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Rheinwiesenlager

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Karte der Rheinwiesenlager

Die Rheinwiesenlager waren Gefangenenlager der USA, Großbritanniens und Frankreichs im Rheinland am Ende des Zweiten Weltkriegs. In ihnen wurden unterschiedliche Gruppen von Gefangenen vorübergehend inhaftiert. Sie existierten von April bis September 1945 und unterschieden sich während dieser Zeit maßgeblich in Größe, Ausstattung und Lage.

Standorte der Rheinwiesenlager

von Nord nach Süd, in Klammern die offizielle amerikanische Bezeichnung:[1]

Geschichte

Gedenkstein für das Lager in Ludwigshafen-Rheingönheim

Nach dem Scheitern der Ardennenoffensive und der Zerschlagung des Ruhrkessels waren hunderttausende Wehrmachtsoldaten in Kriegsgefangenschaft geraten. Im Anschluss an die deutsche Kapitulation befanden sich 3,4 Millionen Menschen in US-Gewahrsam. Ursprünglich planten die Alliierten, ihre Häftlinge bis Kriegsende nach England zu schaffen, um sie dort zu versorgen. Aufgrund der schieren Anzahl der Inhaftierten erschien es aber geeigneter, die Gefangenen in Deutschland festzusetzen. Dafür wurden entlang des Rheins 23 Kriegsgefangenenlager errichtet. Die Möglichkeit, zurück ins Reich zu fliehen und im Untergrund Widerstand zu leisten, erschwerte man durch Anlage der Haftanstalten am westlichen Flussufer. Obwohl die meisten Lager am linken Ufer des Rheins lagen, was auch ihren Namen prägte, trifft das z. B. auf die Lager bei Bad Kreuznach oder Siershahn nicht zu. Die offizielle Bezeichnung lautete „Prisoner of War Temporary Enclosures“ (PWTE).

Die Lager entstanden von April bis Juni 1945 und wurden nach einem einheitlichen Schema errichtet. Am Rande eines Ortes, der in der Regel einen Bahnanschluss hatte, wurde eine offene Ackerfläche abgegrenzt. Dieses Areal unterteilten die Verantwortlichen mit Masten und Stacheldraht in zehn bis zwanzig Camps, die Platz für fünf- bis zehntausend Häftlinge boten. Feldwege wurden zu Lagerstraßen umfunktioniert und angrenzende Gebäude dienten der Verwaltung, als Küchen und Krankenstationen. Die Kriegsgefangenen mussten ihre soldatische Feldausrüstung abgeben und waren darum gezwungen, sich Erdlöcher als Schlafstätten zu graben. Mit der Bewachung der Lager war die 106. Infanterie-Division (106th Infantry Division) des amerikanischen Heers beauftragt, die auf eine Divisionsstärke von 40.000 Mann aufgestockt worden war und zusätzliche Transporteinheiten erhalten hatte, um Nahrung in die Lager zu schaffen. Die Transportkapazität reichte nicht aus, mit der Organisation der Lager war die Division völlig überfordert, weshalb diese den deutschen Gefangenen überlassen wurde.[2] Die interne Verwaltung der Lager überließen die Amerikaner den deutschen Gefangenen: Lagerleiter, Lagerpolizei, Ärzte, Köche, Arbeitskommandos, etc. waren von Deutschen besetzte Posten.

Nach mehreren Wochen wurden diejenigen aus den Lagern entlassen, die politisch unverdächtig waren, vor allem Hitlerjungen und Frauen. Danach wurden bestimmte Berufsgruppen entlassen, die für den Wiederaufbau wichtig waren: landwirtschaftliche Arbeiter, LKW-Fahrer, Bergleute. Ende Juni 1945 wurden die Lager Remagen, Böhl-Iggelheim und Büderich bereits wieder aufgelöst. Diese erste Entlassungswelle wurde aber wieder gestoppt.

Im April und Anfang Mai 1945 war die Versorgung nur unregelmäßig und reichte nicht, danach besserte sie sich langsam. Erst im Juni gab es ausreichende Essensportionen. Im Verlaufe von Mai und Juni erhielten alle Lager Latrinen, Küchen und Krankenreviere. Dreck, Nässe, Unterernährung und unhygienische Umstände führten zu Krankheiten. Der Ausbruch von Seuchen wurde von den Amerikanern verhindert, indem sie das Trinkwasser chlorten, alle Gefangenen mit DDT entlausten und reichlich Seife und Toilettenpapier zur Verfügung stellten.[3]

Das Hauptquartier der alliierten Streitkräfte in Nordwesteuropa (SHAEF) bot Frankreich, das an die USA mit der Forderung herangetreten war, 1,75 Millionen Kriegsgefangene als Zwangsarbeiter zu erhalten, die Übernahme der Rheinwiesenlager an. Bis zum 10. Juli 1945 wurden die Lager an die Franzosen übergeben, die Briten hatten die Lager in ihrer Zone bereits bis zum 12. Juni übernommen. Die Kriegsgefangenen wurden nach Frankreich transferiert, soweit sie nicht als arbeitsuntauglich an Ort und Stelle entlassen wurden. Bis etwa Ende September 1945 waren sowohl die britischen als auch die französischen Lager aufgelöst. Lediglich das Lager Bretzenheim bei Bad Kreuznach diente noch bis 1948 für die aus Frankreich heimkehrenden Kriegsgefangenen als Durchgangslager.

Lagerbedingungen

Lager Remagen

Die Ernährung und die hygienischen Verhältnisse in diesen Lagern, eingezäunten verschlammten Wiesen unter freiem Himmel, auf denen die Gefangenen mangels Baracken in offenen Erdlöchern lebten, waren schlecht bis katastrophal. Reguläre Soldaten waren durch den Kriegsdienst meist abgehärtet und kamen mit den Bedingungen leichter zurecht. Versuche des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) den Gefangenen zu helfen, wurden von den Amerikanern abgewehrt, dem IKRK wurde der Zutritt zu den Lagern verwehrt, da es von der US-amerikanischen Besatzungsmacht nicht erwünscht war, Abgesandte des IKRK die Zustände in den Lagern sehen zu lassen.[4]

Der völkerrechtlich nicht definierte Status DEF (entwaffnete feindliche Streitkräfte) wurde auf die meisten deutschen Soldaten angewandt, die von den US-Streitkräften erst nach der bedingungslosen Kapitulation am 8. Mai 1945 gefangengesetzt wurden.[5] SS-Angehörige sowie verdächtige Personen wurden jedoch grundsätzlich nicht zu DEF erklärt.[6] Die Verpflegung der DEF war an der der ebenfalls durch die USA versorgten „Displaced Persons“, ehemalige NS-Zwangsarbeiter, bemessen und entsprach etwa 1500 kcal pro Tag.[7] Die Lebensmittelrationen der deutschen Zivilbevölkerung im Frühjahr 1945 lagen im Vergleich bei ungefähr 1000 kcal. Der größte Teil der Gefangenen, so etwa Angehörige des Volkssturms und der Hitlerjugend, wurde bereits nach kurzer Zeit entlassen, andere als DEF deklarierte deutsche Einheiten sollten organisatorisch intakt gehalten und als Arbeitskräfte für die amerikanische Armee eingesetzt oder an andere Alliierte überstellt werden.[8][9][10][11]

Außerdem beschlossen die USA und Großbritannien 1943, jeweils die Hälfte der Gefangenen zu übernehmen. Diese Rahmenbedingungen bestanden auch noch 1945. Als aber die Alliierten den Rhein überschritten hatten, stieg die Zahl der Gefangenen in einem solchen Maße an, dass die Briten sich sträubten, ihren Anteil zu übernehmen. Die USA übernahmen zunächst alle Gefangenen und legten die amerikanischen Rheinwiesenlager an. Von Kritikern wird die anfangs äußerst mangelhafte Versorgung der Lager mit Nahrungsmitteln als Plan der Amerikaner angesehen, der mit dem Status der DEF in Zusammenhang stehe. Der Status DEF wurde von der amerikanischen Armeeführung im Frühjahr 1946 wieder abgeschafft und durch „Kriegsgefangener“ (prisoner of war, POW) ersetzt. Auffassungen, die katastrophale Situation in den Rheinwiesenlagern habe als wesentliche Voraussetzung den DEF-Status, wurden von Wissenschaftlern in der Auseinandersetzung mit den Thesen von James Bacque zurückgewiesen. Die meisten Gefangenen in den Rheinwiesenlagern waren ursprünglich keine DEF, sondern als Kriegsgefangene eingestuft.[6]

Gefangenengruppen

Im Lager wurden unterschiedliche Gruppen von Gefangenen zeitweilig interniert:

  • Reguläre deutsche Kriegsgefangene (Prisoners of War, POW), die vor der Kapitulation am 8. Mai 1945 gefangen genommen wurden
  • Disarmed Enemy Forces (DEF), bzw. in britischer Gefangenschaft Surrendered Enemy Personnel (SEP) – gefangen genommene deutsche Soldaten ohne den Status Kriegsgefangener
  • Angehörige der Waffen-SS, die zentral im Lager Bretzenheim inhaftiert wurden
  • Angehörige des Volkssturms
  • Verdächtige Zivilpersonen (Jugendliche, Frauen, Kriegsversehrte und verwundete Soldaten), die meist nach wenigen Tagen wieder entlassen wurden

Kontroverse um die Anzahl der Todesfälle

Von den umliegenden deutschen Gemeindeverwaltungen wurden 4537 Tote gemeldet, die US-Stellen gaben 3053 Tote an.[12] Die gründlichste Untersuchung über die Todeszahlen wurde von der nach ihrem Leiter Erich Maschke benannten Maschke-Kommission veröffentlicht, die im Auftrag des Bundesministeriums für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte die Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen wissenschaftlich untersuchte.[13] Die Lager mit der höchsten Sterblichkeit waren: Bad Kreuznach (Lager Galgenberg und Lager Bretzenheim), Sinzig bei Remagen, Rheinberg, Heidesheim am Rhein, Wickrathberg und Büderich. In diesen sechs Lagern kamen ca. 5.000 von 500.000 Insassen ums Leben. Rechnet man diese Zahlen auf die ca. 1.000.000 Gefangenen hoch, ergibt sich eine mögliche, aber nicht belegte Zahl an Gesamtverlusten von höchstens 10.000 Menschen. Eine neuere Untersuchung für die beiden Remagener Lager, in denen ein Drittel aller Gefangenen war, bestätigt dieses Ergebnis und schließt höhere Todeszahlen für diese Region aus.[14] Als jeweils niedrigste und höchste Schätzung der Opfer nennt der US-amerikanische Historiker Arthur L. Smith die Zahlen 8.000 und 40.000.[4]

Literatur

  • Eisenhower and the German POWs. Facts against Falsehood. Louisiana University Press, 1992 (enth. kritische Auseinandersetzung mit der umstrittenen Darstellung Bacques).
  • Wolfgang Gückelhorn, Kurt Kleemann: Die Rheinwiesenlager 1945 in Remagen und Sinzig. Fakten zu einem Massenschicksal 1945. Helios-Verlag, Aachen 2013, ISBN 978-3-86933-094-5.
  • Kriegsgefangenenlager 1939–1950 – Kriegsgefangenschaft als Thema der Gedenkarbeit. Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz, Mainz/Osthofen 2012, ISBN 978-3-89289-025-6 (Gedenkarbeit in Rheinland-Pfalz, Bd. 9, gedenkstaette-hinzert-rlp.de).
  • Rüdiger Overmans: Die Rheinwiesenlager 1945. In: Ende des Dritten Reiches, Ende des Zweiten Weltkriegs. Eine perspektivische Rückschau. Piper Verlag, München / Zürich 1995, ISBN 3-492-12056-3.
  • Arthur Lee Smith: Die vermißte Million. Zum Schicksal deutscher Kriegsgefangener nach dem Zweiten Weltkrieg. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 1992, ISBN 3-486-64565-X.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Blätter zum Land Nr. 63: Kriegsgefangenschaft in den Rheinwiesenlagern (1945 bis 1948) – Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz, 2015
  2. Kurt W. Böhme: Die deutschen Kriegsgefangenen in amerikanischer Hand. München 1972, S. 105
  3. Richard Ernest Dupuy: St. Vith: Lion in the Way, The 106. Infantry Division in World War II. Nashville 1949, ISBN 0-89839-092-3, S. 227
  4. 4,0 4,1 Arthur L. Smith: Die „vermißte Million“. Zum Schicksal deutscher Kriegsgefangener nach dem Zweiten Weltkrieg (= Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Band 65): S. 39, 49, 86; im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte hrsg. von Karl-Dietrich Bracher, Hans-Peter Schwarz, Horst Möller, Oldenbourg Verlag München 1992, ISBN 3-486-64565-X
  5. Arthur Lee Smith: Die vermißte Million. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 1992, ISBN 978-3-486-64565-1, S. 20
  6. 6,0 6,1 Rüdiger Overmans: Die Rheinwiesenlager 1945, S. 290
  7. Arthur Lee Smith: Die vermißte Million. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 1992, ISBN 978-3-486-64565-1, S. 21
  8. Arthur Lee Smith: Die vermißte Million. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 1992, ISBN 978-3-486-64565-1, S. 30
  9. Günter Bischof: „Is the Abuse of POW’s Under American Control Unprecedented?“ George Mason University's History News Network, 10. Mai 2004
  10. Brigitte Bailer-Galanda: Eisenhower und die deutschen Kriegsgefangenen – „Die Kriegsgefangenen“. (Brigitte Bailer-Galanda: Eisenhower und die deutschen Kriegsgefangenen (Memento vom 18. Januar 2016 im Internet Archive))
  11. Ekkehard Zimmermann: Internierungslager in der amerikanischen Besatzungszone. In: Franz W. Seidler, Alfred de Zayas (Hrsg.): Kriegsverbrechen in Europa und im Nahen Osten im 20. Jahrhundert. Mittler, Hamburg 2002, ISBN 3-8132-0702-1, S. 256–258
  12. Deutsche (O) / Kriegsgefangene im Westen nach 1945. In: Gunnar Heinsohn: Lexikon der Völkermorde, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1999, ISBN 3-499-22338-4
  13. Kurt W. Böhme: Die deutschen Kriegsgefangenen in amerikanischer Hand, München 1972, S. 204
  14. Kurt Kleemann: Die Kriegsgefangenenlager Remagen und Sinzig 1945 aus der Sicht kommunaler Aktenbestände. In: Jahrbuch für Westdeutsche Landesgeschichte. 20, 1994, S. 52
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