfen und Trocknen auf die weitere Verarbeitung vorbereitet.

Es existieren unterschiedliche Hafererzeugnisse. Haferflocken gibt es in drei Varianten: Die kernigen Haferflocken oder Großblattflocken werden aus den ganzen Kernen gewalzt. Für zarte Haferflocken oder Kleinblattflocken werden die Haferkerne zunächst in kleine Stücke - die sogenannte Grütze – geschnitten. Die kleinen Stücke werden dann zu zarten Flocken gewalzt. Aber auch die Grütze wird als eigenständiges Produkt verkauft. Haferflocken werden in nahezu jeder verzehrfertigen Müslimischung, in Knuspermüslis sowie in Hafermüslis eingesetzt. Darüber hinaus gibt es lösliche Haferflocken, die über ein besonderes Verfahren aus Hafermehl hergestellt werden. Hafermehl entsteht, wenn die Grütze wie bei einer klassischen Getreidemühle fein gemahlen wird. Haferkleie besteht größtenteils aus den Randschichten und dem Keimling des Haferkorns und wird als Grieß oder als lösliche Flocken angeboten. Haferkleie-Grieß sind die gröberen Teile, die bleiben, wenn Randschichten und Keimling des Korns grob gemahlen und gesiebt werden. Lösliche Haferkleie-Flocken werden in einem speziellen Prozess aus gemahlenem Haferkleie-Grieß hergestellt.

Hafercerealien sind weiterverarbeitete Produkte aus Hafer, die in unterschiedlichen Herstellungsverfahren entstehen: Für extrudierte Cerealienprodukte wird ein wasserhaltiger Teig aus Hafervollkornmehl und weiteren Zutaten unter Druck in eine Verdichtungsschnecke („Extruder“, vergleichbar mit einem Fleischwolf) gepresst. Beim Pressen kann der Teig durch Einsatz von Matrizen unterschiedlich geformt werden. Beim Austritt verdampft das Wasser, das Produkt verfestigt sich. So erhält man haltbare, knusprige Produkte in verschiedenen Formen. Für gepuffte Cerealienprodukte werden ganze Haferkörner Dampf und Druck ausgesetzt. Durch plötzlichen Druckabfall verdampft das enthaltene Wasser und die Stärke wandelt sich um. Die Körner blähen sich auf und erstarren.

Hafermilch wird aus gereinigtem und entspelztem Hafer hergestellt. Da Milchersatz in der EU nicht mit der Bezeichnung Milch in Verkehr gebracht werden darf,[4] sind Umschreibungen wie „Hafergetränk“ oder „Haferdrink“ gängig. Bei der Verwendung als Futtergetreide können die Spelzen am Korn bleiben.

Neben den bespelzten Hafersorten gibt es auch „Nackthafer“, er verliert beim Dreschen seine Spelzen. Seine Erträge sind jedoch geringer.

Gesundheitliche Bedeutung

Hervorzuheben sind folgende Nährstoffe:

  • der zehnprozentige Ballaststoffanteil, u. a. mit Beta-Glucanen
  • die Qualität der Kohlenhydrate
  • Eiweißzusammensetzung
  • die ungesättigten Fettsäuren (75 Prozent des Gesamtfettanteils)
  • bestimmte Vitamine und Mineralstoffe

Verdauung

Beta-Glucane (z. B. Cellulose und Lichenin, spezifische Polysaccharide der Zellwand aller Süßgräser und Getreide,) sind die Schlüsselsubstanzen der ernährungsphysiologischen Wirkungen des Hafers. Diese Ballaststoffe kommen im Haferkorn überwiegend in der äußeren Schicht des Mehlkörpers, der Subaleuronschicht, vor. Beta-Glucane machen knapp die Hälfte des Gesamtballaststoffgehaltes im Hafer aus. 100 Gramm Haferflocken enthalten etwa 4,5 Gramm Beta-Glucane. Aufgrund des höheren Gesamtballaststoffanteils liegt der Beta-Glucan-Gehalt in Haferkleie mit 8,1 Gramm pro 100 Gramm höher. Die chemisch-physikalischen Eigenschaften der Hafer-Beta-Glucane führen zu einer Reihe von physiologischen Wirkungen auf den Verdauungstrakt sowie den Stoffwechsel. Im Vordergrund stehen positive Effekte auf den Cholesterin- und den Blutzuckerspiegel. Die Fähigkeit der Hafer-Beta-Glucane, Gallensäuren zu binden, führt zur Ausscheidung von Cholesterin, was zur Senkung des Gesamt- sowie LDL-Cholesterinspiegels führt. Damit können die Blutgefäße vor schädlichen Ablagerungen geschützt werden. Hafer-Beta-Glucane bilden im Magen und Dünndarm eine zähflüssige Konsistenz, die eine verlangsamte Resorption der Nährstoffe aus der gelartigen Masse zur Folge hat. Dies führt zu einem weniger starken und zeitverzögerten Anstieg des Blutglucosespiegels. Wissenschaftliche Studien lassen den Schluss zu, dass ein hoher Verzehr an Ballaststoffen u. a. das Risiko für Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und die koronare Herzkrankheit reduzieren kann.[5][6][7]

Weitere Wirkungen des Beta-Glucans sind die positiven Effekte auf die Verdauungsfunktion. Die viskose Substanz aus den löslichen Ballaststoffen schützt die Darmwand vor äußeren Reizen und beruhigt den empfindlichen Magen. Die unlöslichen Ballaststoffe wirken regulierend auf die Verdauungstätigkeit.[8]

Hafer ist ein beliebtes Lebensmittel in der Säuglings- und Kleinkindernährung. Auch bei gastrointestinalen Beschwerden wird Hafer gern eingesetzt. Die besondere Bekömmlichkeit und leichte Verdaulichkeit von Hafereiweiß und -fett spielen hierbei eine große Rolle.[8]

Diabetes

Im Rahmen der Diabetestherapie und Diabetikerernährung spielen der verzögerte Anstieg des Blutzuckerspiegels und die damit geringere Insulinausschüttung eine wichtige Rolle. Daher sollten bei kohlenhydrathaltigen Lebensmitteln Produkte mit einem niedrigen glykämischen Index und vor allem Vollkornprodukte, wie z. B. Haferflocken oder Haferspeisekleie, ausgewählt werden.[8] Mediziner, Diabetologen und Diabetesberater wenden zum Teil die sogenannten „Hafertage“ an. Dabei handelt es sich um eine spezielle haferbetonte Kost, die über zwei bis maximal drei Tage eingenommen wird. Sie stellt eine besondere und sehr intensive Form der diätetischen Intervention in der Behandlung der Insulinresistenz bei Diabetes mellitus Typ 2 dar. Ziel ist es, mit einer einfachen Methode Blutzuckerwerte zu verbessern, die Insulinresistenz zu verringern und somit die Insulinsensitivität zu erhöhen. Dadurch wird weniger Insulin für die Verarbeitung der Glucose benötigt. Wissenschaftliche Studien und Erfahrungen aus der Praxis bestätigen die Reduzierung der Insulinzufuhr nach dieser Anwendung.[9][10]

Allergie und Zöliakie

Für viele Allergiker und Betroffene von Zöliakie sowie chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Reizdarmsyndrom, Kurzdarmsyndrom) ist nur Gliadin, nicht aber zugleich auch jedes andere Gluten unverträglich. Die in dieser Weise Betroffenen müssen deshalb zwar die klassischen Getreide (Weizen, Triticale, Roggen und ihre botanischen Vorläufer) meiden, können aber Hafer und Haferprodukte je nach Empfindlichkeit ggf. vertragen. Es muss hier aber sichergestellt sein, dass der Hafer beim lebensmitteltechnologischen Behandlungsprozess nicht mit Weizenmehl usw. vermischt wurde.

Im Jahre 2004 wurden Ergebnisse einer klinischen Studie an Kindern, die an Zöliakie litten, veröffentlicht. Diese hatten über ein Jahr entweder eine glutenfreie Diät oder eine glutenfreie Diät mit täglich 25-50 g Hafer erhalten. Hierbei wurde festgestellt, dass kleine Mengen Hafer in der glutenfreien Diät weder die Heilung der Dünndarmschleimhaut noch die Regulation des Abwehrsystems verhindert. Einige Länder (z. B. Kanada, Schweden) haben den Konsum von glutenfreiem Hafer bis zu einer täglichen Menge von 50 g freigegeben. Andere Studien wiederum ergaben, dass eine geringe Zahl an Zöliakiebetroffenen auf glutenfreien Hafer negativ reagiert. Daher rät die Deutsche Zöliakie Gesellschaft Betroffenen vom Verzehr von Hafer ab.[11]

Die Verwendung des Haferkrautes und des Haferstrohs in der Naturheilkunde

In der Naturheilkunde wird das grüne Haferkraut (Herba avenae) und das Haferstroh (Stramentum avenae) verwendet. Stramentum avenae wird vor allem zum Bereiten von Haferstrohbädern verwendet. Haferstrohbäder können bei Hautverletzungen helfen und sollen einen juckreizstillenden Effekt haben.[12] Das Haferkraut wird zur innerlichen Anwendung als Tee verwendet. Zu den volkstümlichen Anwendungsgebieten zählen nervöse Einschlafstörungen, Harngrieß und rheumatischen Erkrankungen. Ebenfalls gibt es Medikamente gegen nervöse Unruhe, die Haferextrakte enthalten.[12] Für die in (Avena sativa) enthaltenen Avenathramide konnten im Versuch reizmildernde, entzündungshemmende und juckreizstillende Effekte beschrieben werden.[13]

Einige Kosmetikartikel enthalten Hafer zur Beruhigung trockener und gereizter Haut, auch Haarpflegeprodukte zur Stärkung der Haarstruktur sind auf dem Markt.

Rechtliche Bestimmungen

Die EU-Verordnung zu nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben sieht vor, dass verzehrsfertige Lebensmittel, die mindestens ein Gramm Hafer-Beta-Glucan pro Verzehrportion enthalten, mit dem cholesterinsenkenden Effekt ausgelobt werden dürfen. Dazu müssen sie den Hinweis tragen, dass insgesamt drei Gramm Hafer-Beta-Glucan pro Tag erforderlich sind. Mit vier Esslöffeln Haferkleie (40 Gramm) sind 3,2 Gramm Beta-Glucan erreicht. Mit Health-Claims-Verordnung (zu deutsch etwa „Gesundheitsbehauptungen-Verordnung“) wird die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel bezeichnet..[14] Hierin und in der Liste für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben sind 222 davon in der „Artikel-13-Liste“ festgelegt und veröffentlicht worden.[15] ist festgelegt, welche Gesundheitsbehauptungen in der Werbung und auf Fertigpackungen verwendet werden dürfen.

Mögliche Health-claims könnten sein:

Nährstoff/Substanz/Lebensmittel Angabe (VO 432/2012) Bedingungen für die Verwendung (VO 432/2012)
Beta-Glucane „Beta-Glucane tragen zur Aufrechterhaltung eines normalen Cholesterinspiegels im Blut bei“ „Die Angabe darf nur für Lebensmittel verwendet werden, die mindestens 1 g Beta-Glucane aus Hafer, Haferkleie, Gerste oder Gerstenkleie bzw. aus Gemischen dieser Getreide je angegebene Portion enthalten. Damit die Angabe zulässig ist, sind die Verbraucher darüber zu unterrichten, dass sich die positive Wirkung bei einer täglichen Aufnahme von 3 g Beta-Glucanen aus Hafer, Haferkleie, Gerste oder Gerstenkleie bzw. aus Gemischen dieser Getreide einstellt.“
Beta-Glucane aus Hafer und Gerste „Die Aufnahme von Beta-Glucanen aus Hafer oder Gerste als Bestandteil einer Mahlzeit trägt dazu bei, dass der Blutzuckerspiegel nach der Mahlzeit weniger stark ansteigt“ „Die Angabe darf nur für Lebensmittel verwendet werden, die mindestens 4 g Beta-Glucane aus Hafer oder Gerste je 30 g verfügbare Kohlenhydrate in einer angegebenen Portion als Bestandteil der Mahlzeit enthalten. Damit die Angabe zulässig ist, sind die Verbraucher darüber zu unterrichten, dass sich die positive Wirkung einstellt, wenn Beta-Glucane aus Hafer oder Gerste als Bestandteil der Mahlzeit aufgenommen werden.“
Haferkorn-Ballaststoffe „Haferkorn-Ballaststoffe tragen zur Erhöhung des Stuhlvolumens bei“ „Die Angabe darf nur für Lebensmittel verwendet werden, die einen hohen Gehalt an diesem Ballaststoff gemäß der im Anhang der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 aufgeführten Angabe HOHER BALLASTSTOFFGEHALT aufweisen.“

Trivialnamen

Als weitere deutschsprachige Trivialnamen werden bzw wurden, zum Teil nur regional, auch die nachfolgenden Bezeichnungen verwandt.

In Kärnten ist für die Unterart Avena sativa var. orientalis der Name Fahnenhafer überliefert.[16] Für die Unterart Avena sativa var. vulgaris sind die Trivialnamen Biven (Ostfriesland), Biwen (Ostfriesland), Evena (mittelhochdeutsch), Evina (mittelhochdeutsch), Flöder (Graubünden), Habaro (althochdeutsch), Habbern (mittelhochdeutsch), Haber (Schweiz), Haberen (mittelhochdeutsch), Haberr (althochdeutsch), Habir (althochdeutsch), Hafer, Hafern (mittelhochdeutsch), Haffern (mittelhochdeutsch), Haffer (Frankfurt), Haowr´r (Altmark), Havern (mittelniederdeutsch), Hawer (Mecklenburg, Waldeck, Unterweser), Hawerkorn (Mecklenburg, Waldeck, Unterweser), Heberin Brod (mittelhochdeutsch), Hebrein Brod (mittelhochdeutsch), Huever (Siebenbürgen), Hyllmann (Schwaben), Koorn (Münsterland) und Rispenhafer.[16]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 Der BibISBN-Eintrag Vorlage:BibISBN/9783494014241 ist nicht vorhanden. Bitte prüfe die ISBN und lege ggf. einen neuen Eintrag an.
  2. 2,0 2,1 FAO, Faostat Statistik der FAO 2014, aufgerufen am 15. Dezember 2014.
  3. Deutsche Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie (DFA) Garching (Hrsg.): Lebensmitteltabelle für die Praxis. Der kleine Souci · Fachmann · Kraut. 4. Auflage. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-8047-2541-6, S. 239.
  4. Verordnung (EWG) Nr. 1898/87 des Rates vom 2. Juli 1987 über den Schutz der Bezeichnung der Milch und Milcherzeugnisse bei ihrer Vermarktung. Abgerufen am 15. September 2015.
  5. DGE Evidenzbasierte Leitlinie Kohlenhydrate
  6. Hans-Konrad Biesalski: Ernährungsmedizin: nach dem Curriculum Ernährungsmedizin der Bundesärztekammer. Georg Thieme Verlag, S. 381. (online auf: books.google.de)
  7. C. Daou, H. Zhang: Oat Beta-Glucan: Its Role in Health Promotion and Prevention of Diseases. In: Comprehensive Reviews in Food Science and Food Safety. 11, 2012, S. 355–365. doi:10.1111/j.1541-4337.2012.00189.x
  8. 8,0 8,1 8,2 Lebensmittel-Lexikon. 4., umfassend überarbeitete Auflage. Behr, Hamburg, ISBN 3-89947-165-2.
  9. A. Lammert: Clinical Benefit of a Short Term Dietary Oatmeal Intervention in Patients with Type 2 Diabetes and Severe Insulin Resistance: A Pilot Study. 2007. (online auf: thieme-connect.com)
  10. Haferkur senkt Insulinbedarf. auf: abendblatt.de, 3. September 2010.
  11. Hafer in der glutenfreien Ernährung. Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Zöliakie - Gesellschaft e. V. vom 16.02.2011. (PDF; 26 kB)
  12. 12,0 12,1 Ingrid Schönfelder, Peter Schönfelder: Das neue Handbuch der Heilpflanzen Franckh-Kosmos, Stuttgart 2004,, ISBN 3-440-09387-5.
  13. R. Sur, A. Nigam, D. Grote, F. Liebel, M. D. Southall: Avenanthramides, polyphenols from oats, exhibit anti-inflammatory and anti-itch activity. In: Archives of dermatological research. Band 300, Nummer 10, November 2008, ISSN 1432-069X, S. 569–574, doi:10.1007/s00403-008-0858-x, PMID 18461339.
  14. Konsolidierter Verordnungstext (PDF) der Health-Claims-Verordnung
  15. Liste der gesundheitsbezogenen Angaben (PDF), VERORDNUNG (EU) Nr. 432/2012 DER KOMMISSION vom 16. Mai 2012 zur Festlegung einer Liste zulässiger anderer gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel als Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos sowie die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern
  16. 16,0 16,1 Georg August Pritzel, Carl Jessen: Die deutschen Volksnamen der Pflanzen. Neuer Beitrag zum deutschen Sprachschatze. Philipp Cohen, Hannover 1882, Seite 53, online.

Ergänzende Literatur

  • Wilfried Seibel (Hrsg.): Warenkunde Getreide - Inhaltsstoffe, Analytik, Reinigung, Trocknung, Lagerung, Vermarktung, Verarbeitung. Agrimedia, Bergen 2005, ISBN 3-86037-257-2.

Weblinks

 Commons: Saat-Hafer – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien
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