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Parteiverbot

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Deutschlandlastige Artikel Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland dar. Hilf mit, die Situation in anderen Staaten zu schildern.

Ein Parteiverbot ist das Verbot einer politischen Partei, deren politischer Tätigkeiten und deren Unter- und Nachfolgeorganisationen. Die Konsequenzen daraus sind die Einziehung des Parteivermögens und der Mandatsverlust.

Deutschland

In Deutschland dient das verfassungsgerichtliche Verfahren gemäß Art. 21 Abs. 2 GG dem präventiven Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, eines der tragenden Fundamente des Staatswesens. Im Strafprozess wegen politisch motivierter Kriminalität geht es dagegen um die Feststellung schuldhaften und strafbaren individuellen Verhaltens und um die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs, also primär um repressiven staatlichen Rechtsgüterschutz.[1]

Grundlagen

Politische Parteien stellen das tragende Element der parlamentarischen Arbeit dar und sind maßgeblich an der politischen Willensbildung in der Demokratie beteiligt. Die besondere Bedeutung der Parteien wird verfassungsrechtlich durch das in Art. 21 Grundgesetz verankerte Parteienprivileg verdeutlicht. Aus diesen und vor allem auch aus historischen Gründen ist ein Parteiverbot ein politisch sensibles Thema und wird zum Teil als widersprüchlich zur Demokratie angesehen.

Aufgrund der mit einem Verbot verbundenen Intensität des Eingriffs und um einem (politischen) Missbrauch vorzubeugen, ist in der Bundesrepublik ausschließlich das Bundesverfassungsgericht berechtigt, in dem in Art. 21 Abs. 2 GG i. V. m. § 13 Nr. 2, §§ 43 ff. Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) geregelten Verfahren die Verfassungswidrigkeit einer Partei festzustellen und im ergehenden Urteil ein Verbot dieser auszusprechen. Die Entscheidung führt nicht nur zu einem Verbot der Partei und ihrer Nachfolgeorganisationen, sondern auch zu einem sofortigen Mandatsverlust, zum Einzug des Parteivermögens und zum Verbot ihrer Kennzeichen.

Aufgrund der Ähnlichkeit des Parteiverbotsverfahrens zum Strafprozess und der historisch bedingten Besorgnis vor einem Missbrauch bedarf nicht nur das Urteil als solches, sondern auch alle sonstigen der Antragsgegnerin, d. h. der betreffenden Partei, nachteiligen Entscheidungen einer qualifizierten Zweidrittelmehrheit der Mitglieder des zuständigen Senats beim Bundesverfassungsgericht. Zuständig für Parteiverbotsverfahren ist beim Bundesverfassungsgericht der zweite Senat.

Antragsberechtigung für ein Parteiverbotsverfahren

Antragsberechtigt sind gemäß § 43 Abs. 1 BVerfGG nur folgende Verfassungsorgane:

Beschränkt sich die Organisation einer Partei auf ein Bundesland, so kann nach § 43 Abs. 2 BVerfGG auch die Landesregierung dieses Landes den Antrag stellen.

Voraussetzungen

Soweit ein Antrag vorliegt, ergeben sich die Voraussetzungen für ein Parteiverbot aus dem Wortlaut des Art. 21 Abs. 2 GG bzw. faktisch seiner Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht. Die freiheitliche demokratische Grundordnung muss danach durch ein verfassungswidriges Verhalten gefährdet sein, um ein Verbot aussprechen zu können.[2] Eine bloße verfassungsfeindliche Haltung reicht nicht aus. Über den Wortlaut des Art. 21 Abs. 2 GG hinaus fordert das Bundesverfassungsgericht, dass neben einer verfassungsfeindlichen Einstellung auch ein aggressiv-kämpferisches Vorgehen gegen die bestehende Ordnung hinzukommen muss.[3] Das Bundesverfassungsgericht fasst dies in seinem Beschluss zum KPD-Verbotsverfahren[4] von 1956 so zusammen:

„Eine Partei ist nicht schon dann verfassungswidrig, wenn sie die obersten Prinzipien einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung […] nicht anerkennt; es muß vielmehr eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung hinzukommen.“

Eine weitere Voraussetzung für ein erfolgreiches Parteiverbot ist schließlich, dass dieses in einem rechtsstaatlichen Verfahren zustande kommen muss.[3] So wurde das NPD-Verbotsverfahren eingestellt,[5] weil nach Ansicht dreier Verfassungsrichter aufgrund des Einsatzes zahlreicher V-Leute ein Verfahrenshindernis bestand. Aufgrund der dadurch bedingten „fehlenden Staatsferne“ der Partei könne ein rechtsstaatliches Verfahren nicht gewährleistet werden. Das Bundesverfassungsgericht führt in diesem Zusammenhang aus:

„Die Beobachtung einer politischen Partei durch V-Leute staatlicher Behörden, die als Mitglieder des Bundesvorstands oder eines Landesvorstands fungieren, unmittelbar vor und während der Durchführung eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Partei ist in der Regel unvereinbar mit den Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren, die sich aus Art. 21 Abs. 1 und Abs. 2 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG, ergeben.“

Parteiverbote in Deutschland

Deutsches Reich

Im Deutschen Kaiserreich waren mit dem Sozialistengesetz vom 22. Oktober 1878 bis zum 30. September 1890 alle sozialistischen und sozialdemokratischen Organisationen und deren Aktivitäten illegal.

In der Weimarer Republik wurde die NSDAP infolge des Hitlerputsches in der Zeit vom 23. November 1923 bis zur Neugründung am 27. Februar 1925 verboten. Auch die Deutschvölkische Freiheitspartei war von dem Verbot betroffen; Ende Februar 1924 wurde es wieder aufgehoben.[6]

Die KPD wurde im Frühjahr 1919 und erneut am 23. November 1923 (bis 28. Februar 1924) verboten.[7][8][9]

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten (siehe Deutsches Reich 1933 bis 1945) wurde die SPD am 22. Juni 1933 zur „volks- und staatsfeindlichen Organisation“ erklärt und damit verboten, mit dem Gesetz gegen die Neubildung von Parteien waren ab dem 16. Juli 1933[10] auch alle übrigen Parteien neben der NSDAP untersagt.

Im Nachkriegsdeutschland wurde am 10. Oktober 1945 die NSDAP mit allen Gliederungen und angeschlossenen Verbänden durch das Kontrollratsgesetz Nr. 2 des Alliierten Kontrollrates verboten. Die Partei wurde in den Nürnberger Prozessen 1946 zur „verbrecherischen Organisation“ erklärt.

Bundesrepublik Deutschland

Auch wenn es mehrere entsprechende Eröffnungsanträge gegeben hat, sind durch das Bundesverfassungsgericht in der Bundesrepublik Deutschland bisher erst zwei Parteienverbote ausgesprochen worden: gegen die SRP, eine Nachfolgeorganisation der NSDAP, am 23. Oktober 1952[11] und die KPD am 17. August 1956 (siehe KPD-Verbot).[12]

Daneben gab es drei weitere Verfahren: Die Verfahren gegen die Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) und die auf den Hamburger Raum beschränkte Nationale Liste (NL) scheiterten daran, dass das Bundesverfassungsgericht der FAP und der NL die Parteieigenschaft absprach. Die Verbote erfolgten daraufhin nach den vereinsrechtlichen Regelungen durch den jeweils zuständigen Innenminister.[13]

Das NPD-Verbotsverfahren, das 2001 gemeinschaftlich von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung eingeleitet wurde, wurde vom Bundesverfassungsgericht am 18. März 2003 aus Verfahrensgründen eingestellt, weil V-Leute des Verfassungsschutzes auch in der Führungsebene der Partei tätig waren. Die Frage, ob die NPD damals eine verfassungswidrige Partei war, wurde nicht geprüft.

Im Dezember 2013 beantragte der Bundesrat erneut ein Verbot der NPD beim Bundesverfassungsgericht. Diesmal beteiligten sich Bundesregierung (Kabinett Merkel III) und Bundestag allerdings nicht. Vor dem Bundesverfassungsgericht wurde vom 1. bis 3. März 2016 über die Frage der Verfassungswidrigkeit der NPD verhandelt. Das Bundesverfassungsgericht teilte am 3. November 2016 mit, dass das Urteil am 17. Januar 2017 verkündet wird.[14] Bei der Urteilsverkündung am 17. Januar 2017 konnte das Gericht in der Frage der Verfassungswidrigkeit der NPD keine „Anhaltspunkte für eine erfolgreiche Durchsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele“ feststellen.[15]

Österreich

Parteiverbote in Österreich

Die NSDAP war in Österreich ab dem 19. Juni 1933, infolge eines Handgranatenanschlags auf eine Abteilung der christlich-deutschen Wehrturner in Krems, verboten.[16] Sie wurde erst mit dem Berchtesgadener Abkommen vom 12. Februar 1938 wieder zugelassen, als die freie politische Betätigung von Nationalsozialisten wieder erlaubt wurde.

Im Austrofaschismus (1933−1938) war der KPÖ (ab 26. Mai 1933) und der SPÖ (ab 12. Februar 1934) jegliche politische Tätigkeit untersagt.

Nach dem Anschluss Österreichs trat das Gesetz gegen die Neubildung von Parteien am 15. März 1938 in Kraft, wodurch alle Parteien außer der NSDAP verboten waren.

In Österreich ist nach dem Verbotsgesetz 1947, das am 8. Mai 1945 beschlossen wurde und am 18. Februar 1947 in Kraft trat, die NSDAP verboten und jede Wiederbetätigung untersagt. Auf dieser Grundlage wurde der seit 1967 bestandenen Nationaldemokratischen Partei im Jahre 1988 die Rechtspersönlichkeit als Partei aberkannt, und im gleichen Jahr (nunmehr als Verein) behördlich verboten.

Andere Länder

1998 verbot das türkische Verfassungsgericht die türkische Wohlfahrtspartei. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte akzeptierte dieses Verbot.[17]

Spanien verbot 2003 die baskische Batasuna-Partei, die als politischer Arm der ETA angesehen wurde.

Einzelnachweise

  1. BVerfG, Beschluss vom 18. März 2003 - 2 BvB 1, 2, 3/01 Rdnr. 84
  2. Ingo Richter, Gunnar Folke Schuppert: Casebook Verfassungsrecht. Unter Mitarbeit von Christian Bumke, Katharina Harms und Hans Christoph Loebel. C.H. Beck, München 1996, ISBN 3-406-39388-8, S. 476 f. = Art. 21. unter Verweis auf Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 2, 1, 12 f. (SPR-Urteil) und BVerfGE 5, 85, 141, 195, 238, 141, 208 (KPD-Verbot)
  3. 3,0 3,1 Stephan Pötters, NPD-Verbot: Verfassungsrechtliche Hürden in: juraexamen.info 2. April 2012.
  4. BVerfGE 5, 85, 2. Leitsatz
  5. BVerfG, Beschluss vom 18. März 2003, Az. 2 BvB 1/01, 2 BvB 2/01, 2 BvB 3/01, BVerfGE 107, 339.
  6. Reimer Wulff: Die Deutschvölkische Freiheitspartei 1922–1928. Hochschulschrift, Marburg 1968, S. 35 f.
  7. Die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Stiftung Deutsches Historisches Museum, 8. September 2014, abgerufen am 18. September 2016.
  8. Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), 1919-1933/1945-1956. Historisches Lexikon Bayerns, abgerufen am 18. September 2016.
  9. Zeittafel zur Geschichte der KPD 1875-1933. www.kpd-sozialgeschichte.homepage.t-online.de, abgerufen am 18. September 2016.
  10. Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes gegen die Neubildung von Parteien.
  11. SRP-Verbotsurteil des BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1952, Az. 1 BvB V51.
  12. KPD-Verbotsurteil des BVerfG, Urteil vom 17. August 1956, Az. 1 BvB 2/51.
  13. Vgl. Robert van Ooyen: Die Parteiverbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht; in: Martin Möllers/ Robert van Ooyen (Hrsg.), Parteiverbotsverfahren, 3. Aufl., Frankfurt a. M. 2011, S. 139-160, ISBN 978-3-86676-137-7.
  14. Vgl. Claus Leggewie/Johannes Lichdi/Horst Meier, „Was sollen wir damit anfangen?“ Das abermalige Verbotsverfahren gegen die NPD. Der Prozess (Teil 2). In: Recht und Politik, Heft 2/2016, S. 86–97; zur ganzen Problematik Horst Meier, Verbot der NPD - ein deutsches Staatstheater in zwei Akten. Analysen und Kritik 2001 - 2014. Berliner Wissenschafts-Verlag 2015.
  15. Bundesverfassungsgericht - Presse - Kein Verbot der NPD wegen fehlender Anhaltspunkte für eine erfolgreiche Durchsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Ziele. In: www.bundesverfassungsgericht.de. Abgerufen am 17. Januar 2017.
  16. Siegwald Ganglmair/DÖW: Der Weg zum „Anschluss“
  17. Europäischer Gerichtshof: Richter akzeptieren Verbot türkischer Wohlfahrtspartei. F.A.Z., 31. Juli 2001, abgerufen am 27. Mai 2013.
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