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Omission Bias

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Omission Bias[1] (engl.; etwa: "die Neigung zur Unterlassung") ist die Bezeichnung für ein von den Verhaltenswissenschaften beschriebenes Phänomen.

Vor die Wahl gestellt, eine möglicherweise mit negativen Folgen verbundene Handlung vorzunehmen oder diese zu unterlassen, was dann nicht nur möglicherweise, sondern sicher zu negativen Folgen führt, tendieren Menschen im Allgemeinen zur Unterlassung. Diese Neigung resultiert daraus, dass die Verantwortung für ein negatives Resultat, das man selbst herbeigeführt hat, als schwerer wahrgenommen wird als die Verantwortung für ein negatives Resultat, das man nicht selbst herbeigeführt hat. Die moralische Bewertung erfolgt nicht nur vom Handelnden (oder Unterlassenden) selbst, sondern auch von Dritten im Allgemeinen signifikant unterschiedlich.

Mit einem Beispiel erläutert Jonathan Baron[2] in Thinking and Deciding in der Cambridge University Press den Begriff:

Ein Sportler A weiß, dass er am nächsten Tag mit dem ihm überlegenen Gegner B einen Wettkampf auszutragen hat. Ihm ist auch bekannt, dass B eine bestimmte Lebensmittelallergie hat.
Variante 1: Beim gemeinsamen Abendessen sorgt A dafür, dass B das Allergen zu sich nimmt, um am nächsten Tag geschwächt zu sein. Dies ist aktives Handeln, das als sehr verwerflich bewertet wird.
Variante 2: B will in Unkenntnis der Lage Nahrung zu sich nehmen, die das Allergen beinhaltet. A bemerkt dies rechtzeitig, unternimmt aber nichts, um dies zu verhindern - handelt also nicht aktiv, sondern begeht eine Unterlassung. Dieses Verhalten des A wird im Allgemeinen als weniger verwerflich betrachtet.

In einem weiteren Beispiel wird die Fatalität des Omission Bias verdeutlicht:

Ein Arzt hat eine Gruppe von Patienten mit gleicher Erkrankung zu betreuen. Die Erkrankung ist untherapiert stets tödlich. Das einzige zur Verfügung stehende Medikament hat starke Nebenwirkungen, an denen ein Fünftel der Patienten sterben wird. Daher wird der Arzt tendenziell dazu neigen, das Medikament nicht oder verzögert zu verabreichen, weil er sich für jeden dann eintretenden Todesfall aufgrund der Verabreichung verantwortlich fühlen wird, während er sich beim untherapierten Verlauf der Krankheit für den dann eintretenden Tod nicht (oder weniger) verantwortlich fühlt, obwohl dann alle Patienten sterben werden.

Das Omission Bias findet ihren Widerhall darin, dass im Strafrecht[3] allgemein nur Handeln strafbar ist, während Unterlassungen nur dann strafbar sind, wenn dies ausdrücklich in der Strafrechtsnorm genannt ist, wie etwa bei der unterlassenen Hilfeleistung. Das ethische Ungleichgewicht wird durch das Konstrukt der Garantenstellung verringert. Demnach ist einer Person Unterlassung gleich aktivem Handeln anzurechnen, wenn diese Person zum Geschädigten in einem Sorgfaltspflichtverhältnis steht. Ein solches Sorgfaltspflichtverhältnis kann natürlich begründet sein - wie etwa bei Eltern gegenüber ihren Kindern - oder vertraglich wie etwa zwischen Hauseigentümer und Mieter.

Die Eltern eines Kleinkindes feiern zusammen mit dem Bekannten X ein Gartenfest. Die Eltern stehen zum Kind in einer Garantenstellung, X hingegen nicht. Das Kleinkind klettert in den Pool und ertrinkt. Die Eltern und X handeln nicht, sondern sehen dem Geschehen zu. Dies wird bei den Eltern zu einer Strafbarkeit wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts (§ 211, 212 StGB (D) - Mord, Totschlag) führen, während bei X lediglich eine Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung nach § 323 c StGB (D) in Betracht kommt.

Die mit Bezug auf das Omission Bias ethisch unterschiedliche Wertung zwischen aktivem Tun und Unterlassen wird zivilisatorisch kritisiert:

„An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern.“

Erich Kästner

Das Gegenstück zu Omission Bias ist Action Bias.

Einzelnachweise

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