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Rechtsfähigkeit (Deutschland)

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Rechtsfähigkeit ist die Fähigkeit, selbstständig Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Die Rechtsfähigkeit des Menschen ist Ausdruck seiner personalen Würde. Die Rechtsfähigkeit jedes Menschen beginnt mit Vollendung der Geburt, § 1 BGB.

Im Gegensatz zu einem rechtsfähigen Rechtssubjekt stehen Rechtsobjekte, die nicht Träger, sondern Gegenstand von Rechten und Pflichten sind. Rechtsobjekte sind beispielsweise nicht selbständig klagefähig und können auch nicht selbständig einen Rechtstitel erwirken oder durchsetzen.

Natürliche Personen

Natürliche Personen sind alle Menschen. Die Rechtsfähigkeit beginnt mit der Geburt (§ 1 BGB) und endet mit dem Tod (vgl. § 1922 BGB). Die Geburt im Rechtssinne beginnt mit den Eröffnungswehen und ist vollendet mit dem vollständigen Austritt der Leibesfrucht aus dem Mutterkörper, auf die Lösung der Nabelschnur kommt es nicht an. Die Beendigung der Rechtsfähigkeit erfolgt nach verbreiteter Meinung mit Eintreten des Hirntodes.[1] Nach dem Tod besteht keine Rechtsfähigkeit, aber ein postmortales Persönlichkeitsrecht.

Bis in das 19. Jahrhundert hinein wurde als Strafe auf den bürgerlichen Tod erkannt, welcher einen vollständigen Verlust der Rechtsfähigkeit zur Folge hatte. Vor Inkrafttreten des BGB gab es noch den Klostertod. Gemäß § 1199 XI ALR galten Mönche und Nonnen in Sinne des bürgerlichen Rechts mit Ablegung des Gelübdes als verstorben. Nach § 1200 XI ALR waren sie demnach unfähig, Eigentum und andere Rechte zu erwerben, zu besitzen oder darüber zu verfügen.

In der Zeit des Nationalsozialismus gab es Bestrebungen, dem Menschen nicht als Individuum Rechtsfähigkeit zuzugestehen, sondern nur als Glied eines Kollektivs. So schrieb Karl Larenz 1935 in Rechtsperson und subjektives Recht:

„Nicht als Individuum, als Mensch schlechthin oder als Träger einer abstrakt-allgemeinen Vernunft habe ich Rechte und Pflichten und die Möglichkeit, Rechtsverhältnisse zu gestalten, sondern als Glied einer sich im Recht ihre Lebensform gebenden Gemeinschaft, der Volksgemeinschaft. Nur als in Gemeinschaft lebendes Wesen, als Volksgenosse ist der Einzelne eine konkrete Persönlichkeit.“[2]

Entsprechend sollte der § 1 BGB, der jedem Mensch als Individuum Rechtsfähigkeit mit Vollendung der Geburt zugesteht wie folgt geändert werde:

„Rechtsgenosse ist nur, wer Volksgenosse ist; Volksgenosse ist, wer deutschen Blutes ist.“[3]

Folge dieser Gesetzesänderung wäre gewesen, dass Menschen nicht "deutschen Blutes" ihre Rechtsfähigkeit und damit die Fähigkeit am Rechtsverkehr selbstbestimmt teilzunehmen vollständig verloren hätten.

Heute gibt es praktisch keine Rechtsordnung mehr, die Mensch-Sein und Rechtsfähigkeit trennt. Da die Rechtsfähigkeit von natürlichen Personen Ausdruck der Menschenwürde ist, hielte eine solche ausländische Vorschrift auch dem Ordre-public-Vorbehalt nicht stand.[4]

Erheblich kann die Anwendung ausländischen Rechts werden, wenn es um die Beurteilung der Rechtsfähigkeit Neugeborener geht. Viele Rechtsordnungen lassen den Austritt der Leibesfrucht aus dem Mutterleibe nicht genügen, sondern fordern die Lebensfähigkeit des Neugeborenen über einen gewissen Zeitraum.[5] Umstritten ist die Handhabung ausländischer Vorschriften durch deutsche Gerichte und Behörden, welche bereits einer Leibesfrucht Rechtsfähigkeit zubilligen. Die herrschende Meinung qualifiziert Art. 7 EGBGB so, dass „Person“ im Sinne dieser Vorschrift nur geborene Menschen erfasst.[6] Dieser Meinung gemäß ist dann die Erbfähigkeit der Leibesfrucht oder ihre Fähigkeit Zuwendungen unter Lebenden zu erhalten, nach dem Erbrecht oder Schenkungsrecht zu beurteilen, was auf die Person, die vererbt oder der schenkt, anzuwenden ist.

Gesellschaften

Rechtsfähig sind neben allen natürlichen auch juristische Personen sowie bestimmte Personengesellschaften. Anders als bei Menschen ist die Verleihung der Rechtsfähigkeit an juristische Personen und bestimmte Personengesellschaften nicht Ausdruck der natürlichen Würde, sondern unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit und Einfachheit des Rechtsverkehrs zu sehen. Deshalb kann die Rechtsfähigkeit von Gesellschaften in den unterschiedlichen Rechtsordnungen völlig verschieden geregelt sein.

Inländische Gesellschaften

Für juristische Personen gilt in Deutschland das Enumerationsprinzip. Juristische Personen sind nur die Gebilde, die sich einer der gesetzlich vorgesehenen Rechtsformen bedienen. Der Erwerb der Rechtsfähigkeit vollzieht sich bei juristischen Personen des Privatrechts durch die konstitutive Eintragung in das Handelsregister, Vereinsregister oder Genossenschaftsregister. Die Rechtsfähigkeit einer juristischen Person endet mit dem Abschluss ihrer Liquidation.

Rechtsfähig sind die offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft und die BGB-Außengesellschaft.[7]

Ausländische Gesellschaften

Die Rechtsfähigkeit ausländischer Gesellschaften richtet sich nach dem Gesellschaftsstatut, dem die ausländische Gesellschaft untersteht.

Übersicht über die Rechtsfähigkeit nach deutschem Recht

Rechtsfähig sind

Teilrechtsfähig sind (partielle Rechtsfähigkeit)

Nicht rechtsfähig sind

Literatur

  • Reinhard Damm: Personenrecht. Klassik und Moderne der Rechtsperson. In: Archiv für die civilistische Praxis (AcP). 202. Bd., 2002, S. 840–879 (2. Teilband).
  • Matthias Lehmann: Der Begriff der Rechtsfähigkeit. In: Archiv für die civilistische Praxis (AcP). 207. Bd., 2007, S. 225–255 (1. Teilband).
  • Dieter Reuter: Rechtsfähigkeit und Rechtspersönlichkeit. Rechtstheoretische und rechtspraktische Anmerkungen zu einem großen Thema. In: Archiv für die civilistische Praxis (AcP). 207. Bd., 2007, S. 673–717 (2. Teilband).
  • Heinz Hausheer/Regina E. Aebi-Müller: Das Personenrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches. Stämpfli, Bern 1999, ISBN 3-7272-1501-1.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. § 3 TPG; vgl. OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 11.Juli 1997, AZ: 20 W 254/95, NJW 1997, 3099 = FamRZ 1998, 190 = Rpfleger 1997, 478; http://www.erbfall.eu/2010/11/25/erbrechtlich-entscheidender-todeszeitpunkt-ist-der-hirntod/; LG Dortmund, Urteil vom 9. Dezember 2009 · 4 O 297/09, http://openjur.de/u/141477.html
  2. Karl Larenz, Rechtsperson und subjektives Recht – Zur Wandlung der Rechtsgrundbegriffe (1935), S. 21
  3. Karl Larenz, Rechtsperson und subjektives Recht – Zur Wandlung der Rechtsgrundbegriffe (1935), S. 21
  4. §1 I 1 lit.b Rdnr. 4 Christian von Bahr, Internationales Privatrecht, Zweiter Band, C.H. Beck Verlag.
  5. Art. 725, 906 frz. Cc; Art. 30 span.Cc Art. 41 philippinischer Cc
  6. §1 I 1 lit.c Rdnr.5 Christian von Bahr, IPR Zweiter Band
  7. BGH Az. II ZR 331/00 = BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056.
  8. BGH, Beschluss vom 2. Juni 2005 - V ZB 32/05
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