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Robert Antelme

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Robert Antelme (geb. 1917 in Sartène (Korsika); gest. 26. Oktober 1990) war ein französischer Schriftsteller.

Leben

Antelme war zeitweise Ehegatte von Marguerite Duras. Als Résistance-Kämpfer von den Deutschen im Juni 1944 gefangen, nach Frèsnes, Gandersheim und in das KZ Buchenwald verschleppt, verbrachte er dort mehrere Monate und erlitt am Kriegsende einen der Güterzüge mit, in denen die Deutschen die Gefangenen fast ohne Lebensmittel und Wasser tagelang durch das Reich transportierten. Auf der Fahrt nach Dachau sah er den Tod vieler Kameraden. Er beobachtet die völlige Erschöpfung und Verlausung der überlebenden KZ-Insassen, die Gruppenbildungen, die von den Nazis gewollte Entmenschlichung durch Hunger und Dreck, den Hass und die Solidarität.

Wieder in Frankreich seit Mai 1945, schrieb Antelme 1947 sein Buch Das Menschengeschlecht. Es schildert das Leben und Sterben im KZ und auf dem Transport. Es gehört zu den kurz nach den Verbrechen verfassten Büchern, das zu den autobiographischen Standardwerken über die industrielle Massenvernichtung zählt. Nicht nur das geschilderte Grauen ist sehr bewegend, auch der Sprachstil vermittelt einen Eindruck der deutschen Todesmaschinerie.

Als Antelme nach Frankreich zurückkehrte - die Überlebenden waren inzwischen von den amerikanischen Eroberern des Lagers etwas aufgepäppelt worden - wog er noch 35 kg. Wider Erwarten überlebte er. Der Schrecken der deutschen KZ-Erfahrung bewog ihn, zusammen mit seiner damaligen Frau M. Duras (Scheidung von ihr: 1947) und dem Schriftsteller Dionys Mascolo, sich stark mit Juden zu identifizieren, obwohl sie alle keine waren. Der Sohn Duras’ erzählte, dass er erst spät entdeckte, kein Jude zu sein, da die Äußerungen zu Hause stets in eine solche Richtung gingen. Darin unterschied sich das Trio deutlich von dem Rest der französischen Résistance, deren Teilnehmer bis weit in die 70er Jahre die Judenvernichtung (und die Beteiligung Vichys daran) ungern zur Kenntnis nahmen, wie es auch die übrige französische Gesellschaft tat. Typisch eine herabsetzende Äußerung in dem KP-Organ L’Humanité: die Juden hätten eine „Passivität der rassisch Verfolgten“ gezeigt, im Gegensatz zum behaupteten Heldentum der politischen Résistance.

Eine weitere Eigenheit, die sie mit sehr vielen Intellektuellen der Nachkriegszeit teilten, waren der Eintritt in die und Betätigung in der Kommunistischen Partei. Im großbürgerlichen 6. Arrondissement „Rive Gauche“ war die einzige Proletarierin der KP-Zelle allerdings die Pförtnerin von Duras’ Wohnhaus. Als die KPF sich mit dem Kalten Krieg immer stärker an der Sowjetunion ausrichtete, gerieten diese Intellektuellen in einen Zwiespalt mit ihrem Freiheitsstreben. Die KP-Führung gründete deshalb einen eigenen Schriftstellerverband, direkt dem ZK unterstellt, um sie von den Proletariern fernzuhalten und ihren „schädlichen Einfluss“ gering zu halten. Als das Trio an einem feucht-fröhlichen Abend die KP-Führung lächerlich machte und das durch Spitzel hinterbracht wurde, wurden alle drei ausgeschlossen(1949). Sie selbst verstanden sich aber ideell noch längere Zeit als Kommunisten.

Die Spannungen zwischen Antelme und seiner früheren Frau Duras nahmen zu, als sie sein Leiden literarisch verarbeitete. Seine Erlebnisse im KZ und den der Rückkehr folgenden seelisch-körperlichen Zusammenbruch, dann sein Wiederaufblühen, beschrieb sie zuerst in der Zeitschrift Les Sorcières (70er Jahre), dann in Der Schmerz (dt. erstmals 1986).

Von den lebenden Schriftstellern bezieht sich Leslie Kaplan auf Antelme, sie erwähnt seinen nachhaltigen Eindruck auf ihr Schreiben ausdrücklich im Nachwort Die Fabrik zu Exzess.

Rezeption

In Frankreich genießt Antelmes Buch wegen seiner hohen literarischen Qualität eine ähnliche Popularität wie in Italien die Bücher Primo Levis "Se questo è un uomo" (dt. Titel: "Ist das ein Mensch?" von 1947 und "La tregua" (dt. Titel: "Die Atempause") von 1963. Der Eintrag in Kindlers Neues Literatur Lexikon attestiert "L’espèce humaine" die wohl erschütterndste[n] französische[n] Schilderung deutscher KZ-Schrecken[1], die ihre suggestive Kraft "aus der unmittelbaren Darstellung der gerade erst überwundenen"[2] und nur knapp überlebten, die eigene Existenz ständig in Frage gestellten Erfahrungen bezieht.

Werke

  • L’espèce humaine 1949
    • Übers. Eugen Helmlé: Das Menschengeschlecht. BRD-Ausgabe, 1987 u. ö.
    • Übers. Roland Schacht: Die Gattung Mensch. DDR-Ausg. 1949. Zahlr. weitere Übersetzungen, u.a. in das Englische, Tschechische und Niederländische
  • R.A.: Textes inédits sur L’espèce humaine. Essais et témoignages. [3] Gallimard, Paris 1996 ISBN 2070746143

Literatur

  • weitere biografische Angaben in der Literatur über Marguerite Duras: La Douleur, dt. Der Schmerz
  • Barbara Marx Triptychon der unmöglichen Rückkehr. R.A., "L’Espèce humaine", Marguerite Duras, "La Douleur", Dionys Mascolo. Autour d’un effort de mémoire. Sur une lettre de R. A. (1987). in: Erinnerte Shoa. Die Literatur der Überlebenden. Hg. W. Schmitz. Telem, Dresden 2003 S. 281-302 (Aufs. in Franz.)
  • Dieter Thomä Der ausgelassene Name. Über R. A., Richard Wagner und Bernardo Bertolucci in Natascha Adamovsky u. a. Hgg.: Auslassungen. Leerstellen als Movens der Kulturwissenschaft. Königshausen & Neumann, Würzburg 2004, S. 231 - 242
  • Joe Friedemann: Langages du désastre. R. A., Anna Langfus, André Schwarz-Bart, Jorge Semprun, Elie Wiesel. Nizet, Saint-Genouph 2007 ISBN 9782707812964 (in Franz.)

Weblink

Literatur von und über Robert Antelme im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek

Notizen

  1. Wolfgang Rössig in: KNNL. München 1988.
  2. ebd.
  3. zwei frühe Texte von R. A. "Le genre humaine jamais abandonné" aus der Zeitschrift Les Vivants. Cahiers publiés par des prisonniers et déportés. Ferner zahlreiche Aussagen über ihn und sein Werk, u.a von Maurice Blanchot, Leslie Kaplan, Jean-Pierre Faye, Jean-Luc Nancy u. a. In Franz.
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