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Religiöser Wahn

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Religiöser Wahn ist eine spezifische Wahnart, die sich im Wahnerleben mit religiöser Thematik äußert.

Definition

Ein religiöser Wahn ist eine falsche, unerschütterliche Idee oder Glaubensvorstellung religiöser Art, die nicht zum Bildungsstand oder kulturellen und sozialen Hintergrund des Patienten passt und mit außergewöhnlicher Überzeugung und subjektiver Gewissheit vertreten wird,[1] und dies trotz der Unvereinbarkeit mit der objektiv nachprüfbaren Realität und auch angesichts von gegenteiligen Beweisen.[2]

Religiöse Themen treten nach neueren Studien in etwa 20 bis 30 Prozent der Fälle schizophrenen Wahns auf. Diese Form gehört somit zu den häufigsten Wahnthemen. In der klinischen Praxis ist der religiöse Wahn auch deshalb ein bedeutendes Thema, weil damit häufig schwere körperliche Selbstverletzungen einhergehen.[3]

Die häufigsten Inhalte des religiösen Wahns sind die Überzeugung, mit Gott in direkter Kommunikation zu stehen oder ein neuer Messias zu sein, der die Welt erlöst (religiöser Wahn mit Heilsauftrag). Gerade religiöse Wahninhalte erscheinen besonders irreal, irritierend und unsinnig. Die religiöse Wahnthematik muss sich keinesfalls aus religiösem Erleben entwickeln, sondern entsteht eher auf Grund sehr „menschlicher Konflikte“, wie zum Beispiel Eheproblemen.

Diagnostik

Der Betroffene ist egozentrisch auf seinen Wahninhalt fixiert, d. h. sein gesamtes Denken und Handeln speist sich daraus. Gefangen in seinem „Wahn-System“, ist er immun gegenüber kritischer Argumentation. Bezeichnend für den religiösen Wahn ist der Wechsel von Dialog-Formen zu sich ständig wiederholenden Monolog-Strukturen.

Abgrenzung des religiösen Glaubens vom religiösen Wahn

Der religiöse Wahn wird durch einige spezifische Unterschiede vom religiösen Glauben abgegrenzt:

Eine Wahnäußerung behauptet Wissen, nicht Glauben.[4] So kann eine Person, die einem Wahn unterliegt, inmitten eines Alltagsgespräches sich selbst als die Jungfrau Maria bezeichnen. Hierbei handelt es sich dann nicht um ein Bekenntnis ihres Glaubens, sondern um eine Aussage darüber, wie diese Person die Realität wahrnimmt.[5]

Der religiöse Glaube erlaubt eine mehr oder weniger realistische Selbsteinschätzung, beim religiösen Wahn wird diese durch eine überhebliche Selbsteinschätzung überlagert. Daneben ermöglicht der religiöse Glaube die innere Distanzierung und zwar seltene, doch vorkommende Infragestellung religiöser Inhalte, wohingegen im religiösen Wahn fixe Ideen die Gedankenwelt des Betroffenen bestimmen. Die Glaubensinhalte sind beim religiösen Wahn meist ohne Übereinstimmung mit den Glaubensinhalten der jeweiligen religiösen Gemeinschaft. Sie sind, wie auch beim religiösen Glauben, nicht überprüfbar.

Auswirkungen auf das soziale Erleben

Der religiöse Wahn führt in der Regel zu einer Entfremdung oder zumindest einer Teilentfremdung des Betroffenen von seiner Umwelt. Dies liegt vor allem daran, dass der Betroffene mit seinen wahnhaften Ideen alleine dasteht, also niemanden hat, der die gleichen Überzeugungen vertritt. Prinzipiell gibt es Möglichkeiten, einen Psychotiker behutsam in ein bestehendes Gemeindeleben zu integrieren und ihm so helfend zur Seite zu stehen. Oft sind Gemeinden jedoch überfordert von den meist sehr abweichenden Glaubensinhalten eines Psychotikers. Nahezu unmöglich wird die Integration, wenn der Psychotiker gewisse religiöse Titel beansprucht oder glaubt, eine bestimmte religiöse Figur der Religionstradition zu sein. [6]

Therapie

Religiöse Wahnsymptome sind Zeichen einer psychischen Störung, zu finden zum Beispiel bei einer schizophrenen Psychose, jedoch ebenso bei einer Vielzahl anderer psychischer Störungen, wie der Depression oder der Manie. Der religiöse Wahn ist, ebenso wie viele andere Wahnformen, nicht die eigentliche Krankheit, sondern die Erkrankung findet ihren Ausdruck in Wahnideen. Daher erfolgt die Behandlung je nach zu Grunde liegender psychischer Störung unterschiedlich. Eine Behandlungsmöglichkeit besteht im Einsatz von Psychopharmaka.

Siehe auch

Literatur

  • Wilhelm Arnold, Hans Jürgen Eysenck, Richard Meili: Lexikon der Psychologie. Band 1-3. Freiburg im Breisgau 1971, 1980.
  • Helmut Hark: Religiöse Neurosen. Ursachen und Heilung. Stuttgart 1988.
  • Christian Henning, Jacob van Belzen (Hrsg.): Verrückt nach Gott. Zum Umgang mit außergewöhnlichen religiösen Phänomenen in Psychologie, Psychotherapie und Theologie. Paderborn 2007.
  • Adrian Loretan, Franco Luzatto: Gesellschaftliche Ängste als theologische Herausforderung: Kontext Europa. Europäische Gesellschaft für Katholische Theologie Kongress. Berlin, Hamburg, Münster 2004.
  • Rainer Tölle: Wahn: Krankheit, Geschichte, Literatur. Stuttgart 2007 (Auszüge bei googlebooks).
  • Ronald Mundhenk: Sein wie Gott: Aspekte des Religiösen im schizophrenen Erleben und Denken. Neumünster 2007. ISBN 978-3926200365

Einzelnachweise

  1. Nach Andrew Sims: Religious delusions. (PDF; 268 kB) 2012, auf der Website des Royal College of Psychiatrists. Sims definiert dort zunächst Wahn im Allgemeinen, wendet diese Definition in der Folge jedoch auf religiösen Wahn an: A delusion is a false, unshakeable idea or belief, which is out of keeping with the patient’s educational, cultural and social background; it is held with extraordinary conviction and subjective certainty. – Vgl. Andrew Sims: Symptoms in the Mind: An Introduction to Descriptive Psychopathology. 3. Aufl., Saunders, Edinburgh 2003.
  2. Matthias Lammel et al.: Wahn und Schizophrenie: Psychopathologie und forensische Relevanz. Berlin 2011.
  3. Michael Pfaff: Schizophrenie und religiöser Wahn. Eine vergleichende Studie zur Zeit der innerdeutschen Teilung. (PDF; 4,2 MB) Dissertation, Ruhr-Universität Bochum, 2008, S. 5
  4. Andrew Sims: Religious delusions. (PDF; 268 kB) 2012, auf der Website des Royal College of Psychiatrists, S. 2, mit Bezug auf M. Spitzer: The basis of psychiatric diagnosis. In: J. Z. Sadler, O. P. Wiggins, M. A. Schwartz (Hrsg.): Philosophical Perspectives on Psychiatric Diagnostic Classification. Johns Hopkins University Press, Baltimore 1994.
  5. Andrew Sims: Religious delusions. (PDF; 268 kB) 2012, auf der Website des Royal College of Psychiatrists, S. 2.
  6. siehe Mundhenk. 2007
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