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Muhammad Sameer Murtaza

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Muhammad Sameer Murtaza (* 25. Oktober 1981 in Oberwesel) ist ein pakistanisch-deutscher Islam- und Politikwissenschaftler, islamischer Philosoph und Buchautor. Seit 2010 ist er als erster Muslim bei der Stiftung Weltethos als Islamwissenschaftler tätig.

Leben

Muhammad Sameer Murtaza begann im WS 2004/2005 sein Studium der Islamkunde, der islamischen Philologie und der Politikwissenschaft in Mainz.

Von 2006 bis 2008 war Murtaza als wissenschaftliche Hilfskraft im Kompetenzzentrum Orient-Okkzident (KOOM) der Johannes Gutenberg-Universität Mainz tätig. Im Sommer 2007 übernahm er die Leitung des Seminars Politische Strömungen im Islam am Zentrum für wissenschaftliche Weiterbildung dieser Universität. Vom WS 2016/17 bis zum SS 2017 lehrte er am Institut für islamische Theologie in Osnabrück islamische Philosophie und Mystik.[1] 2010 wurde er externer Mitarbeiter der Stiftung Weltethos und stellvertretender Juso-Kreisvorsitzender im Kreis Bad Kreuznach.[2]

Nach seiner Magisterarbeit über die ägyptische Muslimbruderschaft 2011 promovierte Murtaza 2016 mit einem Vergleich zwischen Nietzsches Übermenschen und Iqbals mard-e-momin und entwickelt dabei einen Ansatz einer islamischen Existenzialphilosophie.[3]

Forschungsschwerpunkte

Salafismus und Reformation im Islam

Es lassen sich in Murtazas Forschen mehrere Schwerpunkte ausmachen. Zum einen erforscht er die gegenwärtigen Strömungen im sunnitischen Islam, insbesondere die Salafiyya. Hierzu entwickelte er eine differenzierte Typologie, in der die historischen Bedingungen für das Entstehen des Phänomens Salafiyya berücksichtigt werden.[4][5][6] Er vergleicht verschiedene Salafiyya-Bewegungen miteinander hinsichtlich ihres Entstehungskontextes, ihrer Genese und ihren inhaltlichen Positionen. Demnach lassen sich unter den Begriff Salafiyya vier Richtungen ausmachen: 1) die literalistische Salafiyya (Bsp. Wahhabismus), die reformistische Salafiyya (Bsp. Dschamal ad-Din al-Afghani und Muhammad Abduh), die ideologische Salafiyya (Bsp. Muslimbrüder) und die literalistisch-ideologische Salafiyya (Bsp. Hizb ut-Tahrir). Murtaza kommt zu dem Schluss, dass sich durch eine solche Betrachtung der Salafiyya durchaus Parallelen zur Entstehung des Protestantismus ausmachen lassen.[7] Murtaza stellte in seinem 2016 erschienenen Buch "Die gescheiterte Reformation: Salafistisches Denken und die Erneuerung des Islam" eine ausführliche Übersicht dieser vier Salafiyya-Strömungen vor, zog Parallelen zur christlichen Reformation und legte dar, weshalb eine Reformation strukturell im Islam nicht gelingen und historisch im Vergleich zum Christentum nicht wünschenswert sein kann.[8][9][10][11] Zuvor hatte er mit seinem Büchern "Die ägyptische Muslimbruderschaft – Geschichte und Ideologie" und "Die Reformer im Islam. Jamal Al-Din Al-AfghaniMuhammad AbduhQasim AminMuhammad Raschid Rida" sich ausführlich mit der Geschichte, dem Denken und Innenleben der ideologischen und reformistischen Salafiyya auseinandergesetzt.

Das Scheitern der Salafiyya-Bewegungen, so Murtaza, habe zur Entstehung eines neuen Phänomens geführt: einem islamischen Nihilismus, der die Ideologie von Terrororganisationen wie der Al-Qaida oder dem IS sei.[12][13][14]

Islamische Philosophie

Ein weiterer Schwerpunkt bildet die Restauration und Fortschreibung der islamischen Philosophie, um zu einem postsalafistischen Islamverständnis zu gelangen.[15] Hierbei stützt er sich vor allem auf die Arbeiten von Dschamal ad-Din al-Afghani, Muhammad Iqbal, Abdoldjavad Falaturi und Murad Wilfried Hofmann, aber auch auf nicht-muslimische Philosophen wie Friedrich Nietzsche und Erich Fromm. Hierzu veröffentlichte er die Grundlagen-Monographien "Islamische Philosophie und die Gegenwartsprobleme der Muslime: Reflexionen zu dem Philosophen Jamal Al-Din Al-Afghani", "Islam. Eine philosophische Einführung und mehr..." und "Islamische Existenzialphilosophie: Muhammad Iqbal nietzscheanisch gelesen". Seit 2016 ist er gemeinsam mit Murad Hofmann Herausgeber einer Buchreihe zur Geschichte der islamischen Philosophie.

Toleranz und jüdisch-muslimischer Dialog

Ein anderer Schwerpunkt stellt die Erstellung eines aktualisierten Toleranzkonzepts im Islam dar,[16] wobei Murtaza den Weltethos-Gedanken von Hans Küng in den Islam mit aufnimmt. In den vergangenen Jahren betonte Murtaza insbesondere die Bedeutung des jüdisch-muslimischen Dialogs[17] und dekonstruierte den islamisch verbrämten Antisemitismus,[18][19] der nach Murtaza historisch mit dem Nahost-Konflikt verknüpft sei und damit behebbar.[20][21] In seinem Werk "Schalom und Salam: Wider den islamisch verbrämten Antisemitismus" gelangt er zu der Feststellung, dass Muslime, die antisemitische Argumente benutzen, sich auffällig wenig auf den Koran beziehen. Sie würden stattdessen häufig Bezug nehmen auf europäische antisemitische Schriften, allen voran die so genannten „Protokolle der Weisen von Zion[22][23]:

"Das bedeutet, dass der Islam selber wohl zu wenig Material liefert, um ein Weltbild des jüdischen Verschwörers, des jüdischen Agitators, des jüdischen Kapitalisten etc. zu generieren, dass man eben diese europäischen Texte braucht und dann islamisiert und dann in einem zweiten Nachgang den Koran in den Dienst dieser menschenverachtenden Ideologie stellt."[24]

Gewaltlosigkeit

Weiter forscht Murtaza zu Gewaltlosigkeit, abgeleitet aus den Quellen des Islam. Hierzu beschäftigt er sich mit zeitgenössischen Denkern und Gelehrten wie Jawdat Sa'id[25][26][27][28] und Maulana Wahiduddin Khan.[29][30]

Homosexualität

Murtaza spricht sich für eine Akzeptanz homosexueller Muslime in der muslimischen Community aus und begründet dies mit der transzendenten Würde des Menschen.[31] Er bestreitet dabei nicht, dass es eine Spannungsverhältnis zwischen Islam und Homosexualität gibt, glaubt aber dass dieses wie einst im Mittelalter gemildert werden kann, da die von Gott verliehene Menschenwürde schwerer wiege. Die Todesstrafe für homosexuelle Handlungen, wie sie manche muslimische Gelehrten einfordern, lehnt Murtaza strikt ab, da sie sich nicht im Koran findet und die Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht des Menschen verletze.[32][33] Prophetenworte, die eine Todesstrafe fordern, dekonstruierte er als spätere Fälschungen.[34] 2017 legte Murtaza mit dem Werk "Islam und Homosexualität – ein schwieriges Verhältnis" eine philosophische Debattenschrift hierzu vor.

Insbesondere seine Dekonstruktion des Wahhabismus,[35] aber auch des liberalen Islams[36] fand über die muslimische Gemeinschaft Deutschlands hinaus Beachtung.

Integration und Bürgerrechte

Für den Zentralrat der Muslime initiierte und leitete er von 2011 bis 2014 das Projekt "Das Grundgesetz im (Migrations-)Vordergrund", das parteiübergreifend Unterstützung fand.

Im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise und der damit verbundene Herausforderung für die Integration äußerte Murtaza in einem Interview:

"Die vergangenen zehn Jahre sind wir gesamtgesellschaftlich in Fragen der Integration einen weiten Weg zusammengegangen. Dieser war oft sehr konfliktreich, aber letztendlich fand man in vielen Punkten Kompromisse. Jetzt kommen da viele Menschen zu uns, die diesen Weg nicht mitgegangen sind. Da bleibt es nicht aus, dass bestimmte Konfliktthemen wieder auf den Tisch kommen und wieder ausdiskutiert werden müssen, was natürlich am Nervenkostüm unserer Gesellschaft zehren wird. Und genau hier liegt das Unbehagen. Deshalb ist es wichtig, und hier sehe ich uns deutsche Muslime in der Pflicht, die Neuankömmlinge auf das Leben hierzulande vorzubereiten und sie auch in die Knigge, die Umgangsformen, einzuweisen. Andernfalls werden provinziale Landespolitiker wie die CDU-Politikerin Julia Klöckner in Rheinland-Pfalz jede Chance nutzen, die sich ihnen bieten, um den ohnehin bestehenden Graben eines gesellschaftlichen Wir-Ihr weiter zu vertiefen."[37]

In seinem Buch "Abraham - Ismael - Isaak: Leitgestalten für Juden, Christen und Muslime" beschäftigt sich Murtaza mit der Rolle der abrahamischen Religionen, insbesondere der muslimischen Gemeinschaft, in der Moderne und ihrem Verhältnis zur politischen Macht. Nach Murtaza sollen Juden, Christen und Muslime in ihren vier Handlungsfeldern: Friedensarbeit, Achtung der Menschenwürde, Einhaltung der Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung zusammenarbeiten.[38] Hinsichtlich der politischen Macht plädiert er für Distanz, damit Vertreter einer religiösen Gemeinschaft und die religiöse Botschaft nicht korrumpiert wird. Er verweist dabei auf die Erfahrungen der Mihna. Politische Macht, definiert als die äußere Unterwerfung des Menschen unter einer Autorität, sei niemals das Ziel des Propheten Muhammad gewesen:

"Heute muss erneut gefragt werden, was das spezifisch Islamische ist. Der Qurʾān ist kein politisches Buch, von dem man richtiges politisches Handeln ableiten kann. Die Kanzel (mimbar) ist weder ein Ort für parteipolitische Propaganda noch eine Plattform für Politiker, schon gar nicht in Wahlkampfzeiten. Der parteipolitische Imam ist eine Verirrung. Gottesdienst muss Gottesdienst bleiben. Er darf nicht zu einer politischen Veranstaltung mutieren. Oder zu einem billigen Stammtisch, an dem einfache Antworten auf komplexe Probleme schwadronieren."[39]

Nach Murtaza bedeutet dies jedoch nicht, dass die Religionsgemeinschaften keine politischen Akteure sind. Durch die Macht der Nächstenliebe, definiert als eine Macht, der sich die Menschen aus innerer Zustimmung unterwerfen, leiten Juden, Christen und Muslime Transformationsprozesse in ihren Gesellschaften ein, die im Einklang mit ihren vier Handlungsfeldern stehen. Die Erziehung des Gläubigen zu einem vorbildlichen Menschen sei seit jeher Ziel der Religionen gewesen, daher verwundert es Murtaza nicht, dass sich die Religionen und ihre Denker wenig um Insitutionenlehre gekümmert haben:

"Der Islam, so darf weiter geschlussfolgert werden, ist daher niemals Staat. Der Staat ist nicht Ausdruck der guten Ordnung Gottes. Der Staat darf nicht vergöttlicht werden, wie es islamisch-ideologische Gruppierungen ab dem 20. Jahrhundert taten. Der Staat betet nicht. Theologisch und geschichtlich sollten wir zu der Einsicht gelangen, dass der Staat kein weltanschauliches Antlitz und auch keine religiösen Parteien haben sollte. Wichtig sollten uns Muslime vielmehr zwei Dinge sein, a) dass der Staat demokratisch ist, da diese Regierungsform dem Menschen ermöglicht, seine Aufgabe als Statthalter Gottes auf Erden zu erfüllen und somit seiner Würde am ehesten entspricht, sowie b), dass der Staat die religiöse Verkündigung nicht ausschließt."[40]

Die Distanz zwischen Staat und Religionsgemeinschaft schütze den Staat vor religiöser Vereinnahmung als auch die Religion vor politischen Missbrauch. Der religionsneutrale säkulare Staat sei demnach die gesunde Mitte:

Eine Religionsgemeinschaft hat nicht die Funktion einer Partei oder eines Staates. In der Moschee wird anders gesprochen, anders argumentiert als im Parlament. Die Religionsgemeinschaft ist eine Erinnerungsgemeinschaft. Sie erinnert an Gott, an Seine Barmherzigkeit, an Seine Gerechtigkeit, an Seine Gebote und Verbote und damit auch die Regierenden an ihre Verantwortung. (...) Auf diese Weise ist eine Religionsgemeinschaft prophetisch und zugleich Akteur in der Demokratie, denn durch ihr Wirken verhilft sie allen Bürgern im Staat zu mehr Recht, mehr Frieden und mehr Freiheit.[41]

Nach Murtaza dient der Abstand von den politischen Mächten auch der Glaubwürdigkeit der Religionsgemeinschaften. Bei gesellschaftlichen Konflikten kann eine solche dann als ehrlicher Makler zwischen allen Parteien fungieren, da sie als unabhängig, uneigennützig und fair wahrgenommen wird, da sie keine politischen oder ökonomischen Interessen verfolgt. Weiter gilt sie als ungefährlich, da sie nicht mit politischen, wirtschaftlichen oder militärischem Druck und Zwang arbeitet, sondern allein durch ihre Überzeugungskraft in Wort und Tat. Hierdurch erhalten religiöse Akteure einen Vertrauensvorschuss, während politisierte Religionsgemeinschaften Friedensprozesse eher behindern.[42]

Positionen und Kontroverse

Im Zusammenhang mit den Terroranschlägen auf die Pariser Satirezeitung Charlie Hebdo, führte die Wochenzeitung Der Freitag ein Interview mit Murtaza, in dem er Muslime aufforderte, sich dem gewalttätigen Islam zu stellen, schließlich hätten alle Religionen in ihren Schriften "Talibantexte" mit denen sich kritisch Gläubige auseinandersetzen müssen.[43] Sonst würde sich die Geschichte immer wiederholen.[44] In einem Interview mit der Wochenzeitung Die ZEIT plädierte Murtaza für eine rationalistische Lesart des Koran:

"Wir sollten die Offenbarung als ein anvertrautes Gut verstehen. Rechtleitung in ihr findet der Mensch nicht durch eine massenkompatible Lesekultur des Findens, sondern nur durch eine wissenschaftliche Lesekultur des Suchens, also der Auseinandersetzung mit dem Text. Interpretation ist zwar Teil des religiösen Wissens einer Glaubensgemeinschaft. Sie darf aber mit der Religion nicht gleichgesetzt werden. Sie ist lediglich der Versuch, der göttlichen Rechtleitung nahezukommen. Das Ergebnis dieser wissenschaftlichen Herangehensweise an die Offenbarung ist Demut, Bescheidenheit und Toleranz gegenüber anderen Islamentwürfen bis hin zu anderen Religionsentwürfen."[45]

In einem Interview mit Telepolis erklärte Murtaza, dass eine Debattenkultur essentiell für eine Erneuerung der muslimischen Gemeinde sei. Weiter erklärte Murtaza in einem Interview mit der Zeitschrift debatte die Bekämpfung des islamischen Extremismus für die derzeit größte Herausforderung für die Muslime:

"Wir erleben derzeit eine Welle der Gewalt, die im Namen des Islam ausgeübt wird. Die Überwindung dieser Gewalt ist die größte Herausforderung für die Muslime in der Gegenwart. Wir dürfen nicht mit Ausweichstrategien antworten wie: „Gewalt hat nichts mit dem Islam zu tun“ oder „Der Islam kennt einzig und allein den Frieden“. Mit solchen Sätzen vermeiden Muslime die Auseinandersetzung. Wir brauchen eine religionskritische Analyse – übrigens nicht nur im Islam. Wir haben Taliban-Texte in allen religiösen Schriften der drei abrahamischen Religionen. (...) Keiner kann die schwierigen Verse einfach ausradieren. Wir können keine Bibel 2.0 und keinen Koran 2.0 erstellen, sondern müssen lernen, mit schwierigen Textstellen umzugehen. Die Aufgabe der Religionsgemeinschaften ist zu vermitteln, wie das gelingen kann. Dieser mühselige Lernprozess gehört zu einem erwachsenen, mündigen Glauben. Hierzu gehört es, zu augenscheinlich destruktiven Textstellen auch einmal Nein zu sagen und sie dann mittels der Exegese zu kontextualisieren."[46]

Gegenüber einer Reformation des Islam analog zur christlichen Reformation äußerte Murtaza große Bedenken. Zum einen befände sich der Islam seit geraumer Zeit in einem solchen Prozess in Gestalt der salafiyya und zum anderen habe die christliche Reformation das Christentum nicht erneuert, sondern eine Kirchenspaltung und Religionskriege hervorgebracht. Nicht die Reformation, sondern die Aufklärung habe Europa schließlich erneuert. Als nach dem 30-jährigen Krieg beide christlichen Konfessionen erschöpft waren und ihre Glaubwürdigkeit verloren hatten, habe sich ein Raum für neue Ideen ergeben, der die Aufklärung möglich machte. Für Muslime bedeute dies daher, dass sie einen anderen Weg finden sollten, zu einer Erneuerung des Islam zu gelangen. Nötig seien hierfür Selbsterziehung des einzelnen Muslims und eine aufgeklärte Debattenkultur.[47][48][49][50][51] Murtazas wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Theologie Mouhanad Khorchides in seinem Buch "Islam. Eine philosophische Einführung und mehr..." führten 2014 zu einer Kontroverse, in der Murtaza in einem öffentlichen Brief eine Mobbingkampagne Khorchides gegen ihn bekannt machte, die für eine notwendige sachliche Debatte Kontraproduktiv sei.[52][53] Zumal Khorchides Kollege Milad Karimi Murtazas Buch zuvor gelobt hatte.[54] Khorchide stritt diese Vorwürfe ab und drohte mit rechtlichen Konsequenzen, die jedoch nicht folgten.[55] Der Journalist Till-Reimer Stoldt schrieb 2016 über Khorchide und diesen Streit:

"Rigoros geht Khorchide zudem über Einwände hinweg, denen man die theologische Substanz schwerlich absprechen kann. So stellte der weltbekannte Religionswissenschaftler Rudolf Otto schon vor fast 100 Jahren fest, das „Wesen des Göttlichen“ bestehe in dem „Faszinierenden und dem Erschreckenden“. Auf Otto berufen sich muslimische Denker wie Muhammad Sameer Murtaza von der Stiftung Weltethos. Er warnt, Khorchide verniedliche Gott, er beraube den Schöpfer des Faszinierenden und Erschreckenden, indem er Gott zu einem nur noch lieben, „handzahmen“ Wesen degradiere. (...) Vielleicht finden Khorchide und sein Korrektiv in dieser Frage ja noch zueinander?"[56]

In einem groß angelegten Interview nahm Murtaza ausführlich Stellung zu den wiederholten Angriffen des Islamwissenschaftlers Abdel-Hakim Ourghi, der Murtaza wiederholt als "Islamist", "Dschihadist" und "Geisteskranker" diffamiert hatte. Murtaza zufolge ziele der Konkurrenzkampf in der Islamwissenschaft mittlerweile darauf, andersdenkende Wissenschaftler dermaßen zu diffamieren, dass ihre ganze Existenz zerstört wird. Er hoffe, dass eines Tages eine Rückkehr zu einer Sachdebatte möglich ist.[57]

Zur Kontroverse des Händeschüttelns von Muslimen und Nichtmuslimen entgegengesetzten Geschlecht erklärte Murtaza in einem Interview 2017, dass Händeschütteln ein wichtiger Brauch in den westlichen Gesellschaften sei und für Frieden, Freundschaft und Vertrauen stehe. Diese Geste stelle keinen intimen Körperkontakt dar und daher sollten Muslime sich dieser nicht verweigern.[58]

Die Journalistin Julia Gerlach beurteilt die Arbeit von Kübra Gümüsay, Hülya Kandemir und Muhammad Sameer Murtaza als typisch für einen "reflektierteren, selbstbewussteren, individuelleren Zugang zur Religion"[59].

Veröffentlichungen (Auswahl)

Wissenschaftliche Aufsätze

  • Al-Afghanis Plädoyer für die islamische Philosophie. In: Nun. (8) 2009, S. 26–34.
  • Die Demokratisierung der muslimischen Welt. Ansichten des muslimischen Philosophen Gamal Al-Din Al-Afghani. 2009. Internet: http://www.muslimische-stimmen.de/uploads/media/Die_Demokratisierung_der_musl.Welt_Al-Afghani.pdf
  • Können die Weltreligionen noch einen Beitrag zum Frieden leisten? 2011. Internet: http://islam.de/files/pdf/weltreligionen_frieden_21_03_2011.pdf
  • Wozu Weltethos? Ein Plädoyer aus den Quellen des Islam. 2011. Internet: http://islam.de/files/pdf/wozu_weltethos.pdf
  • Das „Projekt Weltethos“ als Vermittler zwischen Juden und Muslimen. 2011. Internet: http://islam.de/files/pdf/projekt_weltethos_vermittler.pdf
  • Jenseits von Eden. Was die Anschläge von Toulouse bedeuten und vor welche Herausforderungen sie die muslimische Community stellen. 2012. Internet: http://islam.de/20027
  • Islam ohne Seele oder alles nur PR? Warum die Debatte zwischen "liberalen" und "konservativen" Islam eine Scheindebatte ist. 2012. Internet: http://islam.de/20577
  • Islamische Toleranz im Konflikt. Konzeptionen eines umstrittenen Begriffes. 2012. Internet: http://www.franz-hitze-haus.de/index.php?cat_id=12562&myELEMENT=256596
  • Sayyid Qutbs hermeneutische Methoden und Auslegung des Qur'ans am Beispiel der Sure al-baqara. In: Milad Karimi, Mouhanad Khorchide: Jahrbuch für Islamische Theologie und Religionspädagogik. Freiburg 2012, S. 39–61.
  • Die simple Unterteilung in Gut und Böse. Die Genealogie der HAMAS. 2013. Internet: http://www.islamische-zeitung.de/?id=16569
  • Die Fähigkeit zur Selbstkritik am Beispiel des islamisch verbrämten Antisemitismus. 2013. Internet: http://islam.de/22132
  • Islamische Toleranz im Konflikt II. 2013. Internet: http://www.franz-hitze-haus.de/index.php?mySID=36a69819346d160bc45a84ae07736ca4&cat_id=12562&myELEMENT=282338
  • Was ist die Salafiyya?. 2014. Internet: http://islam.de/files/pdf/u/Was%20ist%20die%20Salafiyya.pdf
  • Gott, der Erbarmer, der Gerechte, der Liebevolle. 2014. Internet: http://islam.de/23898.php.
  • Der Universalismus in Thora und Qur'an. 2014. Internet: http://islam.de/24024.
  • Der gewaltlose Widerstand der Palästinenser. 2015. Internet: http://www.friedenstheologie.de/main.php?chap=i&topic=texte&id=70.
  • Gott liebt, Menschen töten: Die Gewaltlosigkeit in der Praxis der ersten Muslime – Die Goldene Regel – Die Grenzen der Gewaltlosigkeit. 2015. Internet: http://islam.de/26549.php.
  • Der Gender-Dschihad – Denkanstöße für ein partnerschaftliches Zusammenwirken von Mann und Frau. 2015. Internet: http://islam.de/26870.php.
  • Ismael und die Wiederherstellung des Abrahamssegen. 2016. Internet: http://islam.de/files/pdf/u/Ismael.pdf.
  • Die Tischgemeinschaft – Grundlagen einer Friedenslehre aus den Quellen des Islam. 2016. Internet: http://islam.de/files/pdf/u/Die%Tischgemeinschaft.pdf.
  • Gewahrwerden und Achtsamkeit als erste Schritte auf dem Pfad der islamischen Friedenslehre. 2016. Internet: http://islam.de/files/pdf/u/gewahrwerden%20und%20achtsamkeit.pdf.
  • Zu viele Waffen in zu vielen Händen. 2017. In: Religion und Frieden. 6. Hubertusburger Friedensgespräche 21.–22. Oktober 2016. Protokollband. Jena, S. 78–95.
  • Salafiyya – eine muslimische Reformation? In: inamo. 23 (91), 2017, S. 42–46.
  • Hat der Islam ein Gewaltproblem? 2017. In: Schambeck, Mirijam; Pemsel-Maier, Sabine: Welche Werte braucht die Welt? Wertebildung in christlicher und muslimischer Perspektive. Freiburg: 216–232.
  • Ein inklusives Wir im säkularen Staat. 2017. In: Bibel und Liturgie… in kulturellen Räumen 3: 189–197.
  • Die gescheiterte Reformation im Islam. 2017. In: Evangelisches Predigerseminar: Unser Luther? Perspektiven auf ein Jahrhundert Jubiläum. Lutherstadt Wittenberg: 60–84.
  • Weltethos in Zeiten von Umbrüchen – Ein muslimisch-philosophischer Gedankengang. In: Michael Klöcker, Udo Tworuschka (Hrsg.): Handbuch der Religionen. Kirchen und andere Glaubensgemeinschaften in Deutschland. Olzog Verlag, Landsberg (Lech) 1997 ff., ISBN 3-7892-9900-6, Einzellieferung 57, 2018, S. 1–18.
  • Was Karl Barth vom Islam hätte lernen können. In: Susanne Hennecke (Hrsg.): Karl Barth und die Religion(en). Erkundungen in den Weltreligionen und der Ökumene. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2018, S. 151–163.
  • Frieden ist kein Geschenk. In: Markus Thurau (Hrsg.): Gewalt und Gewaltfreiheit in Judentum, Christentum und Islam. Annäherungen an ein ambivalentes Phänomen. Göttingen 2018, S. 211–230.
  • Erneuerung: Eine Architektur der Umma für das 21. Jahrhundert. In: Vivien Neugebauer (Hrsg.): Heilige Schriften im Deutungsstreit: Wie legen Christen und Muslime sie heute aus? Loccum 2018, 171–184.
  • Welche Bedeutung hat die Scharia im säkularen Staat? Von der Rechtswissenschaft zur Ethik. In: Reinhold Mokrosch, Habib El Mallouki: Religionen und der globale Wandel: Politik, Wirtschaft, Bildung. Stuttgart 2019, S. 29–52.

Artikel

Bücher

  • Lawrence von Arabien und die Neugestaltung des Nahen Osten. Norderstedt 2009, ISBN 978-3-8370-1202-6. Rezension, in: Cube-Mag. März 2010. Jörg Beyer Rezension, in: Muslimische-Stimmen. Juni 2009.
  • mit Andrea Köck: Muslime im Krankenhaus. Ein interreligiöser Ratgeber für das Krankenpflegepersonal. Norderstedt 2009, ISBN 978-3-8391-1741-5.
  • Islamische Philosophie und die Gegenwartsprobleme der Muslime. Reflexionen zu dem Philosophen Jamal Al-Din Al-Afghani. Tübingen 2012, ISBN 978-3-89930-371-1.
  • Die ägyptische Muslimbruderschaft – Geschichte und Ideologie. Berlin 2011, ISBN 978-3-942972-06-2. Christian Wolff: Rezension, in: H-Soz-u-Kult 20. Dezember 2011.
  • Islamische Philosophie und die Gegenwartsprobleme der Muslime. Reflexionen zu dem Philosophen Jamal Al-Din Al-Afghani. Tübingen 2012, ISBN 978-3-89930-371-1. Rezension von Frauke Heard-Bey, Abu Dhabi: DAVO-Nachrichten Bd. 36–37
  • Islam. Eine philosophische Einführung und mehr... Norderstedt 2014, ISBN 978-3-7322-9828-0. Murad Hofmann: Rezension, Internet: islam.de 7. Juni 2014.
  • mit Jörgen Klußmann; Holger-C. Rohne; Yahya Wardak: Gewaltfreiheit, Politik und Toleranz im Islam. Wiesbaden 2015, ISBN 978-3-658-10486-3.
  • Die Reformer im Islam. Jamal Al-Din Al-Afghani – Muhammad Abduh – Qasim Amin – Muhammad Raschid Rida. Norderstedt 2015, ISBN 978-3-8334-5073-0.
  • Islamische Existenzialphilosophie: Muhammad Iqbal nietzscheanisch gelesen. Norderstedt 2016 (zugleich Dissertation), ISBN 978-3-7412-4936-5.
  • mit Murad Wilfried Hofmann und Ecevit Polat: Islamische Philosophie. Band 1: Von den Anfängen bis zu Al-Kindi. Hamburg 2016, ISBN 978-3-7345-5210-6; vgl. dazu Rezension von Sulaiman Wilms in: Islamische Zeitung Nr. 257: 16.
  • Die gescheiterte Reformation: Salafistisches Denken und die Erneuerung des Islam. Herder 2016, ISBN 978-3-451-34891-4.
  • Islam und Homosexualität – ein schwieriges Verhältnis. Hamburg 2017, ISBN 978-3-7439-0677-8.
  • Adam – Henoch – Noah – Ijob: Die frühen Gestalten der Bibel und des Qur'an aus jüdischer und muslimischer Betrachtung. Hamburg 2017, ISBN 978-3-7439-5688-9.
  • mit Murad Wilfried Hofmann, Mahdi Esfahani und Büsra Yücel: Islamische Philosophie. Band 2: Islamische Philosophie im Konflikt – von Al-Razi und Al-Farabi bis Ibn Miskawai. Hamburg 2017, ISBN 978-3-7439-8774-6. Rezension von Tijana Sarac: Rezension, in: Islamische Zeitung 3. Mai 2018.
  • Schalom und Salam: Wider den islamisch verbrämten Antisemitismus. Frankfurt am Main 2018, ISBN 978-3-95779-085-9. Rezension von Frank Hörtreiter in Die Christengemeinschaft 11/2018: 41.
  • Abraham – Ismael – Isaak: Leitgestalten für Juden, Christen und Muslime. Hamburg 2018. Rezension von Andrea Kreisel in Info3 (Juli–August 2019): 62.
  • mit Murad Wilfried Hofmann: Islamische Philosophie. Band 3: Die Blütezeit der Falsafa. Hamburg 2019.

Literatur

  • Julia Gerlach: Zwischen Pop und Dschihad. Muslimische Jugendliche in Deutschland. Berlin 2006.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Lehrbeauftragte - Universität Osnabrück. In: www.islamische-theologie.uni-osnabrueck.de. Abgerufen am 31. Oktober 2016.
  2. https://www.vorwaerts.de/autor_in/muhammad-sameer-murtaza
  3. Promotion in Orientalistik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz 2016, Thema der Dissertation Islamische Existenzialphilosophie: Muhammad Iqbal nietzscheanisch gelesen, 2016
  4. Antje Schrupp: Religiöser Fanatismus: Der Sog der einfachen Antwort – Evangelisches Frankfurt. (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original am 18. Mai 2017; abgerufen am 10. Oktober 2017. i Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/evangelischesfrankfurt.de
  5. Salafismus: Prävention betrifft die ganze Gesellschaft - Deutsch Türkisches Journal | DTJ ONLINE. In: Deutsch Türkisches Journal | DTJ ONLINE. 2014-11-03 (https://dtj-online.de/islam-in-deutschland-salafismus-praevention-40769).
  6. Islam Aktuell - Pressebericht zur Veranstaltung "Salafismus, Jugend und Präventionsmöglichkeiten". (http://www.islam-aktuell.de/index.php/component/k2/item/36-pressebericht-zur-veranstaltung-salafismus-jugend-und-praeventionsmoeglichkeiten?highlight=YToxOntpOjA7czo3OiJtdXJ0YXphIjt9).
  7. „Mohammeds Erben“: Was ist der Salafismus – und warum wurde er zu einer gewalttätigen Ideologie? In: Die Zeit. 28. Juni 2012, abgerufen am 30. Mai 2014.
  8. Frankfurter Neue Presse: Muhammad Sameer Murtaza zieht Vergleich mit der Geschichte des Christentums: Salafismus ist die Reformation des Islam | Frankfurter Neue Presse. (http://www.fnp.de/lokales/frankfurt/Salafismus-ist-die-Reformation-des-Islam;art675,2557181).
  9. „Die Reformation hat Europa nicht erneuert“ - IslamiQ. In: IslamiQ - Nachrichten- und Debattenmagazin zu Islam und Muslimen. 2016-10-28 (http://www.islamiq.de/2016/10/28/die-reformationen-hat-europa-nicht-erneuert/).
  10. NDR: "Gottes Rute und Teufels Diener". Abgerufen am 10. Oktober 2017.
  11. Karina Blüthgen: Sonntagsvorlesung: Islamwissenschaftler zieht Parallelen zwischen den Religionen. In: Mitteldeutsche Zeitung. (http://www.mz-web.de/wittenberg/sonntagsvorlesung-islamwissenschaftler-zieht-parallelen-zwischen-den-religionen-26756220).
  12. Interview mit Islamforscher: "Menschlicher Unrat". (https://www.rhein-zeitung.de/region/lokales/bad-kreuznach_artikel,-interview-mit-islamforscher-menschlicher-unrat-_arid,1256501.html#.VLYU_7V0ypo).
  13. Ein Luther für den Islam? | DER SONNTAG (Sachsen). Abgerufen am 12. Oktober 2017.
  14. Margrit Hillmann, Antonia Moser, Brigitte Häring, Bernard Senn, Dagmar Walser: Braucht der Islam eine Reformation? Schweizer Radio und Fernsehen SRF, 31. März 2017, abgerufen am 12. Oktober 2017 (Schweizer Hochdeutsch).
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