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Psychotherapie

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Psychotherapie (von griechisch ψυχή psychḗ ‚Atem, Hauch, Seele‘ und θεραπεύειν therapeúein ‚pflegen, sorgen‘) ist das gezielte Behandeln einer psychischen Erkrankung, psychischer Folgen körperlicher Erkrankungen oder von Problemen der Lebensführung mit Hilfe verbaler Interventionen auf der Grundlage einer therapeutischen Arbeitsbeziehung. Dabei finden wissenschaftlich-anerkannte Verfahren systematische Verwendung.

Psychologische Verfahren, die nicht die Diagnose und Heilung von psychischen Störungen zum Gegenstand haben, werden dem Bereich der beratenden Psychologie zugeordnet.

Es gibt verschiedene Psychotherapieformen.

Die Verhaltenstherapie beinhaltet Veränderungen der sozialen Umgebung und Interaktion. Das Ziel ist hierbei die Ausbildung und Förderung von Fähigkeiten und die Ermöglichung einer besseren Selbstregulation. Beispielsweise versucht die kognitive Verhaltenstherapie, dem Betroffenen seine Gedanken und Bewertungen verständlich zu machen, diese gegebenenfalls zu korrigieren und in neue Verhaltensweisen umzusetzen.

In der Tiefenpsychologie (z. B. der analytischen Psychotherapie) und in der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie findet eine Auseinandersetzung mit unbewussten, in der Lebensgeschichte, meist in der Kindheit grundgelegten Motivationen und Konflikten statt. Das Ziel ist hierbei, Hintergründe und Ursachen der Leiden zu klären und diese damit aufzulösen oder abzuschwächen.

In Europa ist der Zugang zur Berechtigung zur Ausübung von Psychotherapie unterschiedlich geregelt. In Deutschland sind dazu psychologische und ärztliche Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und in beschränktem Ausmaß auch Heilpraktiker bzw. Heilpraktiker (Psychotherapie) befugt. In Österreich ist die Ausbildung und Berufsberechtigung im Sinne des geltenden Psychotherapiegesetzes weiter geregelt.[1] Insgesamt ist Psychotherapie nur in elf EU-Staaten gesetzlich geregelt.

Psychotherapie: Beschreibung und Abgrenzung

Wissenschaftliche Definitionen

Die Psychotherapieforscher David Orlinsky und Kenneth I. Howard beschrieben in der zweiten Auflage des Handbook of Psychotherapy and Behavior Change aus dem Jahr 1978 Psychotherapie unter folgenden Aspekten:[2]

„Psychotherapy is (1) a relation among persons, engaged in by (2) one or more individuals defined as needing special assistance to (3) improve their functioning as persons, together with (4) one or more individuals defined as able to render such special help.“

„Psychotherapie ist (1) eine Beziehung zwischen Personen; einerseits (2) einem oder mehreren Individuen, die Hilfe dabei benötigen, (3) ihr Funktionieren als Person zu verbessern, und andererseits (4) einem oder mehreren Individuen, die diese spezielle Hilfe zur Verfügung stellen.“


Jerome D. Frank lieferte in seinem vielbeachteten Buch Persuasion and Healing eine kulturübergreifende Definition:[3]

„Attempts to relieve suffering and disability are usually labeled treatment, and every society trains some of its members to apply this form of influence. Treatment typically involves a personal relationship between healer and sufferer. Certain types of therapy rely primarily on the healer’s ability to mobilize healing forces in the sufferer by psychological means. These forms of treatment may be generically termed psychotherapy.“

„Versuche, Leiden und Behinderung zu vermindern werden gewöhnlich Behandlung genannt, und jede Gesellschaft bildet einige ihrer Mitglieder aus, diese spezielle Form der Einflussnahme auszuüben. Behandlung umfasst üblicherweise eine persönliche Beziehung zwischen Heiler und Leidendem. Bestimmte Arten von Therapie beruhen primär auf der Fähigkeit des Heilers, heilende Kräfte im Leidenden mit psychologischen Mitteln zu mobilisieren. Diese Form der Behandlung wird gewöhnlich Psychotherapie genannt.“


Orlinsky et al. ergänzen in der fünften Auflage des Handbook of Psychotherapy and Behavior Change (2004), dass Psychotherapie in der heutigen Zeit auch umfasst bzw. umfassen kann:

  • eine Form von Förder- oder weiterführendem Unterricht in Bezug auf sozial-emotionales Funktionieren
  • eine nicht-gewalttätige Form der sozialen Kontrolle von abweichendem Verhalten
  • eine Vermittlung von sinnhafter persönlicher Orientierung und Lebensphilosophie (oder „spiritueller“ Entwicklung).

Aus einem anderen Blickwinkel könne Psychotherapie als eine Verfeinerung und Professionalisierung persönlicher helferischer Fertigkeiten gesehen werden, die dann gesucht wird, wenn das soziale Netzwerk des Individuums versagt (z. B. in einer Krise) oder kaum noch vorhanden ist (in sich schnell verändernden und hochmobilen Gesellschaften), oder wenn das nötige Ausmaß an „therapeutischer“ Kompetenz das in normalen sozialen Netzwerken übliche Niveau überschreitet. Diese Form der persönlichen Hilfe wird in modernen städtischen Gesellschaften angeboten als

  • professionelles Angebot
  • von Personen, deren Fachkunde in helferischen Fähigkeiten formal anerkannt wurde durch Ausbildungsinstitute, Lizenzierung und Reputation,
  • gegenüber Personen, deren Probleme die psychische Gesundheit im engeren Sinne betreffen.[4]

Eine weitere Definition stammt aus dem Jahre 1978 vom Wiener Psychotherapeuten Hans Strotzka:

„Psychotherapie ist ein bewusster und geplanter interaktioneller Prozess zur Beeinflussung von Verhaltensstörungen und Leidenszuständen, die in einem Konsensus (möglichst zwischen Patient, Therapeut und Bezugsgruppe) für behandlungsbedürftig gehalten werden, mit psychologischen Mitteln (durch Kommunikation) meist verbal aber auch averbal, in Richtung auf ein definiertes, nach Möglichkeit gemeinsam erarbeitetes Ziel (Symptomminimalisierung und/oder Strukturänderung der Persönlichkeit) mittels lehrbarer Techniken auf der Basis einer Theorie des normalen und pathologischen Verhaltens.“

Hans Strotzka (Hrsg.): Psychotherapie. München 1978, 2. Auflage, S. 4

Die Apologeten der emotionalen Intelligenz, z. B. Daniel Goleman, verstehen Psychotherapie als systematisches Neuerlernen von Gefühlsreaktionen.[5]

Allgemeine Modelle zur Psychotherapie und ihrer Wirkungsweise

Unspezifische Wirkfaktoren nach J. Frank

Jerome D. Frank beschrieb 1961[6] vier Faktoren des psychotherapeutischen Geschehens, die seiner Meinung nach schulenübergreifend wirksam sind:[7][8]

  • Eine Beziehung zwischen Therapeut und Patient, in welcher der Patient den Therapeuten als kompetent und bereit zur Hilfe erlebt.
  • Die Besonderheit der therapeutischen Situation als Ort der Heilung (mit Insignien wie der professionellen Akkreditierung des Therapeuten, Couch etc.) und die damit zusammenhängenden Heilungserwartungen.
  • Die Vermittlung einer Erklärung (Attribution) für die Probleme des Patienten und wie man diesen abhelfen kann.
  • Die Durchführung eines therapeutischen Rituals (Aktivität, bei der davon ausgegangen wird, dass sie die Heilung bewirkt).

Nach Frank geht es dabei vor allem um eine Remoralisierung des Patienten, der durch die Symptome demoralisiert wurde und daher Hilfe sucht.[9]

Allgemeine Therapiefaktoren nach Orlinsky und Howard

In ihrem (erstmals 1986 veröffentlichten und seitdem überarbeiteten) „Generic Model of Psychotherapy“ beschrieben David Orlinsky und Kenneth I. Howard allgemeine (schulenübergreifende) Prozessvariablen, die sich auf das Therapieergebnis auswirken:[10]

  • Die formale Beziehung („therapeutic contract“, organisatorischer Aspekt)
  • Therapeutische Aktivitäten („therapeutic operations“, technischer Aspekt)
  • Therapeutische Beziehung („therapeutic bond“, interpersoneller Aspekt)
  • Selbstbezogenheit („self-relatedness“, intrapersoneller Aspekt)
  • unmittelbare Einflüsse der Sitzung („in-session impacts“, klinischer Aspekt)
  • zeitliche Muster („temporal patterns“, sequentieller Aspekt, zeitliche Abfolge)

Wirkfaktoren nach Grawe

Nach Klaus Grawe[11] lassen sich – über die Therapieschulen hinweg – folgende grundlegende Wirkfaktoren der Psychotherapie nachweisen:

  1. Therapeutische Beziehung: Die Qualität der Beziehung zwischen dem Psychotherapeuten und dem Patienten/ Klienten trägt signifikant zu einem besseren oder schlechteren Therapieergebnis bei. siehe auch Reparenting
  2. Ressourcenaktivierung: Die Eigenarten, die die Patienten in die Therapie mitbringen, werden als positive Ressource für das therapeutische Vorgehen genutzt. Das betrifft vorhandene motivationale Bereitschaften, Fähigkeiten und Interessen der Patienten.
  3. Problemaktualisierung: Die Probleme, die in der Therapie verändert werden sollen, werden unmittelbar erfahrbar. Das kann z. B. dadurch geschehen, dass Therapeut und Klient reale Situationen aufsuchen, in denen die Probleme auftreten, oder dass sie durch besondere therapeutische Techniken wie intensives Erzählen, Imaginationsübungen, Rollenspiele o. ä. die Probleme erlebnismäßig aktualisieren.
  4. Motivationale Klärung: Die Therapie fördert mit geeigneten Maßnahmen, dass der Patient ein klareres Bewusstsein der Determinanten (Ursprünge, Hintergründe, aufrechterhaltende Faktoren) seines problematischen Erlebens und Verhaltens gewinnt.
  5. Problembewältigung: Die Behandlung unterstützt den Patienten mit bewährten problemspezifischen Maßnahmen (direkt oder indirekt) darin, positive Bewältigungserfahrungen im Umgang mit seinen Problemen zu machen.

Abgrenzung von anderen professionellen Beziehungen

Das psychotherapeutische Setting wird wegen seiner juristischen und theoretischen Rahmenbedingungen von anderen Formen der professionellen (Arbeits-) Beziehung formal deutlich unterschieden, jedoch gibt es in den einzelnen Staaten oft andere Definitionen. In Deutschland grenzt das Psychotherapeutengesetz Psychotherapie von nichtheilkundlichen psychologischen Interventionen klar ab. So gilt als Psychotherapie jede psychologische "Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert" mittels "wissenschaftlich anerkannter Verfahren"[12]. Hingegen gehören "psychologische Tätigkeiten, die die Aufarbeitung und Überwindung sozialer Konflikte oder sonstige Zwecke außerhalb der Heilkunde zum Gegenstand haben" nicht zur Psychotherapie[13]. So sind in Deutschland z. B. Beratungsgespräche mit Lehrern, Sozialarbeitern, und auch Seelsorgegespräche keine Psychotherapie. Deutlich unterscheidet sich auch das Coaching von der Psychotherapie.

Methodisch überschneiden sich Therapie, Beratung, Seelsorge, Selbsterfahrung oft bis in Kernbereiche. Allerdings ist in Deutschland gemäß Psychotherapeutengesetz und Psychotherapierichtlinien das Ziel der Psychotherapie klar als Diagnose und Heilung von psychischen Störungen definiert, während nichtheilkundliche psychologische Verfahren ausschließlich die Klärung bei allgemeinen Lebensproblemen und die Lösung sozialer Konflikte zum Ziel haben.[14] Auf dem Kontinuum zwischen der „Behandlung von Krankhaftem“ bis zur „Entwicklung von Ressourcen“ ist Psychotherapie nur unbefriedigend abzugrenzen. Verschiedene Therapie-Richtungen integrieren zusätzlich zu Psychischem auch Spiritualität, Soziales, Politisches, etc.

Formal handelt es sich nach deutschem Recht[15] nicht um Psychotherapie, sondern um beratende Psychologie oder andere Methoden,

  • wenn keine Störungen oder Krankheiten beeinflusst werden sollen;
  • wenn es sich um Selbsthilfegruppen, Selbsterfahrungsgruppen, Supervisionen, Trainings- oder Coachinggruppen sowie allgemeine Lebensberatung handelt;
  • wenn die Prinzipien von Diagnose und Heilung nicht angewandt werden;
  • wenn keine wissenschaftliche Theorie oder überprüfbare Anschauungen zugrunde liegen,
    sondern die „Behandlung“ sich ausschließlich auf die persönlich gewonnenen oder in einer bestimmten Gruppe tradierten Erfahrungen stützt;
  • wenn keine (schriftliche oder mündliche) Vereinbarung zu einer Psychotherapie vorliegt;
  • wenn Ziele eines Therapieprozesses nicht festgelegt werden oder diese Ziele nicht offen besprochen werden;
  • wenn ausschließlich Behandlungen mit Medikamenten erfolgen;
  • wenn keine persönliche Interaktion zwischen dem Patienten oder Klienten und dem Berater bzw. Therapeuten vorliegt (wenn z. B. „therapeutische Mitteilungen“ ausschließlich in der Form von Rundbriefen, Audio- oder Videokassetten etc. verbreitet werden);
  • wenn lediglich die charismatische Persönlichkeit des Behandelnden als Wirkung eingesetzt wird und keine Heilung versprochen wird.

Psychotherapieverfahren

Es gibt eine Vielzahl von Schulen und Methoden der Psychotherapie, von denen einige nur noch historisch bedeutsam sind, aber kaum noch angewandt werden. Bei vielen Methoden handelt es sich um Weiterentwicklungen, Spezialisierungen oder Abspaltungen. Nicht alle Ansätze nehmen in Anspruch, zur Heilung psychischer Störungen beitragen zu können. Einige Methoden wurden nicht für die Psychotherapie konzipiert, sondern für Beratung oder als Selbsterfahrungstechnik. Die Rolle der einzelnen Methoden im Gesundheitswesen der deutschsprachigen Länder ist sehr unterschiedlich.

Richtung Methode Gründer Deutschland Österreich Schweiz
analytisch Psychoanalyse Sigmund Freud Symbol OK.svg Symbol OK.svg Symbol OK.svg
Individualpsychologie Alfred Adler Symbol OK.svg Symbol OK.svg Symbol OK.svg
Analytische Psychologie C. G. Jung Symbol OK.svg Symbol OK.svg Symbol OK.svg
Gruppenpsychoanalyse Pratt, Burrow, Schilder Symbol OK.svg Symbol OK.svg Symbol OK.svg
tiefenpsychologisch Autogene Psychotherapie Johannes Heinrich Schultz Symbol OK.svg
Daseinsanalyse Ludwig Binswanger Symbol OK.svg Symbol OK.svg
Dynamische Gruppenpsychotherapie Raoul Schindler Symbol OK.svg Symbol OK.svg
Hypnosepsychotherapie Milton Erickson (1) Symbol OK.svg Symbol OK.svg
Katathym-Imaginative Psychotherapie Hanscarl Leuner Symbol OK.svg Symbol OK.svg Symbol OK.svg
Konzentrative Bewegungstherapie Gindler, Stolze, Cserny Symbol OK.svg
Transaktionsanalyse Eric Berne Symbol OK.svg Symbol OK.svg
humanistisch Existenzanalyse und Logotherapie Viktor Frankl Symbol OK.svg Symbol OK.svg
Gestalttherapie Perls, Perls, Goodman Symbol OK.svg Symbol OK.svg
Gesprächspsychotherapie[16] Carl R. Rogers (2) Symbol OK.svg Symbol OK.svg
Psychodrama Jakob L. Moreno Symbol OK.svg Symbol OK.svg
behavioristisch (klassische) Verhaltenstherapie Thorndike, Watson, Skinner u. a. Symbol OK.svg Symbol OK.svg Symbol OK.svg
kognitiv kognitive Verhaltenstherapie Ellis, Beck, Kanfer, Lazarus u. a. Symbol OK.svg Symbol OK.svg Symbol OK.svg
systemisch Systemische Therapie Satir, Haley, Jackson u. a. (2) Symbol OK.svg Symbol OK.svg
kombinatorisch Integrative Therapie Hilarion Petzold Symbol OK.svg Symbol OK.svg
Gestalttheoretische Psychotherapie Hans-Jürgen Walter Symbol OK.svg
humanistisch Neuro-Linguistische Psychotherapie Schütz, Karber, Jelem u.a. Symbol OK.svg
körperorientiert Bioenergetische Analyse Wilhelm Reich, Alexander Lowen Symbol OK.svg
Biosynthese David Boadella Symbol OK.svg
Körperpsychotherapie verschiedene Schulen Symbol OK.svg
kunstorientiert Kunst- und ausdrucksorientierte Therapien verschiedene Schulen Symbol OK.svg
Musiktherapie verschiedene Schulen Symbol OK.svg Symbol OK.svg
  • (1) Hypnosetherapie: in Deutschland Einzelbehandlung für Erwachsene anerkannt, muss von einem Arzt oder einem Psychologischen Psychotherapeuten, der die Abrechnungsgenehmigung dafür hat, durchgeführt werden
  • (2) Gesprächstherapie und Systemische Therapie: in Deutschland für Erwachsene anerkannt (nach Berufsrecht), wird allerdings von den Kassen noch nicht finanziert (nach Sozialrecht)

In Teilen der akademischen Psychotherapieforschung wird angestrebt Psychologische Therapie / Psychologische Psychotherapie als eine von Therapieschulen losgelöste Psychotherapieform zu etablieren, in der nach Gesichtspunkten der evidenz-basierten Medizin behandelt (und evaluiert) wird. Es wird also das angewendet, was bei einem bestimmten Störungsbild und unter Berücksichtigung der Situation des Patienten wissenschaftlich als am besten wirksam belegt angesehen werden muss (Grawe 1994). Kritiker weisen auf die Komplexität der therapeutischen Situation hin, die von der Forschung bisher nur ansatzweise erfasst wird.[17]

Psychotherapie in der Krankenversorgung

Nicht alle Psychotherapieverfahren sind überall staatlich anerkannt und werden von allen Krankenkassen finanziert. Dahinter stehen berufsständische Interessenskämpfe (zwischen Medizinern, Psychologen und anderen Berufen),[18] sowie die Konkurrenz der Psychotherapie-Schulen untereinander und uneinheitliche Wirksamkeitsuntersuchungen. In der Schweiz und in Österreich ist die methodische Freiheit und Verantwortung des Therapeuten sehr viel weiter gefasst als in Deutschland.

Schweiz

In der Schweiz wird nicht nach Methoden unterschieden. Entscheidend ist die Qualifikation des Therapeuten und der Besitz einer kantonalen Praxisbewilligung. Zugelassen sind psychotherapeutisch ausgebildete Ärzte, die ihrerseits nicht ärztliche Psychotherapeuten (psychotherapeutisch ausgebildete Psychologen, Human- oder Sozialwissenschaftler) anstellen können. Diese Therapien werden von der obligatorischen Grund-Krankenversicherung finanziert. Private Versicherungen unterliegen weniger Beschränkungen, aber setzen eine integrale Ausbildung als Psychotherapeut voraus.[19] Die Zulassung von Therapiemethoden erfolgt durch die Schweizer Charta für Psychotherapie,[20] den Schweizerischen Berufsverband für angewandte Psychologie (SBAP),[21] den Assoziation Schweizer PsychotherapeutInnen (ASP)[22] sowie die Föderation Schweizerischer Psychologen (FSP).[22]

In der Schweiz wird die Krankenkassen-Zulassung von psychotherapeutischen Methoden wie oben dargestellt durch die Schweizer Charta für Psychotherapie, den Schweizer Berufsverband für angewandte Psychologie SBAP, den Assoziation Schweizer PsychotherapeutInnen (ASP) sowie die Föderation Schweizer Psychologen (FSP) organisiert. Eine gültige Methoden-Zulassung erfolgt daher bis heute nach den Aufnahme-Kriterien dieser vier Verbände. Für die Zulassung zur Führung einer Psychotherapie-Praxis (Praxisbewilligung) sind die Kantone zuständig. Ab 2013 wird aber der Bund, mit dem in Kraft tretenden PsyG (2011), zuständig sein.

Österreich

In Österreich besteht keine Beschränkung auf spezifische Quellberufe, wie Arzt oder Psychologe. Es sind auch Krankenpfleger, Soziologen, Publizisten, Ehe- und Familienberater, Pädagogen, Philosophen, Theologen und Sozialarbeiter zur Ausbildung zugelassen. Wer nicht zu diesen Berufsgruppen zählt, kann einen Antrag auf Zulassung beim Bundesministerium für Gesundheit stellen. Entscheidend für die Eintragung als Psychotherapeut ist eine zweistufige Ausbildung, die mindestens fünf Jahre dauert und aus einem allgemeinen Teil, dem Psychotherapeutischen Propädeutikum, und einem Fachspezifikum besteht. Zugelassen sind derzeit 23 Methoden, die in der obenstehenden Tabelle gelistet sind (im Unterschied zu Deutschland werden in Österreich nicht Verfahren – also „Methodenfamilien“ - , sondern einzelne Methoden zugelassen, was manchmal zu Missverständnissen führt).[23][24]

In Österreich ist Psychotherapie sowohl im Ärztegesetz als auch im Psychotherapiegesetz von 1990[1] geregelt. Letzteres legt das Berufsbild des Psychotherapeuten, die Zulassung zur Ausbildung, die Ausbildung selbst, Berufsbezeichnung, Berufspflichten, Listeneintrag, Psychotherapiebeirat sowie Strafbestimmungen und das Verhältnis zu anderen Vorschriften fest.

Die Zulassung zur Ausbildung erfolgt entweder über einen Quellberuf – Ehe- und Familienberatung, Krankenpflege, Medizin, Musiktherapie, Pädagogik, Philosophie, Psychologie, Publizistik, Theologie, Sozialarbeit – oder auf Grund besonderer Eignung nach Antrag beim Bundesministerium für Gesundheit. Die Grundausbildung, das Propädeutikum, dauert etwa zwei Jahre. Erst nach Abschluss des Propädeutikums kann das Fachspezifikum absolviert werden. Es dient der Ausbildung in einer der anerkannten Methoden und dauert mindestens drei Jahre. In Österreich sind derzeit 23 psychotherapeutische Methoden anerkannt.[25]

Seit 2005 wird an der Sigmund Freud Privatuniversität Wien der Studiengang Psychotherapiewissenschaft (Bakkalaureatsstudium: 6 Semester; Magisterstudium: 4 Semester) angeboten. Im Bakkalaureatsstudium kann zwischen den Schwerpunkten „Psychotherapie“ (Vorbereitung für Magisterstudium) und „Psychosoziale Beratung“ (Qualifikation für entsprechende Praxistätigkeit) gewählt werden. Das Magisterstudium der Psychotherapiewissenschaft „baut auf dem Bakkalaureatsstudium auf und soll Theorie, Methodik und Geschichte der Psychotherapie, allgemeine und methodenspezifische Krankheitslehre sowie Diagnosenlehre von Störungsbildern und deren Behandlungskonzepten vertiefen“. Es handelt sich jedoch nicht um eine Ausbildung im Sinne des österreichischen Psychotherapiegesetzes, d. h. zielt grundsätzlich nicht auf die Erlangung der Berufsberechtigung als Psychotherapeut ab.[26]

Auch an der Donau-Universität Krems ist ein Masterstudium Psychotherapie möglich.[27]

Ausschließlich Ärzte können die Berechtigung zur selbständigen Ausübung von Psychotherapie mit dem ÖÄK-Diplom für Psychotherapeutische Medizin erlangen. Dieses Fortbildungsdiplom, auch als PSY3-Diplom bezeichnet, wird von der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) verliehen.[28] Der Zeitaufwand zur Erlangung des PSY3-Diploms beträgt üblicherweise 7 Jahre, weil der Abschluss des PSY1- und PSY2-Diploms Voraussetzung für den Beginn des PSY3-Curriculums ist.

Deutschland

Seit 1967 ist die Psychotherapie Bestandteil der kassenärztlichen Versorgung. Mit dem Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes zum 1. Januar 1999 sind auch psychologische Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten ordentliche und gleichberechtigte Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen für die von Psychotherapeuten durchgeführte Heilbehandlungen ist nur in wenigen anderen Ländern der Welt so klar zugunsten der psychisch kranken Patienten und ihrer Therapeuten geregelt wie in Deutschland.

Im deutschen Gesundheitssystem sind aktuell nur drei Verfahren für die von den gesetzlichen Krankenkassen finanzierte Psychotherapie zugelassen:

  1. Verhaltenstherapie,
  2. Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und
  3. Analytische Psychotherapie

Die Analytische Psychotherapie besteht wiederum aus drei verschiedenen Strömungen:

  1. Psychoanalyse nach Sigmund Freud,
  2. Analytische Psychologie nach Carl Gustav Jung und
  3. Individualpsychologie nach Alfred Adler.

Außerdem können Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung und Hypnose als Einzelbehandlung genehmigt und finanziert werden.

Psychotherapie zu Lasten der Krankenkassen muss in Deutschland von der Kasse genehmigt werden. Zu diesem Zweck muss der Patient einen Kassenantrag stellen. Diesem Antrag muss der Therapeut einen Bericht an den Gutachter beilegen. Von der befürwortenden Stellungnahme des Gutachters hängt es ab, ob die Krankenkasse die Kosten für die Behandlung übernimmt.

Siehe auch

Literatur

Einführung

Nachschlagewerke

Geschichte

  • Klaus Grawe, R. Donati, F. Bernauer: Psychotherapie im Wandel. Hogrefe, Göttingen 1994.
  • Regine Lockot: Erinnern und Durcharbeiten. Fischer, Frankfurt 1985. Nachdruck vom Psychosozial-Verlag, Gießen 2003, ISBN 3-89806-171-X.
  • Henri Ellenberger: Die Entdeckung des Unbewußten. Diogenes, Stuttgart 2005, ISBN 3-257-06503-5.

Kritik

Periodika

  • psycho–logik. Jahrbuch für Psychotherapie, Philosophie und Kultur. Hrsg. Rolf Kühn und Karl Heinz Witte. Alber, Freiburg, München 2008 ff., ISSN 1861-41832(?!?!).

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Österreichisches Psychotherapiegesetz von 1990
  2. David E. Orlinsky, Kenneth I. Howard: The relation of process to outcome in psychotherapy. In: S. L. Garfield & A.E. Bergin (Hrsg.): Handbook of psychotherapy and behavior change. 2. Auflage 1978, New York: John Wiley & Sons.
  3. J. D. Frank, J. B. Frank: Persuasion and Healing: A Comparative Study of Psychotherapy. 3. Aufl. 1991, Baltimore, MD: Johns Hopkins University Press.
  4. David E. Orlinsky, Michael Helge Ronnestad, Ulrike Willutzki: Fifty Years of Psychotherapy Process-Outcome Research: Continuity and Change. In: Michael J. Lambert (Hrsg.): Bergin and Garfield’s Handbook of Psychotherapy and Behavior Change. 5. Auflage. Wiley, New York 2004, S. 307–389.
  5. Daniel Goleman: Emotional Intelligence. Why It Can Matter More Than IQ. 1 Auflage. Bantam, New York 1995, ISBN 0-553-09503-X., S. 225
  6. Jerome D. Frank: Persuasion and Healing. A Comparative Study of Psychotherapy. Oxford, England: Johns Hopkins Univer. Press, 1961.
  7. Dirk Revenstorf: Psychotherapeutische Verfahren. Band 1, 2. Auf. 1994, Stuttgart: Kohlhammer, S. 50-52, ISBN 3-17-011628-2
  8. Alfred Pritz: Einhundert Meisterwerke der Psychotherapie. Ein Literaturführer., Springer-Verlag, 2008, S. 62 f. (SpringerLink, abgerufen am 19. August 2011)
  9. Jerome D. Frank: Psychotherapy – the transformation of meanings: A discussion paper. In: Journal of the Royal Society of Medicine, Vol 79, 1986, S. 341-346. (pdf; 1,3 MB)
  10. Michael J. Lambert (Hrsg.): Bergin and Garfield’s Handbook of Psychotherapy and Behavior Change. 5. Auflage. John Wiley & Sons, New York NY 2004, ISBN 0-471-37755-4, S. 316 ff.
  11. Grawe, Klaus: Empirisch validierte Wirkfaktoren statt Therapiemethoden. In: Report Psychologie 7/8 2005. S. 311.
  12. Psychotherapeutengesetz der Bundesrepublik Deutschland, §1, Abs. 3, Sätze 1,2 - http://www.gesetze-im-internet.de/psychthg/__1.html
  13. Psychotherapeutengesetz der Bundesrepublik Deutschland, §1, Abs. 3, Satz 3 - http://www.gesetze-im-internet.de/psychthg/__1.html
  14. Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Durchführung der Psychotherapie. In der Fassung vom 19. Februar 2009 veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 58 (S. 1399) vom 17. April 2009 in Kraft getreten am 18. April 2009 zuletzt geändert am 14. April 2011 veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 100 (S. 2424) vom 7. Juli 2011, in Kraft getreten am 8. Juli 2011 - http://www.g-ba.de/downloads/62-492-544/PT-RL_2011-04-14.pdf
  15. siehe Psychotherapeutengesetz § 1 Absatz 3
  16. Wird in Österreich als Klientenzentrierte Psychotherapie oder als Personenzentrierte Psychotherapie bezeichnet
  17. David Orlinsky: Comments on the State of Psychotherapy Research (As I See It). In: NASPR Newsletter, January 2006 (PDF; 2,2 MB), Abgerufen am 5. März 2010.
  18. Franz-Josef Hücker: Das Dodo-Verdikt und die psychotherapeutische Versorgung. EAP-Tagung zur Zukunft der deutschen Psychotherapie in Europa. In: Sozial Extra 9/10 2013, 37. Jg. (VS Verlag, Springer Fachmedien DE, Wiesbaden), S. 6-9.
  19. Bundesamt für Gesundheit
  20. http://www.psychotherapiecharta.ch
  21. http://www.sbap.ch
  22. 22,0 22,1 http://www.psychotherapie.ch
  23. Das Bundesministerium unterscheidet bei der Existenzanalyse und bei Gesprächspsychotherapie zusätzlich – je nach Anbieter der Ausbildung – zwei verschiedene Unterrichtungen, die in der Tabelle nicht angeführt werden. In Österreich anerkannte Psychotherapiemethoden
  24. Bescheid des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen vom 10. Januar 2007, Geschäftszahl BMGF-93500/0002–1/7/2007.
  25. In Österreich anerkannte Psychotherapiemethoden
  26. Bundesministerium für Gesundheit (Österreich): Informationen zu Anfragen im Zusammenhang mit dem Studium an der Sigmund Freud Privatuniversität Wien (SFU) (PDF)
  27. http://www.donau-uni.ac.at/de/studium/integrativetherapie/index.php
  28. Österreichische Gesellschaft für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin, ÖGPPM
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