Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzyklopädie zum Judentum.
Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ... Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten) |
How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida |
Rudolf Schleier
Rudolf August Emil Otto Schleier (geb. 31. August 1899 in Hamburg; gest. 4. Januar 1959) war ein deutscher Kaufmann, NS-Funktionär und Diplomat. Während des Zweiten Weltkriegs war er im deutsch besetzten Frankreich Vertreter des Botschafters Otto Abetz.
Leben
Ausbildung und Berufseinstieg
Rudolf Schleier absolvierte nach dem Ende seiner Schullaufbahn eine kaufmännische Ausbildung und nahm ab Juni 1917 am Ersten Weltkrieg teil. Von September 1918 bis Januar 1920 befand er sich in französischer Kriegsgefangenschaft.[1] Von 1920 bis 1940 war er als Kaufmann tätig zuletzt als Prokurist.[2] Der Käsegroßhändler[3] war ab 1924 geschäftlich regelmäßig in Frankreich und war nach eigenen Angaben ein zunehmend „überzeugterer Anhänger einer deutsch-französischen Verständigung“.[1]
Nationalsozialistische Betätigung
Schleier war bereits im Dezember 1931 der NSDAP beigetreten.[1] Er war am Aufbau einer NSDAP/AO-Landesgruppe in Frankreich beteiligt und für diese NS-Organisation ab 1933 Frankreichreferent. Er wurde 1935 kommissarischer Landesgruppenleiter der NSDAP/AO in Frankreich im Rang eines Gaustellenleiters und war zum Gauamtsleiter befördert dort von 1936 bis Anfang April 1938 offiziell Landesgruppenleiter der NSDAP/AO.[4] Er gehörte zu den Mitbegründern und dem Vorstand der NS-nahen Deutsch-Französischen Gesellschaft mit Sitz in Berlin, saß ab 1936 einer Zweigstelle dieser Gesellschaft in Hamburg für die Hansestädte vor und wurde im November 1938 Vizepräsident der Deutsch-Französischen Gesellschaft.[1]
Zweiter Weltkrieg
Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges hielt er sich von November 1939 bis April 1940 im deutsch besetzten Wartheland auf, um für die Handelskammer Hamburg die dortige Wirtschaftslage zu sondieren.[1]
Gesandter in Paris
Über seinen Bekannten Abetz kam Schleier zum Auswärtigen Amt. Nach dem Frankreichfeldzug gehörte Schleier zur sogenannten Abetzgruppe, die am 14. Juni 1940 ins deutsch besetzte Belgien geflogen wurden und von dort in das gerade deutsch besetzte Paris gelangten.[5] In Paris führte Schleier zunächst den Titel Generalkonsul und nachdem Abetz Botschafter geworden war wurde er zum Gesandten (Ende 1941 II. Klasse und im April 1943 I. Klasse) ernannt. Während der Abwesenheit von Abetz übernahm Schleier in Paris dessen Geschäfte.[6] Schleier war auch in antijüdische Maßnahmen verstrickt: Im Frühjahr 1942 ließ der Leiter des Eichmannreferats Adolf Eichmann beim Auswärtigen Amt anfragen, ob 1000 bereits in Compiègne inhaftierte französische sowie staatenlose Juden als Sühnemaßnahme für Anschläge gegen Wehrmachtssoldaten in das KZ Auschwitz verbracht werden könnten. Kurz darauf wurde diese Anzahl durch Eichmann um 5000 weitere „staatspolizeilich in Erscheinung getretene Juden“ erhöht. Diese Anfrage wurde durch den Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt Martin Luther telegrafisch an Schleier weitergeleitet, der „gegen die beabsichtige Judenaktion keine Bedenken“ erhob. Das Auswärtige Amt meldete daraufhin Eichmann, dass gegen die Deportation kein Einspruch erhoben werde.[7] Am 29. November 1943 wurde Schleier von seinem Gesandtenposten abberufen
Amts- und Abteilungsleiter im Auswärtigen Amt
1944 wurde Schleier mit der Leitung der durch Ribbentrop neugegründeten Informationsstelle X des Auswärtigen Amts beauftragt, die mehrfach umbenannt zuletzt als Informationsstelle XIV (Antijüdische Auslandsaktion) firmierte. Diese Dienststelle sollte die antijüdische Propaganda zentral koordinieren, u.a. wurde antijüdische Radiosendungen für den Auslandsfunk produziert – mit Hinweis auf die angebliche Kriegsschuld der Juden, deren angebliche Verbindungen zum Bolschewismus bzw. Weltherrschaftspläne um antisemitische Bewegungen zu stärken In diesem Zusammenhang beabsichtigte Schleier u.a. ein „Diplomatisches Jahrbuch zur jüdischen Weltpolitik“ zu publizieren, eine Wanderausstellung zu organisieren und ein antijüdisches Archiv anzulegen. Die auf Initiative von Horst Wagner zustande gekommene und von Franz Alfred Six organisierte Arbeitstagung der Judenreferenten der Deutschen Missionen in Europa“ in Krummhübel am 3. und 4. April 1944 wurde von Schleier geleitet.[3]
Am 21. April 1944 übernahm er als Nachfolger von Hans Bernd von Haeften das Amt des Ministerialdirigenten der Kulturpolitischen Abteilung im Auswärtigen Amt.[3] Als Vertreter des Auswärtigen Amtes wurde er im Mai 1944 zusätzlich Vizepräsident der Vereinigung zwischenstaatlicher Verbände. Von Ende März 1945 bis Mitte April 1945 leitete er die nach Thüringen ausgelagerten Dienststellen des Auswärtigen Amtes.
Nachkriegszeit
Nach Kriegsende Nach befand er sich in alliierter Internierungshaft. Während seiner Internierung wurde Schleier 1947 in Nürnberg im Rahmen der Nürnberger Prozesse mehrmals vernommen.[8] Vom Internierungslager Dachau aus wurde er im Dezember 1947 entlassen. Im November 1948 wurde erneut festgenommen und nach Frankreich überstellt.[9] Obwohl auch gegen ihn eine Anklage erwogen wurde, kam es nicht zum Prozess.[1]
Nach der Entlassung aus der Internierung lebte er als Gesandter z.Wv. in Hamburg-Blankenese.[10] Nach Schleiers Tod kam sein umfangreicher Nachlass in das Politische Archiv des Auswärtigen Amts in Bonn.[11]
Literatur
- Roland Ray: Annäherung an Frankreich im Dienste Hitlers? Otto Abetz und die deutsche Frankreichpolitik 1930-1942, Oldenbourg, München 2000, ISBN 3-486-56495-1Wissenschaftliche Rezension.
- Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes, Moshe Zimmermann: Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik, Karl Blessing Verlag, München 2010, ISBN 978-3-89667-430-2. (online)
- Hans-Jürgen Döscher, Das Auswärtige Amt im Dritten Reich. Diplomatie im Schatten der Endlösung. Siedler Verlag Berlin 1987 ISBN 3-88680-256-6
- Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. 2. Auflage. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main, ISBN 978-3-596-16048-8.
- Ahlrich Meyer: Täter im Verhör. Die „Endlösung der Judenfrage“ in Frankreich 1940–1944, WBG, Darmstadt 2005, ISBN 3-534-17564-6
Weblinks
- Archiv des Instituts für Zeitgeschichte, München: Vernehmungen des Rudolf schleier 1947 im Rahmen der Nürnberger Prozesse und Schriftwechsel mit dem IfZ, Signatur ZS-0622.
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 Roland Ray: Annäherung an Frankreich im Dienste Hitlers? Otto Abetz und die deutsche Frankreichpolitik 1930-1942, München 2000, S. 20
- ↑ Hans-Jürgen Döscher: Das Auswärtige Amt im Dritten Reich. Diplomatie im Schatten der Endlösung., Berlin 1987, S. 219
- ↑ 3,0 3,1 3,2 Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes, Moshe Zimmermann: Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik, München 2010
- ↑ Roland Ray: Annäherung an Frankreich im Dienste Hitlers? Otto Abetz und die deutsche Frankreichpolitik 1930-1942, München 2000, S. 20
- ↑ Roland Ray: Annäherung an Frankreich im Dienste Hitlers? Otto Abetz und die deutsche Frankreichpolitik 1930-1942, München 2000, S. 284
- ↑ vgl. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Frankfurt am Main 2007, S. 539
- ↑ Ludwig Biewer, Rainer Blasius: In den Akten, in der Welt. Ein Streifzug durch das politische Archiv des Auswärtigen Amtes. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007, S. 78f.
- ↑ Publication Number: M-1019, Publication Title: Records of the United States Nuernberg War Crimes trials Interrogations, 1946-1949, Date Published: 1977
- ↑ The National Archives. Untiteld Personal Files. Rudolf Schleier (KV 2/1274)]
- ↑ Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Frankfurt am Main 2007, S. 539
- ↑ Wolfgang A. Mommsen (Bearbeiter): Die Nachlässe in den deutschen Archiven: (mit Ergänzungen aus anderen Beständen), Teil II, Schriften des Bundesarchivs, Harald Boldt Verlag, Boppard am Rhein 1983, (Nr. 7092), S. 1097
Personendaten | |
---|---|
NAME | Schleier, Rudolf |
ALTERNATIVNAMEN | Schleier, Rudolf August Emil Otto (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Kaufmann, Diplomat und Nationalsozialist |
GEBURTSDATUM | 31. August 1899 |
GEBURTSORT | Hamburg |
STERBEDATUM | 4. Januar 1959 |
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Rudolf Schleier aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |