Jewiki unterstützen. Jewiki, die größte Online-Enzy­klo­pädie zum Judentum.

Helfen Sie Jewiki mit einer kleinen oder auch größeren Spende. Einmalig oder regelmäßig, damit die Zukunft von Jewiki gesichert bleibt ...

Vielen Dank für Ihr Engagement! (→ Spendenkonten)

How to read Jewiki in your desired language · Comment lire Jewiki dans votre langue préférée · Cómo leer Jewiki en su idioma preferido · בשפה הרצויה Jewiki כיצד לקרוא · Как читать Jewiki на предпочитаемом вами языке · كيف تقرأ Jewiki باللغة التي تريدها · Como ler o Jewiki na sua língua preferida

Navid Kermani

Aus Jewiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Navid Kermani (2015)

Navid Kermani (persisch نوید کرمانی, * 27. November 1967 in Siegen) ist ein deutscher Schriftsteller, Publizist und habilitierter Orientalist. Er wurde mit zahlreichen renommierten Kultur- und Literaturpreisen ausgezeichnet. 2015 erhielt er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.[1]

Leben

Kermani wurde als vierter Sohn iranischer Eltern geboren, die im Jahr 1959 in die Bundesrepublik Deutschland eingewandert waren. Er hat die deutsche und die iranische Staatsbürgerschaft. Kermani wuchs in der vom Protestantismus geprägten Stadt Siegen auf und besuchte dort das Fürst-Johann-Moritz-Gymnasium und das Gymnasium am Rosterberg (heutiges Peter-Paul-Rubens-Gymnasium).[2] Er ist mit der Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur verheiratet; sie sind Eltern von zwei Töchtern und leben in Köln.[3] Sein Vater ist Arzt und arbeitete im katholischen St.-Marien-Krankenhaus Siegen, Kermanis drei ältere Brüder sind ebenfalls praktizierende Ärzte.[4]

Navid Kermani in Priština (2013)

Bereits als Schüler im Alter von fünfzehn Jahren arbeitete Kermani als freier Mitarbeiter für die Lokalredaktion der Westfälischen Rundschau.[5] Während des Studiums schrieb er für überregionale deutsche Zeitungen und von 1996 bis 2000 war er fester Autor im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Kermani studierte Orientalistik, Philosophie und Theaterwissenschaft in Köln, Kairo und Bonn. Unterstützt von der Studienstiftung des deutschen Volkes verfasste er eine Dissertation mit dem Titel „Gott ist schön“.[6] Damit wurde er 1998 im Fach Orientalistik an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn promoviert; 2006 habilitierte er sich im Fach Orientalistik mit der Schrift „Der Schrecken Gottes – Attar, Hiob und die metaphysische Revolte“. Von 2000 bis 2003 war er Long Term Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin. Heute lebt er als freier Schriftsteller im Kölner Eigelsteinviertel.

In den Themen seiner literarischen Arbeit kreist Kermani um menschliche Grenzerfahrungen angesichts des Todes, im Alltag, der Erfahrung der Musik oder der Sexualität. Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte liegen in der Ästhetik des Koran und der islamischen Mystik.[7] Kermani ist auch als Reporter aus den Krisengebieten der Welt bekannt geworden. Im September 2014 berichtete er für das Nachrichtenmagazin Der Spiegel aus dem Irak;[8][9][10][11] im Oktober 2015 reiste er den Flüchtlingen auf deren Route in umgekehrter Richtung von Budapest in die Türkei entgegen.[12] Die Reportagen erschienen später in erweiterter Fassung als Buch und wurden auch Teil des interkulturellen Musikprojekts "MASS FOR PEACE in times of flight"[13], das vom Syrian Expat Philharmonic Orchestra zusammen mit der syrischen Sopranistin Rasha Rizk 2018 uraufgeführt wurde.[14]

Seit Oktober 2007 ist Kermani Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, von 2009 bis 2012 war er Senior Fellow am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen (KWI).[15] 2009 wurde Navid Kermani außerdem zum Korrespondierenden Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Hamburg ernannt. Er war von 2006 bis 2009 Mitglied der Deutschen Islamkonferenz. Seit 2013 gehört er dem Kuratorium des Avicenna-Studienwerks an.

Im Sommersemester 2010 war Kermani Gastdozent für Poetik an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main.[16] Im Wintersemester 2011/12 hielt er die Göttinger Poetikvorlesungen,[17] 2014 die Mainzer Poetikvorlesungen.[18] Im Sommersemester 2013 war er Gastprofessor für Ideengeschichte des Islam an der Goethe-Universität Frankfurt. Im Frühjahr 2014 lehrte er als Max Kade Distinguished Visiting Professor deutsche Literatur am Dartmouth College in den Vereinigten Staaten.[19]

2015 war er Jurymitglied der Auszeichnung Das außergewöhnliche Buch des Kinder- und Jugendprogramms des Internationalen Literaturfestivals Berlin.

Bei der Wahl des deutschen Bundespräsidenten 2010 gehörte Kermani auf Vorschlag der hessischen Grünen der 14. Bundesversammlung an. Am 23. Mai 2014 hielt Navid Kermani die vielbeachtete Festrede anlässlich der Feierstunde des Deutschen Bundestags zum 65. Jahrestag des Grundgesetzes.[20][21][22] Für die Wahl des deutschen Bundespräsidenten 2017 wurde er als möglicher Kandidat ins Gespräch gebracht.[23][24]

Werk

Kermani vermag es, so Gustav Seibt in der Süddeutschen Zeitung, auf unangestrengte Weise zu Positionen von Herder, Goethe, Rückert und dem Orientalismus der deutschen Klassik Bezug zu nehmen und sich ebenso kompetent zu Lessing, Kleist, Hölderlin und Kafka zu äußern wie zur islamischen Mystik.[25] Bereits Kermanis Erzählung über den kanadischen Rockmusiker Neil Young, Das Buch der von Neil Young Getöteten (2002), ist in großen Zeitungen rezensiert worden.[26]

Im November 2005 inszenierte Kermani in Köln das Schauspiel Hosea nach Texten der Bibel und Friedrich Hebbels.[27][28] Sein 2005 veröffentlichtes Buch Der Schrecken Gottes – Attar, Hiob und die metaphysische Revolte wurde von Zeitungen als „heilsam verstörend“ (NZZ) oder „buchstäblich grenzsprengend“ bezeichnet.[29] Das Kulturmagazin von Ö1 zieht Parallelen zu früheren Arbeiten Kermanis, deren religiös-vergleichende Metaphysik ebenfalls von der Frage der Theodizee geprägt war.[30]

Im Herbst 2005 hielt Kermani im Wiener Burgtheater die Festrede zum 50. Jahrestag der Wiedereröffnung des Hauses, in der er die Flüchtlings- und Asylpolitik der EU in Frage stellte.[31] Anfang 2007 erschien sein Roman Kurzmitteilung. 2011 wurde Kermani mit dem Hannah-Arendt-Preis ausgezeichnet. In der Begründung der Jury heißt es: „Kermanis Offenheit des Auges negiert überlieferte Begrenzungen. Er weicht nicht aus ins Universelle, sondern denkt transkulturell und transreligiös, ohne je der so naheliegenden Gefahr zu erliegen, das tatsächlich Trennende zu überspielen oder zu übergehen.“ (Die Laudatio wurde gehalten von Marie Luise Knott).[32]

Kermanis Roman Dein Name wurde für den Deutschen Buchpreis 2011 nominiert.[33] Außerdem erhielt der Orientalist 2012 den Kleist-Preis.[34] Mit Verweis auf sein Buch Dein Name erhielt Kermani 2014 den Joseph-Breitbach-Preis.[35]

Kermani setzt sich für die weltanschauliche Neutralität des Staates ein.[36] Der Orientalist kritisiert jedoch einen mit der „kompletten Verdrängung des Religiösen“ einhergehenden „religiösen Analphabetismus“, der zu einer „grundlegenden Verarmung der Gesellschaft“ führe.[37] Daher benennt Kermani die religiöse Toleranz und Religionsfreiheit als bedeutsamen europäischen Wert und fordert, im Sinne der Aufklärung, Rücksicht auf Glauben und Weltanschauung anderer.[38][39]

Auf Kermanis Idee aus dem Jahre 2007 – zusammen mit dem Intendanten des Hauses der Kulturen der Welt in Berlin, Bernd M. Scherer – geht die am 27. Oktober 2012 in Köln eröffnete Akademie der Künste der Welt zurück.[40]

Positionen und Aktuelles

Irakkrieg

Den Irakkrieg lehnte Kermani ab. Die Herrschaft unter Saddam Hussein sieht er davon unabhängig als ein schlimmes Terrorregime an, dessen Ende er begrüße.[41] Im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung und seinem Buch Strategie der Eskalation[42] meinte Kermani 2005, dass im Irakkrieg nicht nur die USA, sondern auch Europa versagt hätten – und dass die Alte Welt im Begriff sei, dieselben Fehler im Konflikt mit dem Iran zu wiederholen. Der Islamwissenschaftler behauptet, dass das „amerikanische Projekt einer Neuordnung des Nahen Ostens“ den meisten Iranern heute ungleich näherstehe „als die sich so altruistisch gebende Politik der Europäer“. Dass Europa so tue, als gebe es im Iran noch Reformbemühungen, nennt Kermani Selbstbetrug. Als Beleg führt er die von Irans Herrschern geknebelte Pressefreiheit, die inhaftierten Oppositionellen und die Gängelung der Parlamentswahlen zur Wiederherstellung einer „konservativen“ Mehrheit an. „Krieg ist das falsche Mittel. Aber Befreiung nicht das falsche Ziel“, so Kermani.

Kölner Moscheebau

Am 4. Juni 2007 veröffentlichte Kermani, ebenfalls in der Süddeutschen Zeitung, eine Reportage über eine Bürgeranhörung zum Moscheebau in Köln-Ehrenfeld, in der er sich von der offenen Gesprächsatmosphäre begeistert zeigte und den anwesenden Bürgern „Demokratie in Reinkultur“ bescheinigte. Es gebe in Köln eine „breite weltoffene Mitte“, die wesentlich toleranter sei als mancher Intellektuelle.[43]

Hessischer Kulturpreis

2009 erhielt Kermani, nach zwischenzeitlicher Aberkennung – zusammen mit Kardinal Karl Lehmann, dem ehemaligen Kirchenpräsidenten von Hessen-Nassau Peter Steinacker und dem Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden Salomon Korn – den Hessischen Kulturpreis, dessen Verleihung 2009 unter das Motto interreligiöser Toleranz[44] gestellt worden war.

Der Preis wurde ihm am 20. März 2009 angetragen, nachdem der ursprünglich vorgesehene Fuat Sezgin die Annahme mit der Begründung, sein Mitpreisträger Salomon Korn befürworte die Militäraktionen Israels, abgelehnt hatte. Am 13. Mai 2009 erfuhr Kermani von der Aberkennung der Auszeichnung.[45] Ausschlaggebend dafür war, dass Lehmann und Steinacker sich kritisch zu Kermani geäußert hatten. Sie nahmen Anstoß an einem Feuilleton-Artikel Kermanis über ein Kreuzigungsgemälde von Guido Reni, der am 14. März 2009 in der NZZ veröffentlicht worden war. Darin hatte Kermani geschrieben: „Für mich formuliere ich die Ablehnung der Kreuzestheologie drastischer: Gotteslästerung und Idolatrie.“[46] Im Fortgang allerdings berichtet er von einer Erschütterung dieser Auffassung durch die ästhetische Erfahrung: „Erstmals dachte ich: Ich – nicht nur: man –, ich könnte an ein Kreuz glauben.“ Am 24. April 2009 äußerte Lehmann in einem Brief an den hessischen Ministerpräsident Roland Koch, dass er „unter diesen Umständen den Preis nicht in Empfang nehmen kann“.[47] Er begründete dies später unter anderem mit seiner Meinung nach erwartbaren Medienreaktionen, „wenn ich in dieser Situation und möglicherweise noch im Bischofsgewand neben Navid Kermani den Preis entgegengenommen hätte.“[47] Aus dem Brief an Koch wurden zudem Zweifel Lehmanns ob der Preiswürdigkeit Kermanis bekannt: „So hat er mit 41 Jahren und angesichts der bisher zugänglichen Veröffentlichungen und erbrachten Leistungen ein unglaublich großes Verzeichnis an Auszeichnungen und Preisen vorzubringen. […] Er ist zweifellos intellektuell begabt und recht gebildet, in der Zwischenzeit auch habilitiert. Aber – lassen Sie mich dies wenigstens fragen – ist es denn mit 41 Jahren schon ein Lebenswerk, das hier die Auszeichnung eines Hessischen Kulturpreises verdient und dies bei den vielen Menschen, die sich in unserem Land gerade auch ehrenamtlich für Kultur einsetzen.“[48] Sein Tonfall wurde von Kommentatoren als „subtil […] diffamieren[d]“,[48] „blasiert“, „infam“ und „herablassend“[49] wahrgenommen; auch Kermani empfand ihn als „diffamierend“.[45] Lehmann allerdings erklärte: „Mit keinem Wort habe ich den Ausschluss von Navid Kermani vom Preis auch nur insinuiert, geschweige denn erwartet oder gar angemahnt. Ich habe auch keinen diffamierenden Brief über ihn geschrieben.“[47] Kermani, der von Anfang an gegenüber dem Protokollchef des Landes Hessen seine „Differenzen […] mit dem hessischen Ministerpräsidenten Koch“[45] offengelegt hatte, erklärte, es sei für einen säkularen Staat „nicht hinnehmbar, dass ein Ministerpräsident auf Anweisung eines Kardinals so handelt“, und kommentierte, die Angelegenheit mache deutlich, dass „Kochs Versuch, sich durch die Vermittlerrolle im interreligiösen Dialog von früheren ‚schmutzigen Wahlkämpfen reinzuwaschen‘ […] ‚gründlich in die Hose gegangen‘“ sei.[50][51]

Letztlich entschlossen sich Lehmann und Steinacker, nach einem Gespräch mit Kermani, doch zur gemeinsamen Annahme des Preises, der am 26. November 2009 schließlich an die vier Preisträger vergeben wurde. Ministerpräsident Koch entschuldigte sich dabei bei Kermani.[52] Sein Preisgeld spendete Kermani an den Pfarrer der katholischen Gemeinde St. Theodor in Köln-Vingst Franz Meurer.[53]

Arabischer Frühling

Im Februar 2011 würdigte Kermani den Arabischen Frühling, denn die Demonstranten seien für „Freiheit, Würde, Rechtsstaatlichkeit, Chancengleichheit“ auf die Straße gegangen. Die Politik westlicher Regierungen kritisiert er. „Kriminalität und Komplizenschaft (mit Diktaturen)“ scheinen, so der Autor, „in einigen europäischen Regierungspalästen normal geworden zu sein“. Positiv betont er die Rolle von Al-Dschasira, der Sender habe viel zur Debattenkultur beigetragen. Die Berichterstattung deutscher Medien, in denen laut Kermani Leute „darüber schwadronieren, dass im Islam Staat und Politik eins seien“, wies er als „religiös gefärbte koloniale Brille“ zurück; es ginge bei den Protesten nicht um Religion. Zudem wendet er sich gegen den Multikulturalismus als einen Kulturalismus, der Diktaturen begründe: „Man verfällt umgekehrt in den Relativismus und behauptet, dass die Menschen anderswo gar keine Demokratie wollten, weil sie nun einmal anders seien, andere Traditionen hätten“. Solch eine Sicht würde gegen das ursprüngliche linke Ziel, die Gleichheit aller Menschen und die Angleichung der Lebensverhältnisse, wirken. Allgemein habe die „Überbetonung von Andersartigkeit, sei es der Migranten oder der Hartz-IV-Empfänger, […] vor allem die Funktion, Unterschiede – vor allem auch ökonomische Unterschiede – zu zementieren“.[41]

„Triumph des Vulgärrationalismus“

Im Rahmen der intensiven öffentlichen Diskussion über das Beschneidungsurteil des Landgerichts Köln von 2012 veröffentlichte Kermani in der Süddeutschen Zeitung einen Artikel unter dem Titel „Triumph des Vulgärrationalismus“.[54] Hierin wirft er dem Landgericht vor, „mal eben so im Handstreich viertausend Jahre Religionsgeschichte für obsolet zu erklären.“ Aufklärung sei nicht nur die Herrschaft der Vernunft, sondern zugleich das Einsehen in deren Begrenztheit. „Der Vulgärrationalismus hingegen, der sich im Urteil des Kölner Landgerichts ausdrückt, setzt den eigenen, also heutigen Verstand absolut.“ Joachim Gauck hat die Bezeichnung „Vulgärrationalismus“ in seinen Stellungnahmen zur Beschneidungsdebatte übernommen.[55]

Rede zur Feierstunde 65 Jahre Grundgesetz, Mai 2014

Am 23. Mai 2014 erinnerte der Deutsche Bundestag in einer Feierstunde an die Verkündung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949. Kermani war als Festredner geladen. In seiner Rede analysierte er die Sprache des Grundgesetzes, verglich ihre Wirkmächtigkeit mit der der Lutherbibel.[56][57] Er sprach über die historischen Fortschritte der Nachkriegszeit und stellte fest, dass das Grundgesetz „Wirklichkeit geschaffen“ habe.[56] Kermani lobte die Bundesrepublik Deutschland, weil sie den Verfassungsnormen Geltung verschafft habe. Zugleich würdigte er die Integrationsbereitschaft und die Bemühungen der deutschen Gesellschaft. Mehrfach erwähnte er Willy Brandt. In Bezug auf ihn sagte er: „Wenn ich einen einzelnen Tag, ein einzelnes Ereignis, eine einzige Geste benennen wollte, für die in der deutschen Nachkriegsgeschichte das Wort Würde angezeigt scheint, (…) dann war es der Kniefall von Warschau“. Er übte scharfe Kritik an der Einschränkung des Asylrechts durch die Grundgesetzänderung von 1993 („Asylkompromiss“), die er als „Entstellung“ des Artikels 16a und eine „Verstümmelung“ der Verfassung bezeichnete.[58] Dennoch betonte er die Chancen, die die Bundesrepublik gerade auch Einwanderern geboten habe, und schloss die Rede – in deren Namen – mit den Worten „Danke, Deutschland“.[56][59] Einzelne Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion kritisierten die Rede als einseitig oder tendenziös, Georg Nüßlein (CSU) verließ den Saal.[59] In den deutschen Medien ist die Rede dagegen positiv aufgenommen und besprochen worden.[60] Die Universität Tübingen hat sie als „Rede des Jahres 2014“ ausgezeichnet.[61]

Stellungnahme zur Offensive des „Islamischen Staates“ im Nahen Osten

In der Berliner Zeitung rief Kermani im August 2014 dazu auf, den „Islamischen Staat“ (IS) im Irak auch mit militärischen Mitteln zu stoppen. Er verglich den Konflikt von seiner Bedeutung her mit dem Ersten Weltkrieg und warnte vor einem Genozid an Christen, Jesiden und anderen religiösen Minderheiten. Er wies in seiner Stellungnahme auf die Bedeutung von humanitären Korridoren für Flüchtlinge hin und warnte vor einer „Pol-Pot-Version des Islam“ von „den Grenzen Irans bis an die Küste des Mittelmeers“.[62] In seiner Friedenspreis-Rede rief Kermani im Oktober 2015 dazu auf, sich „womöglich militärisch, ja, aber vor allem sehr viel entschlossener als bisher diplomatisch und ebenso zivilgesellschaftlich“ gegen den Islamischen Staat zu wenden. Er rufe nicht zum Krieg auf, weise aber darauf hin, dass der Krieg „nicht mehr allein in Syrien und im Irak beendet werden“ könne. Er könne „nur von den Mächten beendet werden, die hinter den befeindeten Armeen und Milizen stehen, Iran, die Türkei, die Golfstaaten, Russland und auch der Westen.“[63]

Rede an der Ludwig-Maximilians-Universität München

In einer Rede zum zwanzigjährigen Bestehen des Lehrstuhls für Jüdische Geschichte und Kultur an der LMU München berichtete Kermani von seinem Empfinden während eines Besuches des Vernichtungslagers KZ Auschwitz und davon, wie das Leben und Arbeiten in der deutschen Sprache eine Verantwortung für die Verbrechen des Zweiten Weltkrieges mit sich bringt.[64]

Stellungnahme zur Ausladung von Lisa Eckhart

Bei der Eröffnung des Hamburger Harbourfront-Literaturfestivals im September 2020 kritisierte er zwei Autoren, die es abgelehnt hatten, mit Lisa Eckhart auf der Bühne zu stehen, was zur Ausladung von Eckhart beigetragen hatte. Eckhart sei wegen ihres Debütromans Omama eingeladen worden, und „[…] die Bühne ist ein öffentlicher Raum, und indem eine unabhängige Jury ihren Roman ausgewählt hat, stand ihr das gleiche Recht zu, diesen öffentlichen Raum zu betreten […].“[65]

Auszeichnungen

Veröffentlichungen (Auswahl)

Monographien

Artikel und Aufsätze (Auswahl)

Hörbücher

  • Was jetzt wichtig ist. Dankesrede Dönhoff Preis, Dankesrede Staatspreis Nordrhein-Westfalen, Trauerrede für Rupert Neudeck, Rede zum 20. Jahrestag des Lehrstuhls für jüdische Geschichte und Kultur (Ungekürzte Autorenlesung). Argon, Berlin 2020, ISBN 978-3-8398-7124-9.

Literatur

  • Christoph Gellner: „Literatur, die in den Himmel schaut.“ Der Schriftsteller Navid Kermani. In: Stimmen der Zeit. 232 (139), 1, 2014, S. 43–52.
  • Torsten Hoffmann (Hrsg.): Navid Kermani. text + kritik 217 (2018), ISBN 978-3-86916-668-1, 95 S.
  • Navid Kermani, Martin Schulz, Ansgar Schnurr: Dritte, vierte, fünfte, sechste, siebte Räume. Navid Kermani und Martin Schulz im Gespräch über Bildbeschreibungen im Roman „Dein Name“. In: Barbara Lutz-Sterzenbach, Ansgar Schnurr und Ernst Wagner (Hrsg.): Bildwelten remixed. Transkultur, Globalität, Diversity in kunstpädagogischen Feldern. transcript Verlag, Bielefeld 2013, S. 247–264.
  • Steffen Köhler: Navid Kermani. Politische Romantik als Staatstheologie. J.H. Röll Verlag, Dettelbach 2019.
  • Ruth Bender: „Zugehörigkeite hat auch etwas Heikles“ / Schriftsteller Navid Kermani über Europa und das Deutschsein, in: Neue Presse vom 8. Februar 2018, S. 22

Weblinks

 Commons: Navid Kermani – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Friedenspreis. Abgerufen am 28. Januar 2018.
  2. Bücher Befördern Gedanken in durchblick 04/2015, S. 52, abgerufen am 15. Januar 2017 (PDF)
  3. Montags-Interview: „Ich dachte: Jetzt erst recht“, die tageszeitung, 4. März 2012, abgerufen am 15. August 2012.
  4. Munzinger-Archiv GmbH, Ravensburg: Navid Kermani. Abgerufen am 28. Januar 2018.
  5. Milena G. Klipingat: Navid Kermani. Schriftsteller, Orientalist und Kölner Weltbürger, Goethe-Institut, 2014.
  6. Navid Kermani: Gott ist schön. Das ästhetische Erleben des Koran. Beck, München 1999, ISBN 3-406-44954-9. (Eingeschränkte Vorschau in der Google Buchsuche).
  7. Navid Kermani: Gott ist schön. Das ästhetische Erleben des Koran. 1999 und Navid Kermani: Attar, Hiob und die metaphysische Revolte. 2005.
  8. Navid Kermani: Irak Im Herzen der Schia. In: Der Spiegel. 39, 2014-09-22 (http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-129339532.html).
  9. Navid Kermani: Die Zukunft ist vorbei. In: Der Spiegel. 40, 2014-09-29 (http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-129456864.html).
  10. Navid Kermani: Irak Warum?. In: Der Spiegel. 41, 2014-10-06 (http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-129568385.html).
  11. Der Spiegel: Navid Kermani über seine Irak-Reise: "Was hier passiert, ist vergleichbar mit dem ersten Weltkrieg In: Spiegel Online. 24. September 2014.
  12. Navid Kermani: Flüchtlinge Der Einbruch der Wirklichkeit. In: Der Spiegel. 42, 2015-10-10 (http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-139226803.html).
  13. Magdalene Melchers: Integration durch Musikprojekte - Wie interkulturelle Projekte das Musikverständnis verändern. In: deutschlandfunk.de. Deutschlandfunk - Atelier neuer Musik, 13. April 2019, abgerufen am 23. Juni 2020.
  14. Christoph Heinzel: SYRER VERWANDELN EIN TRAUMA IN MUSIK - "Mass for peace in times of flight".... In: Oldenburgische Volkszeitung. Nr. 61, 2018-03-13 S. 9.
  15. Lebenslauf auf der Website des Autors.
  16. Die Süddeutsche Zeitung über die Frankfurter Poetikvorlesungen 2010 (PDF; 26 kB).
  17. Universität Göttingen: uni-goettingen.de
  18. Wiesbadener Kurier: wiesbadener-kurier.de (Memento vom 10. November 2014 im Internet Archive) 1. Februar 2014.
  19. Dartmouth College: dartmouth.edu
  20. Navid Kermani: Rede von Dr. Navid Kermani zur Feierstunde „65 Jahre Grundgesetz“. In: Website des Deutschen Bundestags. 23. Mai 2014, abgerufen am 24. Mai 2014.
  21. Lenz Jacobsen: Rede im Bundestag: Danke, Navid Kermani! In: Zeit Online. Die Zeit, 23. Mai 2014, abgerufen am 24. Mai 2014.
  22. Hubertus Volmer: Tränen im Bundestag: "Danke, Deutschland". In: n-tv.de. 23. Mai 2014, abgerufen am 24. Mai 2014.
  23. Kermani als Bundespräsident? Muslim und moderner Patriot. In: FAZ.
  24. Bernd Ulrich: Navid Kermani? In: Zeit online. 29. Juli 2016, abgerufen am 30. Oktober 2016.
  25. Gustav Seibt: Frommer Aufklärer. Navid Kermani erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. In: Süddeutsche Zeitung. 19. Juni 2015.
  26. Sammlung von Rezensionsnotizen auf perlentaucher.de, abgerufen 26. Dezember 2012.
  27. Hosea. (Memento vom 10. Dezember 2011 im Internet Archive) auf navidkermani.de
  28. Hosea. (Memento vom 15. Februar 2009 im Internet Archive) im Stückearchiv des Schauspiels Köln, abgerufen 26. Dezember 2012.
  29. Sammlung von Rezensionsnotizen bei perlentaucher.de.
  30. Wolfgang Seibel: Der Schrecken Gottes. Das Gemeinsame in monotheistischen Religionen. Ö1, 10. Dezember 2005, abgerufen am 26. Dezember 2012.
  31. Ausschnitte der Rede auf der Website des Autors, abgerufen 26. Dezember 2012.
  32. Marie Luise Knott: Die Offenheit des Auges. Navid Kermani erhält den Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken. Begründung der Jury. In: Festschrift zur Verleihung des Hannah-Arendt-Preises für politisches Denken 2011 an Navid Kermani (Memento vom 21. Juni 2015 im Internet Archive). S. IV–V. (pdf), boell-bremen.de.
  33. Longlist Deutscher Buchpreis 2011. (Memento vom 18. März 2013 im Internet Archive) Information über die Nominierung auf der Website des Hanser-Verlags.
  34. Norbert Lammert verleiht den Kleist-Preis 2012 an den Kölner Schriftsteller Navid Kermani. (Memento vom 20. November 2012 im Internet Archive) auf der Website der Heinrich-von-Kleist-Gesellschaft, abgerufen 27. Dezember 2012.
  35. Deutsche Welle: Joseph-Breitbach-Preis an Navid Kermani
  36. Buchrezensionen (Memento vom 2. Januar 2013 im Internet Archive) von Norbert Lammert auf dessen Website, abgerufen 27. Dezember 2012.
  37. Joachim Frank: „Der Nationalstaat richtet Unheil an“. Navid Kermani erhält am Sonntag den Kleist-Preis. Im Interview spricht er über Religion und Patriotismus. In: ksta.de. M. DuMont Schauberg, 12. November 2012, abgerufen am 27. Dezember 2012.
  38. Navid Kermani: Angriff auf Europa. Wer über das Grundrecht der Religionsfreiheit abstimmen lässt, greift nicht nur Minderheiten an, sondern europäische Werte. In: süddeutsche.de. Süddeutscher Verlag, 17. Mai 2010, abgerufen am 27. Dezember 2012.
  39. Navid Kermani: Triumph des Vulgärrationalismus. Vor kurzem hat der Schriftsteller Martin Mosebach einen Beitrag über eine etwaige Strafbarkeit der Blasphemie publiziert. Dieser ist in der veröffentlichten Meinung auf vollständige Ablehnung gestoßen. Was die Empörung über Martin Mosebach mit dem Verbot der Beschneidung zu tun hat. In: Süddeutsche.de. Süddeutscher Verlag, 2. August 2012, abgerufen am 27. Dezember 2012.
  40. Chronik. (Memento vom 30. Oktober 2013 im Internet Archive) auf der Webseite Akademie der Künste der Welt Köln, abgerufen am 30. Dezember 2012.
  41. 41,0 41,1 „Zärtlichkeit der Massen“. Interview mit Navid Kermani. Frankfurter Rundschau, 18. Februar 2011, S. 28–29. (Online-Version).
  42. Strategie der Eskalation. Der Nahe Osten und die Politik des Westens. Wallstein-Verlag, Göttingen 2005, ISBN 3-89244-966-X, S. 88–89.
  43. Süddeutsche Zeitung: „Die Kölner Botschaft: Navid Kermani bei der Bürgeranhörung zum Moscheebau“. 4. Juni 2007 (PDF; 77 kB).
  44. Deutschlandradio Kultur: „Interreligiöser Kulturpreis vorerst gescheitert“. 14. Mai 2009.
  45. 45,0 45,1 45,2 Navid Kermani: Keine Mail von Dieter Beine. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 16. Mai 2009.
  46. Navid Kermani: Bildansichten: Warum hast du uns verlassen? In: Neue Zürcher Zeitung. 14. März 2009.
  47. 47,0 47,1 47,2 Lehmann: Kein Respekt vor dem Glauben. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 19. Mai 2009.
  48. 48,0 48,1 Peter Michalzik: Was Kardinal Lehmann an Koch schrieb. In: Frankfurter Rundschau. 15. Mai 2009. Der Brief ist allerdings bislang weder in Gänze veröffentlicht noch vom Verfasser offiziell hinsichtlich der Authentizität dieser Passagen bestätigt worden.
  49. Andreas Mertin: Kultur preisgegeben (PDF; 157 kB).
  50. Kermani bei einer Tagung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Berlin gegenüber dem 3sat-Magazin Kulturzeit, vgl. z. B. ksta.de (Memento vom 27. Mai 2009 im Internet Archive).
  51. Für weitere Wortmeldungen zum Thema vgl. die Presseschau im Münsteraner Forum für Theologie und Kirche
  52. Ralf Euler, Stefan Toepfer: Koch entschuldigt sich bei Kermani. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 26. November 2009, abgerufen am 27. November 2009.
  53. The Christian Science Monitor: Priest bridges religious divide by funding Germany's biggest mosque (PDF; 157 kB).
  54. Navid Kermani, Triumph des Vulgärrationalismus, Süddeutsche Zeitung 2. August 2012 (online)
  55. Beschneidungsdebatte: "Gauck warnt vor Vulgärrationalismus", Spiegel Online 2. Dezember 2012 spiegel.de.
  56. 56,0 56,1 56,2 Rede von Dr. Navid Kermani zur Feierstunde „65 Jahre Grundgesetz“, Textarchiv, Deutscher Bundestag, 2014.
  57. „Leiser Stolz auf eine solche Bundesrepublik“, Deutscher Bundestag – Mediathek, 23. Mai 2014.
  58. Kermani kritisiert Verstümmelung des Grundgesetzes. In: Zeit Online. 23. Mai 2014.
  59. 59,0 59,1 Lenz Jacobsen: Rede im Bundestag – Danke, Navid Kermani!. In: Zeit Online. 23. Mai 2014.
  60. Harry Nutt: Auslese. Danke, Navid Kermani. Lob für die Rede des Schriftstellers im Bundestag. (Memento vom 11. November 2014 im Internet Archive) In: Frankfurter Rundschau. (Online), 25. Mai 2014.
  61. Universität Tübingen ehrt Navid Kermani für "Rede des Jahres 2014", evangelisch.de, 18. Dezember 2014.
  62. Navid Kermani: „Stoppt den Islamischen Staat!“ Berliner Zeitung, 14. August 2014, abgerufen am 16. August 2014.
  63. Kermanis Friedenspreis-Rede: Jacques Mourad und die Liebe in Syrien, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19. Oktober 2015.
  64. faz.net
  65. Lübecker Nachrichten, 11. September 2020, S. V
  66. Schwarzkopf-Europa-Preis (Memento vom 17. Juni 2014 im Internet Archive)
  67. Link-Sammlung zur Aberkennung des Hessischen Kulturpreises für Navid Kermani auf der Website der Stadt Münster abgerufen am 23. Juli 2014.
  68. Navid Kermani erhält Breitbach-Literaturpreis. In: Der Standard. 20. Mai 2014.
  69. BDDI.org – Deutscher Dialogpreis 2014. Abgerufen am 28. Januar 2018.
  70. Zeit Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius Aktuelles: Navid Kermani erhält den Marion Dönhoff Preis 2016, abgerufen am 6. September 2016.
  71. Press release: 2017 ECF Princess Margriet Award for Culture. European Cultural Foundation, 2. Februar 2017, abgerufen am 11. Februar 2017 (english).
  72. Frank Pommer (pom): Navid Kermani erhält Sinsheimer-Preis der Stadt Freinsheim. In: Die Rheinpfalz online. 17. Oktober 2016, abgerufen am 5. März 2017.
  73. Kermani erhält Ehrenpreis des Österreichischen Buchhandels. In: ORF.at. 8. Juni 2021, abgerufen am 8. Juni 2021.
  74. Philipp Schnee: Hinterfragen, was einem am nächsten steht. Sendung des DLF über sein Buch Vergesst Deutschland. Eine patriotische Rede. 1. Oktober 2012, aufgerufen am 23. Juli 2014.
  75. Besprechung von Navid Kermani: Gott, unsere Braut. In: Der Spiegel. 35/2015, 22. August 2015, S. 126–128. (Video (Lesung, 2:29 Min.)).
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Navid Kermani aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar.