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Rechneigrabenstraße

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Rechneigrabenstraße
Wappen
Straße in Frankfurt am Main
Rechneigrabenstraße
Gedenkstätte Neuer Börneplatz
Basisdaten
Ort Frankfurt am Main
Ortsteil Innenstadt
Angelegt um 1800
Anschlussstraßen Börneplatz
Querstraßen Kurt-Schumacher-Straße, Mainstraße, Schützenstraße, Lange Straße
Bauwerke Israelitisches Hospital (†), Schulhaus Philanthropin (†), Orthodoxe Synagoge (†), Verwaltungsbau Stadtwerke, Kundenzentrum Stadtwerke, Gedenkstätte Neuer Börneplatz
Technische Daten
Straßenlänge 320 Meter

Die Rechneigrabenstraße ist eine Straße in der Innenstadt von Frankfurt am Main. Sie liegt im Südosten des ehemals ummauerten Stadtkerns im Fischerfeldviertel. Als ehemaliger Standort wichtiger jüdischer Institutionen ist sie von großer Bedeutung für die Geschichte Frankfurts. Die bekannteste Einrichtung in der heutigen Straße ist das Mahnmal für die ermordeten Frankfurter Juden, die Gedenkstätte Neuer Börneplatz.

Lage und Verlauf

Die Rechneigrabenstraße verläuft vom Börneplatz an der Kurt-Schumacher-Straße geradlinig nach Osten bis zur rechtwinkligen Einmündung in die Lange Straße, die ihrerseits der Verlauf der ehemaligen Frankfurter Stadtbefestigung folgt. Jenseits der Langen Straße liegt die Obermainanlage, ein Teil der Wallanlagen, und der Rechneigrabenweiher.

Sie hat von Norden her keine Querstraßen, da dort seit dem Hochmittelalter der jüdische Friedhof liegt. Von Süden her, aus dem Fischerfeldviertel, münden die Schützenstraße und die Mainstraße ein.

Obwohl die Straße entwicklungsgeschichtlich von Westen nach Osten bebaut wurde, verläuft die Nummerierung der Grundstücke andersherum, nämlich, wie in Frankfurt seit 200 Jahren üblich, in Fließrichtung des Mains.

Geschichte

Vorgeschichte

Das noch unbebaute Fischerfeld, 1628. In der Bildmitte der Rechneigraben mit dem Salmensteinschen Haus und dem Judeneck, dahinter der Jüdische Friedhof, links das Südtor der Judengasse, der spätere Judenmarkt.

Das als Fischerfeld bekannte Gelände war trotz seiner unmittelbaren Nähe zur Altstadt bis dahin unbebaut geblieben, da es feucht und sumpfig war. Die 1333 vom Kaiser genehmigte Stadterweiterung sparte das Gebiet aus, die Stadtmauer besaß hier eine unübliche (weil militärisch kontraproduktive) Innenecke. Erst die im 17. Jahrhundert angelegte Stadtbefestigung, die ansonsten dem Mauerverlauf des 14. Jahrhunderts folgte, verkürzte die Verteidigungslinie, indem sie vom Allerheiligentor direkt zum Main verlief und das innere Fischerfeld mit einschloss, das jedoch weitere 150 Jahre unbebaut blieb.

Die mittelalterliche Ummauerung der Neustadt schlug etwas südlich des Allerheiligentors einen Haken nach Westen. Diese Ecke erhielt im 16. Jahrhundert eine der ersten Bastionen der Stadtbefestigung, das Judeneck. Von hier verlief die Mauer in weiter Entfernung parallel zum Main, entlang des jüdischen Friedhofs, nach Westen und knickte erst am südlichen Ende der Judengasse, in der Nähe des Fronhofturms, wieder nach Süden ab und erreichte an der Fischerpforte schließlich die Mainmauer. Der Stadtmauer war ein schützender Wassergraben vorgelagert. Der Grabenabschnitt vom Main bis zum Fronhofturm hieß Wollgraben, derjenige bis zum Judeneck Rechneigraben oder Judeneckgraben. Auf der Fläche dieses ehemaligen Stadtgrabens wurde nun, nach Trockenlegung und Aufschüttung des Geländes, die Rechneigrabenstraße angelegt.

Ungefähr in der Mitte des heutigen Straßenzugs, auf dessen nördlicher Seite, thronte das um 1350 auf die Mauer gebaute Salmensteinsche Haus hoch über dem Rechneigraben. Im Zuge der Aufgabe der Stadtmauer und der Anlage des Fischerfeldviertels wurde der Graben zugeschüttet und die Mauer einschließlich des stadtbildprägenden Hauses niedergerissen.

Die „Neue Anlage“

Der „Recheney-Graben“ auf dem Ulrichplan, 1811.

Die Straße entstand, wie das ganze Fischerfeldviertel, die damals so genannte Neue Anlage, ab 1793. Es handelte sich um die erste Stadterweiterung seit der erwähnten Gründung der Neustadt 1333. Im 1811 von C. F. Ulrich veröffentlichen Geometrischen Grundriss von Frankfurt am Mayn sind die ersten Grundstücke auf der südlichen Straßenseite bis über die Mainstraße hinaus bereits als bebaut dargestellt. Schon wenige Jahre später war das Viertel bis zur Obermainanlage hin bebaut. Lediglich an der Rechneigrabenstraße verblieben einige freie Grundstücke, vor allem auf ihrer nördlichen, zum Friedhof hin gelegenen Seite, dem Gelände des ehemaligen „Holzhofs der Juden“. Diese wurden nun gegen Mitte des 19. Jahrhunderts mit repräsentativen Neubauten jüdischer Institutionen bebaut.

Die Blütezeit des Fischerfeldviertels

Mithilfe einer Spende des Bankhauses Rothschild von 100.000 Gulden konnte 1829-31 am westlichen Ende der Straße, auf dem auf der nördlichen Straßenseite gelegenen Eckgrundstück Rechneigrabenstraße 18-20 Ecke Judenmarkt (heute: Börneplatz) das Hospital der vereinigten Israelitischen Männer- und Frauenkrankenkasse errichtet werden. Architekt des stattlichen dreigeschossigen Bauwerks im Rundbogenstil war Rudolf Burnitz, der in Frankfurt vor allem durch den Burnitzbau, eines Teils des Saalhofs und des Historischen Museums, bekannt ist. Das Hospital besaß eine Männerabteilung mit zwölf Zimmern, eine Frauenabteilung mit neun Zimmern sowie ein eigene kleine Synagoge, die ebenfalls durch eine Stiftung der Familie Rothschild unterhalten wurde.

Die bisher im Kompostellhof westlich des Judenmarkts ansässige jüdische „Realschule“ Philanthropin und die dazugehörige Volksschule erhielten 1845 einen repräsentativen Neubau auf dem Grundstück Rechneigrabenstraße 14-16. Architekt des Schulgebäudes, das in der ganzen Stadt Beachtung fand, war Ignaz Opfermann aus Mainz, der bereits den 1839 eröffneten Taunusbahnhof entworfen hatte, Frankfurts ersten Bahnhof überhaupt. Das Schulgebäude wurde 1860 um eine Turnhalle erweitert, eine der ersten in Frankfurt. Diese wurde bereits 1882 durch einen Neubau abgelöst, der außer einer Sporthalle auch eine Vorschule und Lehrerwohnungen umfasste.

Das Philanthropin nutzte das Schulhaus in der Rechneigrabenstraße bis 1908, als es in einen noch größeren Neubau in der Hebelstraße im Nordend umzog, den es bis heute nutzt. In die leerstehenden Räume zog die Annaschule, eine nichtjüdische Volksschule.

Nach der Spaltung der jüdischen Gemeinde 1851, durch die die Hauptsynagoge in der Judengasse in die Hoheit der stark vom Philanthropin beeinflussten liberalen Gemeinde kam, errichtete der Minderheitsflügel der orthodoxen Israelitischen Religionsgemeinschaft nach Plänen von J.W. Renk an der Ecke Schützenstraße 14 / Rechneigrabenstraße 5 eine eigene Synagoge und eine Volksschule, die bis zur Eröffnung der Synagoge Friedberger Anlage 1907 das Zentrum des orthodoxen Judentums in Frankfurt blieb. Die Synagoge bot zunächst 500 Sitzplätze und wurde 1873/74 durch Bauinspektor Rügemer auf das Doppelte erweitert.

Der Judenmarkt am westlichen Ende der Straße wurde 1885 in „Börneplatz“ umbenannt. Spätestens seit der Eröffnung der dortigen konservativen Gemeindesynagoge 1882 bot dieser Platz ein repräsentatives großstädtisches Bild als pulsierender Mittelpunkt des jüdischen Frankfurt. Der Abriss der alten Judengasse, der Durchbruch der Battonnstraße, der Bau einer Markthalle, der Bau der Straßenbahn über den Platz und die Nutzung als Marktplatz (bis 1928) trugen ihr übriges zum rasanten Wandel im Erscheinungsbild des Platzes bei.

Nationalsozialismus und Kriegszerstörung

Durch die reichsweite und kommunale Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde das jüdische Leben im Fischerfeldviertel und rund um den Börneplatz hart getroffen. Zunächst kündigte sich dies durch eine Symbolpolitik an, die die Verdrängung der Frankfurter Juden aus der Öffentlichen Wahrnehmung zum Ziel hatte. Diese führte 1935 zur Umbenennung des Börneplatzes (des ehemaligen Judenmarkts) in Dominikanerplatz und der Börnestraße (der ehemaligen Judengasse) in Großer Wollgraben. Hinzu kam 1938 der Abriss von Gebäuden auf der Westseite des Platzes, wodurch die Klosterkirche nun direkt an dem jetzt nach ihr benannten Platz stand. Gravierender waren die Novemberpogrome wenige Wochen später, die das institutionelle jüdische Leben zerschlugen, vielen Menschen das Leben kostete und sich im Stadtbild durch die Zerstörung der großen Synagogen Großer Wollgraben, Friedberger Anlage und Dominikanerplatz ausdrückte. Die auf staatlichen Befehl zwangswiedervereinigte jüdische Gemeinde wurde auf besondere Initiative von Oberbürgermeister Krebs gezwungen, die Brandruinen im Frühjahr 1939 niederreißen und einebnen zu lassen. Im April 1939 musste die Gemeinde ihre Grundstücke an die Stadt übereignen. Zur geplanten Überbauung des jüdischen Friedhofs kam es aufgrund des beginnenden Krieges nicht mehr.

Die schweren Luftangriffe auf Frankfurt am Main, vor allem im März 1944, zerstörten die östliche Altstadt und das Fischerfeldviertel im Zweiten Weltkrieg fast vollständig.

Wiederaufbau

Der Standort der ehem. Synagoge Schützenstraße heute

Diejenigen Bauten der Umgebung, die vom Bombenkrieg nur teilweise beschädigt wurden, etwa der Arnsburger Hof und viele Gebäude in der Rechneigrabenstraße, wurden kurz nach Kriegsende bei der „zweiten Zerstörung“ vernichtet, dem gewollt modernen Wiederaufbau des Stadtkerns. Nur das Dominikanerkloster wurde in stark vereinfachter Form wiederaufgebaut. Der Abschluss dieses Wiederaufbaus zog sich jedoch bis Ende der 80er Jahre hin.

Die bedeutendste Änderung war die Anlage der 1956 eröffneten Kurt-Schumacher-Straße, einer Hauptverkehrsstraße, die die Alte Brücke mit dem ebenfalls neuen Platz Konstablerwache verbinden sollte und die große Teile der östlichen Altstadt einschließlich des früheren jüdischen Viertels unter sich begrub. Auf dem Gelände des ehemaligen Börneplatzes wurden eine Tankstelle und eine Blumengroßmarkthalle gebaut. In der Rechneigrabenstraße auf der Südseite des Dominikanerplatzes wurde 1955/56 das bis heute erhaltene fünfgeschossige Verwaltungsgebäude der Stadtwerke Frankfurt am Main errichtet, das an der Ecke zur Kurt-Schumacher-Straße ein Staffelgeschoss mit einem zeittypischen weit auskragenden Flachdach erhielt.

Der gesamte Straßenblock zwischen Rechneigrabenstraße, Mainstraße, Fischerfeldstraße und Schützenstraße wurde mit der umfangreichen Zentrale des Arbeitsamts Frankfurt bebaut. Es handelte sich eigentlich sogar um zwei Blocks, die bisher dort verlaufende Rechneistraße wurde überbaut und verschwand aus dem Stadtplan.

Im Generalbebauungsplan von 1959 wurde die Fläche zwischen der Blumenhalle und der Rechneigrabenstraße, also die eigentliche Platzfläche des alten Judenmarkts, als Allgemeines Geschäftsgebiet ausgewiesen, mit Änderung von 1960 wurde für die Fläche ein Parkhaus vorgesehen. Dieses erübrigte sich, als der Blumengroßmarkt 1965 einen neuen Standort am Stadtrand erhielt und die alte Markthalle zum Parken von Autos genutzt werden konnte. 1974 wies ein Bebauungsplan den Dominikanerplatz als Kerngebiet aus, also als hochverdichtetes Geschäftszentrum. 1978 wurde der Dominikanerplatz wieder in Börneplatz rückbenannt.

Die Umgestaltung ab 1985

1985 begannen die Arbeiten für die erneute Umgestaltung des Bereichs Börneplatz/Rechneigrabenstraße. Die ehemalige Blumengroßmarkthalle wurde abgerissen, anschließend auf der Ostseite der Kurt-Schumacher-Straße zwischen Battonn- und Rechneigrabenstraße die Baugrube für ein Kundenzentrum der Stadtwerke ausgehoben, in der man auf guterhaltene Keller und Fundamente der früheren Judengasse stieß. Diese wurden nach Änderung der Pläne in einem Museum Judengasse im Untergeschoss des Kundenzentrums der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Auf der Ostseite des Gebäudes, zwischen der Rechneigrabenstraße und der Friedhofsmauer, auf dem ehemaligen Grundstück des Hospitals der Israelitischen Krankenkasse, entstand ein „Neuer Börneplatz“, ein ruhiger Ort mit einer Gedenkstätte für die ermordeten Frankfurter Juden, deren Namen auf kleinen Steinen in der Friedhofsmauer verewigt wurden.

Die Rechneigrabenstraße heute

Evangelisches Medienhaus
Straßenschilder am Neuen Börneplatz

Dieses für die jüdische Geschichte Frankfurts so wichtige Stück Stadt erhielt in den 1990er Jahren wenigstens im historischen Gedenken seinen jüdischen Charakter zurück. Einrichtungen des heutigen jüdischen Lebens gibt es in der Straße nicht mehr. Stattdessen ist die Rechneigrabenstraße heute Standort wichtiger städtischer und kirchlicher Einrichtungen.

Auf der Nordseite der Straße zwischen Kurt-Schumacher-Straße und Mainstraße steht das erwähnte Kundenzentrum der Stadtwerke. Östlich angrenzend, auf dem Standort des Israelitischen Hospitals, liegt auf dem am 16. Juni 1996 eingeweihten Neuen Börneplatz die Gedenkstätte mit einem Zugang zum Jüdischen Friedhof und einer Fußwegverbindung entlang der Friedhofsmauer zur Battonnstraße.

Die Krankenhaustradition wurde ab 1996 durch das Evangelische Hospital für Palliativmedizin für unheilbar Schwerkranke fortgesetzt. Dieses stand jedoch nicht auf dem Grundstück des Israelitischen Hospitals, sondern nebenan auf dem ehemaligen Schulgelände des Philanthropin. Trägerin des Hospitals war die Evangelische Gesellschaft zum Betrieb von Wohn-, Alten- und Pflegeheimen gGmbH. Das Hospital wurde 2009 geschlossen, seine Tätigkeit ans Markuskrankenhaus verlagert. Das Gebäude wird seit Ende 2009 als Hospiz genutzt, getragen vom Evangelischen Regionalverband Frankfurt am Main und den Frankfurter Diakonie-Kliniken.

Ebenfalls auf der Nordseite der Straße, zwischen Schützen- und Lange Straße, befindet sich der Neubau der ebenfalls evangelischen Gemeinnützigen Medienhaus GmbH. Hier haben verschiedene Einrichtungen evangelischer Print- und elektronischer Medien ihren Sitz, unter anderem der Evangelische Pressedienst (epd), die Evangelische Sonntags-Zeitung, ein Printverlag, die Rundfunkbeauftragte der EKHN mit den Kirchenredaktionen für den Hessischen Rundfunk und Radio FFH, eine Online-Agentur, ein Medienarchiv und eine Medienschule.

Auf der Südseite steht, zwischen Kurt-Schumacher- und Mainstraße, gegenüber dem Kundenzentrum, das Verwaltungsgebäude der Stadtwerke. Die gesamte angrenzende Straßenfront zwischen Main- und Schützenstraße nimmt das Gebäude der Agentur für Arbeit ein, der Haupteingang befindet sich jedoch auf der anderen Seite, an der Fischerfeldstraße. Im Abschnitt zwischen Schützen- und Lange Straße, wo früher die orthodoxe Schule und Synagoge standen, stehen heute Wohnhäuser der 50er Jahre.

Literatur

  • Hans-Otto Schembs; Magistrat der Stadt Frankfurt am Main (Hrsg.): Der Börneplatz in Frankfurt am Main. Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt 1987, ISBN 3-7829-0344-7.

Weblinks

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