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Rote Kuh

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Eine rote Färse (hebräisch פָּרָה אֲדֻמָּה pārāh 'ǎdummāh)

Die rote Kuh oder besser rote Färse (hebräisch פָּרָה אֲדֻמָּה pārāh 'ǎdummāh) ist in der jüdischen Kultur ein weibliches Hausrind, das nie trächtig war oder gemolken wurde bzw. gesäugt hat und das nie unter einem Joch lief. Ferner darf es nicht mehr als zwei andersfarbige Haare in ihrem Fell haben.

Die Vorstellung zu ihrer rituellen Verwendung geht auf einen Passus aus dem Buch Numeri (hebräisch בְּמִדְבַּר Bemidbar, deutsch ‚In der Wüste‘) zurück: „Ein reiner Mann sammelt die Asche der roten Kuh und legt sie in einen reinen Ort außerhalb des Lagers. Sie wird für die Gemeinde der Israeliten zur Zubereitung des Reinigungswassers aufbewahrt. Sie ist ein Sündopfer.“ (Num 19,1-13 EU)[1]

Das bedeutet, die „rote Kuh“ soll außerhalb des Lagers in der Wüste in Gegenwart eines Priesters, (hebräisch כהן koˈhɛn) – erstmalig geschah dies durch Eleasar (hebräisch אֶלְעָזָר) – war von einem Laien geschächtet und dann vollständig verbrannt werden, unter Beigabe von Zedernholz, Karmesin und Ysop. Ihre Asche wird außerhalb des Lagers an einem reinen Ort aufbewahrt. Priester und Laien werden dabei selbst unrein bis zum Abend. Wenn das („magische“) Elixier gebraucht wird, so wird ein Teil der Asche in ein irdenes Gefäß zusammen mit Quell- oder Flusswasser („fließendes Wasser“) gegossen.

Der Zweck dieser Zubereitung bzw. Rituals ist die Purifikation (Rituelle Reinheit, Tahara, hebräisch טָהֳרָה) eines Menschen, der sich an einem Leichnam kultisch-spirituell verunreinigt hat (Tame, hebräisch טמא).[2][3] Der Kohen, der das Reinigungsritual ausführt, bereinigt die Unreinen, wird aber durch den Prozess dabei selbst unrein, bis zu dem Zeitpunkt, wo er sich wieder reinigt.

Hintergrund

Für die jüdische Religion wie sie in der Tora bzw. im Tanach fundiert wurde, ist eine zentrale Ordnungskategorie die Unterscheidung in der „handlungsbegleiteten Welt“ durch die Begriffe „rein“ (hebräisch טהר) und „unrein“ (hebräisch טמא) begründet.[4][5] Im jüdisch-religiösen Kontext führen bestimmte Handlungen, Gegenstände oder Zustände zu der Vorstellung von „Unreinheit“, die dann einerseits eine Teilnahme am Kult oder am Leben in der Gemeinschaft verhindern. Der Zustand der Reinheit ist aber andererseits auch eine Voraussetzung für die Kommunikation mit dem „Ewigen“ (JHWH), es ist der Zustand eines Menschen, dass er dem „Ewigen“ nahe kommen kann; eine Bedingung wie sie insbesondere für die jüdischen Priester eine condicio sine qua non darstellt.[6]

Allein der „Ewige“ ist rein, denn nur er ist heilig (Lev 11-17 EU, Num 19 EU). Kein Mensch kann solch eine „absolute Reinheit“ erreichen, denn der Mensch kann nie wie der „Ewige“ sein. Zwischen Mensch und dem „Ewigen“ existiert gewissermaßen eine „Trennmembran“. Deshalb werden der menschliche Geist und Körper auch immer der Sünde (hebräisch עבירה averah, deutsch ‚Übertretung, der Gebote‘) verfallen, die eine Folge der Nichtbeachtung der Gebote ist. Der Mensch wird niemals die „reine Wahrheit“ erfassen können; sein „Herz“ wird nie ohne Leidenschaften sein. Es ist der Bund den der „Ewige“ mit dem Volk Israel geschlossen hat, damit es rein werde und bliebe, indem sie die Gebote einhalten.

Mischna

In der Mischna, der zentralen Zusammenstellung des rabbinischen mündlichen Gesetzes, des mündlichen Bestandteils der geschriebenen Tora wird das Verfahren und die Bedingungen zur „roten Kuh“ von den Rabbinen der tannaitischer Zeit ausführlich kommentiert, so enthält das Traktat „Parah Aduma“ im Sefer Tohorot (hebräisch סדר טהרות) einen Passus über die „rote Färse“. Denn ein gläubiger Mensch, der mit einem Toten in Berührung gekommen ist, wird hierdurch im spirituellen Sinne (Hilchot Tumat Met, hebräisch הִלְכּוֹת טוּמְאַת מֵת Unreinheit durch Leichnam) „unrein“. Weiter steht im nächsten Kapitel des Sefer Tohorot (hebräisch סדר טהרות) (Hilchot Para Aduma, hebräisch הִלְכּוֹת פָּרָה אָדוּמּה), das die Asche der geopferten „roten Kuh“ wird mit geeignetem Wasser vermischt und auf den unreinen Menschen gesprenkelt werden soll.[7] Der Umgang mit der „roten Kuh“, das Einwerfen der Substanzen in das Feuer, das Verbrennen, das Aschesammeln (Num 19,7-8 EU), das Besprengen und die Berührung des Wassers verunreinigen Personen bis zum Abend (Num 19,21-22 EU). Denn „ihr Fell, ihr Fleisch, ihr Blut und den Inhalt ihres Magens soll man verbrennen“ (Num 19,5 EU). Darüber hinaus soll die gewonnene Asche in Verbindung mit lebendigem Wasser, den durch Totes in Unreinheit geratenen Menschen spirituell reinigen.

Auswirkungen

Nach der Zerstörung des Zweiten Tempels 70 n. Chr. durch römische Legionen war nicht nur der Niedergang des Tempel- und Priesterkults die Folge, sondern auch der Opferkult fand an sich ein Ende. Dennoch setzten sich Strömungen des rabbinischen Judentums, das sich nach der Zerstörung des Tempels entfaltete, weiterhin mit dem Thema der „roten Kuh“ auseinander. In der Mischna wurde ihr ein ganzes Kapitel gewidmet und im Talmud Traktat Kidduschin (31a). Damit eine Gruppe der Kohanim wieder ihre priesterliche Funktion auf dem Tempelberg ausführen könnte, müsste sich diese Gruppe einem Purifikationsritual mittels der Asche einer „roten Kuh“ unterziehen; ansonsten käme dies einem Ritualbruch gleich.

Praktische Konsequenz wäre hieraus, dass eine solche eine „rote Kuh“, würde sie gefunden und aufgezogen werden und dann nach nicht mehr als drei Jahren unter der Maßgabe eines Hohepriesters geschächtet und verbrannt werden, dass ihre mit Wasser vermischte Asche dazu dienen könnte, die notwendigen Reinigungsriten an mehreren Menschen zu vollziehen.[8]

So plant etwa das Tempel-Institut (hebräisch מכון המקדש Machon HaMikdash), das 1987 durch Rabii Yisrael Ariel gegründet wurde, ein Programm zur Aufzucht eines den Anforderungen entsprechenden Rindes, aus dem man die „Asche einer roten Kuh“ herstellen will. Die partiellen Implikationen hieraus könnten politische Auswirkungen mit sich bringen.[9][10]

Phillip Medhurst Bild zur Torah 558, die Purifikation durch die „rote Kuh“.

Literatur

  • Yonatan Adler: The Site of the Burning of the Red Heifer on the Mount of Olives. Techumin (2002) 22: 537–542.
  • Calum Carmichael: The Book of Numbers: A Critique of Genesis. Yale University Press, 2012, ISBN 978-0-300-17918-7, S. 106 f. auf booksgoogle.de [9]
  • Thomas Hieke: Die Unreinheit der Leiche nach der Tora. Deuterocanonical and Cognate Literature Yearbook, vol. 2009, no. 2009, 2009, S. 43–66. DOI:10.1515/9783110208818.43, auf bibliographie.uni-tuebingen.de [10]

Weblinks

  • Daniel Krochmalnik: Die rote Kuh. 30. Juni 2011 – 28 Sivan 5771, auf hagalil.com [11]
  • Para Aduma – Die Rote Kuh. Die Orthodoxe Rabbinerkonferenz, März 2021, auf ordonline.de [12]
  • Die rote Kuh: Michal Natovich über ein Ritual gegen die Angst. Stand: 7. April 2022 [13]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Alexander Dubrau: Para aduma. Erstellt: Jan. 2009, auf bibelwissenschaft.de [1]
  2. Rabbiner Benjamin David Soussan: Warum göttliche Satzungen nicht zu hinterfragen sind. 24. Juni 2014, auf juedische-allgemeine.de [2]
  3. Birgit Heller: Warum Unreinheit stigmatisiert wird. J. Urol. Urogynäkol. AT 27, 33–37 (2020). DOI:10.1007/s41972-020-00101-x hier S. 34–35
  4. Simone Paganini, Boris Repschinski: Kontinuität und Diskontinuität in der Reinheitsthematik vom Judentum des Zweiten Tempels zum Neuen Testament. Zeitschrift für katholische Theologie Vol. 134, No. 4, Synagoge und Kirchen (2012), S. 449–470
  5. Beate Ego: Reinheit / Unreinheit / Reinigung (AT). Erstellt: April 2007, auf bibelwissenschaft.de [3]
  6. Heidrun Deborah Kämper: 3. Sprache in der jüdischen Religion. In: Alexander Lasch, Wolf-Andreas Liebert (Hrsg.): Handbuch Sprache und Religion. (Handbücher Sprachwissen Bd. 18), De Gruyter, Berlin 2017, S. 69–91, auf ids-pub.bsz-bw.de [4] hier S. 83
  7. Rabbiner Jehoschua Ahrens: Was die Asche der Roten Kuh mit der Sünde vom Goldenen Kalb zu tun hat. 2. Juli 2020, auf juedische-allgemeine.de [5]
  8. Gil Yaron: Rote Kühe sollen den Tempelberg zurückerobern. Die Welt, 5. August 2015, auf welt.de [6]
  9. Rafael Seligmann: Gewaltwelle gegen Israel Nahost: Führt eine rote Kuh zum Religionskrieg? Berliner Zeitung, 18. November 2014, auf bz-berlin.de [7]
  10. Sind wir bereit für den Tempel in Jerusalem? Rote Kühe für den Tempeldienst kommen in Israel an. 22. September 2022, auf fokus-jerusalem.tv [8]
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