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Orthodoxe Kirchen

Aus Jewiki
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Dieser Artikel handelt von den byzantinisch-orthodoxen Kirchengemeinschaften. Weitere ostchristliche Konfessionen sind unter Ostkirchen zu finden. Mit den Kirchengebäuden orthodoxer und anderer ostchristlicher Gemeinschaften befasst sich Orthodoxe Kirchenbauten. Sonstige Bedeutungen von „orthodox“ siehe Orthodoxie.
Die Verbreitung der Religionen in Europa nach regional vorherrschender Religion, orthodoxe Kirchen rot markiert

Orthodoxe Kirche (altgr. ὀρθός orthos ,geradlinig, richtig, und δόξα doxa ,Verehrung, Glaube‘; also ,die richtige Verehrung oder rechte Lehre Gottes‘; im Slawischen православная церковь pravoslavnaja cerkov) nennen sich die christlichen Kirchen des byzantinischen Ritus, bestehend aus mehreren selbstverwalteten Kirchen, welche jeweils geografische, nationale und kulturelle Besonderheiten aufweisen, jedoch theologisch vereint sind. Angehörige der orthodoxen Kirchen verstehen sich als Einheit und sprechen daher meist von der Kirche der Orthodoxie im Singular. Die orthodoxen Kirchen bilden mit ca. 300 Millionen Angehörigen die drittgrößte christliche Gemeinschaft der Welt.

Alle heutigen autokephal-nationalen orthodoxen Kirchen auf dem Balkan, in Griechenland, Kleinasien, Syrien, Ukraine und Russland entstanden im hellenistischen Kulturraum oder wurden von dorther gegründet und standen bis zur moslemischen Eroberung Konstantinopels im Jahre 1453 unter der Verwaltung der byzantinischen Reichskirche. Von ihnen zu unterscheiden sind einerseits die mit der römisch-katholischen Kirche unierten Kirchen östlicher Riten, andererseits die sogenannten altorientalischen Kirchen. Zusammenfassend werden orthodoxe, unierte und altorientalische Kirchen oft als Ostkirchen bezeichnet. Der Begriff Ostkirchen ist dabei lediglich ein geografischer Sammelbegriff und bezeichnet nicht etwa eine als Einheit verstandene Gruppe von Kirchen, da beispielsweise die orthodoxen Kirchen mit den unierten Kirchen nicht in Mahlgemeinschaft stehen. Eine Gesamtübersicht bietet der Artikel Vorreformatorische Kirchen.

Ursprünge

Die kirchlichen Traditionen und Lehren der orthodoxen Kirchen gehen auf Jesus Christus zurück und fanden ihre volle Ausprägung im byzantinischen Reich mit dessen Zentrum Byzanz bzw. Konstantinopel. Deshalb spricht man auch von der „griechischen Kirche“ im Gegensatz zur lateinischen Kirche bzw. römischen Kirche. Der Sammelbegriff Ostkirchen ist, vor allem in Westeuropa, ebenfalls gebräuchlich, schließt aber auch andere im östlichen Mittelmeerraum beheimatete Kirchen ein, die sich theologisch oder liturgisch von der Orthodoxie byzantinischer Tradition unterscheiden – nämlich die meist in der Neuzeit entstandenen „katholischen Ostkirchen“, die seit dem Konzil von Chalkedon von der Reichskirche getrennten altorientalischen Kirchen (die auch als orientalisch-orthodoxe bzw. abwertend als „monophysitische“ Kirchen bezeichnet werden, im Fall der syrisch-orthodoxen Kirche auch als „Jakobiten“) sowie die Apostolische Kirche des Ostens (die pejorativ auch als „nestorianische“ Kirche bezeichnet wird).

Bei den orthodoxen Kirchen handelt es sich um eine Gruppe von Kirchen, die in Kirchenverständnis, Lehre und Kult weitgehend übereinstimmen und ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl haben. Sie betrachten sich nicht jeweils als Teil einer einzigen Kirche, sondern als unmittelbaren Ausdruck der Einen Kirche (siehe nächster Absatz). Sie erheben den Anspruch, sich im Unterschied zu den westlichen Kirchen dogmatisch ausschließlich an den Beschlüssen der sieben ökumenischen Konzile zwischen 325 und 787 zu orientieren. Bibel- und Liturgiesprache der Orthodoxie ist die jeweilige Landessprache oder eine ältere Form derselben, wie etwa Altgriechisch oder Kirchenslawisch, eine alte slawische Sprachform. Außer der griechischen Tradition ist bei den orthodoxen Kirchen des byzantinischen Ritus vor allem die slawische bedeutend, da slawische Gebiete im frühen Mittelalter das Christentum besonders von Byzanz übernommen haben und sich auch später viel eher auf Konstantinopel als auf Rom bezogen. Eine weitere bedeutende Kulturgruppe in der Orthodoxie bilden die aramäischen Christen.

Die orthodoxen Kirchen sind nach der katholischen Kirche und dem protestantischen Christentum die drittgrößte christliche Glaubensrichtung. Die Bezeichnung „Konfession“ ist ihnen eher fremd. Die Gruppe der orthodoxen Kirchen ist etwa dreimal größer als jede einzelne evangelische Konfession, die zusammengenommen allerdings deutlich mehr Gläubige zählen. Begriffe wie griechisch-orthodox oder russisch-orthodox sollten nach Meinung einiger Autoren für die Konfession nicht verwendet werden, da sich orthodoxe Christen nicht als „russisch-orthodox“ oder „bulgarisch-orthodox“ verstehen, auch nicht als „Teil der Einen Kirche“ (da ja Jesus Christus auch nicht die Summe einzelner Teile ist, sondern eine unteilbare Einheit), sondern als unmittelbaren Ausdruck der „ganzen Einen Kirche“. Das hindert sie aber nicht daran, jeweils durch Ort, nationale Zugehörigkeit, Sprache und Tradition z. B. an die russische orthodoxe Kirche oder die bulgarische orthodoxe Kirche gebunden zu sein.

Bezeichnung

In den orthodoxen Kirchen werden verschiedene Bezeichnungen verwendet, die die orthodoxe Identität ausdrücken: orthodoxe Kirche, orthodoxe katholische Kirche, östlich-orthodoxe Kirche, Ostkirche, griechisch-orthodoxe Kirche (letzteres bezieht sich in diesem Fall nicht auf Griechenland, sondern auf den griechischen Kulturraum, in dem die Kirche entstanden ist) oder auch griechisch-orientalische Kirche. Die eigentliche, umfassende Bezeichnung aus Sicht der orthodoxen Kirche selbst ist „die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche“, wie sie im Glaubensbekenntnis genannt wird.

Organisation

Beispiele für die einzelnen Organisationstypen siehe Liste der Ostkirchen. Dieser Artikel ist eine Liste mit (nach Möglichkeit) allen orthodoxen Kirchen, die meist auch eigene Artikel haben, die dort verlinkt sind.

Kanonische Kirchen

Die orthodoxen Kirchen unterscheiden zwischen kanonischen und nicht-kanonischen Kirchen. Kanonische Kirchen sind autokephale und autonome Kirchen, die in voller Kommunion mit dem ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel und den anderen kanonischen Kirchen stehen. Nicht-kanonische Kirchen haben sich irgendwann aus theologischen oder politischen Gründen von der Kommunion mit dem ökumenischen Patriarchat oder einer kanonischen Kirche getrennt.

Im Verständnis der kanonischen orthodoxen Kirchen stehen nur diese selbst in der vollen apostolischen Nachfolge, weshalb nur in ihnen die ganze Fülle der Sakramente zu finden ist. Theologische Aussagen über andere Kirchen und den Heils- oder Unheilsstatus ihrer Mitglieder werden in der Orthodoxen Kirche jedoch so weit wie möglich vermieden.

Autokephale und autonome Kirchen

In den Orthodoxen Kirchen wird unterschieden zwischen autokephalen Kirchen, die rechtlich und geistlich vollständig selbständig sind und ihr eigenes Oberhaupt wählen und oft noch für weitere Kirchen zuständig sind, und autonomen Kirchen, die bezüglich interner Angelegenheiten bis zu einem gewissen Grad selbständig sind, aber in mancher Hinsicht von einer autokephalen Kirche abhängen.

Eine autokephale Kirche kann, je nach Größe und historischer Bedeutung, den Titel Patriarchat, Erzbistum oder Metropolie tragen und wird entsprechend von einem Patriarchen, Erzbischof oder Metropoliten geleitet. An der Spitze einer autonomen Kirche steht ein Erzbischof.

Die zahlreichen orthodoxen Kirchen im deutschen Sprachraum sind nach wie vor jeweils der heimatlichen autokephalen Kirche oder dem Ökumenischen Patriarchat unterstellt. Dies widerspricht dem orthodoxen Kirchenrecht, nach dem in jedem Gebiet nur eine orthodoxe Kirche existieren soll, wird aber wegen der ungewöhnlichen Situation des 20. und 21. Jahrhunderts (große Zahlen an Migranten mit Bedarf an muttersprachlicher Seelsorge) kat' oikonomian erduldet. Ein zweites Argument hierfür ist, dass man in einem seit alters her römisch-katholischen Gebiet keine vollgültige Parallelkirche errichten möchte, da ja (wie weiter unten erklärt wird) die Orthodoxen solches umgekehrt auch in ihren eigenen Ländern ablehnen.

In den Orthodoxen Kirchen sind alle Bischöfe rechtlich und geistlich gleichgestellt – ein Patriarch, Metropolit oder Erzbischof hat gegenüber einem Bischof keine höhere Autorität und keine Jurisdiktion im Gebiet eines anderen Bischofs, steht den Bischöfen seines Gebiets aber als „primus inter pares“ (Erster unter Gleichen) vor und vertritt die Kirche nach außen. Für eine ganze Kirche bindende Entschlüsse können aber nur von der Gemeinschaft der Bischöfe an einem Konzil oder einer Synode getroffen werden. Innerhalb seines Gebiets hat jeder Bischof die geistliche Jurisdiktion.

Kirchenverständnis

Die orthodoxen Kirchen verstehen sich als die ursprüngliche christliche Kirche, von der sich alle übrigen Kirchen im Laufe der Geschichte abgespalten bzw. entfernt haben (so auch die Römisch-Katholische Kirche). Daher verstehen sich die orthodoxen Kirchen auch als geistliche Heimat aller Christen in ihren jeweiligen Gebieten und sehen mit Befremden auf die zahlreichen evangelischen Konfessionen, insbesondere wenn diese auf dem eigenen Gebiet Parallelkirchen eröffnen. Auch für die Errichtung von papsttreuen Parallelkirchen (Unierte Kirchen) und neuerdings von (lateinischen) katholischen Bistümern in orthodoxen Ländern herrscht wenig Verständnis. Vor allem die russisch-orthodoxe Kirche verteidigt ihr kanonisches Territorium und wirft der römisch-katholischen Kirche Proselytismus vor. Aus katholischer Perspektive gesehen wird hingegen auf Anhänger der römischen Kirche Druck ausgeübt, damit sie sich der Orthodoxie zuwenden.

Die orthodoxen Kirchen betonen den Wert der Einheit des Christentums, fast alle von ihnen haben sich dem Ökumenischen Rat der Kirchen angeschlossen und führen einen ökumenischen Dialog zwecks Annäherung mit der römisch-katholischen, den altkatholischen, den anglikanischen und evangelischen sowie den anderen orientalischen Kirchen. Sie lehnen es andererseits ab, sich durch Mehrheitsbeschluss Werte und Praktiken aufzwingen zu lassen, die nicht ihren Traditionen entsprechen (beispielsweise von einer Priesterin geleiteter Gemeinschaftsgottesdienst, gemeinsame Eucharistie, inklusive Sprache in der Liturgie, Befreiungstheologie).

Weihe und Amt

Das Sakrament der Handauflegung (Cheirotonie), das Weihesakrament, ist in drei Stufen aufgeteilt: Diakonat, Presbyterat und Episkopat. Die Weihe können nur Männer empfangen. Lediglich Bischöfe, die meist (fast immer) zugleich auch Mönche sind, sind zum Zölibat verpflichtet. Auch verwitwete Priester können zum Bischof gewählt und geweiht werden. Priester und Diakone dürfen verheiratet sein, allerdings muss die Eheschließung vor der Weihe zum Diakon erfolgt sein. Wenn sie verwitwen oder sich von ihrer Frau trennen, besteht keine Möglichkeit für eine zweite Heirat, denn in der Orthodoxie gilt ebenso wie im Katholizismus, dass eine Priesterweihe ein Hinderungsgrund für die Eingehung einer sakramentalen Ehe ist. Neben dem Weihesakrament kennen die orthodoxen Kirchen auch die sogenannten Niederen Weihen (Cheirotesie) zum Lektorat und zum Subdiakonat (Hypodiakonat).

Die Ämter sind in eine kirchliche Hierarchie eingebunden: An der Spitze steht der Patriarch oder Metropolit (= Erzbischof) als primus inter pares im Kollegium der Bischöfe (griech. επίσκοπος episkopos, eigentlich Aufseher oder Vorarbeiter). Dem Bischof unterstellt sind die Priester (griech. πρεσβύτερος presbyteros, eigentl. Ältester), die oftmals den Ehrentitel „Erzpriester“ (griech. αρχιπρεσβύτερος archipresbyteros) führen, und die Diakone (griech. διάκονος diakonos, eigentl. Helfer oder Tischdiener).

Subdiakon, Lektor, Kantor und Türhüter sind weitere Ämter ohne sakramentale Weihe, die ihren Ursprung in der frühchristlichen Liturgie haben, heute aber zum Teil andere Funktionen haben als die Namen nahelegen. Ebenfalls in die Gruppe der Ämter ohne Weihe gehören die Diakonissen, die hauptsächlich für die Vorbereitung und Assistenz bei der Taufe von Frauen zuständig waren – es galt als ungeziemend, wenn ein männlicher Priester eine Frau bei der Taufe im Wasser berührte. Das Diakonissenamt wurde aber mit der Abnahme der Erwachsenentaufen immer unbedeutender, so dass es nach dem Ende des byzantinischen Reiches einging; in einigen orthodoxen Kirchen wird heute über die Wiedereinführung diskutiert, bisher jedoch ohne konkrete Ergebnisse. Die Diakonissen leisteten niemals Altardienst und waren somit keine „weiblichen Diakone“.

Im Gegensatz zu westlichen Kirchen sind in der orthodoxen Kirche traditionell die meisten Theologen, in deren Hand auch ein großer Teil der Lehre liegt, Laien und nicht Priester, und umgekehrt die Mehrzahl der Priester keine Theologen; die Priesterausbildung ist manchmal kurz und praxisorientiert, sie findet nicht an Universitäten statt. Sozialdienste gelten ebenfalls als Aufgabe vor allem der Laien, in mehrheitlich orthodoxen Ländern auch als Aufgabe des Staates – nicht als Aufgabe der kirchlichen Hierarchie, deren Aufgabe vor allem die Durchführung von Gottesdiensten ist. Auch die Mönche sind nur selten Priester, die meisten sind Laien. Ordensgemeinschaften im westlichen Sinne gibt es in der Orthodoxie nicht, sondern jedes einzelne Kloster ist nach innen und außen selbständig. Allerdings gibt es oft eine informelle Zusammenarbeit zwischen Klöstern mit ähnlicher geistlicher Orientierung und gemeinsamer Gründungstradition. Während verschiedene westliche Ordenstraditionen grobe Entsprechungen im orthodoxen Bereich haben, wird das Bettelmönchswesen als Entartung abgelehnt.

Es gibt keine Frauenordination. Frauen können prinzipiell sämtliche Funktionen in der Gemeinde mit Ausnahme des Altardienstes ausüben, zum Beispiel Kirchenrat, Chorleitung, Lektorendienst, Unterricht erteilen (auch für Erwachsene), Ikonen malen – je nach lokaler Kultur ist die Beteiligung der Frauen am Gemeindeleben jedoch unterschiedlich. Die Ehefrau des Priesters hat eine Sonderstellung in der Gemeinde und einen speziellen Titel, arabisch Khouria und griechisch πρεσβυτέρα, Presbytera (Älteste), oder russisch Matuschka (Mama). Laut Kirchenrecht darf sie vor der Ehe nicht geschieden sein.

Kirche und Staat

Die Orthodoxe Kirche pflegt in den meisten Ländern Osteuropas eine harmonische Symphonia zum Staat, einen "Zusammenklang", dies im Gegensatz zur heutigen Trennung von Kirche und Staat in den katholisch oder evangelisch geprägten Staaten Westeuropas.

Spiritualität

Theologie

Die Muttergottes von Wladimir, eine der meistverehrten Ikonen Russlands.

Die Theologie der orthodoxen Kirchen ähnelt in vieler Hinsicht derjenigen der römisch-katholischen Kirche, im Detail gibt es allerdings diverse kleine Unterschiede.

Das geht daraus hervor, dass die katholischen und orthodoxen Kirchenväter laut römisch-katholischer Ansicht dieselben sind, da sich die Trennung erst 1054, also aus römisch-katholischer Sicht lange nach dem letzten Kirchenvater vollzog. Die Orthodoxen selbst kennen allerdings keine zeitliche Abgrenzung der Kirchenväter, sondern bezeichnen auch herausragende Theologen späterer Zeiten so.

Unterschiede zur katholischen Kirche

Ein wichtiger Unterschied in der Mentalität ergibt sich daraus, dass im Westen fast alle Theologen Geistliche waren, während die Theologie im Osten von Laien, darunter auch Staatsbeamten und im gewissen Maße den Kaisern bestimmt wurde, wenn auch die Kaiser keineswegs alle ihre theologischen Vorstellungen in der Kirche durchsetzen konnten. Viele frühe westliche Theologen hatten die römische juristisch-rhetorische Ausbildungstradition durchlaufen und gingen mit Denkkategorien aus der Rechtspflege, wie etwa Verbrechen, Strafe und Begnadigung, an die theologischen Fragestellungen heran. In der östlichen Kirche war dies so nicht der Fall; sie hatte eine größere Anzahl von frühen „Vätern“ recht unterschiedlicher ethnischer, sozialer und beruflicher Herkunft, die je einzeln betrachtet jedoch deutlich weniger bemerkenswert und prägend waren als die westlichen. Die östliche Theologie neigt dazu, in medizinischen Kategorien zu denken, wie beispielsweise Krankheit und Heilung. Sie ist auch stärker subjektivistisch geprägt und kann mit der objektivierenden aristotelischen Methode weniger anfangen als die westliche Theologie.

Ein weiterer Hauptunterschied ist vermutlich, dass die Orthodoxen insgesamt eine weniger positive Sicht der „heidnischengriechischen Philosophie haben – vor allem fehlt die im Katholizismus sehr verbreitete Hochschätzung des Aristoteles – und somit auch deren Denkweise weniger als ein geeignetes Vehikel der christlichen Theologie sehen als die Katholiken, obwohl eine bedeutende orthodoxe Dogmatik vom Aristoteliker Johannes von Damaskus verfasst worden ist, der in dieser Hinsicht aber eine Ausnahme darstellt. Gegenüber der Philosophie in griechischer Tradition werden von den Orthodoxen das Erbe Israels und die direkte spirituelle Erfahrung stärker betont. Daraus ergibt sich, dass viele Bereiche der Theologie bewusst im Vagen gelassen werden; beispielsweise wird bei der Eucharistie zwar eine „Veränderung“ der Elemente bekannt, der Begriff der Transsubstantiation aber abgelehnt, und auch die Marienlehre ist in der Orthodoxie zwar in der Liturgie klar vorhanden, aber kaum formell dogmatisiert.

Der griechischstämmige amerikanische Baptist James J. Stamoolis fasste die wesentlichen theologischen Unterschiede zwischen Ost und West im Jahr 1986 in seinem Buch „Eastern Orthodox Mission Theology Today“ so zusammen: die Orthodoxe Kirche teile nicht das Menschenbild des Augustinus von Hippo noch die Erlösungslehre des Anselm von Canterbury noch die Methodik des Thomas von Aquin.

In den orthodoxen Kirchen basiert die Textausgabe des Alten Testaments auf der Septuaginta und umfasst einen umfangreicheren Schriftenkanon, der allerdings nie formell definiert worden ist und auch kleine Abweichungen zwischen den einzelnen orthodoxen Kirchen kennt. Neben den auch von der römisch-katholischen Kirche anerkannten Spätschriften des Alten Testaments werden im Allgemeinen auch das 3. Buch Esra (1 Esdras), das 3. Buch der Makkabäer und der sogenannte 151. Psalm als kanonisch betrachtet; das 4. Buch der Makkabäer erscheint oft als Anhang, das 4. Buch Esra (2 Esdras, nicht zu verwechseln mit der Esra-Apokalypse) nur teilweise in den slawischen Kirchen, und ohne die wahrscheinlich von Christen nachträglich hinzugefügten Anfangs- und Schlusskapitel der lateinischen Version dieses Buches.

Sakramente

Die orthodoxen Kirchen kennen sieben Mysterien (= Sakramente):

Die Siebenzahl wurde erst um die Reformationszeit von der katholischen Kirche übernommen, um sich von protestantisierenden Tendenzen in den eigenen Reihen abzugrenzen und ist nicht dogmatisch festgelegt; eine klare Abgrenzung zwischen Sakramenten und Sakramentalien (wie beispielsweise Begräbnis und Wasserweihe) gibt es im Gegensatz zur katholischen Kirche nicht.

Da die Myronsalbung und die Erstkommunion unmittelbar nach der Taufe empfangen werden, kennt die orthodoxe Kirche im Gegensatz zu den meisten Religionen der Welt kein Übergangsritual (rite de passage), welches den Übergang vom Kind zum Erwachsenen feiert; es gibt aber viele lokale Traditionen dieser Art, in Rumänien und in Teilen Griechenlands, Serbiens und Bulgariens etwa das Tauchen und Heraufholen eines Kreuzes aus einem eiskalten Fluss durch Jugendliche am Tag der Taufe Christi, dem Theophaniefest am 6. Januar.

Byzantinische Liturgie

Im Mittelpunkt der orthodoxen Spiritualität steht die reiche, hauptsächlich gesungene Liturgie voller Symbolik, deren heutige Form größtenteils bis ins 4. Jahrhundert zurückgeht, in ihrer Grundstruktur wohl sogar bis ins 1. und 2. Jahrhundert. Die Form des ersten Teils der Liturgie, die sogenannte Liturgie der Katechumenen mit Lesungen und Gebeten (Ektenien), geht auf den jüdischen Synagogengottesdienst zurück, wie er zur Zeit Jesu üblich war, während der zweite Teil, die Liturgie der Gläubigen (Eucharistiefeier) im Wesentlichen christlichen Ursprungs ist, auch wenn manche hier Anleihen beim jüdischen Tempelgottesdienst sehen; dies ist aber kaum zu beweisen, da viele Details des Tempelgottesdienstes heute nicht mehr bekannt sind. Die Namen beziehen sich darauf, dass früher alle noch nicht getauften Glaubensanwärter nach der Liturgie der Katechumen die Kirche verlassen mussten („Arkandisziplin“). In dem dreigeteilten Kirchenraum – bestehend aus Vorhalle, Kirchenschiff und Altarraum – durften sich Büßer und Katechumen nur in der Vorhalle (Narthex) aufhalten.

Arten

Dem orthodoxen Kirchenverständnis nach ist Kirche überall dort, wo Eucharistie gefeiert wird. Jede christliche Gemeinde, die sich um ihren Bischof oder den von ihm beauftragten Priester zur Eucharistiefeier versammelt, erfährt die lebendige Gegenwart Jesu Christi und durch ihn die Gemeinschaft mit dem dreifaltigen Gott, mit den Engeln und mit der großen Schar der Heiligen. Die Gemeinde der Gläubigen wird durch den Empfang der eucharistischen Gaben in den Leib Christi verwandelt.

Die ursprüngliche Liturgie dauerte fünf Stunden, die Basilius-Liturgie dauert etwa zweieinhalb, die Chrysostomos-Liturgie ab dem 11. Jahrhundert etwa eineinhalb Stunden. An den meisten Sonntagen wird die Chrysostomos-Liturgie gefeiert, an hohen Feiertagen und am Basiliustag die Basilius-Liturgie. Daneben gibt es noch die „Liturgie der vorgeweihten Gaben“, die an den Werktagen der Fastenzeit gefeiert wird, und die kürzere und einfachere Jakobus-Liturgie, die jedoch nur noch im Patriarchat Jerusalem und nur am Jakobus-Tag verwendet wird.

Alle orthodoxen Liturgien benötigen zur vollen Feier neben dem Priester (oder Bischof) noch einen Diakon. Dieser assistiert dem Priester, und die Struktur des abwechselnden gegenseitigen Ansprechens dient beiden als Gedächtnisstütze. Notfalls kann die Göttliche Liturgie aber auch in einer vereinfachten Form ohne Diakon gefeiert werden.

Mit Orthros (entspricht den Laudes der Katholiken) und weiteren Gebeten ist der Gottesdienst auch an normalen Sonntagen reichlich drei Stunden lang – wobei nicht alle von Anfang bis Ende dabei sind, späteres Erscheinen und früheres Verlassen des Gottesdienstes sind relativ normal. Typisch ist der häufige Anruf Kyrie eleison (Κύριε ἐλέησον, Herr, erbarme dich).

Gesang

Besonderen Stellenwert in griechisch-orthodoxen Liturgie haben die Gesänge. Sie werden als Gebete verstanden und sollen deshalb nur von menschlichen Stimmen „produziert“ werden. Der Gebrauch von Instrumenten ist demzufolge in griechisch-orthodoxen Kirchen nicht gestattet, weil Instrumente nicht beten können. Auch in anderen orthodoxen Kirchen ist Instrumentalmusik unüblich. Im Judentum war religiöse Instrumentalmusik auf den Tempel beschränkt, in der Synagoge wurde nur gesungen, was ebenfalls Spuren in den orthodoxen Bräuchen hinterlassen haben könnte. Eine andere Theorie für diese Abneigung gegen Instrumentalmusik geht auf die bei den römischen Zirkusspielen üblichen Orchester zurück; die Christen betrachteten die Zirkusspiele, in denen sie teilweise selbst die Opfer waren, als Götzenkult. Jedoch haben diese Anschauungen historisch variiert. Die weltweit erste Orgel im heutigen Sinne wurde zum Beispiel im Spätmittelalter in der Hagia Sophia von Konstantinopel installiert; beim Fall der Stadt wurde sie zerstört.

Kreuzzeichen

In der orthodoxen Liturgie bekreuzigt man sich jedes Mal, wenn die Trinität beziehungsweise die drei Personen der Trinität erwähnt werden, wenn das Kreuz oder eine Ikone verehrt wird und bei unzähligen weiteren Gelegenheiten, die aber nicht genau geregelt sind und von den Gläubigen nach eigenem Ermessen gehandhabt werden. Man bekreuzigt von der Stirn bis etwa zur Bauchmitte und anschließend von der rechten zur linken Schulter (im Gegensatz zum Brauch in der katholischen Kirche, wo das Kreuz von der linken zur rechten Schulter gezeichnet wird). Dies gilt als die ältere Gewohnheit und soll anzeigen, dass das Kreuz aus der Perspektive des eigentlich Segnenden (das ist Christus) „richtig“, das heißt von links nach rechts aufliegt, daher wird die Bewegung spiegelverkehrt ausgeführt. Beim Bekreuzigen werden Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger zusammengehalten (drei Finger – Trinität), während Ringfinger und kleiner Finger an der Handfläche anliegen (als Symbol für die zwei Naturen Christi). Im Anschluss an das Kreuzzeichen wird von einigen orthodoxen Gläubigen die Handfläche auf das Herz gelegt. Manchmal erfolgt die Bekreuzigung im Zusammenhang mit einer Verbeugung (Kleine Metanie) oder einer Prostration (Große Metanie). Zum Abschluss der Liturgie erteilt der Priester den Segen, indem er das Kreuzzeichen über die Gemeinde zeichnet oder indem er die Gläubigen, wie es in den meisten orientalischen Kirchen Brauch ist, mit einem Hand-Kreuz segnet. Die Gläubigen begeben sich daraufhin zum Priester, um das Segenskreuz durch einen Kuss zu verehren. Zu diesem Zeitpunkt wird auch das gesegnete (aber nicht konsekrierte) Brot (Antidoron), in dem die urchristliche Praxis der Agapefeier fortlebt, an alle Teilnehmer (auch an Gäste) ausgeteilt.

Sonstige Besonderheiten

Gebetet wird prinzipiell stehend, auch in den Gottesdiensten wird meistens gestanden; einige Kirchen haben nur Bestuhlung entlang den Wänden für Alte und Schwache. Knien ist in der sonntäglichen Liturgie unüblich; an anderen Wochentagen gibt es in manchen Kirchen Niederwerfungen (Metanien) ähnlich wie im Islam. Männliche Kirchengänger müssen vor dem Eintritt in die Kirche ihre Kopfbedeckung ablegen, Frauen müssen sie in der Regel aufbehalten, was in stärker traditionellen Gemeinden auch heutzutage erwartet wird. Ebenfalls gilt es als unüblich, dass Frauen mit Hosen bekleidet – statt eines Rockes – die Kirche betreten. Bei einem Besuch einer orthodoxen Kirche sollte man weder die Hände hinter dem Rücken verschränken noch die Arme ineinander vor der Brust verschränken, was auch in anderen Kulturen als unhöflich empfunden wird. Dieser Gestus ist jedoch nicht zu verwechseln mit dem demütigen Gestus der vor der Brust gekreuzten Arme, wie er vor dem Kommunionempfang üblich ist.

Feste und Kalender

Das Hauptfest der Orthodoxie ist das Osterfest, welches in der orthodoxen Kultur eine ähnlich zentrale Stellung hat wie Weihnachten in der Kultur des Westen, auch wenn das Osterfest in der lateinischen Kirche des Westens offiziell ebenfalls das höchste Fest ist. Das Datum des Osterfestes wird in allen orthodoxen Kirchen (mit Ausnahme der Finnischen Kirche) nach dem Julianischen Kalender berechnet. Von Zeit zu Zeit fällt es mit dem westlichen Datum zusammen, öfter ist es aber eine, vier oder fünf Wochen nach dem westlichen Ostern.

Das Kirchenjahr der Orthodoxie beginnt am 1. September; an diesem Tag begann im Byzantinischen Reich auch die neue Indiktion.

An zweiter Stelle nach dem Oster- beziehungsweise Passahfest stehen die untereinander gleichrangigen sogenannten „Zwölf Feste“:

Während die beweglichen Feste (wie beispielsweise Ostern und Pfingsten) in allen Orthodoxen Kirchen (außer Finnland) nach dem von Julius Caesar eingeführten Julianischen Kalender gefeiert werden, hat ein Teil der Kirchen in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts für die festliegenden Feste (wie zum Beispiel Weihnachten und Taufe Christi) den sogenannten Neo-Julianischen Kalender eingeführt, der bis zum Jahr 2800 dem westlichen Gregorianischen Kalender entsprechen wird. Andere Kirchen halten jedoch auch für diese Feste am Julianischen Kalender fest, so dass beispielsweise Weihnachten in Griechenland am 25. Dezember, in Russland jedoch erst an unserem 7. Januar (dem „alten“ 25. Dezember) gefeiert wird. Diese Kalenderreform, die ziemlich spontan und ohne große Diskussion – und auch ohne vernünftige Abstimmung der Orthodoxen Kirchen untereinander – von oben herab beschlossen wurde, war im 20. Jahrhundert stark umkämpft und führte zur Abspaltung der Altkalendarier.

Spiritualität im engeren Sinn

Die Spiritualität (im engeren Sinn) der orthodoxen Christenheit ist geprägt durch die Lehren der Wüstenväter und weist bestimmte Grundkonstanten auf, innerhalb derer es wenige allgemeine Variationen gibt. Im Zentrum orthodoxer Spiritualität steht das Ziel der Errettung durch die Theosis, also durch die Vergottung des einzelnen.[1] Nach westlichen Maßstäben ist die ostkirchliche Spiritualität als kontemplativ zu bezeichnen. Charakteristisch sind das repetitive Gebet, wie das Jesusgebet, die Ikonenverehrung, Hymnen und die Ablehnung der Betrachtung durch innere Bilder.

Liste der orthodoxen Kirchen

Kanonische Kirchen

Heute gehören zur kanonischen orthodoxen Kirchenfamilie die folgenden Kirchen, in Reihenfolge ihres historischen Rangs:

Alle anderen kanonischen orthodoxen Kirchen stehen unter der geistlichen Leitung einer autokephalen Kirche.

„Nichtkanonische“ Kirchen und Sondergemeinschaften

Von den ihrem eigenen Selbstverständnis nach kanonischen orthodoxen (Groß- oder Haupt-)Kirchen haben sich zu verschiedenen Zeiten Kirchen und Gruppen abgespalten. Diese betrachten sich als authentische Fortsetzerinnen bestimmter Traditionslinien. Dazu gehören:

  • Die meisten der katholischen unierten Kirchen
  • Die sich seit dem 17. Jahrhundert in Russland entwickelnden Altritualisten oder Altgläubige, die sich gegen die Anpassung der russischen Liturgie an die griechische wandten und die heute durch zwei Kirchenfamilien mit bischöflich-priesterlicher Struktur (Popowzy) sowie viele Gemeinschaften und Gemeinden der sogenannten „Priesterlosen“ (Bespopowzy) vertreten sind. Letztere glauben, dass ein gültiges Priestertum auf der Welt nicht mehr existiert, und feiern daher auch keine Eucharistie mehr.
  • Die Russische Orthodoxe Kirche im Ausland verstand sich bis zu ihrer Vereinigung mit dem Moskauer Patriarchat im Jahr 2007 als die eigentliche Russisch-Orthodoxe Kirche im Exil, weil das Moskauer Patriarchat zur Sowjetzeit den Glauben verloren habe.
  • Die von den übrigen Kirchen nicht anerkannten (nationalen) Kirchen. Von Bedeutung sind hier die autokephalen Kirchen wie die Ukrainische, die Mazedonische, die Montenegrinisch-Orthodoxe Kirche und die (eher in Amerika verbreitete) Belarussische autokephale Kirche.
    Zahlreiche Gläubige in Osteuropa fühlen sich mit der Ukrainischen Orthodoxen Kirche des Kiewer Patriarchats verbunden (sie ist von der oben genannten autokephalen Kirche zu unterscheiden).
    Eine besondere Gruppe stellen die in den letzten zwei Jahrzehnten entstandenen orthodoxen Gegenkirchen in Südosteuropa dar.
  • Schließlich sind noch traditionalistische Gruppierungen wie die hauptsächlich in Griechenland aktiven Altkalendarier, die sich gegen den neujulianischen Kalender wenden, und modernistische Strömungen wie die probolschewistische „Lebende Kirche“ im Sowjetrussland der 1920er Jahre zu nennen.
  • Es gibt etwa 250.000 türkischsprachige orthodoxe Christen; in Moldawien bilden sie die Volksgruppe der Gagausen und gehören zur moldauischen Kirche. Die orthodoxen Türken in Kleinasien unterstanden dem Ökumenischen Patriarchat in Konstantinopel. Die meisten von ihnen wurden 1923 nach Griechenland zwangsumgesiedelt.

Ökumene

Bei den für die Orthodoxen Kirchen sehr wichtigen Bemühungen um die Einheit der christlichen Kirchen muss man zwischen den Beziehungen zur römisch-katholischen und jenen zu den Kirchen der Reformation unterscheiden. Während der Dialog mit Rom vor allem im eher politischen Bereich des kirchlichen Selbstverständnisses auf Differenzen stößt, sind es gegenüber den reformatorischen Kirchen vor allem theologische Unstimmigkeiten, etwa um das Verständnis der Sakramente.

Gegenüber der Römischen Kirche gibt es auf den ersten Blick viele Gemeinsamkeiten: Orthodoxe und Römisch-katholische haben dieselben apostolischen Glaubensbekenntnisse, dieselben Sakramente und dieselben geweihten Ämter.

Kulturelle und theologische Unterschiede zwischen Ostkirche und Westkirche gab es praktisch von Anfang an, aber ab der Mitte des ersten Jahrtausends führte ein immer geringerer theologischer und kultureller Austausch zu einer getrennten Entwicklung. Die in der katholischen Theologie seit dem Mittelalter eingeführten kirchlichen Lehren, beginnend mit dem Filioque und dem päpstlichen Primat, wurden von der Orthodoxie als einseitige Neuerungen angesehen, die zu einem Bruch der Kommunion führten, als die römisch-katholische Kirche verlangte, dass diese auch in den orthodoxen Kirchen eingeführt wurden. Insbesondere auch die Dogmen des 19. und 20. Jahrhunderts – Unbefleckte Empfängnis, leibliche Aufnahme Marias in den Himmel, und Unfehlbarkeit des Papstes gemäß Vatikanum I – haben die Kluft noch vergrößert, wohingegen sich die römische Kirche mit den Beschlüssen des II. Vatikanums der orthodoxen Kirche wieder angenähert hat. Papst Johannes Paul II. hat der katholisch-orthodoxen Ökumene oft Vorrang gegenüber der katholisch-protestantischen eingeräumt und viel zu einer Klimaverbesserung beigetragen, andererseits aber die katholischen Dogmen stets klar verteidigt.

Die zweite große Spaltung war das morgenländische Schisma von 1054, aus dem die römisch-katholische Kirche und die östlich-orthodoxen Kirchen unter dem Ehrenprimat des Patriarchen von Konstantinopel hervorgingen. Unionsversuche, zuletzt 1439 angesichts der drohenden Eroberung Konstantinopels durch die Türken, scheiterten vor allem am Widerstand der orthodoxen Gläubigen, für die nach der Eroberung von Konstantinopel im vierten Kreuzzug eine Kirchengemeinschaft mit der römisch-katholischen Kirche nicht mehr vorstellbar war. Die gegenseitigen Verurteilungen als Häretiker gelten heute als aufgehoben. 1964 hoben Papst Paul VI. und der Patriarch von Konstantinopel, Athinagoras, den gegenseitigen Kirchenbann von 1054 auf. 1967 kam es in Jerusalem zur ersten Begegnung eines Papstes und eines Patriarchen nach dem Beginn der Kirchenspaltung. Das Schisma blieb allerdings bestehen.

Am 4. Mai 2001 erklärte Johannes Paul II. gegenüber griechisch-orthodoxen Christen: „Für die vergangenen und gegenwärtigen Anlässe, bei denen Söhne und Töchter der Katholischen Kirche durch Taten oder Unterlassungen gegen ihre orthodoxen Brüder und Schwestern gesündigt haben, möge der Herr uns Vergebung gewähren.“ 2004, zum 800. Jahrestag der Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer 1204, erneuerte Papst Johannes Paul II. dieses Schuldbekenntnis.

Erinnerungen an die Plünderung Konstantinopels im Vierten Kreuzzug (1204) und die polnische Herrschaft in Weißrussland und der Ukraine sind noch nicht verheilt und werden durch die „uniatische Frage“, das heißt die Existenz von katholischen Ostkirchen, sowie die Errichtung von katholischen Bistümern beziehungsweise Apostolischen Administraturen auf orthodoxem Gebiet immer wieder aufgewühlt. Die Orthodoxen sehen darin eine falsche Ekklesiologie (aus ihrer Sicht kann es in einem Gebiet nur eine christliche Kirche geben), beziehungsweise einen Versuch Roms, mehr Macht zu gewinnen, und eine Missachtung ihrer eigenen Kirchen; die katholische Seite fühlt sich umgekehrt den Unierten Kirchen gegenüber zur Loyalität verpflichtet. Auch wenn deren Einrichtung inzwischen auch von einigen katholischen Verhandlungsführern als historischer Fehler gesehen wird, so kann man sie nach katholischer Ansicht trotzdem jetzt nicht einfach ihrem Schicksal überlassen oder aus der Kirche ausschließen oder zur von ihnen nicht gewollten Vereinigung mit den Orthodoxen zwingen.

Hilfreich sind Kontakte auf gleicher Ebene, wie die Begegnungen zwischen dem ökumenischen Patriarchen Athinagoras und Papst Paul VI. in den 1960er Jahren, oder die im Jahre 2004 erfolgte Rückgabe der bei der Plünderung von Konstantinopel geraubten Reliquien von Gregor von Nazianz und Johannes Chrysostomos von Rom nach Konstantinopel.

Unklar bleibt, wie die Differenzen im kirchlichen Selbstverständnis überwunden werden können, sowie viele Streitfragen, wo die Römische Kirche sich auf philosophische Erklärungen theologischer Fragen festgelegt hat, die von den orthodoxen Kirchen abgelehnt werden.

Weiter fortgeschritten ist die Annäherung zwischen den Orthodoxen Kirchen, der Anglikanischen Kommunion und den Altkatholischen Kirchen, sie wurde in den letzten Jahrzehnten allerdings belastet durch die Priesterweihe von Frauen in diesen westlichen Kirchen und andere Tendenzen, während die Orthodoxen an der Tradition der Priesterweihe nur für Männer festhalten.

Die orthodoxen Kirchen gehören mit wenigen Ausnahmen dem Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) an; in den (relativen) Entspannungsphasen des Kalten Krieges sah man darin eine Möglichkeit zu stärkerem ost-westlichem Austausch auf nichtstaatlicher Ebene, weshalb die sozialistischen Staaten diese Mitgliedschaft befürworteten. In diesem Rahmen besteht die Möglichkeit zum Austausch mit den Kirchen der Reformation und deren Abspaltungen. Die Römische Kirche gehört dem Rat aufgrund ihres Selbstverständnisses nicht an, sondern nimmt eine Beobachterrolle ein. Unterdessen fühlten sich die verhältnismäßig wenigen orthodoxen Kirchen gegenüber den zahlreichen protestantischen Kirchen in diesem Gremium oft an den Rand gedrängt und haben daher nach dem Ende des Kommunismus eine bessere Abstimmung und ein einheitlicheres Auftreten im Rat beschlossen. Nur die georgische Kirche trat aus Protest gegen die massive protestantische Mission in Georgien ganz aus dem Rat aus.

Obwohl sich die orthodoxen Kirchen als einzige Bewahrer der vollständigen apostolischen Lehre betrachten, können sie sich ausdrücklich dazu bekennen, dass die Einheit der weltweiten christlichen Kirche die Vielfalt eigenständiger Kirchen umfasst — was gerade den zentralen Konflikt gegenüber dem Dialog mit Rom darstellt. Trotzdem nehmen die orthodoxen Kirchen innerhalb des ÖRK eine Sonderstellung ein, was auch in einem Sonderarbeitsbereich innerhalb des ÖRK Ausdruck findet.

Siehe auch

Literatur

  • Hegumen Damaskin (Orlovskij): Wir gerieten in Feuer und Wasser. Aus dem Martyrologium der Neumärtyrer der Russischen Orthodoxen Kirche 1.Auflage. Bernardus-Verlag, Aachen, 2010, ISBN 978-3-8107-9314-0.
  • Athanasios Basdekis: Die Orthodoxe Kirche. 4. Auflage. Lembeck, Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-87476-402-8 (Aktuelle Einführung mit besonderem Gewicht auf den Kirchen in Deutschland).
  • Erich Bryner: Die Ostkirchen vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Evangelische Verlags-Anstalt, Leipzig 1996, ISBN 3-374-01620-0 (Kirchengeschichte).
  • Sergius Heitz: Christus in euch. Hoffnung auf Herrlichkeit. Orthodoxes Glaubensbuch für erwachsene und heranwachsende Gläubige, 3. Auflage, Göttingen 2002, Vandenhoeck und Rupprecht, ISBN 978-3-525-56832-3 (Umfassende Erklärung des orthodoxen Glaubens).
  • Johannes Oeldemann: Die Kirchen des christlichen Ostens. Pustet, Regensburg 2006, ISBN 3-7867-8577-5 (Überblick über alle orthodoxen, orientalischen und mit Rom unierten Ostkirchen – mit historischen Hintergründen und aktuellen Daten (einschließlich Weblinks) zu jeder einzelnen Kirche).
  • Jaroslav Pelikan: The Spirit of Eastern Christendom. University of Chicago Press, Chicago 1974, ISBN 0-226-65373-0 (Geschichtliche Entwicklung der Orthodoxen Kirchen).
  • Timothy Ware: The Orthodox Church. Penguin, 2. Aufl., London 2012, ISBN 978-0140146561 (Sehr gute und genaue Einführung in englischer Sprache).

Weblinks

Einzelbelege

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