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Negativzins

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Negativzinsen sind Zinsen, mit denen ein Guthaben belastet wird. Wirtschaftlich gesehen sind es Minuszinsen, die auf Guthaben erhoben werden können und vom Gläubiger gezahlt werden müssen oder vor der Rückzahlung des Guthabens abgezogen werden.

Real- und Nominalzins

Es werden negative Realzinsen (Zinssatz der Wertänderung eines Vermögens unter Berücksichtigung der Inflation) und negative Nominalzinsen unterschieden. Negative Realzinsen entstehen, wenn der Marktzins unterhalb der Inflationsrate liegt.[1] Der Gläubiger erhält zwar einen (positiven) Zins, dennoch sinkt die Kaufkraft des Kapitals. Bei negativer Realverzinsung versuchen Anleger am Markt eine Umschichtung der Geldanlagen in inflationsgeschützte Anlagen. Als solche gelten Sachanlagen wie Aktien, Immobilien, Rohstoffe oder Edelmetalle wie Gold. Auch Anleihen fallen als inflationsgesicherte Anleihen unter diese Kategorie. Der Versuch der Zentralbanken, die nominellen Zinsen möglichst niedrig zu halten und die Realzinsen unter null zu halten, wird auch als „finanzielle Repression“ bezeichnet.[2]

Ein negativer Nominalzins ist ein Nominalzins, der unter null liegt. Er kann als negativer Coupon oder als negative Rendite auftreten. Ein negativer Coupon entspricht dabei dem durch den Gläubiger zu zahlenden Nominalzins, während eine negative Rendite dadurch entsteht, dass der Gläubiger seinen Anspruch auf den Rückzahlungsbetrag zu einem Preis oberhalb des Rückzahlbetrags einkauft und dieser Unterschied auch nicht durch Coupons geheilt wird.

Attraktivität von Anlageformen mit Negativzins

Die Alternative zu Geldanlagen ist die Bargeldhaltung. Da die Bargeldhaltung einem Zinssatz von Null entspricht, treten nominale Negativzinsen am Markt normalerweise nicht auf. Allenfalls in speziellen Situationen wie der Finanzkrise ab 2007 und der Eurokrise wurden vereinzelt leicht negative Nominalzinsen beobachtet.

Bei Staatsanleihen mit Negativzins können unterschiedliche Gruppen trotz Negativzins ein Interesse an solchen Anleihen haben, bzw. gezwungen sein, diese zu kaufen. zum einen ist dies der Staat selbst, der bei Negativzins hochverzinste Anleihen zurückkauft und dafür aktuelle und niedrig verzinste Papiere herausgibt. Renten- und Mischfonds können entsprechend dem Anlegerprofil eine festgelegte Quote von Staatsanleihen im Portfolio haben müssen. Wird dort Geld angelegt, müssen die Fonds Staatsanleihen einkaufen, egal welchen Kurs die gerade haben. Eine weitere Gruppe sind Spekulanten, die auf weiter steigende Anleihenkurse setzen - das bedeutet, dass man damit einen Gewinn machen kann. Weiterhin gibt es besonders sicherheitsorientierte Anleger, die für diese Sicherheit einen kleinen Verlust in Kauf nehmen. Daneben gibt es Institutionen und Anleger, die Kredite mit einem gewissen Prozentsatz von garantierten Wertpapieren (=Bundesanleihen) absichern müssen. Versicherungen sind außerdem per Gesetz dazu verpflichtet Gelder im Deckungsstock anzulegen. Wertpapiere mit Deckungsstockfähigkeit gibt es nicht sehr viele, dazu gehören aber Bundesanleihen. Außerdem gibt es bestimmte Gelder, die per Gesetz oder Gerichtsbeschluss in sichere Wertpapiere investiert werden müssen z. B. Auszahlungen an Waisen durch Lebensversicherungen, die zur Absicherung der Ausbildung unter Treuhand sind.

Volkswirtschaftslehre

In der Volkswirtschaftslehre werden die geplanten Ersparnisse mit den geplanten Investitionen durch einen bestimmten Gleichgewichtszinssatz zum Ausgleich gebracht, wenn etwa eine klassische Sparfunktion unterstellt wird, wonach die Ersparnisse umso höher sind, je höher der dafür gebotene Zins, und gemäß einer Investitionsfunktion umso weniger Investitionen geplant werden, je höher der Zins. Theoretisch könnte dieser Gleichgewichtszinssatz kleiner null sein, was für Geld- und Fiskalpolitik eine besondere Herausforderung darstellt.[3] Für Carl Christian von Weizsäcker ist die Idee einer „Savings-Glut-These“ verwandt mit der kapitaltheoretisch begründeten These der Möglichkeit eines negativen gleichgewichtigen Realzinses.[4] In dieser Lage wäre der Gleichgewichtsrealzinssatz, der zu gleich hohen Investitionen und Ersparnisse führt, kleiner null.[5]

Beispiele

Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf einen negativen Nominalzins bzw. eine negative Rendite von Wertpapieren.

Schweiz

Der Begriff wird in der Schweiz verwendet für die Kommission, welche auf die Einlagen von Ausländern berechnet werden kann. Weil damit die Devisenspekulation bekämpft werden sollte, wurde er als Strafzins empfunden.

In der Schweiz bestand eine Verordnung, aufgrund derer ein Verbot der Verzinsung von Geldanlagen in Schweizer Franken seitens ausländischer Geldgeber oder, darüber hinaus, die Erhebung einer Kommission, des sogenannten Negativzinses, in Höhe von bis zu 10 % pro Vierteljahr möglich wurde. Damit wollte das Land den übermäßigen Kapitalzufluss aus dem Ausland abwehren, der den Wechselkurs des Schweizer Frankens zum Nachteil der Schweizer Exporteure beeinflusste. Angewendet wurde sie 1964–1966 und von Ende Juni 1971 mit kurzen Unterbrechungen bis November 1979. Als Reaktion auf die Eurokrise kam es zu einer sehr starken Frankenaufwertung. Um diese zu bekämpfen, führte die Schweizerische Nationalbank einen Euro-Franken-Mindestkurs von 1,20 ein. Um diesen Mindestkurs zu halten, gab sie am 18. Dezember 2014 die erneute Einführung von Negativzinsen bekannt; ab dem 22. Januar 2015 werden bis auf weiteres Zinsen von −0,25 % auf Girokonten erhoben.[6] Am 15. Januar 2015 wurde zusammen mit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses beschlossen, den Zins auf Guthaben auf Girokonten, die einen bestimmten Freibetrag übersteigen, auf −0,75 % zu senken.[7]

Deutschland

Der deutsche Staat gilt im Zuge der Eurokrise als sicherer Hafen für Anleger, was zu einem negativen Zins für Staatsanleihen führte. Im Januar 2012 wurden Bundesanleihen verkauft, die einen Zins von −0,0122 % abwarfen.[8] Am 18. Juli 2012 konnte der Bund zweijährige Anleihen zu einem Zinssatz von −0,06 % verkaufen. Zuvor waren schon negative Zinsen bei Anleihen aufgetreten, die ebenfalls von Deutschland oder den Niederlanden, Frankreich und dem Rettungsfonds EFSF ausgegeben worden waren.[9][10] Im August verdiente das Schuldenmanagement des Bundes 3,8 Mrd. Euro durch den Verkauf von Bundesschatzanweisungen, das heißt, deren Rendite betrug −0,0499 Prozent.[11] Im Oktober 2012 konnte der EFSF sich erneut zu einem negativen Zinssatz, −0,0433 %[12] und −0,024 %,[13] verschulden, im November der Bund zu −0,0116 Prozent[14]. Am 3. Dezember 2012 wurden zweijährige Bundesanleihen mit einer negativen Rendite von −0,019 % gehandelt.[15] Im Jahr 2012 musste der Bund bei 21 von insgesamt 70 Wertpapierauktionen keine Zinsen an seine Gläubiger zahlen, sondern kassierte im Gegenteil eine Prämie. Auch zu Jahresbeginn 2013 am 7. Januar konnte der Bund bei der Auktion von sechsmonatigen Wertpapieren eine Prämie in Höhe von 3,5 Mrd. Euro kassieren[16], bei der Versteigerung von Schatzanweisungen mit sechsmonatiger Laufzeit ergab sich am 8. April 2013 eine negative Rendite von 0,0002 Prozent.[17] Der ESM konnte ebenfalls für seine Kreditaufnahme eine Prämie kassieren.[18]

Im Juni 2014 hat die Europäische Zentralbank den Zins für Geldeinlagen von Banken auf −0,1 Prozent gesenkt, im September desselben Jahres nochmals auf −0,2 Prozent – das heißt, Banken müssen für Einlagen bei der EZB bezahlen. In der Presse wird dafür häufig der Begriff „Strafzins“ verwendet.[19] Im Dezember 2015 sowie im März 2016 wurde die Einlagefazilität erneut um jeweils 0,1 Prozentpunkte gesenkt und beträgt nun −0,4 Prozent. Seit November 2014 verlangen die Deutsche Skatbank und Commerzbank von Kunden für Beträge ab einer gewissen Höhe Negativzinsen. Im Januar 2015 lag in Deutschland die Rendite von Bundesobligationen bei −0,5 Prozent.[20]

Im Juni 2016 ist die Rendite für zehnjährige Staatsanleihen erstmals auf unter 0 Prozent gefallen. Als einer der Hauptgründe wurde die Abstimmung zum Brexit, die am 23. Juni 2016 angesetzt ist, genannt.[21]

Dänemark

Dänemark gab im Dezember 2011 dreimonatige Staatsanleihen mit einem Nominalzins von −0,21 Prozent aus, die von Anlegern vollständig angenommen wurden. Die dänische Zentralbank führt das darauf zurück, dass die Anleger lieber einen Großteil ihres Geldes zurückerhalten als für einen positiven Zins ein Verlustrisiko einzugehen. Für Anleger aus dem Euroraum kann die Anleihe überdies zu Kursgewinnen und somit zu einer positiven Gesamtrendite führen, falls der Euro gegenüber der dänischen Krone im Anlagezeitraum abwertet.[22]

Japan

In Japan konnte sich im November 2014 der Staat zu negativen Zinsen verschulden.[23]

Freiwirtschaft

Daneben wird der Begriff Negativzins im Zusammenhang mit einer Theorie der Freiwirtschaftslehre verwendet, der zufolge die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes im Zusammenhang mit der Höhe des Zinssatzes steht. Auch bei einzelnen Tauschkreisen und Regiogeldern wird ein als Liquiditätsgebühr bezeichneter negativer Zins verrechnet, um den Umlauf von Guthaben zu sichern.

Bei der Regionalwährung Chiemgauer gibt es seit 2003 Bargeld mit einem Negativzins in Höhe von 8 % pro Jahr. Seit 2007 gibt es auch eine elektronische Variante, ebenfalls mit einem Negativzins in Höhe von 8 %. Statistiken[24] beim Chiemgauer weisen eine erhöhte Umlaufgeschwindigkeit gegenüber der Landeswährung aus.

Siehe auch

Literatur

  • A. Woll: Allgemeine Volkswirtschaftslehre, 1976
  • E. Gruner/B. Junker: Bürger, Staat und Politik in der Schweiz, 1972
  • Christoph Morscher, Andreas Horsch: Nominelle Negativzinsen. In: Wirtschaftsdienst 2015/2, S. 148–150.

Einzelnachweise

  1. Vgl. Michael Ferber: „Negative Realzinsen bedrohen ein Ende der «Traumrenditen» am Kapitalmarkt“, nzz online, 18. März 2013
  2. Philip Plickert: „Die heimliche Enteignung der Sparer“, faz.net, 27. August 2012
  3. Vgl. dazu Carl Christian von Weizsäcker: Grenzen des Konzepts einer unabhängigen Zentralbank, in Wirtschaftsdienst, 92. Jg. (2012), H. 2, Zeitgespräch, S. 91–94 doi: 10.1007/s10273-012-1332-0.
  4. Carl Christian von Weizsäcker: „Grenzen des Konzepts einer unabhängigen Zentralbank“ Wirtschaftsdienst 2012/2, Zeitgespräch, S. 91–94, doi:10.1007/s10273-012-1332-0.
  5. Carl Christian von Weizsäcker: „Eurokrise und ihre Folgen Das Damoklesschwert der Euroaufwertung“, FAZ.Net, 10. Mai 2013
  6. „SNB führt Negativzinsen ein Unkonventionelle Verteidigung des Mindestkurses“ (Memento vom 4. August 2012 im Webarchiv archive.is) NZZ, 18. Dezember 2014.
  7. Nationalbank hebt Mindestkurs auf und senkt Zins auf −0,75%, SNB, 15. Januar 2015, abgerufen am 15. Januar 2015.
  8. Anleihenmarkt – Deutschland leiht sich Geld zu negativen Zinsen, FAZ Online, 9. Januar 2012.
  9. Schäuble macht mit Schuldenmachen Geld, Handelsblatt online, 18. Juli 2012.
  10. Andreas Uhlig: Leben mit tiefen und negativen Marktzinsen, nzz.ch.
  11. Deutschland verdient noch mehr Geld beim Schuldenmachen“, Reuters, 13. August 2012
  12. „Rettungsfonds EFSF besorgt sich Geld zu guten Konditionen, Reuters 2. Oktober 2012
  13. EFSF holt sich zu günstigen Konditionen zwei Milliarden Euro, Basler Zeitung, 16. Oktober 2012
  14. „Bund kommt erneut an günstiges Geld“, Handelsblatt, 12. November 2012
  15. Bettina Forner: Bundesanleihen legen zu, Rendite Zweijähriger unter Null Prozent, welt.de, 5. Dezember 2012
  16. Anleger zahlen Prämie – Bund verdient weiter Geld mit seinen Schulden, tagesschau.de, 7. Januar 2013
  17. Investoren zahlen bei deutschen Anleihen drauf, Handelsblatt, 8. April 2013
  18. Rettungsschirm zapft mit japanischer Hilfe Kapitalmarkt an, FAZ.net, 8. Januar 2013
  19. „EZB beschließt Milliardenkredite und Strafzins für Banken“, sueddeutsche.de, 5. Juni 2014.
  20. „Null Prozent Zinsen auf fünfjährige Bundesanleihen“, FAZnet, 20. Januar 2015
  21. Zehnjährige Bundesanleihen kosten erstmals. In: tagesschau.de. Abgerufen am 14. Juni 2016.
  22. „Dänemark stellt den Finanzmarkt auf den Kopf“ (Memento vom 4. August 2012 im Webarchiv archive.is) Financial Times Deutschland, 30. Dezember 2011.
  23. „Japan verdient erstmals Geld beim Schuldenmachen“, FAZ.net, 18. November 2014
  24. Chiemgauer Statistik.
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