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Roman Herzog

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Roman Herzog, 2012
Unterschrift von Roman Herzog

Roman Herzog (* 5. April 1934 in Landshut; † 10. Januar 2017 in Bad Mergentheim[1]) war ein deutscher Jurist und Politiker (CDU). Er war von 1994 bis 1999 der siebte Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Zuvor war er von 1978 bis 1980 Kultus-, von 1980 bis 1983 Innenminister des Landes Baden-Württemberg und von 1983 bis 1994 Richter am Bundesverfassungsgericht, ab 1987 als dessen Präsident tätig.

Als Bundespräsident ist Herzog unter anderem für seine Berliner Rede 1997 bekannt, in der er für einen „Ruck durch Deutschland“ und mehr Reformbereitschaft in Gesellschaft und Politik warb. Im Jahr 1996 führte er den 27. Januar als Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus ein. Zudem prägte er im Jahr 2008 den Begriff „Rentnerdemokratie“.

Leben und Wirken

Ausbildung und Beruf

Nach dem mit der Durchschnittsnote 1,0 bestandenen Abitur absolvierte Herzog ab 1953 ein Studium der Rechtswissenschaft in München, welches er 1957 mit dem ersten und 1961 mit dem zweiten juristischen Staatsexamen beendete. 1958 erfolgte seine Promotion zum Dr. jur. Er war dann bis 1964 wissenschaftlicher Assistent bei Theodor Maunz an der Juristischen Fakultät der Universität München. In dieser Zeit fertigte er auch seine Habilitationsschrift an. Bis 1965 lehrte er daraufhin als Privatdozent an der Universität München. 1965 folgte er dem Ruf der Freien Universität Berlin als ordentlicher Professor auf den Lehrstuhl für Staatsrecht und Politik. Hier war er von 1967 bis 1968 Dekan und von 1968 bis 1969 Prodekan der Juristischen Fakultät. Nach heftigen Konflikten mit Vertretern der Studentenbewegung folgte er 1969 dem Ruf der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer auf den Lehrstuhl für Staatslehre und Politik; von 1971 bis 1972 amtierte er als deren Rektor.

Herzog war Mitautor und -herausgeber des als Standardwerk geltenden Grundgesetzkommentars Maunz/Dürig/Herzog/Scholz.

Von 1981 bis 1994 war er Mitherausgeber der Wochenzeitung Christ und Welt – Rheinischer Merkur.

2000 moderierte er sechs Sendungen der Reihe Herzog spricht mit… im Bayerischen Rundfunk.

Parteilaufbahn

Seit 1970 war Herzog Mitglied der CDU. Von 1978 bis 1983 war er Bundesvorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises von CDU und CSU. In dieser Zeit gehörte er ab 1979 auch dem Bundesvorstand der CDU an. Seit seiner Amtszeit als Bundespräsident ruhte seine Parteimitgliedschaft. Allerdings leitete er als Bundespräsident a. D. die sogenannte Herzog-Kommission der CDU, die 2003 parallel zur Rürup-Kommission der damaligen Bundesregierung einen Bericht vorlegte, wie die deutschen Sozialversicherungen reformiert werden können. Nachdem es auf dem Bundesparteitag der CDU in Leipzig beschlossen worden war, bildete dieses Dokument die inhaltliche Grundlage für den Wahlkampf von Angela Merkel im Jahr 2005.

Öffentliche Ämter vor der Zeit als Bundespräsident

Kandidatenplakat zur Landtagswahl in Rheinland-Pfalz 1975
Herzog 1989 als Präsident des Bundesverfassungsgerichts (rechts) mit Hans A. Engelhard (Mitte).
Bundespräsident Herzog vor dem Rathaus Osnabrück (1998)

Land Rheinland-Pfalz

1973 wurde er in die von Ministerpräsident Helmut Kohl geführte Landesregierung als Staatssekretär und Bevollmächtigter des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund berufen. In dieser Funktion war Herzog gleichzeitig auch Mitglied des Bundesrates. Dieses Amt führte er bis 1978 auch unter Ministerpräsident Bernhard Vogel weiter.

Land Baden-Württemberg

Von 1978 bis 1980 war er in der von Ministerpräsident Lothar Späth geführten Landesregierung Minister für Kultus und Sport des Landes Baden-Württemberg. Nach der Wahl zum Landtag von Baden-Württemberg 1980 zog Herzog als Abgeordneter für den Wahlkreis Göppingen in das Landesparlament ein. Er wechselte anschließend vom Kultusministerium in das Amt des Innenministers des Landes Baden-Württemberg, das er bis 1983 ausübte. Für den Einsatz gegen Demonstranten rüstete Baden-Württemberg unter Innenminister Herzog die Polizei mit Gummischrot aus. Außerdem ließ Herzog die Polizei mit dem Reizgas CS ausstatten und führte für Demonstranten die Kostenpflicht bei Polizeieinsatz mit „unmittelbarem Zwang“ ein.[2]

Bundesverfassungsgericht

Nach Niederlegung des Landtagsmandats und des Ministeramts wurde Herzog am 20. Dezember 1983 – dem Tag, an dem der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Ernst Benda in den Ruhestand trat und der bisherige Vizepräsident Wolfgang Zeidler zum Präsidenten ernannt wurde – zum Vizepräsidenten und Vorsitzenden des Ersten Senats ernannt. Mit Zeidlers Eintritt in den Ruhestand am 16. November 1987 folgte Herzog ihm im Amt des Präsidenten nach. Er übte dieses Amt bis zum 30. Juni 1994 aus. Am 1. Juli 1994 trat er sein Amt als Bundespräsident an, in das er am 23. Mai 1994 gewählt worden war. Seine Nachfolgerin als Präsident des Bundesverfassungsgerichts wurde am 14. September 1994 Jutta Limbach.

1990 beriet Roman Herzog die letzte DDR–Regierung und die Bundesregierung in Fragen des Einigungsvertrages und hier speziell zum Thema der Konfiskationen von 1945 bis 1949.[3] Unter seinem Vorsitz wurden auch die Verfassungsbeschwerden zur Boden- und Industriereform zurückgewiesen.[4] 2009 setzte er sich für eine Wiedergutmachungsinitiative ein, die 2011 umgesetzt wurde.

Lehraufträge

Neben seiner Tätigkeit als Verfassungsrichter hatte er als Honorarprofessor von 1984 bis 1994 einen Lehrauftrag an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer und von 1986 bis 1994 an der Eberhard Karls Universität Tübingen.

Im Rahmen der Heinrich-Hertz-Gastprofessur 1999/2000 war Roman Herzog Gastprofessor an der Universität Karlsruhe (TH).

Herzog als Bundespräsident

Herzog war deutscher Bundespräsident vom 1. Juli 1994 bis 30. Juni 1999. Nach seinem Ausscheiden aus dem Amt unterhielt er ein Büro zur Erfüllung nachwirkender Verpflichtungen als Alt-Bundespräsident in Heilbronn.[5]

Überraschende Kandidatur und Erfolg im dritten Wahlgang

Bei der Wahl des deutschen Bundespräsidenten 1994 trat Roman Herzog recht überraschend als Kandidat der CDU/CSU an, nachdem der ursprünglich nominierte Kandidat der Unionsparteien, der als ultrakonservativ geltende Steffen Heitmann, aufgrund von Äußerungen zur Rolle der Frau zurückgezogen worden war. Herzog sollte als liberal geltender Kandidat insbesondere auch für die FDP wählbarer sein, die mit Hildegard Hamm-Brücher ihre Grande Dame als Kandidatin aufgestellt hatte. Erst als Hamm-Brücher nach dem zweiten Wahlgang ihre Kandidatur zurückgezogen hatte, konnten die Unionsparteien mit den Stimmen der FDP rechnen und so die Präsidentschaft des von der SPD nominierten Kandidaten Johannes Rau verhindern.

Am 23. Mai 1994 wurde Herzog von der Bundesversammlung mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP zum siebten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Er setzte sich im dritten Wahlgang gegen Rau durch. Auf eine erneute Kandidatur für eine zweite Amtszeit bei der Bundespräsidentenwahl 1999 hatte Herzog bereits zum Amtsantritt verzichtet; Rau wurde sein Nachfolger.

Einführung eines Opfergedenktags

1996 proklamierte Herzog den Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus als Gedenktag in Deutschland, was zur Einführung einer Gedenkstunde zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus führte. In seiner ersten Rede führte Herzog aus: „Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken.“ Herzog sprach im Jahr 1999 erneut als Hauptredner der Gedenkstunde.

Berliner Rede 1997

Große Beachtung fand Herzogs sogenannte „Ruck-Rede“ am 26. April 1997 in Berlin, in der er sagte:

„Durch Deutschland muß ein Ruck gehen. Wir müssen Abschied nehmen von liebgewordenen Besitzständen, vor allen Dingen von den geistigen, von den Schubläden und Kästchen, in die wir gleich alles legen. Alle sind angesprochen, alle müssen Opfer bringen, alle müssen mitmachen:

  • die Arbeitgeber, indem sie Kosten nicht nur durch Entlassungen senken,
  • die Arbeitnehmer, indem sie Arbeitszeit und -löhne mit der Lage ihrer Betriebe in Einklang bringen,
  • die Gewerkschaften, indem sie betriebsnahe Tarifabschlüsse und flexiblere Arbeitsbeziehungen ermöglichen,
  • Bundestag und Bundesrat, indem sie die großen Reformprojekte jetzt rasch voranbringen,
  • die Interessengruppen in unserem Land, indem sie nicht zu Lasten des Gemeininteresses wirken.“[6][7]

Dieser „Ruck“ wird seither oft zitiert, teils auch satirisch. Horst Köhler bezog sich darauf bei der Annahme seiner Wahl zum Bundespräsidenten am 23. Mai 2004: „Warum bekommen wir den Ruck noch immer nicht hin? Weil wir alle noch immer darauf warten, dass er passiert!“

Die Nachfolger im Amt des Bundespräsidenten griffen diese Rede auf, und so entstand die Tradition der jährlichen Berliner Rede, die bis 2013 bestand.

Bildungsreden

Am 5. November 1997 hielt Roman Herzog eine vielbeachtete Bildungsrede,[8] in der er mehr Wettbewerb und eine Stärkung des Leistungsgedankens an deutschen Schulen forderte.

Er forderte, Bildung müsse aufgrund der Bedeutung für den einzelnen wie für Deutschland insgesamt „auf die Titelseiten“ der Tageszeitungen gerückt werden. Herzogs Bildungsbegriff wies hierbei eine starke Marktorientierung auf, wirtschaftliche Praktikabilität wurde in seinen Reden als entscheidendes Qualitätsmerkmal von guter Bildung betont.

Staatsbesuche

Jahr Monat Staaten
1994 Juli FrankreichFrankreich Frankreich
August PolenPolen Polen (50. Jahrestag des Warschauer Aufstandes), BelgienBelgien Belgien (NATO), OsterreichÖsterreich Österreich
September UngarnUngarn Ungarn
Oktober BelgienBelgien Belgien, LuxemburgLuxemburg Luxemburg
Dezember IsraelIsrael Israel
1995 Januar SchweizSchweiz Schweiz (WEF)
September SchweizSchweiz Schweiz
Oktober FrankreichFrankreich Frankreich (Europäisches Parlament)
November BrasilienBrasilien Brasilien
1996 Januar Vorlage:ETH-1991 (OAU)
Mai Vorlage:VEN-1954
November China VolksrepublikVolksrepublik China Volksrepublik China
November NepalNepal Nepal
1997 Mai OsterreichÖsterreich Österreich
Juli Vereinigte StaatenVereinigte Staaten Vereinigte Staaten
September RusslandRussland Russland
1998 Februar UkraineUkraine Ukraine, KirgisistanKirgisistan Kirgisistan, PolenPolen Polen
März SudafrikaSüdafrika Südafrika
April NamibiaNamibia Namibia
Juli DanemarkDänemark Dänemark
September Korea SudSüdkorea Südkorea, MongoleiMongolei Mongolei
November IsraelIsrael Israel
Dezember Vereinigtes KonigreichVereinigtes Königreich Vereinigtes Königreich
1999 Mai LitauenLitauen Litauen, LettlandLettland Lettland

Gesellschaftliches Engagement

Von 1971 bis 1980 war er Vorsitzender der „Kammer für öffentliche Verantwortung“ der Evangelischen Kirche in Deutschland. Von 1973 bis 1991 war er ordentliches Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Von 1986 bis 1996 war er Vorsitzender der Freunde der Burgfestspiele Jagsthausen. In den Jahren 1996 bis 2006 war er Vorsitzender des Kuratoriums der Hermann Kunst-Stiftung zur Förderung der neutestamentlichen Textforschung, welches die Arbeit des Instituts für Neutestamentliche Textforschung in Münster fördert.

Er war Vorstandsvorsitzender der Stiftung Bündnis für Kinder – gegen Gewalt. Von 2000 bis 2008 gehörte er der Jury zur Verleihung des Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreises an.

Am 30. Oktober 2006 hat er den Namensvorsitz des ersten deutschen Inns (Gruppe) der internationalen juristischen Honor Society Phi Delta Phi an der Bucerius Law School übernommen. Er hat sich für die Gründung der Nationalen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech) eingesetzt und war Vorsitzender des Senates von Acatech.

Familie

Herzogs Vater, Karl Theodor Herzog, war zunächst kaufmännischer Angestellter und später beim Stadtarchiv Landshut tätig, dessen Direktor er schließlich wurde. Seine Mutter Helene (geborene Schulze) war gelernte Bankkauffrau, übte diesen Beruf nach der Eheschließung jedoch nicht mehr aus.

Roman Herzog war in erster Ehe seit 1958 mit Christiane Krauß verheiratet. Aus dieser Ehe gingen zwei Söhne hervor, der 1959 geborene Markus und der 1964 geborene Hans Georg. Christiane Herzog starb am 19. Juni 2000 in München und wurde in Landshut beerdigt.

Ab dem 4. September 2001 war Herzog in zweiter Ehe mit Alexandra Freifrau von Berlichingen (* 1941), geb. von Vultejus, verheiratet. Er lebte zuletzt auf der dem Geschlecht von Berlichingen gehörenden Burg Jagsthausen.

Politik nach der Bundespräsidentschaftszeit

Herzog war Vorsitzender des Konventkreises im Konvent für Deutschland, einer Denkfabrik, die von Hans-Olaf Henkel und Manfred Pohl gegründet wurde. Er war Schirmherr der nach ihm benannten und auf Initiative des Unternehmers und Wirtschaftsfunktionärs Randolf Rodenstock begründeten arbeitgeberfinanzierten Denkfabrik Roman Herzog Institut (RHI). Träger des RHI sind die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft und der Verbande der Bayerischen Metall- und Elektro-Industrie.[9] Herzog engagierte sich auch für Kampagnen der ebenfalls arbeitgeberfinanzierten Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.[10][11] Er war außerdem Mitglied im politischen Verein Bürgerkonvent. Zudem war Herzog Vorsitzender des Kuratoriums der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Roman Herzog leitete den ersten europäischen Konvent, der zwischen Dezember 1999 und Oktober 2000 die Charta der Grundrechte der Europäischen Union erarbeitete.

„Rentnerdemokratie“

Aufruhr erzeugte Herzogs folgende Interviewäußerung gegenüber der Bild: „Ich fürchte, wir sehen gerade die Vorboten einer Rentnerdemokratie: Die Älteren werden immer mehr, und alle Parteien nehmen überproportional Rücksicht auf sie. Das könnte am Ende in die Richtung gehen, dass die Älteren die Jüngeren ausplündern“. Oswald Metzger und Meinhard Miegel nahmen darauf in Bild und Die Welt Bezug und unterstützten Herzog. Herzog wollte damit den CDU-Bundestagsabgeordneten Jens Spahn unterstützen, der eine geplante außerplanmäßige Rentenerhöhung um 0,64 Prozent verhindern wollte und von Seniorenverbänden teils heftig deswegen kritisiert wurde.

Durch Einführung des Begriffs Rentnerdemokratie in die öffentliche Diskussion stand Herzog nun selbst im Kreuzfeuer der Kritik: VdK-Präsident Walter Hirrlinger äußerte sich verärgert über Herzogs Wortwahl: „Die Älteren plündern die Jüngeren nicht aus, sondern sie wollen wenigstens ein Quäntchen vom Aufschwung mitkriegen, damit sie nicht immer nur Kaufkraftminderungen hinnehmen müssen.“ Achim Goerres kam in einer Untersuchung des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung zu dem Ergebnis, dass die These von Rentnern als „ökonomische Pressure-Group“ empirisch keine Faktengrundlage habe. Bei einer Erhebung von Infratest dimap für die ARD widersprachen 64 Prozent der Befragten Herzogs Aussage, wonach die Parteien auf Kosten der Jüngeren überproportional Rücksicht auf Ältere nehmen. Nur 33 Prozent der Befragten stimmten Herzogs These zu. Allerdings zeigte sich bei der Umfrage auch, dass sich das Meinungsbild nach dem Alter unterschied. Eine Mehrheit der 18- bis 34-Jährigen teilte Herzogs Kritik an einem „übermäßigen Einfluss“ der Älteren auf die Politik. Befragte ab 35 Jahren verneinten dies hingegen mehrheitlich. Bei den über 45-Jährigen waren es sogar 70 Prozent, die Herzogs These ablehnten.

Europäische Union

Aus Anlass des 50. Jahrestages der Unterzeichnung der Römischen Verträge (25. März 1957) kritisierte Herzog zusammen mit dem Direktor des Centrums für Europäische Politik, Lüder Gerken, Zentralisierungstendenzen durch die EU. Dadurch sei die parlamentarische Demokratie in Deutschland in Gefahr.[12]

Im Mai 2011 (etwa 1,5 Jahre nach Bekanntwerden der Eurokrise) gab Herzog der Zeitung Junge Freiheit ein Interview, in dem er die jetzige Arbeitsweise der EU kritisierte. Diese Zeitung gilt als ein Sprachrohr der Neuen Rechten. In diesem Interview warf Herzog der Bundesregierung, dem Bundestag und dem Bundesrat vor, durch übermäßiges Abgeben von Kompetenzen an die EU das Subsidiaritätsprinzip zu unterlaufen. „Und das wiederum ist für mich ein Indiz dafür, daß die EU-Eliten die EU längst als entstehenden oder gar als bereits sehr weitgehend entstandenen Staat empfinden. Aber das war nie so vereinbart und ist auch durch nichts demokratisch legitimiert.“[13]

Kritik an der Fünf-Prozent-Hürde

Aufgrund der Wahlerfolge der Partei Die Linke forderte Herzog 2008 erstmals eine Veränderung des Wahlrechtes im Grundgesetz und Bundeswahlgesetz. Als Begründung gab Herzog an, dass ansonsten die Gefahr von Minderheitsregierungen bestehe.[14]

Im Mai 2012 kritisierte Herzog erneut die Fünf-Prozent-Hürde. Er erklärte: „Im Prinzip ist die Fünf-Prozent-Hürde nicht mehr zeitgemäß. Eigentlich müssten wir die Hürde nach oben setzen“. Angesichts immer mehr kleinerer Parteien werde der Bundeskanzler ansonsten „nicht mehr von einer großen Mehrheit der Bevölkerung getragen“. Diese Entwicklung gefährde die parlamentarische Demokratie.[15] Welche von den kleineren, über der Fünf-Prozent-Hürde liegenden, Parteien (CSU, FDP, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen oder Piraten) der Anlass zu seiner Sorge war, konkretisierte er nicht. Einige Medien stellten einen direkten Zusammenhang mit den Wahlerfolgen der Piratenpartei im selben Jahr und der zu diesem Zeitpunkt unmittelbar bevorstehenden Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2012 her.[16] In einem Interview mit der Zeitung Die Welt wandte sich in der Folge der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier gegen eine Verschärfung der Fünf-Prozent-Hürde. Er erklärte in diesem Zusammenhang: „Das halte ich nicht für eine angemessene Lösung, zumal wenn darin eine gezielte Aktion gegen erfolgreiche neue Parteien gesehen werden könnte. Im übrigen dürfte eine Erhöhung der Sperrklausel schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht in Betracht kommen.“[17]

Ehrungen

Schriften

  • Grundrechtsbeschränkung nach dem Grundgesetz und Europäische Menschenrechtskonvention. Dissertation, 1958.
  • Die Wesensmerkmale der Staatsorganisation in rechtlicher und entwicklungsgeschichtlicher Sicht. Habilitation, 1964.
  • Kommentar zum Grundgesetz „Maunz-Dürig-Herzog“ (Mitherausgeber), seit 1964.
  • Evangelisches Staatslexikon (Mitherausgeber), seit 1966.
  • Allgemeine Staatslehre, 1971.
  • Staaten der Frühzeit. Ursprünge und Herrschaftsformen. C. H. Beck, München 1988; 2. Auflage 1997.
  • Staat und Recht im Wandel. 1994.
  • Vision Europa. Antworten auf globale Herausforderungen. Hamburg 1996.
  • Kann man aus der Geschichte lernen? Abera Verlag, Hamburg 1997.
  • Strukturmängel der Verfassung? Erfahrungen mit dem Grundgesetz. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart / München 2000, ISBN 3-421-05348-0.
  • Wider den Kampf der Kulturen: eine Friedensstrategie für das 21. Jahrhundert, herausgegeben von Theo Sommer. Fischer, Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-10-030210-9.
  • Jahre der Politik: die Erinnerungen. Siedler, München 2007, ISBN 3-88680-870-X.
  • Marktwirtschaft in der Zwickmühle. Eine Antwort auf naheliegende Fragen. Hohenheim Verlag, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-8985-0189-7.
  • Europa neu erfinden, vom Überstaat zur Bürgerdemokratie. Siedler, München 2014, ISBN 978-3-8275-0046-5.

Literatur

Weblinks

 Commons: Roman Herzog – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. bundespraesident.de; Konrad-Adenauer-Stiftung; juedische-allgemeine.de. Die Todesanzeige der Familie nennt demgegenüber unter dem Todestag Jagsthausen, den letzten Wohnsitz Herzogs: sueddeutsche.de
  2. Als erstes Bundesland rüstet Baden-Württemberg seine Polizei für den Einsatz gegen Demonstranten mit Gummischrot aus.
  3. Michael Naumann: Am Anfang der Einheit stand eine Lüge, Zeit Online, 29.01.2004, Nr.6
  4. BVerfGE 84, 90 - Bodenreform I. In: servat.unibe.ch. Abgerufen am 14. Januar 2017 (Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 23. April 1991 zur Bodenreform in der SBZ unter Vorsitz von Roman Herzog).
  5. Ehrensold, Büro und Mitarbeiter: Eine Frage von Moral und Anstand. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. 11. März 2012
  6. Berliner Reden. bundespraesident.de, Stand 11. August 2011.
  7. Vision eines neuen Deutschlands: Roman Herzog, 1997 - Rede im Video
  8. Rede von Bundespräsident Roman Herzog auf dem Berliner Bildungsforum im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt
  9. Homepage des Roman Herzog Instituts
  10. Magazin "Moderner Staat - Schlanker Staat": "Diät-Tipps" für ein modernes Gemeinwesen. In: presseportal.de. (http://www.presseportal.de/pm/39474/283502).
  11. Früherer Bundespräsident stellt sich hinter Anliegen der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft / Herzog: "Soviel Sozialstaat ist unsozial". In: presseportal.de. (http://www.presseportal.de/pm/39474/301270).
  12. Gefahr aus Brüssel. rp-online.de (Rheinische Post), 13. März 2007
  13. Altpräsident Herzog kritisiert EU-Kurs der Bundesregierung: Interview mit Roman Herzog (Auszug). Vollständiges Interview in Druckausgabe Junge Freiheit, 21/2011
  14. Herzog empfiehlt Änderung des Wahlrechts. In: Süddeutsche Zeitung, 5. März 2008
  15. Der Altbundespräsident im FOCUS-Interview: Roman Herzog will Fünf-Prozent-Hürde reformieren, focus.de, 12. Mai 2012, abgerufen am 16. Mai 2012.
  16. Roman Herzog: „5-Prozent-Hürde nicht mehr zeitgemäß“ – Vor den Wahlen in NRW warnt der frühere Bundespräsident vor der Gefährdung der parlamentarischen Demokratie durch kleinere Parteien. Telepolis, 13. Mai 2012, abgerufen am 16. Mai 2012.
  17. Interview in: Die Welt, 18. Mai 2012, zitiert nach Ex-Verfassungsgerichtspräsident Papier gegen Aufhebung der Fünf-Prozent-Hürde bei Wahlen. beck-aktuell.beck.de, 18. Mai 2012, abgerufen am 20. Mai 2012.
  18. Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952 (PDF; 6,9 MB)
  19. Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952 (PDF; 6,9 MB)
  20. Nobelpreisträgertagungen ehren Roman Herzog als Motor des internationalen Wissenschaftsdialogs, in: Informationsdienst Wissenschaft vom 2. September 2010, abgerufen am 3. September 2010
  21. Roman Herzog ist Träger des Europäischen Handwerkspreis. Nordrhein-Westfälischer Handwerkstag e. V., 8. November 2012, abgerufen am 10. März 2015.
Vorlage:Navigationsleiste Innenminister von Baden-WürttembergVorlage:Navigationsleiste Kultusminister von Baden-Württemberg
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