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Nominotypisches Taxon

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Als nominotypisches Taxon,[1] auch (früher) Nominatform, wird in der zoologischen Nomenklatur ein Taxon bezeichnet, das durch denselben namenstragenden Typus definiert ist wie das höherrangige Taxon, dem es selbst angehört.

In der Biologie werden neu entdeckte „Formen“ (Taxa), wie beispielsweise eine Art, anhand eines sogenannten Typusexemplars beschrieben und benannt. So wurde die Kohlmeise 1758 von Carl von Linné wissenschaftlich unter dem Namen Parus major beschrieben. Nachdem diese Art durch andere Biologen in mehrere Unterarten gegliedert wurde, definieren Linnés Beschreibung und das namenstragende Typusexemplar nunmehr nicht nur die Art Parus major, sondern auch die Unterart Parus major major. Daher ist diese Unterart die Nominatform der Art Parus major.

Nach den Internationalen Regeln für die Zoologische Nomenklatur wird heute allerdings der Begriff des nominotypischen Taxons verwendet. Dieses Konzept gilt ausschließlich für die Ranggruppen Familie, Gattung und Art.

Erläuterung

Der Name eines Taxons (einer Unterart, Art, Gattung, Familie etc.) ist in den Regeln für die Namensgebung (Nomenklatur) an ein (oder mehrere) tatsächlich vorhandene Exemplar(e), den Typus, gebunden[2]. Der Sinn dieser Regel liegt darin, den Träger des Namens eindeutig festzuschreiben, wenn das Taxon später umdefiniert, geteilt, mit einem anderen vereinigt etc. wird. Wird z. B. eine Art aufgrund neu erkannter Merkmale in zwei Arten aufgespalten, regelt der Typus, welche dieser Arten den ursprünglichen Namen behält. Die andere (die bis dahin als Teil derselben Art betrachtet worden ist) erhält einen neuen Namen. Taxa, die im Rang oberhalb der Art anschließen (Gattungen und Familien oder davon abgeleitete Ränge) erhalten keinen eigenen Typus. Bei der Beschreibung einer neuen Gattung ist immer eine Typusart festzulegen (Familien: analog). Der Typus der Art wird automatisch auch zum Typus der Gattung (und der Familie etc.). Durch diese Regelung wird sichergestellt, dass sich bei taxonomischen Umgruppierungen der Name niemals völlig von der ursprünglichen Gruppe, die der Erstbeschreiber zugrunde gelegt hatte, wegbewegen kann, egal, wie oft und tiefgreifend sie später umgruppiert wird.

Durch diese Regelung ist nun ein Spezialfall nicht abgedeckt, für den deshalb eigene Regeln aufgestellt worden sind. Wird ein Taxon eines benamten Rangs später aufgespalten (beispielsweise eine Familie in Unterfamilien), ist nicht automatisch klar, welche davon den Typus „erben“ sollte. Deshalb legt der Code sogenannte „nominotypische“ Taxa fest. Das bedeutet: Wird z. B. eine Familie nachträglich in Unterfamilien aufgespalten, erhält diejenige Unterfamilie, die den Typus für die Familie enthält, automatisch denselben Namen wie die Familie (selbstverständlich mit angepasster Endung). Wird z. B. die Familie „Tipulidae“ in Unterfamilien gespalten, erhält eine der Unterfamilien immer den Namen „Tipulinae“ - und zwar diejenige, die die Typus-Gattung Tipula enthält[3]. Typusart ist in diesem Fall Tipula oleracea Linnaeus, 1758, deren (Neo-)Typus im Museum Alexander Koenig in Bonn liegt. Die Unterfamilie, die das in Bonn aufbewahrte Museumsexemplar mit enthält, muss also „Tipulinae“ genannt werden, egal wie sie sonst umschrieben und abgegrenzt wird. Analoge Regelungen gelten für Untergattungen[4] und Unterarten[5]. Im Falle von Unterarten hat dies zur Folge, dass immer mindestens eine nominotypische Unterart („Nominatform“) existieren muss. Dies ist nicht etwa die häufigste oder „typischste“, sondern diejenige, die das Typusexemplar der Art enthält.

Beispiele

Unterfamilie Homininae in der Familie Hominidae

Alle Gattungen der sogenannten Großen Menschenaffen (darunter auch die Gattung der Orang-Utans) bilden zusammen die Familie der Hominidae. Dieses Taxon beruht auf „dem Menschen“, d. h. der Gattung Homo als typischem Taxon dieser Familie. In der Terminologie des zoologischen Nomenklaturcodes bildet damit die Gattung Homo als Typus-Gattung den namenstragenden Typus[6] der Familie Hominidae. Die Gattung Homo wiederum ist durch die Typus-Art Homo sapiens als namenstragender Typus definiert.

Nun kann es vorkommen, dass zur besseren Abbildung der systematischen Beziehungen in der Nomenklatur innerhalb einer Ranggruppe weitere Taxa unter- oder übergeordneter Ränge eingeführt werden, z. B. eine neue Unterfamilie. Eine solche Unterfamilie sind die Homininae, in der Menschen, Schimpansen und Gorillas (nebst all ihren fossilen Vorfahren) zusammengefasst sind; die entfernter verwandten Orang-Utans gehören jedoch nicht dazu. Auch die Unterfamilie Homininae ist durch die Gattung Homo als namenstragender Typus definiert. Taxa solcher Ränge, die auf demselben namenstragenden Typus eines Taxons höheren Ranges, aber innerhalb derselben Ranggruppe definiert sind, nennt man nominotypische Taxa.

Nominotypische Taxa innerhalb der Artgruppe

Gray führt 1855 die Pracht-Erdschildkröte Rhinoclemmys pulcherrima unter der ursprünglichen Namenskombination Emys pulcherrimus ein. Inzwischen wurde eine Vielzahl von Rhinoclemmys pulcherrima-Unterarten aufgestellt. Folglich existiert die Unterart Rhinoclemmys pulcherrima pulcherrima (Gray, 1855) als nominotypisches Taxon zu der Art Rhinoclemmys pulcherrima (Gray, 1855). Beide Taxa beruhen auf demselben namenstragenden Typus, in diesem Fall einem bestimmten Typusexemplar. Alle anderen pulcherrima-Unterarten beruhen auf einem jeweils eigenem, spezifischen Typusexemplar als namenstragenden Typus.

Nominotypische Taxa innerhalb der Gattungsgruppe

Hier seien nomenklatorische Handlungen an Taxa der Gattungsgruppe innerhalb der Trilobiten-Familie Phacopidae Hawle & Corda, 1847 erläutert:

Wolfgang Struve führt 1972[7] eine neue Untergattung unter dem Titel Phacops (Pedinopariops) n. sg. ein. Namenstragender Typus ist die hier in der ursprünglichen Namenskombination zitierte Art Phacops (Phacops) lentigifer Struve, 1970. Später erhebt Struve Pedinopariops in den Rang einer Gattung und führt als Untergattung Pedinopariops (Hypsipariops) Struve, 1982 ein.[8] Gemäß diesen nomenklatorischen Handlungen ergibt sich eine Nomenklatur mit der Gattung Pedinopariops Struve, 1972 und dessen nominotypischem Taxon Pedinopariops (Pedinopariops) Struve, 1972. Beide beruhen auf der Art Phacops (Phacops) lentigifer Struve, 1970 als namenstragenden Typus. Eine weitere subordinierte Untergattung der Gattung Pedinopariops ist Pedinopariops (Hypsipariops) Struve, 1982 mit der Art Pedinopariops (Hypsipariops) lyncops Struve, 1982 als namenstragenden Typus.

Nominotypische Taxa innerhalb der Familiengruppe

Das ausführliche, aber komplexe Beispiel zeigt das Prinzip der Koordination im Zusammenwirken mit dem Prioritätsprinzip:

Der belgische Echinodermologe Georges Ubaghs führt 1953[9] mit der Überfamilie „Melocriniticea Ubaghs nov.“ ein neues nominelles Crinoiden­taxon mit den Familien Melocrinitidae Zittel, 1878 und Scyphocrinitidae Jaekel, 1918 ein. Aufgrund der Nomenklaturregeln interpretiert und korrigiert Ubaghs diese nomenklatorische Handlung später[10] wie folgt: Die Familie Melocrinitidae Zittel, 1878 tritt in Synonymie mit der Familie Melocrinitidae d’Orbigny, 1852 (pro Melocrinidae d’Orbigny 1852). Durch das Prioritätsprinzip wird die Familie Melocrinitidae d’Orbigny, 1852 zum gültigen Namen. Gemäß dem Prinzip der Koordination wird dadurch gleichzeitig eine als latent von d’Orbigny 1852 eingeführte Überfamilie Melocrinitacea verfügbar. Dieses Taxon erlangt als älteres Synonym gegenüber Melocriniticea Ubaghs, 1958 Gültigkeit. Nach den hier dargestellten nomenklatorischen Handlungen ergibt sich als gültige Nomenklatur die Überfamilie Melocrinitacea d’Orbigny, 1852 mit der Familie Melocrinitidae d’Orbigny, 1852 als nominotypisches Taxon. Beide beruhen auf der Gattung Melocrinites Goldfuß, 1824 als namenstragender Typus. Es existiert innerhalb der Überfamilie die weitere Familie Scyphocrinitidae Jaekel, 1918 mit der Gattung Scyphocrintes Zenker, 1833 als namenstragenden Typus.

Verwendung in der Botanik

In der Botanik wird der Begriff des nominotypischen Taxons von manchen Wissenschaftlern ebenfalls verwendet, auch wenn er im Code der botanischen Nomenklatur nicht vorkommt. Stattdessen wird dort seit 1972 der Begriff Autonym verwendet.[11]

Literatur

  • Gerhard Becker (2001): Kompendium der zoologischen Nomenklatur. Termini und Zeichen erläutert durch deutsche offizielle Texte. Senckenbergiana lethaea, 81 (1): 3–16; Frankfurt am Main.
  • Otto Kraus (Bearb.), International Commission on Zoological Nomenclature (Hrsg.): Internationale Regeln für die Zoologische Nomenklatur. Angenommen von International Union of Biological Sciences. Offizieller deutscher Text. In: Abhandlungen des Naturwissenschaftlichen Vereins in Hamburg (NF) 34. 4. Auflage.

Einzelnachweise

  1. IRZN 2000: S. 168
  2. Code Article 61. Principle of Typification.
  3. Code Article 37. Nominotypical taxa.
  4. Code Article 44. Nominotypical taxa.
  5. Code Article 47. Nominotypical taxa.
  6. Namenstragender Typus: „Die Typusgattung, Typusart, der Holotypus, Lectotypus, die Serie von Syntypen (diese gelten insgesamt als namenstragender Typus) oder der Neotypus; sie alle gewährleisten die objektive Bezugsgrundlage, aufgrund deren die Anwendung eines Namens für ein nominelles Taxon bestimmt werden kann.“ IRZN 2000: 169 [Glossar].
  7. W. Struve (1972): Phacops-Arten aus dem Rheinischen Devon. 2. Untergattungs-Zuweisung. Senckenbergiana lethaea, 53 (2): 395; Frankfurt am Main.
  8. W. Struve (1982): Neue Untersuchungen über Geesops (Phacopinae; Unter- und Mittel-Devon). Senckenbergiana lethaea, 63 (5/6): 488; Frankfurt am Main
  9. G. Ubaghs (1953): Classe des Crinoides. In: J. Piveteau [Hrsg.], Traité de Paléontologie, 3: S. 741–742; Paris.
  10. G. Ubaghs (1978): Camerata. In: R. C. Moore [Hrsg.], Treatise on Invertebrate Paleontology, Part T (Echinodermata 2), Volume 2: T491–T492; Lawrence/Kansas.
  11. Gerhard Wagenitz: Wörterbuch der Botanik. 2 Auflage. Nikol, Hamburg 2008, ISBN 978-3-937872-94-0.

Weblinks

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