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Refugialraum

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Dieser Artikel erläutert einen biogeographischen Begriff; zum Zufluchtsort für Menschen siehe Refugium.

Refugialräume (engl.: refugia) sind ‚Rückzugsgebiete‘ von Arten, deren ursprünglich größeres Habitat ihnen keine Überlebensmöglichkeiten mehr bietet. Die Bezeichnung wurde 1955 von dem Pollenkundler Calvin J. Heusser als Fachbegriff in die Ökologie eingeführt, als er die geschrumpften Verbreitungsgebiete von Pflanzenarten in Kanada während der letzten Eiszeit beschrieb.[1]

Im engeren Sinne wird die Bezeichnung auch heute noch auf Gebiete angewandt, in denen eine bestimmte Art während eines vollständigen glazial- / interglazial-Zyklus überlebt hat.[2] Jedoch wurde die Bezeichnung bald auch auf weitere Lebensräume übertragen, so beispielsweise 1969 auf die tropischen Wälder im Amazonasbecken.[3]

Im weiteren Sinne wird die Bezeichnung heute auch auf einzelne Tiere und Pflanzen angewandt, die in einem Refugialraum „vor schädlichen und energieverbrauchenden Umwelteinflüssen relativ sicher“ sind:[4]

Beispiel Fließgewässer: Die Selbstreinigung und die damit verbundene Selbstregulation führen zu einer Wiederherstellung des Ausgangszustandes des Fließgewässers nach einer starken Belastung (Hochwasser, viel Abwasser). Danach treten die Tiere aus den Refugialräumen hervor und besiedeln das Gebiet erneut, so dass das Ökosystem mit den abiotischen und biotischen Faktoren wiederhergestellt ist. Typische Refugialräume in Fließgewässern sind zum Beispiel das hyporheische Interstitial und strömungsberuhigte Uferbereiche.

Biogeographische Refugialräume

Während weiträumiger Klimaänderungen wurden geeignete Gebiete zu Refugialräumen zahlreicher Arten.

Refugialräume während des Kältemaximums der letzten Eiszeit (glaziale Refugia) fanden sich für den Menschen besonders in der franko-kantabrischen Region.[5], für viele Tiere und Pflanzen der gemäßigten Zone am Mittelmeer (52 Regionen wurden identifiziert),[6] aber auch relativ nördlich gelegene Refugien wurden belegt, so die waldreiche Region der Karpaten im Grenzbereich zum Permafrost.[7]

Heutige Refugialräume für Lebewesen der Mammutsteppe befinden sich in polaren Tundren und alpinen Regionen Europas,[8] Asiens und Nordamerikas, welchen gemein ist, dass sie andere Qualitäten besitzen, als die Mammutsteppe.

Refugialräume für Unterarten

Da also Refugialräume zahlreiche Arten beherbergten, wurde vermutet, dass sie auch zahlreiche Unterarten zu beherbergen in der Lage sind. Sie sollten daher auch den Genpool mehrerer Unterarten beinhalten und eine hohe genetische Diversität besitzen. Untersuchungen konnten diese Annahme jedoch nicht stützen.[9][10]

Populationen in Refugialräumen sind meist klein und daher können sich dort innerhalb begrenzter Zeiträume relativ homogene genetische Zusammensetzungen bilden. In solchen Fällen kann ein Refugialraum nur eine Unterart entlassen. Das Vorhandensein mehrerer Unterarten weist auf mindestens ebensoviele Refugialräume hin. Das parallele Überdauern von Arten in verschiedenen Refugialräumen kann somit zur Bildung von Unterarten führen.[11] Die Aufklärung von Refugialräumen und Zuordnung daraus hervorgegangener Unterarten kann erlauben, den zugrunde liegenden paläoklimatischen Verlauf chronologisch besser zu rekonstruieren.[12][13] In entsprechender Weise, längere Zeiträume erfordernd, wird die allopatrische Artbildung erklärt.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Calvin J. Heusser: Pollen Profiles from the Queen Charlotte Islands, British Columbia. In: Canadian Journal of Botany. Band 33, Nr. 5, 1955, S. 429–449, doi:10.1139/b55-036
  2. Godfrey M. Hewitt: Some genetic consequences of ice ages, and their role in divergence and speciation. In: Biological Journal of the Linnean Society. Band 58, Nr. 3, 1996, S. 247–276, DOI:10.1111/j.1095-8312.1996.tb01434.x
  3. Jürgen Haffer: Speciation in Amazonian Forest Birds. In: Science. Band 165, Nr. 3889, 1969, S. 131–137, DOI:10.1126/science.165.3889.131
  4. Glossar zu Unterrichtsmaterialien zum Thema Ein Bach ist mehr als Wasser..., S. 247, hrsg. vom Hessischen Umweltministerium (PDF; 279 kB), Dump vom 26. November 2015
  5. A. Achili et al.: The molecular dissection of mtDNA haplogroup H confirms that the Franco-Cantabrian glacial refuge was a major source for the European gene pool. In: The American Journal of Human Genetics. Band 75, Nr. 5, 2004, S. 910–918, doi:10.1086/425590 (Volltext).
  6. Frédéric Médail, Katia Diadema: Glacial refugia influence plant diversity patterns in the Mediterranean Basin. In: Journal of Biogeography. Band 36, Nr. 7, 2009, S. 1333–1345, doi:10.1111/j.1365-2699.2008.02051.x.
  7. Petr Kotlík et al.: A northern glacial refugium for bank voles (Clethrionomys glareolus). In: PNAS. Band 103, Nr. 40, 2006, S. 14860–14864, doi:10.1073/pnas.0603237103.
  8. P. Schönswetter, I. Stehlik, R. Holderegger, A. Tribsch: Molecular evidence for glacial refugia of mountain plants in the European Alps. In: Molecular Ecology. Band 14, Nr. 11, 2005, S. 3547–3555, doi:10.1111/j.1365-294X.2005.02683.x.
  9. Rémy J. Petit et al.: Glacial refugia: hotspots but not melting pots of genetic diversity. In: Science. Band 300, Nr. 5625, 2003, S. 1563–1565, doi:10.1126/science.1083264.
  10. Alex Widmer, Christian Lexer: Glacial refugia: sanctuaries for allelic richness, but not for gene diversity. In: Trends in Ecology & Evolution. Band 16, Nr. 6, 2001, S. 267–269, doi:10.1016/S0169-5347(01)02163-2.
  11. K. Holder, R. Montgomerie, V. L. Friesen: A test of the glacial refuguim hypothesis using patterns of mitochondrial and nuclear DNA sequences variation in rock ptarmigan (Lagopus mutus). In: Evolution. 53, Nr. 6, Dezember 1999, S. 1936–1950, doi:10.2307/2640452.
  12. Andrea Grill et al.: Molecular phylogeography of European Sciurus vulgaris: refuge within refugia? In: Molecular Ecology. Band 18, Nr. 12, 2009, S. 2687–2699, doi:10.1111/j.1365-294X.2009.04215.x.
  13. S. A. Byun, B. F. Koop, T. E. Reimchen: North American black bear mtDNA phylogeography: implications for morphology and the Haida Gwaii glacial refugium controversy. In: Evolution. Band 51, Nr. 5, Oktober 1997, S. 1647–1653, Volltext (PDF).
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