Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzy­klo­pädie zum Judentum.

Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ...

Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten)

How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida

Psychischer Defekt

Aus Jewiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Ein psychischer Defekt oder eine kürzer nur Defekt genannte krankhafte Störung ist in der psychiatrischen Fachsprache durch Ausfall und unwiederbringlichen Verlust von früher vorhandenen komplexen seelischen Qualitäten gekennzeichnet, so wie z. B. Verlust intellektueller Fähigkeiten, Reichhaltigkeit des Gefühlslebens, moralischer Qualitäten oder der Individualität. Insbesondere wird von einem „Defekt“ bei chronischem Verlauf schwerer psychischer Krankheiten gesprochen, die einen irreversiblen Abbau von psychischen Fähigkeiten mit sich führen. In diesem Sinne wird z. B. der Begriff Defektschizophenie gebraucht.[1]

Kontroversen der Begriffsbildung

Die kontroverse Verwendung des Begriffs „Defekt“ geht auf die Geschichte der Psychiatrie und auf die Einschätzung chronischer psychischer Krankheiten als unheilbare Störungen zurück. Dies trifft insbesondere auf die Gruppe der früher so genannten endogenen Psychosen zu. Damit sei nach Auffassung der Gegner des Begriffs eine abwertende Haltung gegenüber dem betroffenen Patienten verbunden. Der Begriff führe zum therapeutischen Nihilismus, der somit auch beigetragen habe zur politisch unheilvollen Entwicklung im Zusammenhang des Euthanasieprogrammms.[2] Die Gegner der Verwendung des Begriffs „Defekt“ nehmen an, dass die Begriffsbildung von einseitig mechanistischen oder bloß organischen Vorstellungen ausgeht und das Seelenleben einseitig als Auswirkung eines apparativen Geschehens aufgefasst wird, siehe auch → Maschinenparadigma. Diese Tendenz wurde bereits durch den Vitalismus oder speziell durch die Schule von Montpellier kritisiert und kann sich daher auf eine lange Tradition berufen. Gegen den einseitig mechanistischen Gebrauch von Vorstellungen, die sich auf das Seelenleben beziehen, hatte sich schon Georg Ernst Stahl (1659-1734) verwahrt.[3][4] Durch die oft unreflektierte Verwendung des Begriffs bleibt die Frage offen, ob es sich um einen schweren und irreversiblen körperlichen Defekt oder nur um eine leichte funktionelle Störung von eher psychogener Art handelt. Oft wird nämlich hier stillschweigend eine Negativbedeutung unterstellt. Gerade hier hat die Psychiatrie aber eine Reihe von Konzepten entwickelt, die es zu unterscheiden gilt, so in erster Linie die unterschiedlichen psychodynamischen Konzepte. Diese gehen zwar z.T. auch von einem psychischen Apparat aus, verwenden jedoch nicht ausschließlich physikalische Begriffe, sondern setzen einen seelischen Innenraum voraus, der u. a. das Unbewusste enthält. Der Psychodynamismus vermeidet und neutralisiert die Kontroversen über die Natur der seelischen Kräfte, da hier nur von Kräften ganz allgemein und nicht speziell von Kräften im physikalischen oder geistigen Sinne gesprochen wird.[5]

Begriffliches Umfeld

Der Begriff des psychischen Defekts bedeutet nicht nur eine bestimmte Form der psychischen Störung, sondern umfasst auch die damit verbundene Symptomatik. So wird auch von Defizienzsymptomatik im Rahmen der Diagnostik der Schizophrenie gesprochen. Defizienzsymptomatik wird auch als Minussymptomatik bezeichnet und von der Plussymptomatik unterschieden.[1]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Uwe Henrik Peters: Wörterbuch der Psychiatrie und medizinischen Psychologie. 3. Auflage. Urban & Schwarzenberg, München 1984; (a) zu Wb.-Lemma: Defekt: S. 106; (b) zu Wb.-Lemmata: Minussymptomatik: S. 352 und Plussymptomatik: S. 417
  2. Thomas Bock, Dorothea Buck, Ingeborg Esterer: Es ist normal, verschieden zu sein. 2. Auflage. Psychiatrie, Bonn 2000, ISBN 3-88414-206-2, S. 12.
  3. Erwin H. Ackerknecht: Kurze Geschichte der Psychiatrie. 3. Auflage. Enke, Stuttgart 1985, ISBN 3-432-80043-6, S. 36
  4. Klaus Dörner: Bürger und Irre. Zur Sozialgeschichte und Wissenschaftssoziologie der Psychiatrie. Fischer, Frankfurt am Main 1975, ISBN 3-436-02101-6, S. 121 ff.
  5. Stavros Mentzos: Psychodynamische Modelle in der Psychiatrie. 2. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1992, ISBN 3-525-45727-8, S. 13, 29 ff.

Weblink

 Wikiversity: Psychogenese versus Somatogenese – Kursmaterialien, Forschungsprojekte und wissenschaftlicher Austausch
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Psychischer Defekt aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.