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Pierre Sudreau

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Pierre Sudreau

Pierre Sudreau (* 13. Mai 1919 in Paris; † 22. Januar 2012 ebenda) war ein französischer Politiker der Union pour la démocratie française (UDF), der von 1958 bis 1962 Bauminister und zwischen April und Oktober 1962 Minister für nationale Bildung war. Später war er von 1967 bis 1981 Mitglied der Nationalversammlung und vertrat in dieser das Département Loir-et-Cher.

In seiner Kindheit betrieb Sudreau einen Briefwechsel mit Antoine de Saint-Exupéry, der de Saint-Exupéry später zum Verfassen seines Buches Der kleine Prinz inspirierte.

Seine Haft im KZ Buchenwald prägte sein späteres politisches Leben und machte ihn nach seinen Angaben zum überzeugten Europäer. Nach Kriegsende hatte er dem Staatspräsidenten Charles de Gaulle die Kontaktaufnahme mit Konrad Adenauer empfohlen, weil er annahm, dieser Deutsche habe auch in einem Konzentrationslager gesessen. Als Sudreau seinen Irrtum bemerkte, war der erste Schritt zur deutsch-französischen Aussöhnung längst getan.

Leben

Kindheit, Zweiter Weltkrieg und Résistancekämpfer

Sudreaus Briefwechsel mit dem Autor Antoine de Saint-Exupéry galt als Inspiration für dessen Roman Der kleine Prinz

Sudreau stammte aus einer wohlhabenden Familie, wurde jedoch bereits 1923 als Vierjähriger Halbwaise nach dem Tode seines Vaters. Daraufhin wurde er von seiner Mutter in das Internat Lycée Hoche in Versailles geschickt, wo er als Zwölfjähriger den 1930 erschienenen Roman Nachtflug (Vol de Nuit) von Antoine de Saint-Exupéry las. Er begann daraufhin einen Briefwechsel mit dem Autor. Dieser Briefwechsel inspirierte den Autor später zum Schreiben des Buches Der kleine Prinz und Sudreau selbst galt als Vorbild für die Titelfigur.

Nach dem Schulbesuch begann er eine Ausbildung zum Piloten an der Ecole de l’Air. Daneben absolvierte er ein Studium der Rechtswissenschaften und Literaturwissenschaften an der 1872 von Émile Boutmy gegründeten privaten Hochschule École libre des sciences politiques, das er mit einem Lizenziat der Rechtswissenschaften abschloss. Nach dem Beginn des Westfeldzuges zur Eroberung Frankreichs durch die deutsche Wehrmacht konnte er zunächst nach England fliehen, wo er seine Pilotenausbildung fortsetzte.

Er engagierte sich während des Zweiten Weltkrieges in der Réseau Alliance, einer Gruppe der Widerstandsbewegung Résistance, und gehörte zusammen mit André Boyer und Gaston Defferre zum Netzwerk Brutus. Für seine dortigen Aktionen wurde er nach seiner Verhaftung zunächst in das Gefängnis der Geheimen Staatspolizei in Fresnes (Val-de-Marne) verbracht, ehe er in das KZ Buchenwald deportiert wurde. Als Chef des Netzwerkes Brutus wurde er zum Tode verurteilt. Vor der Vollstreckung des Urteils wurde er bewahrt, weil ihm im Lager die Identität eines verstorbenen Häftlings verschafft werden konnte. Auch im KZ Buchenwald war er in den organisierten Widerstand eingebunden und an der Befreiung des Lagers durch bewaffnete Häftlinge und Einheiten der 3. US Armee am 11. April 1945 beteiligt. Seine Haft im KZ Buchenwald prägte sein späteres politisches Leben und machte ihn nach seinen Angaben zum überzeugten Europäer.

Nachkriegszeit und Aufstieg zum Minister

Nach seiner Befreiung wurde er durch General Charles de Gaulle gefördert und trat 1945 als Beamter in das Innenministerium ein, in dem er erst Unterpräfekt sowie anschließend Vize-Direktor war. Er war vom 28. August 1951 bis zum 16. Juni 1955 Präfekt des Département Loir-et-Cher (Liste des préfets de Loir-et-Cher) und damit jüngster Präfekt Frankreichs. Danach war er zwischen 1955 und 1956 Mitarbeiter im Kabinett von Premierminister Edgar Faure, ehe er Kommissar für das Bauwesen und Raumplanung der Region Île-de-France wurde.[1]

Am 9. Juni 1958 wurde Sudreau von Premierminister de Gaulle zum Bauminister (Ministre de la Construction) in dessen dritte Regierung berufen. Das Amt des Bauministers bekleidete er im Anschluss vom 9. Januar 1959 bis zum 16. April 1962 auch im Kabinett von Premierminister Michel Debré.[2][3][4][5] In dieser Funktion begleitete er 1960 Staatspräsident de Gaulle bei der Einweihung des nationalen Denkmals für die Märtyrer der Deportation zum KZ Natzweiler-Struthof.[6] Nach Kriegsende hatte er dem Staatspräsidenten de Gaulle auch die Kontaktaufnahme mit Konrad Adenauer empfohlen, weil er annahm, dieser Deutsche habe auch in einem Konzentrationslager gesessen. Als Sudreau seinen Irrtum bemerkte, war der erste Schritt zur deutsch-französischen Aussöhnung längst getan.

Im Anschluss übernahm er am 16. April 1962 in der ersten Regierung von Premierminister Georges Pompidou das Amt des Ministers für nationale Bildung (Ministre de l’éducation nationale) und übte dieses Amt bis zu seinem Rücktritt am 15. Oktober 1962 aus. Sein Nachfolger wurde daraufhin Louis Joxe. Grund für seinen Rücktritt war seine Unzufriedenheit mit der Änderung der Verfassung der Fünften Republik, die zukünftig eine Direktwahl des Präsidenten der Republik vorsah anstelle der bisherigen Wahl durch ein aus den Mitgliedern der Nationalversammlung sowie des Senats bestehendes Wahlgremium.[7]

Mitglied der Nationalversammlung und Bürgermeister von Blois

Wahlen 1967 und 1968

Nach seinem Ausscheiden aus der Regierung wurde Sudreau 1962 Nachfolger von René Mayer als Präsident der Europäischen Bewegung Frankreich (Mouvement Européen-France) und übte diese Funktion bis zu seiner Ablösung durch Gaston Defferre 1968 aus. Daneben war er seit 1962 Vorsitzender des Verbandes der Industrie für Eisenbahnmaterial FIF (Fédération des industries ferroviaires ). In dieser Funktion gelang ihm 1970 mit dem Verkauf von 10.000 Eisenbahnwaggons an die Deutsche Reichsbahn der DDR der umfangreichste Vertragsabschluss in den französisch-ostdeutschen Handelsbeziehungen.[8] Als Vorsitzender des FIF wurde er auch zu einem „Vater“ des Hochgeschwindigkeitszuges TGV.[9]

Bei den Wahlen zur Nationalversammlung am 12. März 1967 wurde Sudreau für Progrès et démocratie moderne (PDM) im ersten Wahlkreis des Département Loir-et-Cher erstmals zum Mitglied der Nationalversammlung gewählt.[10] Nach seinem Einzug in das Palais Bourbon wurde er am 6. April 1967 Mitglied des Ausschusses für Finanzen, allgemeine Wirtschaft und Planung (Commission des finances, de l'économie générale et du plan). Bei den wegen der Unruhen im Mai 1968 vorgezogenen Wahlen vom 30. Juni 1968 wurde er für die PDM in seinem Wahlkreis wiedergewählt.[11] Zunächst war er wieder Mitglied des Ausschusses für Finanzen, allgemeine Wirtschaft und Planung und wechselte am 2. April 1970 als Mitglied in den Auswärtigen Ausschuss (Commission des affaires étrangères), ehe er am 2. April 1971 wieder Mitglied des Ausschusses für Finanzen, allgemeine Wirtschaft und Planung wurde.

1971 wurde Sudreau darüber hinaus erstmals zum Bürgermeister von Blois gewählt.

Wahlen 1973 und 1978

Bei den Wahlen vom 4. März 1973 wurde er für die Réformateurs démocrates sociaux in seinem Wahlkreis als Mitglied der Nationalversammlung bestätigt.[12] Dort wurde er am 5. April 1973 wieder Mitglied des Ausschusses für Finanzen, allgemeine Wirtschaft und Planung, dem er bis zum Ende der fünften Legislaturperiode am 2. April 1978 angehörte. Zugleich wurde er am 18. Dezember 1973 Mitglied des Gemeinsamen Parlamentsausschusses für die Modernisierung der Gesetzgebung für die direkten Kommunalabgaben. 1975 wurde er von Staatspräsident Valéry Giscard d’Estaing mit der Erarbeitung eines Berichts zur Unternehmensreform beauftragt,[13][14] der später den Weg für die umfangreichen Änderungen des Arbeitsrechts durch Jean Auroux, dem Arbeitsminister im Kabinett von Premierminister Pierre Mauroy, ebnete.

Sudreau wurde 1976 Nachfolger von Raymond Boisdé als Präsident des Regionalrates der Region Centre und übte dieses Amt bis zu seiner Ablösung durch Jean Delaneau 1979 aus. Ferner wurde er 1977 als Bürgermeister von Blois wiedergewählt.

Er wurde bei den Wahlen vom 12. März 1978 des Weiteren wieder zum Mitglied der Nationalversammlung gewählt und vertrat in dieser bis zum Ende der sechsten Legislaturperiode am 22. Mai 1981 für die Union pour la démocratie française (UDF) wieder den ersten Wahlkreis des Département Loir-et-Cher.[15] Während dieser sechsten Legislaturperiode war er vom 6. April 1978 bis zum 3. April 1979 weiterhin Mitglied des Ausschusses für Finanzen, allgemeine Wirtschaft und Planung, ehe er am 3. April 1979 erneut Mitglied des Auswärtigen Ausschusses wurde und vom 12. Oktober 1979 bis zum 22. Mai 1981 als Vizepräsident des Auswärtigen Ausschusses fungierte.

Abwahl als Bürgermeister von Blois 1989 und letzte Lebensjahre

Als Bürgermeister von Blois fiel 1981 auch die Anbahnung einer grenzüberschreitenden Partnerbeziehung zu der in der DDR liegenden Stadt Weimar, als er und der Weimarer Oberbürgermeister Franz Kirchner eine Freundschaftserklärung unterzeichneten, die zur Grundlage für die am 18. Februar 1995 erfolgte Aufnahme einer Städtepartnerschaft wurde.[16]

Nachdem Sudreau 1983 noch einmal als Bürgermeister von Blois wiedergewählt wurde, erlitt er 1989 eine Wahlniederlage gegen Jack Lang und verlor sein Bürgermeisteramt nach 18 Jahren. In seinen letzten Lebensjahren engagierte er sich als Präsident der Vereinigung der Veteranen der Widerstandsbewegung ANACR (Association nationale des anciens combattants de la Résistance) sowie von 2006 bis 2009 als Präsident der Fondation de la Résistance.

Sudreau, dem für seine Verdienste unter anderem das Großkreuz der Ehrenlegion verliehen wurde, verstarb an den Folgen einer Herzinsuffizienz im Hôpital des Invalides in Paris.

Veröffentlichungen

  • L’enchaînement, 1967[17]
  • La réforme de l’entreprise, 1975
  • La stratégie de l’absurde, 1980
  • De l’inertie politique, Vorwort von René Rémond, 1985
  • Au-delà de toutes les frontières, , 1991, Neuauflage 2002[18]
  • Sans se départir de soi : quelques vérités sans concession, Mitautor François Georges, 2004
  • Elles et Eux et la déportation, Mitautoren Caroline Langlois und Michel Reynaud, 2005

Hintergrundliteratur

  • Peter Lang: [French Urban Planning, 1940-1968: The Construction and Deconstruction of an Authoritarian System], 2009, ISBN 1-43310-400-8

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Rebecca J. Pulju: Women and Mass Consumer Society in Postwar France, 2011, ISBN 1-10737-780-3, S. 204
  2. Kabinett Debré
  3. Nicole C. Rudolph: Kabinett Debré
  4. At Home in Postwar France: Modern Mass Housing and the Right to Comfort, 2015, ISBN 1-78238-588-6, S. 151 u.a.
  5. K. H. Adler, Carrie Hamilton (Herausgeber): Homes and Homecomings: Gendered Histories of Domesticity and Return, 2011, ISBN 1-44435-198-2
  6. Interview mit Pierre SUDREAU auf der Homepage der Gedenkstätte des KZ Natzweiler
  7. Kabinett Pompidou I
  8. Christian Wenkel: Auf der Suche nach einem "anderen Deutschland": Das Verhältnis Frankreichs zur DDR im Spannungsfeld von Perzeption und Diplomatie, 2014, ISBN 3-48698-961-8
  9. Uwe Fraunholz, Anke Woschech (Herausgeber): Technology Fiction: Technische Visionen und Utopien in der Hochmoderne, 2014, ISBN 3-83942-072-5, S. 142
  10. Eintrag auf der Homepage der Nationalversammlung (3. Legislaturperiode)
  11. Eintrag auf der Homepage der Nationalversammlung (4. Legislaturperiode)
  12. Eintrag auf der Homepage der Nationalversammlung (5. Legislaturperiode)
  13. Chris Howell: Regulating Labor: The State and Industrial Relations Reform in Postwar France, 2011, ISBN 1-40082-079-0, S. 120
  14. Christian Thuderoz: Histoire et sociologie du management: doctrines, textes, études de cas, 2006, ISBN 2-88074-699-X, S. 129 u.a.
  15. Eintrag auf der Homepage der Nationalversammlung (6. Legislaturperiode)
  16. Zehn Jahre Städtepartnerschaft Weimar–Blois. Bonjour Blois – Bienvenue Weimar (Seitenaufruf am 14. September 2015)
  17. Wilfred L. Kohl: French Nuclear Diplomacy, 2015, ISBN 1-40086-988-9, S. 177
  18. Au-delà de toutes les frontières (Onlineversion in Google Books)
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Pierre Sudreau aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.