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Mittelalterliche Synagoge Köln

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Übersicht über die Ausgrabungen vor dem Kölner Rathaus (2014)
Grabungsfund: Mutmaßlich Bodenfliesen aus der Synagoge
Blick in die Mikwe (2011)
Die ehemalige Synagoge als Kapelle St. Maria in Jerusalem (zwischen 1873 und 1876)

Die mittelalterliche Synagoge Köln befand sich in der Umgebung des heutigen Kölner Rathauses. Sie diente den Juden der Stadt bis zu ihrer Vertreibung im Jahre 1424 als Zentrum ihrer Gemeinde. Anschließend wurde sie umgebaut und als Ratskapelle St. Maria in Jerusalem genutzt, bis diese im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Bei Ausgrabungen zwischen 2007 und 2015 in der Archäologischen Zone Köln konnten Reste der Synagoge freigelegt werden.

Geschichte

Wann genau die mittelalterliche Synagoge in Köln erbaut wurde, ist unklar: Die schriftlichen Zeugnisse über die Anfänge der mittelalterlichen Judengemeinde verweisen in das 11. Jahrhundert. So liest man in den Regesten der Erzbischöfe von Köln aus dem Jahre 1426, 414 Jahre zuvor, also 1012, habe der Kölner Erzbischof Heribert den Kölner Juden die Errichtung einer Synagoge zugestanden. Diese Angabe wurde vom damaligen Herausgeber der Bände allerdings mit Klammern und einem Fragezeichen versehen.[1] In den spätmittelalterlichen Kölner Jahrbüchern von 1426 heißt es, das Gebäude habe sich schon 14 jair 400 jair, laut einer zweiten Handschrift ane 14 jair 400 jair [...] in der Joeden hant befunden, was je nach Lesart auf das Jahr 1012 oder das Jahr 1040 hinweisen kann. In der Vita Annonis Minor wird die Synagoge erwähnt, als die Kölner Juden am 4. Dezember 1075, einem Sabbat, den Tod von Erzbischof Anno, unter dessen Schutz sie gestanden hatten, beweint hätten.[2]

Das Judenviertel im Bereich des heutigen Kölner Rathauses war rund 1,35 Hektar groß, was weniger als als ein Prozent der damaligen Gesamtfläche der Stadt ausmachte. Dort lebten 700 bis 800 Juden, was Mitte des 14. Jahrhundert rund zwei Prozent der Kölner Bevölkerung von insgesamt 40.000 Bewohnern betrug. Das Viertel, das durch Zäune oder Gitter von Grundstücken der Christen abgetrennt war,[3] ist zwischen 1056 und 1075 bezeugt; die Mikwe, das rituelle Bad, erst 1270.[4]

Das Gemeindezentrum umfasste ca. 2400 Quadratmeter, was etwa einem Drittel des damaligen jüdischen Viertels entsprach, und beherbergte Einrichtungen für die Allgemeinheit wie die Synagoge, ein Backhaus, ein Hospital, die Mikwe und ein Gemeindehaus für Feste wie etwa Hochzeiten. Der Grundriss der Synagoge selbst maß 9 mal 15 Meter, und sie lag etwa in der Mitte des Viertels. Sie diente als Ort des Gebets und des Studiums sowie als Tagungsort für das Rabbinatsgericht. Unter der Synagoge war ein Geniza-Keller ausgebaut, wo vermutlich wertvolle Gegenstände, Urkunden sowie unbrauchbar gewordene Kultgegenstände aufbewahrt wurden. Auch hatte die Synagoge einen Anbau für die Frauen, der nur durch schmale Hörschlitze mit dem Betraum der Männer verbunden war. Da die Frauen so nur wenig vom Gottesdienst der Männer mitbekamen, fungierten bald gelehrte Frauen als Vorbeterinnen. Die talmudkundige Pura und ihre Schwestern Jenta und Vromut sind namentlich bekannt.[5] In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts ließ die Gemeinde die Synagoge im gotischen Stil restaurieren. Das Vorlesepult in der Mitte des Raums – die Bima – wurde neu gestaltet und mit einem Baldachin versehen. Sie konnte im Zuge der jüngsten Ausgrabungen aus rund 3000 Bruchstücken rekonstruiert werden. Die hohe Qualität dieses Sakralkunstwerks lässt vermuten, dass es von Beschäftigten der Kölner Dombauhütte gefertigt wurde.[6]

Bei einem Pogrom im Jahre 1096 wurden rund 300 jüdischen Menschen ermordet, bei einem weiteren Massaker 1349 die gesamte jüdischen Bevölkerung von Köln – geschätzt rund 800 Männer, Frauen und Kinder – getötet und die Synagoge ein weiteres Mal zerstört. 1372 wurden in Köln wieder einige jüdische Familien aufgenommen, und man baute die Synagoge wieder auf, allerdings passend zur verkleinerten Gemeinde in ebenfalls kleinerer Ausführung. Das Ende der mittelalterlichen jüdischen Gemeinde wurde am 16. August 1423 besiegelt: Der Rat der Stadt Köln beschloss, den Juden den im Oktober 1424 ablaufenden Aufenthaltsvertrag nicht mehr zu verlängern.[7] Einige jüdische Familien aus Köln siedelten daraufhin über den Rhein in das bergische Deutz über.[8]

Nach dieser Vertreibung der Juden übernahmen die christlichen Kölner das Gebäude der Synagoge und funktionieren sie unter dem Namen „St. Maria in Jerusalem“ zur Ratskapelle um. Diese Kapelle wurde bei einem Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört und nicht wieder aufgebaut.[5]

Datierungen

Ein Schreiben von Kaiser Konstantin an die Kölner Stadtvertreter aus dem Jahre 321 erweist Juden in Köln. Dies lässt die weitgehende Interpretation zu, dass es schon zu dieser Zeit eine jüdische Gemeinde in Köln und somit eine Synagoge gegeben haben könnte. 1956 legte der Archäologe Otto Doppelfeld nach der Entdeckung des römischen Praetoriums auch die mittelalterliche Synagoge und die Mikwe frei. Er vertrat die Ansicht, dass es sich bei der ältesten Phase um eine Synagoge vielleicht schon aus dem 9. Jahrhundert handele. Allerdings musste er die Grube nach sechs Monaten wieder zuschütten lassen, da Baumaßnahmen geplant waren; das Praetorium und die Mikwe blieben aber für die Öffentlichkeit zugänglich. Die Ausgrabungen von 2007 bis 2015 konnten diese Datierung von Doppelfeld jedoch modifizieren und weder die Existenz einer spätantiken noch einer frühmittelalterlichen Synagoge an dieser Stelle archäologisch belegen.[9]

Literatur

  • Barbara Becker-Jákli unter Mitarbeit von Nicola Wenge: Das jüdische Köln. Geschichte und Gegenwart. Emons, Köln 2013, ISBN 978-3-89705-873-6.
  • Otto Doppelfeld: Die Ausgrabungen im Kölner Judenviertel, in: Zvi Asaria (Hrsg.): Die Juden in Köln von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Köln 1959, S. 71–145
  • Wilhelm Janssen: Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter, Bonn/Köln 1973.
  • Katja Kliemann: Neue Erkenntnisse zur mittelalterlichen Synagoge und ihrem Umfeld. In: Jürgen Tronow/Markus Trier (Hrsg.): Archäologie im Rheinland. 2014, S. 166–168.
  • Katja Kliemann/Sebastian Ristow: Köln und das frühe Judentum nördlich der Alpen. In: Mitteilungen der DGAMN: Archäologie des Glaubens – Umbrüche und Konflikte. 31, 2018, S. 9–20.
  • Matthias Schmandt: Judei, cives et incole: Studien zur jüdischen Geschichte Kölns im Mittelalter. 1, Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2002, ISBN 3-7752-5620-2.
  • Sven Schütte/Marianne Gechter: Köln: Archäologische Zone / Jüdisches Museum. Von der Ausgrabung zum Museum – Kölner Archäologie zwischen Rathaus und Praetorium. Ergebnisse und Materialien 2006–2012. 2. Aufl. 2012 ISBN 978-3-9812541-0-5

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Schmandt, Judei, cives et incole, S. 1.
  2. Kliemann/Ristow, Köln und das frühe Judentum , S. 13.
  3. Kliemann, Das mittelalterliche jüdische Viertel, S. 169.
  4. Kliemann/Ristow, Köln und das frühe Judentum, S. 13.
  5. 5,0 5,1 Becker-Jákli, Das jüdische Köln, S. 33.
  6. Becker-Jákli, Das jüdische Köln, S 32.
  7. Becker-Jákli, Das jüdische Köln, S. 21.
  8. Becker-Jákli, Das jüdische Köln, S. 246.
  9. Kliemann/Ristow, Köln und das frühe Judentum, S. 18–19.
50.9378833333336.9585138888889
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