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Reichskirche

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Der Ausdruck Reichskirche wird auf verschiedene Phasen und Regionen der Geschichte zwischen Staat und Kirche angewendet. Er bezeichnet eine enge ideelle, institutionelle und personelle Verbindung zwischen einem politischen Herrschaftssystem und der im betreffenden Bereich verbreiteten christlichen Kirche. Die Kirche ist dabei der staatlichen bzw. monarchischen Autorität untergeordnet, legitimiert sie moralisch und wird von ihr materiell gesichert und gefördert.

Römische Reichskirche

Die Vereinigung weltlicher Macht und geistlicher Autorität war in der Antike hauptsächlich durch den ägyptischen Pharao bekannt, der zugleich höchster Priester, Gott und weltlicher Regent seines Staatswesens war. Ebenso war diese Tendenz im Alten Orient zu erkennen. Im Römischen Reich vereinigte Julius Caesar die Funktionen des Staatsoberhauptes und Pontifex Maximus (höchster Priester) auf sich. Diese Personalunion wurde auch von den römischen Kaisern ab Augustus (ab 12 v. Chr.) stets beibehalten, neben dem Titel imperator als Bezeichnung weltlicher Gewalt trat der Titel Augustus („der Erhabene“), mit dem in der römischen Kaiserzeit der Anspruch auf Verehrung und Anbetung des Kaisers zu Lebzeiten erhoben wurde. Die Weigerung vieler Christen, diese Form der Verehrung des Staatsoberhauptes zu vollziehen, begründete die ersten Auseinandersetzungen mit dem römischen Staat.

Konstantin der Große war schließlich zu Beginn des 4. Jahrhunderts der erste römische Kaiser, der das Christentum offiziell privilegierte. Schon 313 hatte er in der Mailänder Vereinbarung (oft fälschlich als „Toleranzedikt“ bezeichnet) gemeinsam mit Kaiser Licinius erklärt, den Christen und allen Bürgern des Reiches fortan volle Religionsfreiheit gewähren zu wollen. In der Folgezeit förderte er das Christentum weiter und sorgte damit für die nach ihm benannte konstantinische Wende in der römischen Religionspolitik. Nach seinem Tod 337 setzten seine Söhne, besonders Constantius II., die Förderung des Christentums und damit auch die Benachteiligung des Heidentums fort.

Ein wesentlicher Schritt zur römischen Reichskirche war schließlich das Dreikaiseredikt aus dem Jahr 380, das den römisch-alexandrinischen trinitarischen Glauben zur offiziellen Religion des Römischen Reichs erklärte, um die innerchristlichen Streitigkeiten zu beenden, und das Edikt von 391, in dem Theodosius I. die heidnischen Kulte verbot. Damit war das Christentum endgültig zur Reichskirche geworden. Nach heutiger Sicht vieler Forscher war es jedoch erst Justinian I., der in der Mitte des 6. Jahrhunderts im Römischen Reich das Christentum tatsächlich gegen das Heidentum durchsetzte.

Das Christentum hatte damit die politische Funktion als Bindeglied zwischen den Teilen des Weltreiches übernommen, die zuvor von der römischen Religion wahrgenommen wurde. Die Zuwendung zur christlichen Religion wurde Bürgerpflicht. Der Römische Kaiser sah seinerseits die Förderung einer einheitlichen Kirche als seine Pflicht an, da er in der Reichskirche die Kraft gegen eine weitere Zersplitterung des Reiches sah.

Folge waren unter anderem die kaiserliche Einberufung von Konzilen, kaiserliche Einflussnahme auf Dogmen sowie die Stärkung der Macht der Bischöfe. Insbesondere letzteres führte dazu, dass auch nach dem Zusammenbruch des weströmischen Reiches eine weitgehend intakte Rechts- und Verwaltungsstruktur in Gestalt der römischen Kirche erhalten blieb. Im Byzantinischen Reich dauerte dieser Cäsaropapismus fort.

Nach dem Fortfall der weströmischen Mitkaiser waren die römischen Kaiser in Konstantinopel wieder die einzigen legitimen Herrscher auf ehemals römischem Gebiet, was auch die Position der Päpste in Rom gegenüber ihrem Mitpatriarchen zu Konstantinopel schwächte. Nach dem Ende der Einheit des Reiches setzte Papst Gelasius I. Kaiser Anastasios I. Ende des 5. Jahrhunderts die Zwei-Schwerter-Theorie entgegen und spätestens durch die Trennung von der oströmischen Kirche (Morgenländisches Schisma 1054) war sowohl die Einheit des Reichsgebietes als auch die Einheit von Kirche und Staat endgültig vorüber.

Reichskirchensystem im Heiligen Römischen Reich

Die mittelalterlichen römisch-deutschen Könige mussten erkennen, dass das Lehnswesen nicht genügte, um das Land zu verwalten, da es unter den Vasallen die Tendenz gab, Lehnsgut in erbliches Eigengut zu verwandeln und es damit dem Zugriff des Königs zu entziehen. Deshalb gingen die Könige und Kaiser dazu über, Bischöfe mit Territorien und Rechten zu belehnen, da sie kinderlos bleiben mussten, wodurch sich das Problem der Erblichkeit nicht stellte. Um das Prinzip noch zu verstärken, achtete der Kaiser in der Regel sorgfältig darauf, einen Mann zum Bischof eines Gebiets zu ernennen, der aus einem anderen Gebiet entstammte. Alle weltlichen und regionalen Kräfte, die Herzöge, Grafen und adeligen Grundbesitzer, die dem Machtanspruch des Kaisers entgegenstanden, bedrohten zwangsläufig auch die Interessen des vom Monarchen abhängigen Bischofs.[1] Problematisch wurde dieses Verhältnis, als die Kirchenreform von Cluny den seelsorgerischen Auftrag der Kirche ernster nahm und forderte, Geistliche – auch die Bischöfe – unabhängig von weltlichen Herrschern einzusetzen. Dies führte zu erbitterten Auseinandersetzungen zwischen Papst und Kaiser, die im Investiturstreit gipfelten (siehe auch De civitate Dei).

Die Verflechtung zwischen Kaiser und Papst blieb aber eng, zumal seit Otto dem Großen bis zum Reichsdeputationshauptschluss 1803 viele deutsche Bischöfe zugleich Reichsfürsten waren.

Deutsche Reichskirche (Nationalsozialismus)

Die in der Weimarer Republik innerhalb des Protestantismus entstandene nationalreligiöse Bewegung Deutsche Christen (DC) begrüßte zutiefst die Machtergreifung Adolf Hitlers und den nationalsozialistischen deutschen Staat. Die DC installierten den Reichsbischof Ludwig Müller und riefen die Reichskirche aus, in der alle evangelischen Landes- und Konfessionskirchen aufgehen sollten. Sie machten sich das Programm der Gleichschaltung zu eigen, indem sie die Amtsenthebung nicht systemkonformer Geistlicher sowie die Anwendung des Arierparagraphen für die Kirche forderten, darüber hinaus das Alte Testament sowie alle „artfremden“ Bräuche außer Kraft setzten. Die Reichskirche scheiterte. Dabei spielte die zahlenmäßig verschwindende Bekennende Kirche eine weitaus geringere Rolle als die Ideologie des Nationalsozialismus selbst, deren Vertreter Himmler oder Rosenberg bald offen die Politik der Ausschaltung aller eigenständigen Bewegungen (und damit auch der Kirche) proklamierten.

Literatur

  • Ernst Dassmann: Kirchengeschichte II/1. Konstantinische Wende und spätantike Reichskirche. Stuttgart 1996 (Studienbücher Theologie, Band II, 1).
  • Ernst Dassmann: Kirchengeschichte II/2. Theologie und innerkirchliches Leben bis zum Ausgang der Spätantike. Stuttgart 1999 (Studienbücher Theologie, Band II, 2). (Zur spätantiken Reichskirche.)
  • Rudolf Schieffer: Reichskirche. In: Lexikon des Mittelalters (LexMA). Band 7, LexMA-Verlag, München 1995, ISBN 3-7608-8907-7, Sp. 626–628.

Einzelnachweise

  1. Jan Dhondt (Hrsg.): Fischer Weltgeschichte Band 10: Das frühe Mittelalter, Frankfurt am Main 1997, S. 201.
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Reichskirche aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.