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Mykotoxin
Mykotoxine (Schimmelpilzgifte) sind sekundäre Stoffwechselprodukte aus Schimmelpilzen, die bei Wirbeltieren bereits in geringsten Mengen giftig wirken können. Im Unterschied dazu werden die toxischen Inhaltsstoffe von Großpilzen als Pilzgifte bezeichnet. Eine durch Mykotoxine verursachte Erkrankung wird Mykotoxikose genannt.
Bedeutung/Vorkommen
Seit Menschengedenken werden schimmelbefallene Lebensmittel und damit Mykotoxine verzehrt. Seit 1960 machte man sich darüber erstmals ernsthafte Gedanken, als in England tausende von Puten an verschimmeltem Erdnussschrot starben. Die intensive Suche nach den giftigen Substanzen führte dann zur Entdeckung der Aflatoxine. In der UdSSR trat während des Zweiten Weltkrieges eine Erkrankung auf, die eine Hemmung der Bildung von weißen Blutkörperchen zur Folge hatte und auf verschimmelter Hirse und verschimmeltem Weizen beruhte. Erst nach Jahren wurde das die Erkrankung verursachende Mykotoxin, das T-2-Toxin aus der Gruppe der von Fusarien gebildeten Trichothecene, entdeckt, das in russischen Getreideproben mit einer Konzentration von bis zu 2,5 % vorkam.
Es sind inzwischen etwa 200 verschiedene Toxine bekannt, die von über 300 Pilzarten produziert werden,[1] wobei die Produktion eines bestimmten Toxins auf wenige bestimmte Arten beschränkt sein kann, aber auch von vielen Arten mehrerer Gattungen bewerkstelligt werden kann. Die Optimalbedingungen für die Bildung des Toxins und das Wachstum des Schimmelpilzes brauchen nicht notwendigerweise übereinzustimmen. Die meisten Mykotoxine sind sehr widerstandsfähig gegenüber Hitze- und Säurebehandlung.
Die Bildung von Mykotoxinen unterliegt einer ausgeprägten regionalen wie saisonalen Schwankungsbreite und ist abhängig vom Nahrungsangebot, Wassergehalt in Substrat und umgebender Luft (Luftfeuchte), Temperatur, pH-Wert und Interaktionen mit anderen Pilzen. Für die Giftbildung werden Substrate bevorzugt, die reich an Kohlenhydraten komplexer Zusammensetzung sind.[2]
Der Mensch ist hauptsächlich durch Kontaminationen in Lebensmitteln bedroht. Alle verschimmelten Nahrungsmittel können Mykotoxine enthalten.
- Primärkontamination: Getreide wurde schon auf dem Feld von Schimmelpilzen befallen (z. B. Mutterkorn auf Roggen, Weizen, Gerste)
- Sekundärkontamination: Lagernde Lebensmittel verschimmeln (z. B. Aspergillus oder Penicillium spp.)
- Carry over: Nutztiere nehmen verschimmelte Lebensmittel auf und geben die enthaltenen Gifte an die Produkte weiter: Milch, Eier, Fleisch
Die FAO schätzt, dass ca. 25 % der Welt-Nahrungsproduktion Mykotoxine enthalten. Am häufigsten belastet mit Fusarientoxinen sind Getreide (insbesondere der Mais und der Weizen). Betroffen von Aflatoxin-Befall sind häufig landwirtschaftliche Produkte aus tropischen und subtropischen Gebieten, da der Pilz Aspergillus flavus erst ab Temperaturen von 25–40 °C gut wächst. Betroffen sind dabei hauptsächlich Mais und vor allem ölhaltige Samen und Nüsse, wie z. B. Pistazien, Erdnüsse, Mandeln und Paranüsse. Mykotoxine können bei Menschen und bei Tieren bereits in geringen Konzentrationen toxische Wirkungen zeigen. Symptome von Vergiftungen sind Leber- und Nierenschädigungen, Beeinträchtigungen des Immunsystems, Haut- und Schleimhautschäden, oder hormonelle Auswirkungen wie Fruchtbarkeitsstörungen. Manche Mykotoxine sind auch krebserregend und können Erbschäden hervorrufen.[3]
Wirkung
Mykotoxine können bei Menschen und Tieren vielgestaltige, meist sehr schädliche Wirkungen entfalten. Insbesondere können sie
- krebserregend (karzinogen) wirken
- das Zentralnervensystem schädigen (neurotoxisch wirken)
- das Immunsystem schädigen (immunsuppressiv wirken)
- das Erbgut schädigen (mutagen wirken)
- die Leibesfrucht schädigen (teratogen wirken)
- Organschäden (z. B. an Leber oder Niere) verursachen (hepatotoxisch oder nephrotoxisch wirken)
- bei Berührung Hautschäden (von Hautreizungen bis Nekrosen) verursachen
- enzymatische Stoffwechselprozesse hemmen oder einleiten
- allergische Reaktionen auslösen
Eine Anzahl von Mykotoxinen besitzt die Fähigkeit, Bakterien an der Vermehrung zu hindern. Man spricht hier von einer antibiotischen Wirkung und nutzt diese Eigenschaft in verschiedenen Medikamenten gegen bakterielle Infektionen.
Arten
Mykotoxine können entweder aufgrund einer ähnlichen Molekularstruktur oder nach den sie produzierenden Schimmelpilzgattungen zu Stoffgruppen zusammengefasst werden:
- Aflatoxine
- Alternaria-Toxine, wie z. B. Alternariol (AOH), Alternariolmonomethylether (AME), Altenuen und Tenuazonsäure
- Fumonisine
- Fusarium-Toxine
- Mutterkornalkaloide (Ergotalkaloide)
- Ochratoxine
- Trichothecene, wie z. B. Deoxynivalenol (DON), Nivalenol, T-2-Toxin
Streng genommen müssten die Mutterkornalkaloide zu den Pilzgiften gerechnet werden, da der Produzent, das Mutterkorn (Claviceps purpurea), zu den Großpilzen gehört, da im Frühjahr kleine, aber deutlich erkennbare Fruchtkörper aus dem Sklerotium wachsen.
Liste von Mykotoxinen (Auswahl)
Ethanol (Ethylalkohol), das bei der anaeroben Metabolisierung von Zuckern durch manche Hefepilze (speziell Saccharomyces cerevisiae) entsteht, zählt zu den primären Stoffwechselprodukten und ist daher im engeren Sinn nicht zu den Mykotoxinen zu zählen.
Nachweismethoden
Für die Mykotoxin-Analytik gibt es einige physikalisch-chemische Methoden:
- Dünnschichtchromatographie (DC)
- Hochleistungsflüssigkeitschromatografie (HPLC)
- Gaschromatographie (GC)
- Kopplungen von HPLC und GC mit Massenspektrometern
- Fluoreszenzpolarisation (FP)
Bei diesen Untersuchungen werden die Substanzen mit organischen Lösungsmitteln aus dem Untersuchungsmaterial herausgelöst und in aufwändigen Verfahren soweit gereinigt und konzentriert, dass ein eindeutiger Nachweis ohne störende Substanzen möglich ist. Die HPLC/MS- und GC/MS-Kopplungen ermöglichen sowohl die sichere Identifizierung als auch Quantifizierung der verschiedenen Mykotoxine. Zur Gaschromatographie werden in der Regel Derivate (z. B. Trimethylsilylderivate) eingesetzt.[4] Bei Einsatz der HPLC/MS-Kopplung können auch underivatisierte Mykotoxine vermessen werden. Als Ionisierungsmethoden sind sowohl die Elektronenstoßionisierung (EI) als auch die Chemische Ionisierung (CI) mit Quadrupol- und Ionenfallen-Massenspektrometern möglich. Für die Schnellanalytik bei der Rohstoffannahme in Lebensmittel- und Futtermittelbetrieben (speziell für DON und ZEA) gibt es immunologischen ELISA-Verfahren und Mykotoxin-Streifentests („Dipsticks“), die nach der Methode von „Kapillardiffusionstests“ oder „flow-through-Tests“ arbeiten. Neuerdings gibt es außerdem homogene Rapid Kinetic Assays, welche als Präzisionsschnelltests eine genaue quantitative Bestimmungen in unter 15 Minuten ermöglichen.[5]
Höchstmengenverordnungen
EU-weit gilt die Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 der Kommission zur Festsetzung der Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln vom 19. Dezember 2006.[6]
Literatur
- Frank Frössel: Schimmelpilze in Wohnungen. Wenn der Pilz zur Untermiete wohnt. Baulino Verlag, Waldshut-Tiengen 2006, ISBN 3-938537-18-3.
- Lutz Roth, Hanns K. Frank, Kurt Kormann: Giftpilze · Pilzgifte. Schimmelpilze · Mykotoxine. Vorkommen, Inhaltsstoffe, Pilzallergien. ecomed, Landsberg 1990, ISBN 3-609-64730-2.
- Rudolf Weber: Mycotoxine in Lebensmitteln. In: Chemie in unserer Zeit. 17. Jahrg. 1983, Nr. 5, S. 146–151, ISSN 0009-2851.
- Rolf Steinmüller: Mykotoxine und deren schneller Nachweis. Teil 1. In: Mühle + Mischfutter. 150. Jahrg. 2013, Heft 11, S. 343–349, ISSN 0027-2949.
Einzelnachweise
- ↑ Habermehl: Die Bedeutung von Mykotoxikosen für Mensch und Tier. In: Deutsche tierärztliche Wochenschrift. 1989, S. 335–338.
- ↑ Thalmann: Bedingungen für die Bildung von Mykotoxinen in Futtermitteln. In: Deutsche tierärztliche Wochenschrift. 1989, Vol 96, S. 341–343.
- ↑ Medienmitteilung der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART.
- ↑ H. U. Melchert, E. Pabel: Reliable identification and quantification of trichothecenes and other mycotoxins by electron impact and chemical ionization-gas chromatography-mass spectrometry, using an ion-trap system in the multiple mass spectrometry mode – Candidate reference method for complex matrices. In: Journal of Chromatography. (2004), A 1056, S. 195–199, PMID 15595550.
- ↑ Elise Teichmann, Frank Mallwitz: Industrielle Qualitätskontrolle bei Hafer, Weizen und anderen Getreidesorten mit DON- und T-2/HT-2-Analytik. In: Mühle + Mischfutter. 150. Jahrg. (2013), Heft 11, S. 332–336 ISSN 0027-2949
- ↑ Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 zur Festsetzung der Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln.
Weblinks
- Abschnitt über Mykotoxine in Belitz/Grosch: Lehrbuch der Lebensmittelchemie
- Informationen zum Thema Mykotoxine für Getreidebauern, Viehhalter, Futtermühlen, Wissenschaftler, Tiermediziner und Konsumenten (engl.)
- Informationen zu den wichtigsten Mykotoxinen und ihren Detektionsmethoden (engl.)
- Informationen zu Mykotoxinen beim Verbraucherschutzinformationssystem Bayern
- Höchstmengenregelungen für verschiedene Mykotoxine
- Erklärungen und Publikationen der Forschungsanstalt ART
- Homepage der Gesellschaft für Mykotoxinforschung (englisch)
Dieser Artikel basiert ursprünglich auf dem Artikel Mykotoxin aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der Doppellizenz GNU-Lizenz für freie Dokumentation und Creative Commons CC-BY-SA 3.0 Unported. In der Wikipedia ist eine Liste der ursprünglichen Wikipedia-Autoren verfügbar. |