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Postzionismus

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Von Dr. Nathan Warszawski (2013)

Der Postzionismus hat in Israel Einzug gehalten. Der Postzionismus ist eine israelische Ideologie, die die Gedanken der zionistischen Gründerväter kritisch unter die Lupe nimmt. Postzionismus existiert nur in Israel. Außerhalb Israels wird er lediglich dazu benutzt, um den reinen Antisemitismus zu kaschieren. Im Gegensatz zum Antizionismus akzeptiert der Postzionismus den Staat Israel als Ergebnis des Zionismus. Der nicht antisemitische Postzionismus stellt den Jüdischen Staat nicht in Frage. Postzionisten, die sich gegen die Existenz des Jüdischen Staat Israel sprechen, benutzen den Begriff falsch. Sie sind Antizionisten und jüdische Antisemiten.

Israelis leben in einer freien Gesellschaft und lassen ihre Gedanken nicht zensieren. Es ist deshalb sinnlos, die Ideologie des Postzionismus zu verdrängen oder zu verschweigen. Genauso sinnlos ist die Etablierung des Postzionismus in der jüdischen Diaspora. Hier verkommt er zu einer trockenen Wissenschaft oder versteckt sich hinter dem Antizionismus. Der Postzionismus ist keine in sich geschlossene Ideologie, eine verlässliche oder absolute Definition gibt es nicht.

Der Zionismus, auf dessen Ideen der Postzionismus basiert, lässt sich ebenfalls nicht scharf begrenzen. Zu den wenigen allgemeinen Basisvorstellungen, die Theodor Herzl entstammen und die alle Zionisten anerkennen, gehören folgende Ideen:

Juden werden verfolgt werden, solange sie nicht einen eigenen Staat haben.

Juden werden nicht verfolgt werden, wenn sie einen eigenen Staat haben.

Der Staat der Juden wird ein gleichberechtigtes Mitglied unter den anderen Staaten sein.

Die Idee, dass Juden verfolgt werden, solange sie nicht einen eigenen Staat haben, entstammt dem Umstand, dass die Juden verfolgt worden sind und keinen eigenen Staat gehabt haben. Der Umkehrschluss (Juden werden nicht verfolgt werden, wenn sie einen eigenen Staat haben) lässt sich erst seit der Staatsgründung Israels widerlegen. Heute werden Juden weltweit nur in wenigen Ländern verfolgt, wie beispielsweise in Skandinavien. Die Nicht-Verfolgung der Juden hat jedoch nichts mit der Staatsgründung Israels zu tun, sondern mit den Bewusstseinswandel der Europäer nach dem und durch den verheerenden Holocaust, den sie verrichtet, beziehungsweise zugelassen haben. So sind Judenverfolgungen in den USA so gut wie unbekannt, sowohl vor, als auch nach der Gründung Israels, während Judenverfolgungen in Norwegen auf Druck muslimischer Einwanderung auf die Staatsgründung Israels zurückzuführen sind.

Die Existenz des Judenstaates hat auch negative Konsequenzen erbracht. Nach dem Zerfall der Sowjetunion hat Deutschland 300.000 jüdische Kontingentsflüchtlinge aufgenommen, von denen 200.000 sich unmittelbar darauf das Judentum verlassen haben. Der wahre Grund der Judenaufnahme liegt in der deutschen Befürchtung, dass die GUS-Auswanderer nach Israel gegangen wären und den zionistischen Staat gestärkt hätten. Ohne die Existenz des Jüdischen Staates wäre den Kontingentsflüchtlingen der Zuzug nach Deutschland nicht angeboten worden.

Die zweite Annahme Herzls, dass der Staat der Juden ein gleichberechtigtes Mitglied der Staatengemeinschaft sein wird, lässt sich leicht widerlegen, wenn man Israels Verurteilungen durch die UNO aufzählt. In einigen Unterorganisationen, die von antisemitischen Staaten dominiert werden, richten sich über 90% aller Verurteilungen gegen Israel. Während der einzelne Jude beinahe weltweit als Mensch anerkannt ist, ist Israel in die Rolle des verfolgten Juden geschlüpft: Israel ist der Jude unter den Staaten!

Die gravierenden Irrtümer Herzls lassen sich in Israel nicht kaschieren. Die Juden Israels wollen ihren Drang nach Wahrheit befriedigen. Bisher sind die tödlichen Bedrohungen des Landes mit militärischen zionistischen Mitteln geregelt worden, die neuen Herausforderungen erfordern andere Vorgehensweisen. Israel wird von einem sich nuklear bewaffnenden Iran bedroht, welches sich zum Ziel gesetzt hat, das Land mit all seinen Bewohnern unabhängig der Religionszugehörigkeit zu eliminieren. Zum zweiten fordern antisemitische Organisationen zum wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Boykott des Judenstaates auf, um ihn ebenfalls zu vernichten. Ausnahmslos nehmen sich die Eliminatoren Hitler zum Vorbild, ohne dessen Ende zu bedenken.

Im Postzionismus behaftet, versuchen Teile der israelischen Bevölkerung auf „kleine“ Antisemiten zuzugehen, um sie von radikalen Antizionisten abzuspalten. So hat vor kurzem der Botschafter des Staates Israel in Deutschland zu einem Empfang zu Ehren von Ruprecht Polenz, einem unbedeutenden Israelkritiker, eingeladen. In Tel Aviv fand gleichzeitig ein internationales Filmfestival statt, der äußerst einseitig die Flucht, Vertreibung und Rückkehr von arabischen Palästinensern propagiert hat. Ein jüdischer Nobelpreisträger erhält von der Universität Haifa nicht die Doktorwürde, weil er überzeugter Zionist ist. Kleinere Veranstaltungen, die die Rückkehr der Palästinenser nach Israel fordern, finden bereits seit Jahren statt, gewöhnlich gesponsert von deutschen Pazifisten und anderen Antisemiten.

Nicht alle Postzionisten erhalten eine finanzielle Gegenleistung aus dem Ausland. Manche Postzionisten erhoffen sich, das Wohlwollen des Auslandes zu gewinnen, was ihnen nicht gelingen kann. Unnötig zu erwähnen, dass das ausgeübte Rückkehrrecht der arabischen Palästinenser und deren riesige Nachkommenschaft das Ende des jüdischen und demokratischen Staates Israel bedeuten wird.

Mit Fortschreiten dieser neuen Doktrin werden die Israelfreunde in Deutschland in ihrem Kampf für Israel erheblich behindert. Schlimmer jedoch ist, dass Israel mit diesem Paradigmenwechsel sein von den Vereinten Nationen garantiertes Existenzrecht verspielt. Antisemitische Organisationen in Deutschland sehen im Postzionismus die Möglichkeit, sich von der Schuld ihrer Väter zu befreien. Nicht die Liebe zum arabischen Palästinenser, dem Opfer des Opfers, sondern der nicht tot zu kriegende, sehr lebendige Antisemitismus befeuert den Antizionismus, der als „Israelkritik“ dem braunen Morast der Mitte entsteigt. Für diese kleinen Organisationen, deren Bedeutung in der Wiederbelebung der Ressentiments und der Aufstachelung der Massen liegt, verhält sich der heutige Jude Israels gegenüber Arabern wie der damalige Nazi gegenüber Juden. Wohlgemerkt: der damalige Nazi und nicht der damalige Deutsche! Deshalb wird der Kampf gegen die unbedeutende NPD maßlos aufgebauscht, nach neuen nationalen Schandtaten geforscht, da das Verhalten der NPD genauso verachtenswert sein soll wie das der meisten Juden Israels. Ein Zugehen Israels auf solche Gruppen ist genauso wenig erfolgsversprechend wie ein Gespräch mit iranischen Mullas oder anderen überzeugten Nationalsozialisten.

Die Antisemiten Deutschlands bekämpfen den Nazi im Deutschen, um ihn zu reinigen. Der Deutsche muss entnazifiziert werden, damit er gereinigt alte Schandtaten wiederholen darf. Der israelische Jude wird nicht entnazifiziert, sondern entisraelisiert, i.e. entjudet.

Obwohl in höchster existentieller Gefahr, entscheidet sich das postzionistische Israel für die Zulassung von Wahrheiten und Unwahrheiten, die ihm schaden. Andrerseits entzieht die offene Diskussion in Israel den Extremisten in Deutschland das Alleinvertretungsrecht, über das Schicksal der arabischen Palästinenser zu moralisieren. Deutsche Israelfreunde, ob Juden oder nicht, werden lernen müssen, sich umzustellen. Das Unrecht, das Juden Arabern angetan haben, besteht neben dem Unrecht, das Araber Juden angetan haben. Eine Aufrechnung ist Zeitverschwendung. Die Fakten sind klar: Der jüdische Staat Israel existiert, es gibt drei von einander unabhängige arabische Entitäten im ehemaligen britischen Mandatsgebiet Palästina: Gaza, Westbank und Jordanien. Einzig Jordanien ist anerkannt und halbwegs Selbstversorger. Die wenigsten Araber und Antisemiten, die sich Israelkritiker nennen, akzeptieren diese banale Tatsachen. Sie alle hoffen, dass der Iran mit Nuklearwaffen die Lage zu ihren ideologischen Gunsten klärt, auch wenn es ihr eigenes Leben riskieren, wenn der Iran einen atomaren Weltkrieg auslöst.

Israel wird erwachsen, die arabischen Palästinenser und die abendländischen Antisemiten nicht. Beinahe alle Araber träumen weiterhin von einem judenreinen Palästina und werden darin von der antisemitischen Internationale bestärkt. Die Chancen auf ein unabhängiges, cisjordanisches arabisches Palästina neben Israel sind noch nie so schlecht gewesen wie heute. Eher fallen Ostern und Weihnachten zusammen und die bayerische PKW-Maut wird von Österreich und den Niederlanden begrüßt.