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Prinzipal-Agent-Theorie

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Grundidee der Prinzipal-Agenten-Theorie (P: Prinzipal, A: Agent). Beide unterliegen dem Nutzenmaximierungskalkül.

Die Prinzipal-Agenten-Theorie, auch Prinzipal-Agent-Theorie beziehungsweise Agenturtheorie (teils auch Prinzipal-Agenten-Modell genannt) ist ein aus der Wirtschaftswissenschaft kommendes Modell der Neuen Institutionenökonomik. Diese Theorie ist aber auch in den Sozialwissenschaften Soziologie und Politikwissenschaft etabliert. Die Bezeichnung Prinzipal-Agent-Theorie leitet sich von der englischen Originalbezeichnung principal-agent theory und dem entsprechenden principal-agent problem ab. Das der Prinzipal-Agententheorie zugrundeliegende Problem wird als das Prinzipal-Agenten-Problem oder Prinzipal-Agenten-Dilemma bezeichnet.

Dabei bezeichnet Prinzipal den Auftraggeber und Agent den Beauftragten. Letzterer besitzt dabei normalerweise einen Wissensvorsprung (Informationsasymmetrie), der in unterschiedlicher Weise entweder zu Gunsten oder Ungunsten des Prinzipals eingesetzt werden kann. Des Weiteren wird davon ausgegangen, dass die Interessen von Prinzipal und Agent nicht deckungsgleich sind. Die Theorie bietet ein Modell, um das Handeln von Menschen in einer Hierarchie zu erklären. Zudem trifft sie generelle Aussagen zur Gestaltung von Verträgen.

Geschichte

Die Theorie wurde zuerst in einem Aufsatz von Michael Jensen und William Meckling im Jahre 1976 erörtert. Ihre Grundzüge gehen auf die Theorie unvollständiger Verträge zurück, die unter anderem Ronald Coase begründete.

Annahmen

Die Prinzipal-Agenten-Theorie geht von Wirtschaftssubjekten aus, die in ihrer Entscheidungsfindung eingeschränkt sind, etwa durch asymmetrische Informationsverteilung. Sie verfügen nur über unvollständige Informationen, wenn sie das Handeln anderer beurteilen sollen.

Ferner wird den Beteiligten Opportunismus unterstellt. In einer weiten Definition liegt eine Prinzipal-Agenten-Beziehung vor, sobald das Wohlergehen einer Partei (Prinzipal) von den Handlungen einer anderen Partei (Agent) abhängig ist.[1] Nach enger Definition gibt es einen Auftraggeber (Prinzipal), der einen Auftragnehmer (Agent) im gegenseitigen Einvernehmen gegen Entlohnung mit einer Aufgabe betraut. Da die beiden unterschiedliche Ziele verfolgen können, kann es zu Konflikten kommen.

Zudem werden Risikoneigungen berücksichtigt: Prinzipiell ist auf beiden Seiten Risikoneutralität, Risikoaversion oder Risikofreude möglich. Dies hängt von den Charaktereigenschaften und der jeweiligen Situation der Akteure ab.

Der Prinzipal beauftragt den Agenten in der Hoffnung, dass dieser seine Aufgabe im Sinne des Prinzipals erledigt. Er kann jedoch das Engagement und/oder die Qualitäten seines Agenten nur mit Einschränkungen erkennen und sieht – wenn überhaupt – nur das Ergebnis von dessen Bemühungen. Demgegenüber hat der Agent einen Informationsvorsprung, da er die eigene Qualität besser kennt und das eigene Verhalten selbst festlegen und entsprechend gut beurteilen kann. Er wird diese Informationsasymmetrie zu Ungunsten des Prinzipals ausnutzen, wenn dies seinen eigenen Zwecken dienlich ist (Moralisches Risiko und Drückebergerei).

Auftretende Probleme

Überblick

Verschiedene Problemtypen können Störungen in der Beziehung zwischen Prinzipal und Agent auslösen. Deren Beseitigung lässt Agenturkosten entstehen. Diese setzen sich zusammen aus den Kosten für Signaling, Screening und dem verbleibenden Wohlfahrtsverlust zwischen bestmöglicher und bestehender Lösung. Diese Agenturkosten dürfen den bestehenden Wohlfahrtsverlust nicht überbieten, sonst wäre das Handeln der Parteien als ineffizient einzustufen. Die zwischen Prinzipal und Agent auftretenden Probleme lassen sich grob in Adverse Selektion, Moralisches Risiko und Hold-up kategorisieren.

Verborgene Eigenschaften

Ein erstes Problemfeld betrifft verborgene Eigenschaften (engl. hidden characteristics) und das daraus resultierende Risiko der adversen Selektion. Vor Vertragsabschluss (ex ante) ist der Agent dem Prinzipal unter Umständen relativ unbekannt. Der Prinzipal könnte aufgrund der fehlenden Kenntnis der Eigenschaften den falschen Bewerber als Agent gewählt haben. Um dem zu entgehen, muss der Agent eindeutige Signale senden, die von keinem schlechteren Mitbewerber imitiert werden können („Signaling“). Diese Signale sollen die Vertrauenswürdigkeit, Leistungsfähigkeit, Zugehörigkeit zu einem bestimmten Marktsegment, zu einer Subkultur mit gemeinsam geteilten Werten oder einer bestimmten Statusgruppe belegen. Signaling-Strategien sind oft aufwändig, ressourcenintensiv oder sogar verschwenderisch und damit scheinbar ökonomisch irrational. Dieses Verhalten kann jedoch unter den Bedingungen unvollständiger Information über den Markt, seine Akteure und deren Fähigkeiten mit den dadurch erreichbaren Vorteilen erklärt werden, z. B. mit der Reduzierung von Suchzeiten und -aufwand bei der Auswahl von Mitarbeitern.[2] Dazu dienen etwa Zertifikate.[3] Auch der Prinzipal kann dieses Informationsdefizit beheben, indem er ein sogenanntes „Screening“ durchführt (z. B. durch Auswahl in einem Assessment-Center).[4] Er selbst muss auch entsprechende Signale senden, um seine Attraktivität als Arbeitgeber darzustellen.

Eine weitere Lösung des Problems ergibt sich durch „Selbstselektion“, indem er dem Agenten mehrere Kontrakte vorlegt, zwischen denen der Agent aussuchen darf. Aus der vom Agenten getroffenen Auswahl kann der Prinzipal einen Schluss über mögliche Strategien des Agenten ziehen.

Umgekehrt kann ein eigentlicher Agent an einen Prinzipal mit verborgenen Eigenschaften geraten. Ein Beispiel wäre die Beziehung zwischen einem Arbeitnehmer und einem Bauunternehmer, der ausländische Arbeiter nicht oder unvollständig entlohnt. In diesem Fall entsteht eine doppelte, gegeneinander gerichtete Prinzipal-Agent-Beziehung. Hinsichtlich der Art seiner Arbeit ist der Bauarbeiter ein Agent gegenüber dem Bauunternehmer (Prinzipal). Betrachtet man jedoch die Zahlungsverpflichtungen des Bauunternehmers, so ist dieser ein Agent gegenüber dem ausländischen Arbeiter. Der Bauunternehmer könnte dem ausländischen Bauarbeiter beispielsweise Informationen über den Anspruch auf einen Mindestlohn vorenthalten oder ihn anderweitig um seine ihm zustehende Bezahlung betrügen.

Verborgenes Handeln und verborgene Informationen

Bei den Problemtypen verborgenes Handeln (hidden action) und verborgene Information (hidden information) hingegen treten die Informationsasymmetrien erst ex post, also nach Vertragsabschluss und während der Vertragserfüllung auf. Hidden Action bedeutet, dass der Agent diskretionäre Spielräume hat, da der Prinzipal seine Handlungen nicht (vollständig) beobachten kann. Hidden Information liegt dagegen vor, wenn der Prinzipal zwar die Handlungen beobachten, deren Qualität aber (z. B. aufgrund mangelnder Fachkenntnis) nicht einschätzen kann.

In beiden Fällen besteht ein Moralisches Risiko. Das Problem gründet sich darin, dass der Prinzipal auch ex post nicht beurteilen kann, ob das Ergebnis durch qualifizierte Anstrengungen des Agenten erreicht wurde oder ob (beziehungsweise wie sehr) die Umweltzustände das Ergebnis beeinflusst haben.

Verborgene Absicht

Selbst wenn der Prinzipal Möglichkeiten hat, das Handeln des Agenten zu beobachten, also wenn kein verborgenes Handeln oder verborgene Information vorliegen, kann es in bestimmten Fällen immer noch zu Problemen dadurch kommen, dass der Prinzipal ex ante die Absichten des Agenten nicht kennt. Dies wird als verborgene Absicht (hidden intention) bezeichnet. In der Folge kann ein Hold-up-Problem auftreten.

Bei Austauschgütern können nur verborgene Eigenschaften ein Problem sein, bei Kontraktgütern dagegen stellen verborgene Information und verborgenes Handeln eine potenzielle Gefahr dar.

Optimierung bei asymmetrischen Informationen

Die Prinzipal-Agent-Theorie geht von asymmetrischen Informationen aus. Daher ist die beste Lösung, die im Falle symmetrischer Informationen theoretisch denkbar wäre, nicht gegeben. Geht man somit von asymmetrischen Informationen aus und werden die Informationsmängel nicht korrigiert, so kann nur eine drittbeste Lösung erreicht werden. Ziel muss es daher sein, bei den gegebenen Informationsmängeln dennoch wenigstens eine zweitbeste Lösung zu erzielen. Hierfür müssen jedoch Agenturkosten aufgebracht werden.

Lösungsmechanismen

Man versucht das Prinzipal-Agenten-Problem durch folgende Mechanismen abzuschwächen oder gar zu beheben:

Wirkungsvoll sind besonders Systeme, die dem Agenten einen Anreiz zum korrekten Verhalten geben. Durch eine erfolgsabhängige Entlohnung werden die Ziele des Agenten den Zielen des Prinzipals angeglichen. Dabei unterscheidet man mehrere Anreizsysteme:

  • Das „Alles-oder-nichts-Prinzip“, wobei der Agent nur für ein spezielles Ergebnis entlohnt wird
  • Pacht, wobei der Agent einen Fixbetrag an den Prinzipal abgibt und ggf. einen Überschuss behalten darf
  • Fixlohn, wobei der Agent unabhängig vom Ergebnis entlohnt wird (kein Anreiz)
  • Share Cropping, wobei der Gewinn zwischen Prinzipal und Agenten proportional geteilt wird.

Jedes der Systeme hat seine Stärken und Schwächen in Bezug auf Risiko-Verteilung, Anreizintensität und Steuerungswirkung.

Eine Unternehmenskultur kann zur Reduktion der Agenturkosten führen. Gemeinsamkeiten in Präferenzen, Werten, Zielen und Kompetenzen minimieren Koordinationskosten. Dies erleichtert gegenseitige Abstimmung und Lernen. Die Effizienzaspekte dominieren, sie werden jedoch von der homogenen Kultur untergraben: Längerfristige Beziehungen rufen oft bei homogenen Kulturen transaktionsspezifische Investitionen hervor, die Abhängigkeiten erhöhen und es erlauben, die Schwächeren auszunutzen und sich opportunistisch zu verhalten.

Reputation lässt sich als spezifisches Kapital deuten, das es zu verteidigen gilt, je mehr Möglichkeiten zum Opportunismus bestehen. Eine gute Reputation senkt den Anreiz zum opportunistischen Verhalten und aus diesem Grund verringert sie Informations- und Verhandlungskosten (ex ante).

Anwendung

Ein Beispiel ist das Arbeitsverhältnis, in dem der Arbeitnehmer (Agent) besser weiß, mit welchem Einsatz er für seinen Arbeitgeber (Prinzipal) arbeitet. Die Prinzipal-Agent-Theorie versucht Auswege aus diesen Konflikten zu finden, um den wirtschaftlichen Gesamtnutzen aller Beteiligten zu maximieren. Im Beispiel des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber also entweder die Arbeit des Angestellten überwachen oder ihn erfolgsabhängig entlohnen, um den Interessenkonflikt der Vertragspartner zu entschärfen (interest alignment). Eine weitere Alternative wäre, bei Vertragsverletzung mit dem Verlust der Arbeit zu drohen. Bauunternehmer werden oft über eine Schuldverschreibung an die vertraglichen Vereinbarungen gebunden.

Wissenschaftliche Bedeutung

Bitte Belege für diesen Artikel bzw. den nachfolgenden Abschnitt nachreichen!

Die Prinzipal-Agent-Theorie zählt heute neben der Transaktionskostentheorie, der Theorie der Verfügungsrechte und der Ressourcentheorie zu den führenden Erklärungsansätzen, die in der Wirtschaftswissenschaft diskutiert und angewendet werden.

Literatur

  • Adem Alparslan: Strukturalistische Prinzipal-Agent-Theorie. ISBN 3-8350-0409-3.
  • Helmut Dietl, Remco van der Velden: Ungenaue Leistungsmessung und leistungsabhängige Entlohnung in einem Multitasking-Principal Agent-Modell. In: WiST, Heft 6, 2003, S. 318–321.
  • Mark Ebers und Winfried Gotsch: Institutionenökonomische Theorien der Organisation. In: Alfred Kieser (Hrsg.): Organisationstheorien. 1999, S. 199–251.
  • Kathleen M. Eisenhardt: Agency theory. An assessment and review. In: Academy of Management Review. Band 14, 1989, Nr. 1, S. 57–74.
  • Sanford J. Grossman, Oliver Hart: An Analysis of the Principal Agent Problem. In: Econometrica. Band 51, Nr. 1, Januar 1983, S. 7–46.
  • Bengt Holmström: Moral Hazard and Observability. In: The Bell Journal of Economics. Band 10, Nr. 1, Spring 1979, S. 74–91.
  • Michael Jensen, William Meckling: Theory of the firm. Managerial behavior, agency costs, and ownership structure. In: Journal of Financial Economics. Band 3, 1976, Nr. 4, S. 305–360.
  • Harald Meinhövel: Defizite der Principal-Agent-Theorie. Eul-Verlag, Bergisch Gladbach 1999.
  • Christian Müller: Agency-Theorie und Informationsgehalt. Der Beitrag des normativen Prinzipal-Agenten-Ansatzes zum Erkenntnisfortschritt in der Betriebswirtschaftslehre. In: Die Betriebswirtschaft, Band 55, 1995, Nr. 1, S. 61–76.
  • Arnold Picot: Die grenzenlose Unternehmung. Gabler Verlag, Wiesbaden 2003.
  • Arnold Picot, Helmut Dietl, Egon Franck, Marina Fiedler, Susanne Royer: Organisation, 6.A., Schaeffer Poeschel Verlag, 2012.
  • Ekkehard Wenger, Eva Terberger: Die Beziehung zwischen Agent und Prinzipal als Baustein einer ökonomischen Theorie der Organisation. In: WiST. Heft 10, 1988, S. 506–513.
Zur Theorie des Signaling
  • Kenneth J. Arrow: Higher education as a filter. In: Journal of Public Economics (2), 1997, S. 193–216.
  • Diego Gambetta: Codes of the Underworld: How criminals communicate. Princeton University Press 2011.
  • Michael Spence: Job market signaling. In: Quarterly Journal of Economics, 87(3), 1973, S. 355–374.
  • Joseph E. Stiglitz: The theory of „screening“: Education and the distribution of income. In: American Economic Review 65(3), 1975, S. 283–300.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Pratt, John W; Zeckhäuser, Richardt J. (1985): The Structure of Business, Boston, S. 2.
  2. So Spencer 1973.
  3. Arrow 1973, Spence 1973.
  4. Stiglitz 1975.
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