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Patrizier

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Dieser Artikel behandelt den antiken, mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Stand der Patrizier. Zu anderen Bedeutungen siehe Patrizier (Begriffsklärung).

Patrizier (Latein: patricius, Griechisch: πατρίκιος) ist die Bezeichnung für Angehörige der alteingesessenen Oberschicht im antiken Rom. Davon abgeleitet wird auch die sozial relativ abgeschlossene Oberschicht in vielen mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Städten Patriziat genannt. Die aristokratische Herrschaft des bürgerlichen Patriziats wird als Städtearistokratie bezeichnet.

Antikes Rom

Die Patrizier stellten die gesellschaftliche und meist auch politische Oberklasse des antiken Roms dar. Patrizier nahmen für sich in Anspruch, Abkömmlinge der Familien, welche Rom gegründet haben oder die sich kurz nach dessen Gründung dort ansiedelten, zu sein. Das Wort Patrizier (patricius) leitet sich vom lateinischen Wort pater, patres (Vater, Vorfahren) ab.

In der frühen Römischen Republik waren Mischehen zwischen Patriziern und Plebejern, also mit dem gewöhnlichen Volk, zunächst verboten und erst im Jahre 445 v. Chr. durch die Lex Canuleia de Conubio patrum et plebis gesetzlich zugelassen.[1] Patrizier durften ihre Einkommen nur aus ihrem Grund und Boden, zumeist also der Landwirtschaft oder Beute im Krieg erzielen. Gewerbliche Tätigkeiten, Bankiers- oder Handelsgeschäfte waren ihnen zunächst noch verboten und galten später zumindest als verpönt. Im Zuge der Ständekämpfe lockerten sich diese Einschränkungen, als sich die Plebejer ihr Recht auf Teilhabe an der politischen Macht erstritten. Ab der Zeit der mittleren Republik bildeten die patrizischen Familien und mehrere plebejische Familien die politische Führungsschicht Roms. Dennoch blieben den Patriziern bis in die Kaiserzeit bestimmte religiöse Ämter vorbehalten, wie das des flamen dialis, der rex sacrorum, die Salier und die Flamen des Mars und des Quirinus, nicht aber das des Pontifex Maximus, das nur bis zum Erlass der Lex Ogulnia im Jahre 300 v. Chr. ausschließlich Patriziern vorbehalten war, dann aber auch Plebejern offen stand. Plebejische Pontifices Maximi waren z. B. Angehörige der gentes Liciniae, Muciae, Caeciliae und Domitiae. Es gab aber auch weltliche Ämter, die nur von Patriziern bekleidet werden durften, nämlich das Amt des Senatsvorsitzenden (Princeps senatus) und das des Interrex. Umgekehrt waren den Patriziern manche Ämter versperrt, darunter das Amt des in der späten Republik mächtigen Volkstribunen und das des plebejischen Ädils.

Die Patrizier genossen prinzipiell auch noch in der späten Republik besonderes Ansehen und neigten zumeist der politischen Richtung der Optimaten zu. Das hinderte jedoch bekannte Patrizier wie Gaius Iulius Caesar oder Publius Clodius Pulcher nicht daran, zu den Popularen überzutreten oder deren Partei zu ergreifen.

Bekannte Patrizierfamilien, die auch viele Konsuln und andere hohe Beamte der römischen Republik stellten, waren unter anderem die Cornelier, Valerier, Julier, Claudier, Aemilier und Fabier.

Die patrizischen Familien nahmen bereits während der Zeit der späten römischen Republik ab ca. 150 v. Chr. deutlich an Zahl ab, da sie häufig entweder unter Unfruchtbarkeit litten oder in der Krise der Republik durch Krieg und Bürgerkrieg oder Proskriptionen dezimiert wurden. Einst die staatstragende Bevölkerungsschicht, verschwanden viele patrizische Geschlechter bis 30 v. Chr., vor allem in der Zeit des zweiten Triumvirats. Kaiser Augustus, der Begründer des Prinzipats, gehörte seit seiner testamentarischen Adoption durch Gaius Iulius Caesar selbst einer patrizischen gens an und versuchte, den Stand durch Förderung alter Familien wieder zu stärken; zudem ließ er sich vom Senat 29 v. Chr. durch die Lex Saenia das Recht verleihen, neue Patrizier zu ernennen. Dieses Recht war bereits Caius Julius Cäsar durch die Lex Cassia verliehen worden. Dieses Recht beanspruchten künftig auch Augustus' Nachfolger.

Im spätantiken Römischen Reich führte Kaiser Konstantin der Große den Titel patricius als Titel für Männer, die sich um dem Kaiser verdient gemacht hatten, ein. Bis zum Ende der Antike war er als Ehrentitel von Bedeutung (vgl. etwa Petros Patrikios); in Westrom war er ab Constantius III. dem magister militum und eigentlichem Machthaber vorbehalten. In Ostrom verlor er nach dem 7. Jahrhundert etwas an Exklusivität, blieb aber dennoch als patrikios auch im Mittelalter ein begehrter Ehrenrang.

Deutsche Städte des Mittelalters und der Frühneuzeit

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Der Berner Patrizier Franz Rudolf Frisching in der Uniform eines Obersten des Jägerkorps der Stadt und Republik Bern mit seinem Berner Laufhund, gemalt von Jean Preudhomme (1785).

In den deutschen Reichsstädten des Mittelalters bildete sich ab dem 11. Jahrhundert ein Patriziat aus dem ehemaligen Ortsadel oder der örtlichen Ministerialität heraus. Sie nannten sich selbst „Geschlechter“, „patricius“ wird aber in lateinisch geschriebenen Urkunden und Schriftstücken auch auf die vornehmen, begüterten Bürger deutscher Städte angewendet.[2] Die Patrizier besetzten den Rat und wichtige andere städtische Ämter und versuchten, sich ein ausschließliches Recht auf diese Ämter zu wahren, also die Patrizier zu den alleinigen ratsfähigen Geschlechtern zu machen. Da sie vornehmlich als Kaufleute tätig waren, schlossen sie sich in Gilden zusammen und setzten ein erbliches Recht auf die begehrten Ämter durch.

Mit dem Erstarken des Handwerks und der Herausbildung eines in Zünften organisierten Bürgertums kam es seit dem 13. Jahrhundert zu Kämpfen der Handwerker gegen die Vorrechte der in Gilden vereinigten Patrizier. In der Regel konnten die Zünfte eine Beteiligung am Stadtrat erlangen. In Köln wurde die gesamte Stadtverfassung auf die Zunftverfassung zugeschnitten, während sich in Augsburg, Nürnberg, Bern, Frankfurt und in der Mehrzahl der Hansestädte das Patriziat behaupten konnte. Nur in Hamburg hat es kein geschlossenes Patriziat wie in den süddeutschen Reichsstädten, Bremen und in Lübeck (Zirkelgesellschaft) gegeben. Dort erstarkten in der Folge die Hanseaten zur Führungsschicht.

Das mittelalterliche „Patriziat“ nannte sich selbst nicht so; man sprach üblicherweise von „Geschlechtern“, wie etwa für Köln, Frankfurt am Main und Nürnberg nachgewiesen. Der Ausdruck „Patrizier“ in seiner Übertragung auf die städtische Oberschicht des Mittelalters entstammt selbst nicht dieser Zeit, sondern erst der Renaissance. Im Jahr 1516 wurde der Nürnberger Ratskonsulent (Stadtjurist) Dr. Christoph von Scheurl (1481–1542) vom Generalvikar des Augustinerordens Dr. Johann Staupitz beauftragt, einen Abriss der Nürnberger Verfassung auszuarbeiten; diesen überreichte er am 15. Dezember desselben Jahres in Form der heute noch berühmten Epistel. Da diese Arbeit in lateinischer Sprache verfasst war, bezeichnete Scheuerl die Nürnberger „Geschlechter“ in durchaus naheliegender Analogie zu römischen Verfassungszuständen als „patricii“, die dann in der zeitgenössischen Rückübersetzung zum „Patriziat“ wurden.[3] Der Begriff selbst setzte sich in dieser Verwendung jedoch erst im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts allgemein durch.[4]

Nicht nur in Reichsstädten gab es Patrizier. Auch in Städten mit einem fürstlichen Stadtherrn konnte sich ein Stadtadel entwickeln, so z. B. in Münster. Dort nannte der Volksmund die Angehörigen des Stadtadels Erbmänner. Die Erbmänner erreichten im Rahmen des Erbmännerstreites die Anerkennung der Zugehörigkeit zum stiftsfähigen und ritterbürtigen Uradel.

Die Patrizier gelten als dem landgesessenen Adel ebenbürtig. So nimmt das genealogische Handbuch des Adels unverändert jene Familien auch ohne Adelsprädikat auf, deren Mitglieder nachweislich spätestens im 14. Jahrhundert erbgesessene Ratsgeschlechter in deutschen Reichsstädten waren.

Belege

  1. Ingemar König: Der Römische Staat I - Die Republik -. Seite 169, Philipp Reclam jun., Stuttgart, 1992, ISBN 3-15-008834-8
  2. Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache www.dwds.de
  3. Entstehungsgeschichte der Epistel auch in: Eberhard Isenmann: Gelehrte Juristen und das Prozessgeschehen in Deutschland im 15. Jahrhundert. In: Franz-Josef Arlinghaus, Ingrid Baumgärtner, Vincenzo Colli (Hrsg.): Praxis der Gerichtsbarkeit in europäischen Städten des Spätmittelalters (= Rechtsprechung. Bd. 23). Klostermann, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-465-04007-4, S. 305–417, hier S. 305, Fußnote 1.
  4. vgl. Eberhard Isenmann: Die deutsche Stadt im Spätmittelalter. 1250–1500. Stadtgestalt, Recht, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft. Ulmer, Stuttgart 1988, ISBN 3-8001-2571-4, S. 276.

Literatur

  • Michael Hecht: Patriziatsbildung als kommunikativer Prozess. Die Salzstädte Lüneburg, Halle und Werl in Spätmittelalter und Früher Neuzeit (= Städteforschung. Reihe A: Darstellungen. Bd. 79). Böhlau, Köln u. a. 2010, ISBN 978-3-412-20507-2 (Zugleich: Münster, Universität, Dissertation, 2008), (Löst sich vom Handbuchwissen und untersucht "Patriziat" nicht als ständische Einheit, sondern als kommunikativ reproduzierte, dynamische und relationale Ordnungsvorstellung anhand von Besitz- und Beteiligungsverhältnissen, Organisationsstrukturen, sozialem Profil, Erinnerungskultur(en), Initiationsritualen, Zulassungskonflikten, Präzedenzstreitigkeiten, sozialen Erkennungszeichen, ständischen Rollen und Karrieremustern).

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary: Patrizier – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
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