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Phaedrus

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Phaedrus (geb. um 20/15 v. Chr. angeblich in Katerini (Griechenland), siehe Abschnitt Leben; gest. um 50/60 n. Chr.), voller Name wohl: Gaius Iulius Phaedrus (oder: Phaeder),[1] war ein römischer Fabeldichter in den Regierungszeiten der Kaiser Augustus, Tiberius, Caligula und Claudius.

Leben

Nach seinen eigenen Angaben (Prolog zu Buch III), die wörtlich zu nehmen fraglich sind, wurde Phaedrus ca. 15 v. Chr. auf dem Berg Pieros in Katerini (Griechenland) geboren, war also von Geburt Makedone. Er scheint aber in frühen Jahren nach Italien gekommen zu sein, da er berichtet, als Schüler die Verse des Ennius gelesen zu haben. Der Überschrift zu seinem Hauptwerk folgend, war er ein von Augustus freigelassener Sklave. Er zog sich den Zorn des Seianus, Tiberius’ mächtigem Minister, wegen einiger angeblicher Anspielungen in seinen Fabeln zu, wurde vor Gericht gebracht und verurteilt – so gemäß seiner Selbstaussage im Prolog zu Buch III, das Eutychus gewidmet ist, in dessen Person einige Wissenschaftler den gleichnamigen berühmten Wagenlenker und Günstling des Caligula sehen. Phaedrus blieb aufgrund mangelnder Würdigung seiner Werke arm. Er starb wohl um 50 n. Chr.

Werk

Allgemeines

Seine Fabeln sind im jambischen Senar (sechsfüßiger Vers) gedichtet, dem Versmaß der volkstümlichen römischen Komödie. Phaedrus' Fabeln sind verteilt auf fünf Bücher, die aber nicht vollständig überliefert sind. Das vierte Buch ist Particulo gewidmet, der literarisch dilettiert zu haben scheint. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist unbekannt, aber Seneca, der zwischen 41 und 43 schrieb (Consol. ad Polyb. 27), ignoriert bewusst Phaedrus' Werk. Womöglich hat er aber auch in dieser Zeit nichts veröffentlicht.

Phaedrus gibt als literarisches Vorbild den griechischen Fabelschreiber Äsop an, der seine Werke in Prosaform verfasst hatte. in den ersten zwei Versen seines Buches schreibt Phaedrus: V1 Aesop fand als erster diesen Stoff; V2 den hab ich nun ausgeformt im Versmaß des Senars.

Dem Phaedrus kommt das Verdienst zu, die originär griechische Gattung in eine eigenständige, lateinische Form gebracht und mit römischen Wertekolorit versehen zu haben. Die Fabel selbst ist eine kurze (brevitas), bisweilen dramatisierte, perspektivisch auktoriale Erzählung, die meist durch Tierfiguren, aber auch durch ausgeprägte Menschentypen, Pflanzen oder leblose Gegenstände ein Moralgebot oder eine Lebensweisheit veranschaulicht. Phaedrus fasste diese erstmals in Versform (jambische Senare).

Aufbau

Die antiken Fabeln unterliegen den Gesetzen der antiken Regelpoetik.[2] Sie haben stets einen Spannungsbogen, der in einer Klimax oder Pointe gipfelt. Die allgemeine Struktur ist wie folgt:

  1. oft, aber nicht zwingend: eine moralische Sentenz (als Vorwort [promythium] oder als Nachwort [epimythium])
  2. Ausgangssituation (res)
  3. Handlung (actio),
  4. oft mit einer Gegenhandlung (reactio) (ggf. auch in Gesprächsform)
  5. Ausgang bzw. Ergebnis (eventus)

Handlungsträger/Charaktere

Die handelnden, oft personifizierten Figuren verkörpern meist wenige, typische, oft negative konnotierte Charaktereigenschaften aus dem menschlichen Bereich. Diese sind explizit genannt oder dem Leser implizit durch Rollenerwartungen präsent. Ferner prägt oft eine polarisierende Antithese den Plot: Existieren zwei Hauptakteure, werden sie oft gegensätzlich charakterisiert. Dabei werden häufig die Gegensätze „stark versus schwach“ und „moralisch überlegen versus moralisch unterlegen“ thematisiert. Oft wird über diese vordergründige Gestaltung hinaus die Gesellschaft als unmoralisch entlarvt.

Intention

Phaedrus zufolge seien die Fabeln erfunden worden, damit sozial niedriger Stehende durch das unterhaltsame und verfremdende Medium (fictis iocis, Phaedrus III, prol. 33-44) ihre Meinung gefahrlos äußern konnten. Der Kontext reduziert sich nicht nur auf die römische Sklavenhaltergesellschaft (Phaedrus selbst war ja Freigelassener), sondern umfasst vor allem Alltagsbeziehungen. Die Gesellschaftskritik setzt also oft im Kleinen an. Insgesamt problematisieren die Fabeln also menschliches Verhalten und zielen auf dessen Änderung ab, haben also einen pädagogischen Anspruch. Dieser zielt zwar auf die antike Leserschaft, doch finden sich viele Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen auch in der heutigen Lebenswelt wieder. Die Fabel soll zugleich erfreuen und belehren (Phaedrus I, prol. 2-3).

Rezeption

Obwohl Phaedrus oft auf den Neid und die Herabsetzung verweist, mit denen er verfolgt werde, scheint er wenig Aufmerksamkeit in der Antike auf sich gezogen zu haben. Er wird erwähnt von Martial (III, 20, 5), der einige seiner Verse imitiert, und von Avianus. Prudentius muss ihn gelesen haben, da er einige seiner Strophen nachahmt (Prud. Cath. vii. 115; ci. Phaedrus, iv. 6, 10).

Die griechisch-römischen Fabeln wurden besonders intensiv rezipiert, so etwa im Mittelalter durch Odo von Cheriton, der die Fabeln christlich-theologisch deutete, oder in der Neuzeit durch Jean de La Fontaine (1621–1695) oder Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781).

Eine neue ikonographische Umsetzung der Phaedrus-Texte versuchten Werner Hensellek und Martin Neubauer, die 1991 unter weitgehender Wahrung des lateinischen Originaltextes die Darstellungsmöglichkeiten des modernen Comics ausnutzten.

Überlieferungsgeschichte

Die erste nachantike Ausgabe der fünf Bücher des Phaedrus wurde von Pierre Pithou in Troyes 1596 nach einem Manuskript veröffentlicht, das jetzt im Besitz der Marquis von Rosanbo ist. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts entdeckte Perotti (1430–1480), Erzbischof von Siponto, in Parma ein Manuskript, das 64 Fabeln des Phaedrus enthielt, von denen mehr als 30 bislang unbekannt waren. Diese neuen Fabeln wurden 1808 in Neapel von Cassitto erstveröffentlicht, ein Jahr später (wesentlich korrekter) von Jannehli. Beide Ausgaben wurden verdrängt durch die Entdeckung eines wesentlich besser erhaltenen Perotti-Manuskripts im Vatikan, das Angelo Mai 1831 publizierte. Eine Zeit lang wurde die Authentizität dieser neuen Fabeln in Frage gestellt, aber mittlerweile als echte Fabeln des Phaedrus akzeptiert. Sie bilden kein sechstes Buch, zumal Avian berichtet, dass Phaedrus nur fünf Bücher schrieb, zugleich es ist auch nicht möglich, ihnen ihre etwaigen ursprünglichen Plätze in den fünf Büchern zuzuordnen. Daher werden sie üblicherweise als Anhang gedruckt.

Der jambische Senar als Versmaß der antiken Fabel- und Komödiendichter

Die Fabeln des Phaedrus sind im Versmaß des Jambischen Senars gehalten. Es handelt sich hierbei um den Sprechvers der antiken Komödien- und Fabeldichter. Das Schema sieht wie folgt aus:

X _ X _ X | _ X | _ X _ X _

Es handelt sich um eine Aneinanderreihung von Jamben. Ein Jambus wird auf der zweiten Silbe betont. "X" steht hierbei für eine Länge ("_") oder eine Kürze ("v"). Die "_" nach den "X" im Schema oben sind Längen. "|" sind mögliche Zäsuren (Verseinschnitte). Zusätzlich lassen sich sowohl "X" als auch "_" im Schema durch je eine Doppelkürze ersetzen, die entweder betont oder unbetont ist. Da Jamben auf der zweiten Silbe betont werden, ergibt sich daraus, welche Doppelkürze betont wird und welche nicht. Lautet der Versanfang "vv _" wird sie nicht betont. Lautet er "_ vv" wird sie betont, und zwar immer auf dem ersten Teil.

Ausgaben

  • Phaedri Augusti liberti fabularum Aesopiarum libri V nunc primum in lucem editi a P. Pithoeo (d.i. Pierre Pithou). Augustobonae Tricassium (d.i. Troyes) 1597. - Editio princeps, die die Grundlage für alle weitere neuzeitliche Phaedrus-Rezeption legte.
  • Phädrus des Freigelassenen des Augustus äsopische Fabeln. Verdeutscht von Dr. Johannes Siebelis. Hoffmannsche Verlags-Buchhandlung, Stuttgart 1857
  • Des Freigelassenen Phädrus Aesopische Fabeln. Deutsch im Versmaße der Urschrift, mit Einleitung und Erläuterungen von Friedrich Fr. Rückert. Reclam, Leipzig 1877
  • Phaedri Augusti liberti fabulae Aesopicae. Recensuit usus editione codicis Rosanboniani ab Vlixe Robert comparata Louis Havet. Paris: Hachette 1895 [Nachdrucke: 1923, 1952] (xvi,296 S.). - Monumentale Edition mit sehr gründlicher Berücksichtigung aller bisherigen philologischen Bemühungen um den Phaedrus-Text in der Neuzeit.
  • Die Fabeln des Phädrus [in Auswahl]. In: Antike Fabeln. Mit 97 Bildern des Ulmer Aesop von 1476. Eingel. u. neu übertragen von Ludwig Mader (Bibliothek der Alten Welt). Zürich: Artemis 1951 [= München: dtv 1973], dort S. 169-223.
  • Phaedrus: Fabulae Aesopiae. In: Babrius and Phaedrus. Edited and translated by Ben Edwin Perry (Loeb Classical Library 436). Cambridge, Ma. / London 1965 u. ö., dort S. 190-417.
  • Phaedri Augusti liberti Liber fabularum. Recensuit Antonius Guaglianone (Corpus Scriptorum Latinorum Paravianum). Turin: Paravia 1969 (xxxii, 199 S.).
  • Die Diebe und der Hahn. Fabeln des Äsop und äsopische Fabeln des Phädrus. Hrsg. von Hans Marquardt, mit Tusch- und Federzeichnungen von Josef Hegenbarth. Leipzig: Reclam 1975 (126 S.).
  • Phaedrus. In: Fabeln der Antike. Griech. u. lateinisch. Hrsg. u. übersetzt von Harry C. Schnur (Tusculum-Bücherei). München: Heimeran 1978, dort S. 162-243.
  • Phaedrus: Aesopische Fabeln. In: Antike Fabeln. Griechische Anfänge. Äsop. Fabeln in römischer Literatur. Phaedrus. Babrios. Romulus. Avian. Ignatios Diakonos. Aus dem Griech. u. Lat. übersetzt von Johannes Irmscher (Bibliothek der Antike). Berlin / Weimar: Aufbau-Verlag (1978) 2. Aufl. 1987, dort S. 165-242. ISBN 3-351-00461-3
  • Phaedrus: Liber fabularum / Fabelbuch. Lateinisch und deutsch. Übersetzt von Friedrich Fr. Rückert u. Otto Schönberger. Hrsg. u. erl. von Otto Schönberger (Reclams Universal-Bibliothek 1144). Stuttgart: Reclam 1975 u. ö. (240 S.). ISBN 3-15-001144-2
  • Phaedrus: Die Fabeln. Mit Einl., Übers., im Versmaß des Orig., mit kurzen Erl. und Nachw. von Hermann Rupprecht. Mitterfels: Stolz 1992 (104 S.).
  • Phaedrus: Der Wolf und das Lamm. Fabeln, Lateinisch - deutsch. Hrsg. von Volker Riedel (Reclam Universal-Bibliothek 1321). Leipzig: Reclam 1989 (284 S.). ISBN 3-379-00498-7
  • Phaedri Fabulae Aesopicae. Narrationes contextuit composuitque dialogos Werner Hensellek, schedas comicas delineavit litterisque instruxit Martin Neubauer. Wien: Fassbänder 1991. ISBN 3-900538-22-0
  • Phaedrus: Fabeln. Lat.-dtsch., mit Anmerkungen und Einleitung hrsg. u. übersetzt, mit Diskussion weiterer Übersetzungen und mit Holzschnitten von 1491, von Eberhard Oberg (Tusculum-Bücherei). Düsseldorf: Tusculum 1996 (272 S.).
  • J. Briscoe, Stuttgart/Leipzig 1998

Wörterbücher:

  • Otto Eichert: Vollständiges Wörterbuch zu den Fabeln des Phädrus. Hannover: Hahn (1866) 3. Aufl. 1877 [= Nachdruck Hildesheim: Gerstenberg 1970].
  • C. Cremona: Lexicon Phaedrianum. Hildesheim: Olms 1980.

Literatur

  • Eberhard Oberg: Phaedrus-Kommentar. Steiner, Stuttgart 2000, ISBN 3-515-07676-X, dort S. 277f.: Verzeichnis der meisten Texteditionen seit Pithou.
  • R. W. Lamb: Annales Phaedriani 1596–1996. A Bibliography of Phaedrus. Lowestoft, 1998, ISBN 0-95333610-7. Rezension von John Henderson: Classical Review. 49, 1999, S. 569–569.
  • Dieter Gerstmann: Bibliographie Lateinunterricht. Band 1: Lateinische Autoren: Sekundärliteratur, Werkausgaben, Kommentare und Übersetzungen. Schöningh, Paderborn 1997, ISBN 3-506-11118-3, Sp. 330b–337a.
  • Léopold Hervieux: Les fabulistes latins depuis le siècle d'Auguste jusqu'à la fin du Moyen Âge. Phèdre et ses anciens imitateurs directs et indirects. 2 Bände. Firmin-Didot, Paris 1884 (Sammlung der Phaedrus-Imitatoren und -Nachfolger bis zum Ausgang der Mittelalters, teilweise in Erstedition).
  • Georg Thiele: Der lateinische Aesop und die Prosafassung des Phaedrus. Winter, Heidelberg 1910.
  • August Hausrath: Phaedrus. In: RE. 19/2, 1938, Sp. 1475–1505.
  • Niklas Holzberg: Die Fabel von Stadtmaus und Landmaus bei Phaedrus und Horaz. In: Würzburger Jahrbücher für die Altertumswissenschaft. N. S. 17, 1991, S. 229–239.
  • Niklas Holzberg: Phaedrus in der Literaturkritik seit Lessing. In: Anregung. 37, 1991, S. 226–242.
  • Michael von Albrecht: Geschichte der römischen Literatur von Andronicus bis Boethius. Mit Berücksichtigung ihrer Bedeutung für die Neuzeit. Band 2. 2. Auflage. DTV, München 1994, S. 788–793 (Phaedrus im Gattungskontext der antiken Fabel); S. 794–797 (Autorenspezifisches zu Phaedrus).
  • Andreas Fritsch: Phaedrus als Schulautor. In: Latein und Griechisch in Berlin. 29, 1985, S. 34–69; 32, 1988, S. 126–146; 34, 1990, S. 218–240.
  • Alexander Demandt: Politik in den Fabeln Aesops. In: Gymnasium. 98, 1991, S. 397–419.
  • Peter L. Schmidt: Art. Phaedrus. In: Der Neue Pauly. 2000, Sp. 708–711.
  • Ursula Gärtner: Phaedrus tragicus. Zu Phaedr. 4, 7 und seinem Selbstverständnis als Dichter. In: Ekkehard Stärk, Gregor Vogt-Spira (Hrsg.): Dramatische Wäldchen. Hommages à Eckard Lefèvre. (Spudasmata 80). Olms, Hildesheim 2000, S. 661–682.
  • Ursula Gärtner: Consulto inuoluit ueritatem antiquitas. Zu den Werten bei Phaedrus. In: Gymnasium. 114, 2007, S. 405–434.
  • Ursula Gärtner: Levi calamo ludimus. Zum poetologischen Spiel bei Phaedrus. In: Hermes. 135, 2007, S. 429–459.
  • Ursula Gärtner: Von Esel und Zikade – Überlegungen zu Phaedrus. In: Latein und Griechisch in Berlin und Brandenburg. 51:1, 2007, S. 23–32.
  • Eberhard Oberg (Hrsg.): Phaedrus – Fabeln. Tusculum Studienausgaben/Sammlung Tusculum. 2. Auflage. Akademie, Berlin 2011, ISBN 978-3-05-005268-7.

Weblinks

 Wikisource: Phaedrus – Quellen und Volltexte (Latein)
Wikiquote: Phaedrus – Zitate

Einzelnachweise

  1. P. L. Schmidt: Art. Phaedrus. In: Der Kleine Pauly, Band 4 (1972), Sp. 686–688.
  2. Vgl. Peter Hasubek: Art. Fabel. In: Historisches Wörterbuch der Rhetorik, hrsg. v. Gert Ueding. Bd. 3 (1996), Sp. 185–198, bes. 185–190.
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